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Sicherheitsrat: kein Weltenrichter mehr!

Sitzungssaal des Sicherheitsrates im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York
Foto: Bernd Untiedt
Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported
Nach 1945 konnte man sich noch einbilden, der Sicherheitsrat der fünf Siegermächte über den weltweiten Faschismus sei ab jetzt die einzige Instanz, über Krieg und Frieden zu entscheiden. Natürlich wesentlich Frieden, dachte man damals. In Wirklichkeit funktionierte der Sicherheitsrat in diesem Sinn kaum einen Augenblick.

Solange es den Kalten Krieg gab, konnte das in der Regel fehlende Votum einzelner Mitglieder des Sicherheitsrats immerhin dazu dienen, den restlichen Erdenbürgern eine moralische Empörung zu erlauben. Oder zumindest ein keusches Zurückzucken vor jeder Kriegsaufforderung: "Tut mir so leid, aber der Sicherheitsrat hat es nicht zugelassen."

Und konnte so im Rahmen der Friedenssicherung wenigstens das Schlimmste verhüten. Nach dem Ende des Kalten Krieges aber verlor sich sogar dieses geringe Gute. Nicht zuletzt, als unter Fischer und Schröder in den Kosovokrieg eingegriffen wurde - ohne Sicherheitsratszustimmung - zeigte sich, dass bloße Machtüberlegungen an die Stelle des Sicherheitsrats traten.

Inzwischen sind die Dinge soweit gediehen, daß jede Macht, wenn sie nur stark genug scheint, sich herausnimmt, auf eigene Faust loszuschlagen. Im Irak-Krieg fing es an, als das Europa der Willigen ausgerufen wurde. Der Überfall auf Libyen durch Frankreich und England lieferte eines der letzten Beispiele.

Der Sicherheitsrat hat ausgedient. Und - muß man mit gewissem Recht sagen - was soll das Privileg der ehemaligen Siegesmächte sechzig Jahre nach dem Sieg über den Faschismus noch bedeuten? Warum gerade diese Staaten- und nicht andere?

Das beste wäre tatsächlich, die nur noch scheinbare Macht der Veto-Mächte einfach fallen zu lassen. Und angesichts der Verworfenheit der irdischen Verhältnisse, wie sie sich darstellen, einfachere Regeln für die Verbrechen eines Angriffskrieges aufzustellen. Zum Beispiel nur noch die Abstimmung im eigenen Parlament zu verlangen. Das würde - im Fall der Zustimmung durch ein in der Regel überschäumendes Regierungsorgan - zwar an der moralischen Verwerflichkeit eines jeden Krieges zwar nichts ändern. Aber wenigstens nach außen die rechtliche Beurteilung klären.

Ein Ausfall des Sicherheitsrats? Er würde nur eines schaffen: Den Blick auf die Scheinvertröstung durch den Gerechtigkeitswahn der geregelten Verhältnisse ändern. Und damit die Aufmerksamkeit schärfen auf die traurigen Verhältnisse, die immer wieder zu Kriegen aufrufen, ohne deren Folgen für andere und sich selbst je abschätzen zu können.

Wo blieb die richtige Lösung: Raus aus Afghanistan?

Schilder-Aktion der Linken
Foto: Die Linke Sachsen
via Wikimedia Commons
Lizenz: [CC-BY-2.0]
Gestern Abend lief zunächst der Film zu Oberst Klein und seinem Kundus - dann Anne Will mit der Diskussion darüber.

Der Film selbst lieferte mehr Entschuldigungsgründe für den Obersten, als erwartet. Es wurde - nicht zu Unrecht - gezeigt, wie von allen Seiten die Unglücksmeldungen hochgeschaukelt wurden, bis der Befehlshaber sich in einer Falle sah.

Einer - was vergessen wurde - trotz allem selbstverschuldeten Falle. Denn die ganze Diktion der Umgebung lief auf nichts heraus als "wir" und die "anderen". Und je länger der Diskurs sich hinzog, wurden aus den "anderen" die "Feinde".

