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79. Jahrestag - Hiroshima mahnt

Heute ist der 79. Jahrestag des Atombombenabwurfes auf Hiroshima. Eine besondere Bedeutung erfährt dieser Tag durch die aktuellen Bestrebungen, ab 2026 weitreichende Waffensysteme wie Raketen des Typs Standard Missile 6 (SM-6), nuklear bestückbare Marschflugkörper des Typs Tomahawk sowie hypersonischen Waffen in Deutschland durch die US- und Bundesregierung. Das Netzwerk Friedenskooperative stellt eine umfangreiche Übersicht zu den Aktivitäten rund um die Gedenktage zur Verfügung. Aktuell finden sich in dem Terminkalender mehr als 80 Veranstaltungen bundesweit. Beteilige dich an den Aktionen! Hier findest du alle Infos und Termine:

Es waren nur wenige Wochen zwischen dem ersten Atomtest im US-Bundesstaat New Mexico und dem ersten Praxistest in Hiroshima. Am 16. Juli 1945 war die im Manhattan-Projekt entwickelte Atombombe auf dem Testgelände bei Alamogoro gezündet worden; ihre Sprengkraft betrug 21 Kilotonnen TNT. Die Explosion war erfolgreich, aber über die tödliche Wirkung konnte der Test nichts Definitives aussagen. 20 Tage später detonierte die 12,5-Kilotonnen-Bombe mit dem niedlichen Namen "Little boy" in Hiroshima, drei Tage später eine weitere Bombe namens "Fat Man" über Nagasaki. Die Wirkung der Bomben war kolossal: Zwischen 90.000 und 200.000 Menschen starben unmittelbar. Weitere 130.000 Menschen starben bis Jahresende. Bis 1950 war die Zahl der Spätopfer in beiden Städten auf insgesamt 230.000 gestiegen. Strahlenopfer sind auch heute noch in der dritten Generation zu beklagen.

„Der obige Befehl ergeht an Sie auf Anweisung und mit Zustimmung des Kriegsministers und des Generalstabschefs der amerikanischen Streitkräfte.“

(Befehl an den General Carl Spaatz, Oberkommandierender der amerikanischen strategischen Luftwaffe für den Abwurf der Atombombe auf Hiroshima)

„Ich habe nie bereut und mich nie geschämt, denn ich glaubte damals, dass ich meine patriotische Pflicht tat, als ich den Befehlen folgte, die man mir gab.“

(Oberst Paul W. Tibbets, der die Atombombe über Hiroshima ausklinkte)

Der Atompilz über Hiroshima fotografiert aus dem Heck der Enola Gay

Bildquelle: WikiPedia

Obwohl Japan zum damaligen Zeitpunkt militärisch bereits am Ende war, nahm die U.S. Militärführung unter der Führung von US-Präsident Truman zehntausende von Opfern in Kauf: 140.000 starben bis Ende 1945 an den Folgen des Abwurfs.

Der zweite Atombombenabwurf auf Nagasaki geschah drei Tage später, am 9. August 1945. Die Opfer steigerten sich dadurch auf über 250.000.

Opfer des Atombombenabwurfs in Hiroshima

Bildquelle: WikiPedia

Lesetipps zum Thema vom Lebenshaus Alb:
"Der Fluss war voll von toten Menschen und ich konnte die Wasseroberfläche überhaupt nicht mehr sehen"
"Ich fühlte, dass die Stadt Hiroshima auf einen Schlag verschwunden war"
Was den Menschen von Hiroshima und Nagasaki Grauenhaftes widerfahren ist
Nacht der 100.000 Kerzen zum Hiroshimatag - “Verhängnisvollste Erfindung der Menschheitsgeschichte–

Siehe auch:
"Erklärung der Weltkonferenz gegen Atomwaffen 2010", dokumentiert bei der "jungen Welt"
Democracy Now! Archive zu Hiroshima und Nagasaki
• Die Geschichte von Shin's Dreirad


Die schönsten Attentate des letzten Jahrhunderts Nr. 8: Generalfeldmarschall von Eichhorn