Wer nicht für uns ist, ist - automatisch - wider uns. Man kennt das aus verwandten Systemen. Was natürlich den Folgen nach übertrieben scheint,liegt trotzdem nahe: Wenn die SS Oradour überfällt,weil dort die Gegner sitzen, ist das im Prinzip nicht anders. Der Andere ist notwendig - mit und - ohne Erlaubnis - der Feind. Der vernichtet gehört. Dieser Denkweise hat sich Klein in keinem Augenblick entzogen. Weder in der Wirklichkeit noch im Film.Und dass ihm am Ende vor allem afghanische Regierungskreise zustimmten, die aus Selbsterhaltungstrieb ihre "Aufständischen" lieber umgelegt wissen wollten als selbst abzuhauen,zeigt, woher dieses Denken stammt.

Die Diskussion bei "Anne Will" danach war ausnahmsweise einmal sehr interessant. Selbst Todenhöfer, der an sich sehr sympathisch davon sprach, dass kein Verantwortlicher den Angehörigen der Getöteten eine einfache Entschuldigung ausgesprochen hatte, blieb noch einen Meter zurück vor der endgültigen Entscheidung: Man hätte in dieses Felsenland nie einmarschieren dürfen. Pfoten weg von Afghanistan!

Meisterlich traten andere die Verteidigung Kleins an. Vor allem tat sich Lindemann, ein Verbindungsmann der Bundeswehr zur Abwehr hervor. Er schilderte präzis, dass 2002, als er antrat, die Stimmung im ganzen Volk - das heißt in allen verschiedenen Stämmen - sehr deutschenfreundlich war. Dann gibt er den Wechsel zu 2008 bekannt. Greuel! Was er nur vergisst, ist, woher der Wechsel stammte. Waren er und die Seinen nicht selbst daran schuld? Könnte der erbitterte Kampf nicht einfach dadurch hervorgewachsen sein, dass immer mehr Brunnenbauer und Mädchenschulgründer sich immer breiter machten? Insofern sich den Afghanen aller Richtungen immer stärker aufzwangen? Und dadurch erst sich der militärische Widerstand erhöhte?

Ein anderes Mitglied der Runde meinte später zur Verschlechterung der Beziehungen: das hätte nur geschehen können, weil Irak-Krieg und andere Invasionen die besseren Soldaten abgezogen hätten.

Schon möglich! Nur der richtige Schluss fehlte: Es soll gar keine Kriege anderswo mehr geben.

Zur Lösung all der herzbeklemmenden Bilder von Verwundeten und Toten in der ganzen Welt gibt es nur eines: Einen langen und mühsamen Weg. In dem sich eine friedensbereite Bevölkerung automatisch erhebt gegen das überall aufkeimende Freund-Feind-Denken. Bis dahin heißt es für alle: Die Waffen nieder. Die Feuerwehr beschleunigt das wachsende Unglück.

So utopisch die Buchtitel Todenhöfers im Augenblick noch scheinen mögen-sein Endziel ist auf jeden Fall das einzig Gerechtfertigte. Der Todesbefehl gegen jedermann darf nicht vollzogen werden.

Camerons tiefer Fall: Der Krieg zieht doch nicht mehr

David Cameron
Quelle: 10 Downing Street Webseite
Lizenz: Open Government Licence v2.0
Vorbei die Zeiten einer Thatcher. Mit einem Feldzug gegen Argentinien gewann sie die Wahlen, die schon verloren schienen. Auch Blair war noch recht erfolgreich beim Anschluss an die großen Bushs. Aber jetzt unser Cameron! Er dröhnte herum, schrie in alle Gegenden seine tiefe Empörung heraus. Und dann das! Die Abgeordneten verlangten auf einmal Beweise. Die natürlich der armselige Premierminister nicht vorlegen konnte. Und wie Gevatter Obama teilte er die völlige Gewissheit, dass er alles schon im vornhinein wußte. Die UNO-Abgesandten in Syrien waren schließlich nur für die Verständnislosen, die allem hinterherspüren mussten. So etwas brauchte ein Staatsmann und Führer doch keinen Augenblick.

Es glich einem Wunder! Plötzlich besann sich eine riesige Mehrheit, dass man im gewöhnlichen Leben doch auch erst einmal nachschaut, bevor man Entschlüsse fasst, die zu unseligen Verknüpfungen führen müssen. Und kaum war die bescheidene Erkenntnis unter die Leute gekommen, sass Obama mutterseelenallein da und grübelte, wohin er jetzt seine Züchtigungsrute in Syrien fetzen sollte. Hinzu kommt bei den Amerikanern noch der rührende Gedanke, dass eine gehörige Tracht Prügel noch niemand geschadet hat. Der strenge Sittenrichter wacht ein für allemal über seinen Schutzbefohlenen. Und achtet auf ihre Besserung. Der deutsche Schulmeister scheint in die USA verzogen.

Alles sitzt jetzt und wartet, was der Einzige und Übriggebliene beschließt. Kann schon sein, dass wenigstens Lettland oder sonst jemand ihm beisteht. Deutschland jedenfalls hat im letzten Augenblick nur noch geblökt und geblödelt.

Syrien: Im Lügen vereint bis zum Ende

Kampagne „Syrien-TagX“
Dass vor allem die USA und England sich finden in einer ausgedehnten Lügenkonstruktion zu den Urhebern des syrischen Gasangriffes ist unbestreitbar. Schon die Grundbehauptung, man wolle Assad nicht stürzen, sondern ihm nur eine kräftige Kopfnuss erteilen, ist in sich unlogisch. Man kann einem Feind 1 anders nicht strafmäßig beikommen, wenn man nicht gleichtzeitig Feind 2 unterstützt. Jeder Schlag gegen Assad bedeutet zwangsweise Förderung der diversen muslimischen Gruppen. Die doch ebenfalls zu Feinden der Freiheit erklärt werden.

Zum weiteren hat selbst in Kosovo noch das verlogene Prinzip gegolten, es handle sich um den Schutz der Muslime vor weiteren Angriffen. Wer soll aber in Syrien geschützt werden, wenn nachträglich die Strafe erfolgt?

Die Rakete fährt hin über Gerechte und Ungerechte. Gleichviel. Dass in Amerika offenbar Obama selbst fähig ist, die Ergebnisse der UN-Inspektoren im Lande vorwegzunehmen, zeigt, dass es gerade nicht mehr geht um die Wahrheit der Tatsachen. Sondern allein um die Wahrheit der Macht. Genau das gleiche gilt für Camerons Manifest an die Vereinten Nationen. Es dient nicht etwa der Erlangung einer Zustimmung Putins oder der Chinesen, sondern allein der Vorspiegelung einer Einigung mit dem Sicherheitsrat. Ohne jede Aussicht auf den erwarteten Erfolg.

Alles deutet auf die Wiederholung des allertraurigsten Tricks von Bush hin, des Vorvorgängers von Obama. Niemand konnte nach der Niederlage des Irak irgendetwas finden von den Massenvernichtungsmitteln, die im Irak zu finden sein sollten.

Nur ein Unterschied: dieses Mal wollen die Verantwortlichen fest bleiben in der Lüge. Bis zum Ende. Natürlich wird die Wahrheit sich nicht unterdrücken lassen. Aber es muss möglich sein, dass alle, die dann noch der obrigkeitlichen Versison widersprechen, als linke Spinner dastehen werden, die sich der allgemeinen Meinung widersetzen. Dazu ist nur eines nötig: dieses Mal angesichts aller Beweise hart bleiben. Keinen Widerspruch dulden. Nachdem auch NATO und die arabischen Staaten sich der Einheitsmeinung angeschlossen haben, sind die Vertreter der versammelten Nationen zum Schweigen verurteilt. Und dass zum Beispiel der Iran seit jeher als Lügenpatronage gilt, sollte ja bekannt sein.

Es wird also um ein bis zum Ende durchgeführtes Experiment gehen: Lügen bis zum Ende. Solange die Sache noch im allgemeinen Bewußtsein ist, wird es nötig sein, an allen möglichen Ecken zu demonstrieren. Um der Wahrheit ein letztes Mal den Schrei zu erlauben.

Gegen die Macht der Herrschenden.

Europa beherrschen. Aber wo bleibt der Krieg?

Stephan Hebel hat in einer zur Wahl erschienenen Broschüre "Mutter Blamage" sehr gut nachgewiesen, dass es sich bei Merkel nicht nur um Unentschlossenheit handelt, wie die wohlmeinenden Kritiker alle bemängeln, sondern um eiskalt durchgehaltenen Liberalismus im Sinne von Frau Thatcher. Nur dass sie deren Fehler vermeidet und alle Augenblicke so sehr das Ruder wechselt, dass niemand ihren bösen Absichten völlig traut.

Scharf zeichnet Hebel in einem eigenen Kapitel den Weg nach, wie sie Deutschland zur Zentrale des Herrschaftswillens macht. Bei gleichzeitig friedlichem Getöse. So dass man ihren wohlmeinenden Worten niemals die böse Absicht abhören kann. Wenn man nicht gerade in Griechenland oder Portugal sitzt.

Nur ein Problem übersieht Hebel, das sich jetzt gerade auftut. Unbestreitbar hängen die Waffen vom Geld ab. Nach gewisser Zeit hört der Munitionsnachschub auf, wenn das Geld fehlt. Das ändert aber nichts daran, dass für den Moment auch Staaten, die der Pleite näher stehen als andere, im Augenblick durch Waffenbesitz im Vorteil sich finden können. Auch gegen den Geldgeber.

Deshalb jetzt das Gequäke aus Berlin. Während vor allem Paris und London ohne jeden Beweis schon sicher sind, dass nur Assam die Gasgranaten geworfen haben kann, zögert Berlin noch herum. Natürlich würde die ganze Regierung gern alles zugestehen, wenn nur nicht die zugehörigen Handlungen erwartet würden. Zu denen hat die Bundesregierung glücklicherweise den richtigen Zugang noch nicht. Aber bräuchte den, um endgültig die Vorherrschaft über Europa zu gewinnen. Sie werden sich sicher dranmachen.

Um so wichtiger ist es, bei den Wahlen all denjenigen das Maul zu stopfen, die jetzt in Kriegsgebrüll ausbrechen. Oder der Regierung Vorwürfe machen. Warum hat sie nicht schon lange sich solche Waffen verschafft wie Paris und London? Soll alles wieder so peinlich enden wie beim Angriff auf LIBYEN?

Hebel entwirft im letzten Kapitel den schönen Gedanken, dass es nach der Verfassung ja keine einheitliche Regierung geben muss. Der vom Präsidenten ernannte könnte jeweils wechselnde Mehrheiten zusammensuchen. Oder auch nicht.

Diese Aussicht scheint freilich äußerst fragwürdig. Fest steht aber eines: Dieser Angriff wie jeder andere ist im deutschen Volk so unbeliebt wie zum Beispiel im Amerikanischen. Bleibt also nur eine näherliegende Lösung: Diejenigen wählen, die sich jetzt schon gegen die Invasion wenden. Das sind im Augenblick sicher die LINKEN. Was man sonst in vielen Punkten auch gegen sie haben kann. In der Kriegsverweigerung sind sie bisher festgeblieben. Und werden hoffentlich nicht am Ende noch den Weg eines Ebert gehen und reumütig zu Kreuze kriechen. Bleibt also nur eines: Linke wählen!

ISBN: 978-3-86489-021-5
Seitenzahl: 160
EUR 13.99

Vom Bruderkuss zum Vernichtungswunsch - eine Woche

Karikatur: Carlos Latuff
Wenn es nach den Wünschen gewisser Hardliner in der ägyptischen Regierung geht, wird sich die Bewegung vom Bruderkuss zum Vernichtungswunsch ziemlich bald erfüllen. Hatte es nach dem Putsch noch lange geheißen, man strebe natürlich die Beteiligung der Muslim-Brüder an der Regierung an, heißt es jetzt auf einmal, eigentlich solle man doch die ganze Bewegung verbieten. Wie ist beides aus einem Munde zu vereinbaren?

Relativ einfach, wenn man annimmt, dass es in beiden Fällen sich um Unterwerfung handelt. Du sollst den Sturz des bisherigen Präsidenten anerkennen, dann kannst Du auch ein Pöstchen oder auch zwei am runden Tisch der Militär-Regierung erhalten. Schon immer mit dem Unterton: Jetzt aber Dalli. "Und willst Du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich Dir den Schädel ein". Nachdem die Islambrüder sich den Anmutungen nicht gebeugt haben, folgt ganz logisch der Wunsch nach Vernichtung.

Wir in der Bundesrepublik können die Erfolgsaussichten eines Totalverbots am leichtesten nachvollziehen. Immerhin hat unser Staat als einer der wenigen sich seinerzeit das Verbot der Kommunistischen Partei zu Herzen genommen - und in zahllosen kleineren Prozessen auch immer wieder durchgesetzt - bis zu den letzten Abklängen irgenwelcher kommunistischer Parolen auch immer neu verfolgt. Hat es etwas genützt?

Tatsächlich. Es ist gelungen, einen weitgehenden Antikommunismus im westdeutschen Volk so hochzutrimmen, dass in relativ kurzer Zeit kaum noch von kommunistischen Bewegungen die Rede war. Das hing allerdings auch mit der falschen Anbindung an das System der DDR zusammen. Dass ein Verbot gegen an die zwanzig Prozent der Muslimbrüder genau den Erfolg haben wird, ist stark zu bezweifeln. Nicht nur, weil der Islam als Ganzer einen Schleier ausbreiten wird, der die spezielle Unterart der Muslim-Brüder immer neu umfassen wird. Aber auch, weil die gereinigte Vorstellung vom Aufstand der Unterdrückten - und das ist ein Teil der Muslim  - Brüder zweifellos - sich gerade in Ägypten nicht einfach unterdrücken lässt. Hinzukommt, dass das gegenwärtige Militärregime sich jetzt schon nur mit letzter Kraft und entsprechenden Anleihen anderer reaktionärer Staaten aufrecht erhalten kann. Aber keineswegs die wirtschaftliche Not jemals beseitigen wird. Das heißt, dass auch dieser Putsch sich besonders schnell zu seinem Ende bewegen wird. Wenn die betrogenen Massen erst erkennen werden, dass das Militär weder in Chile noch in Ägypten eine Strukturreform auch nur geringsten Grades erreichen wird, werden sich viele die Augen reiben, die sich heute noch die Gurgel heiser schreien.

Dann wird sich die Muslim-Brüderschaft erneut aus der Grube erheben, in der Sisi und seine Kumpanen sie bis dahin beerdigt haben.

Warum jetzt den Brutalo raushängen, Herr Sisi?

Abd al-Fattah as-Sisi
Quelle: WikiPedia
Lizenz: Public Domain
Seit vielen Tagen hatte die ägyyptische Militärregierung beteuert, dass sie nur mit den gewöhnlichen Schikanen den Mursi-Anhängern das Leben schwer machen will. Natürlich: es war immer Gewalt im Sinne des Zugriffs auf den Körper der andern. Wasserentzug ist nicht besser als Verdurstenlassen. Aber die geplanten Maßnahmen konnten sich so eben an das -im Westen- übliche Maß an Repressionen anpassen.

Und nun der Schock! Noch offener in der brutalen Gewalt als die Räumung der Lager am frühen Morgen lässt sich kaum etwas vorstellen.Überall im Westen gequälte Aufschreie. Ordnung ja - aber doch nicht so fußtrittmäßig. So mörderisch.

Was kann der Grund für den Sinneswandel der Militärs gewesen sein?

Der eine lag wohl darin, den nichtmilitärischen Regierungsmitgliedern, die natürlich nie etwas zu melden hatten, die Sache trotzdem schmackhaft zu machen. Das scheiterte. Offenbar waren dem Vizepräsidenten El Baradey, der vor allem wegen der Wirtschaft das Militär unterstützt hatte, eben deshalb die Maßnahmen zu offenherzig. Man möchte schließlich vor der gesitteten Welt nicht als der Schlimmste dastehen. Als deshalb El Baradey zurücktrat, fiel diese Rücksicht weg.

Das kann aber nur die eine Begründung sein. Die andere hängt mit den ungeschmälerten Ruf eines seit langem Toten zusammen. Mit Nasser.

Er hatte in den fünfziger Jahren wirklich den ägyptischen Revolutionsanspruch entdeckt. Absage an alle. Vor allem an die Westmächte. England und Frankreich mit ihrem Suezkanal. Es war die Zeit, als die USA - man glaubt es kaum - in gewissem Umfang antikolonialistisch waren. Natürlich in dem Sinn, dass den ererbten Mächten Europas ihre Kolonien abgenommen werden sollten - zugunsten eines freieren und offeneren Zugangs zum universellen Wirtschaftskreislauf. Von daher kam es zum schon fast vergessenen Höhepunkt der US-Ägyptenbeziehung, als die USA mit der UDSSR zusammen sich sehr offenherzig gegen den England - Frankreich - Israel - Feldzug wandten. In dem die alten Kolonialmächte sich zur militärischen Rückeroberung der in den Suez-Kanal investierten Gelder aufmachten.

So jemand möchte General Sisi wohl wieder sein. Nur wird er damit schneller scheitern als mit allem anderen. Zwar ist sein Anti-Amerikanismus von manchen Patrioten wohlgelitten. Nur dass Sisi vergisst, dass heute die USA genau selbst die Position einnehmen, die sie seinerzeit an den europäischen Mächten verurteilten. Und dass, wenn die USA die eigenen Gesetze einmal ernst nähmen, die Milliarde Hilfsgelder sofort wegfallen müsste. Denn dass jetzt diese Militärregierung sich ganz offen des Putsches schuldig gemacht hat, lässt sich außerhalb des Weißen Hauses von niemand mehr bestreiten.

Dasselbe gilt für Ägyptens Verhältnis zu Israel. Nasser konnte damals eine Koalition gegen die "Usurpatoren" zusammenbekommen. Heute steht Israel als der Forderer da. Der Gläubiger. Kein Wunder, dass die alte Militärherrschaft unter Mubarak dort recht gern gesehen wurde. Wird das gegenüber der neuen unter Sisi ebenso sein, wenn dieser - wohl oder übel - sich noch so vorsichtig äußern möchte. Als Wohltäter der Hamas zum Beispiel. Von daher das brutale Auftreten. Es schärft die Schadenfreude vieler.

Das nur zwei kleine Beispiele. Insgesamt liegt dem Wunschtraum vom neuen Nasser einfach eine vollkomen falsche Einschätzung zugrunde. Was sich damals noch verteidigen ließ, ist heute Kleinholz geworden. Wenn Sisi diesen schönrednerischen Träumen folgt, wird er kurzfristig geringen Erfolg bekommen bei Teilen der Ägypter. Auf längere Zeit aber garantiert absaufen.

Wird ihm dann wenigstens jemand Asyl gewähren?

Ganz legal in Mafiamanier

Eurohawk
Foto: Rekke, via WikiPedia
Alles klar: Merkel garantiert de Maizière seine Fortexistenz. De Maiziére versichert seinen Staatssekretären den Weiterbestand im nächsten Jahr. Derweilst riesiger parlamentarischer Aufwand, um herauszukriegen, was war. Alles legal - alles egal. Es geht weiter wie immer.

Der Untersuchungsauschusss zu de Maizière ist ein Methodenbeispiel. Es wird bei einem fragwürdigen Verfahren nicht das Ganze der bedenklichen Sache untersucht. Allesr nur datenweise. Ab wann hat der Minister die bedenklichen Umstände erfahren? Mit dieser Methode ist das Verfahren schon abgestimmt. Es geht dann nur noch um das Wann und Wie. Die Gesamttatsache, dass mindestens eine halbe Milliarde in Sand gesetzt wurde, ist kaum noch eine Erwägung wert.

Insofern kann das liebe alte Spiel weitergeführt werden. Die Hauptsache bleibt unerwähnt. Dafür dürfen alle Abgeordneten sich die ausgeklügeltsten Anfragen ausdenken. Nur zu! Es schadet ja alles nichts. Der Laden läuft weiter.

Wer zahlt für die Lügen?

Angela Merkel
Bildquelle:
Armin Linnartz
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Zartfühlend gesagt: Merkel hat sich vor der Pressekonferenz nicht genug umgehört. Normal gesprochen: Sie hat uns alle eiskalt angelogen.

Die Frage bleibt: Wie redet sie sich jetzt noch raus? Die eisige Antwort: Überall werden die Leute angelogen, wenn es um die Geheimnisse geht. Das zieht. Aber nicht für immer. Es setzt einen Grad von nationalem Selbstbewusstsein voraus, den ganz Deutschland noch nicht innehat. Es gibt immer noch genug Leute, die ein flaues Gefühl unterdrücken müssen. Für die muss ein Strafgericht herfallen. Zu Gunsten der Chefin.

Als erster Sträfling wird wohl Pofalla erliegen. Wie kam er dazu, seiner Kanzlerin ein Geheimnis vorzuenthalten, das außer ihm mehrere tausend Staatsbeamte, aber auch Journalisten schmerzend verbargen. Kein einziger hat es gewagt, der Kanzlerin sein Wissen zu unterbreiten. Dafür muss Strafe sein. Also: Fällt Pofalla noch vor dem 22.September - oder erst gleich danach? Für jeden Fall: Auf unsere Chefin darf nichts kommen.

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