Das Foto zeigt den Pickelhaubenträger Generalfeldmarschall Eichhorn in Kiew, 1918
Generalfeldmarschall Eichhorn in Kiew, 1918
"Eichhorn nahm an den Kriegen 1866 und 1870/71 teil und kam nach dem Besuch der Kriegsakademie 1883 in den Generalstab. Seit 1904 Kommandierender General des XVIII. Armeekorps in Frankfurt/Main, 1905 General der Infanterie, trat E. 1912 an die Spitze der 7. Armeeinspektion in Saarbrücken und wurde 1913 zum Generalobersten befördert. Für den Mobilmachungsfall als Oberbefehlshaber der 5. Armee in Metz vorgesehen, war E. bei Kriegsausbruch 1914 infolge eines schweren Reitunfalls nicht felddienstfähig. Erst nach seiner Genesung übernahm er am 26.1.1915 den Oberbefehl über die in Ostpreußen neugebildete 10. Armee, die in der Winterschlacht in den Masuren (Februar 1915) den entscheidenden Umfassungsflügel bildete. E., für die Einnahme von Kowno im August 1915 mit dem „Pour le Mérite“ ausgezeichnet, führte die Offensive im Oktober 1915 über Wilna bis an die Front beiderseits des Narotsch-Sees, wo seine Armee 1916 schwere Abwehrkämpfe zu bestehen hatte. Bei der Neugliederung der Befehlsverhältnisse im Osten im August 1916 wurde die Heeresgruppe Eichhorn gebildet, welcher die deutschen Armeen in Litauen und Kurland unterstanden. 1917 eroberte E. mit seiner Heeresgruppe Riga und die baltischen Inseln; Anfang 1918 besetzte er Livland und Estland. Am 18.12.1917 zum Generalfeldmarschall befördert, trat er am 4.3.1918 an die Spitze der Heeresgruppe Eichhorn in Kiew, wo ihm die militärische Sicherung des im Winter 1918 gewonnenen Machtbereichs der Mittelmächte in der Ukraine, in Südrußland und auf der Krim übertragen war. Hier in Kiew erlag E. dem Bombenanschlag zusammen mit seinem Adjutanten Hauptmann Walter von Dreßler einem Bombenattentat [des linken Sozialrevolutionärs Boris Donskoi] eines russischen Sozialrevolutionärs, der ebenso wie die Ermordung des Botschafters Graf Mirbach 1918 mit der Absicht unternommen worden war, den Bruch der Beziehungen der bolschewistischen Machthaber mit der deutschen Regierung zu provozieren."

Quelle: Gackenholz, Hermann, "Eichhorn, Hermann von" in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 377 [Online-Version]

Weitere Quellen:

• WikiPedia: Hermann von Eichhorn (Generalfeldmarschall)
• Frankfurter Zeitung 01.08.1918: Generalfeldmarschall von Eichhorn in Kiew ermordet


Wie Israel seine Kriegsverbrechen in Gaza beschönigen will

Die israelische Armee nutzt den Anschein einer internen Rechenschaftspflicht, um Kritik von außen abzuwehren. Doch ihre Bilanz zeigt, wie wenig die Täter bestraft werden.

Palästinenser eilen zur Rettung von Verletzten unmittelbar nach einem israelischen Luftangriff auf das Haus der Familie Salah im Gebiet Al-Batn Al-Thameen in Khan Yunis, südlicher Gazastreifen, 7. Dezember 2023.
Palästinenser eilen zur Rettung von Verletzten unmittelbar nach einem israelischen Luftangriff auf das Haus der Familie Salah im Gebiet Al-Batn Al-Thameen in Khan Yunis, südlicher Gazastreifen, 7. Dezember 2023.
Foto © Mohammed Zaanoun
Das Ausmaß des Grauens, das Israel in den letzten neun Monaten in Gaza angerichtet hat, ist kaum zu fassen. Die Entscheidung der israelischen Armee, ihre Befugnisse zur Bombardierung nichtmilitärischer Ziele und zur Schädigung der Zivilbevölkerung von Beginn des Krieges an erheblich auszuweiten, hat zur Tötung von Zehntausenden von Palästinensern geführt und den Gazastreifen bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Die überlebende Bevölkerung ist infolge der vorsätzlichen israelischen Politik, die gegen das internationale Kriegsrecht verstößt, mit Massenhunger und Vertreibung konfrontiert.

Jeden Tag tauchen mehr und mehr entsetzliche Beweise auf, die offenlegen, was viele Israelis zu verdrängen versuchen. Der südafrikanische Fall, in dem Israel des Völkermords beschuldigt wird, wird vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) fortgesetzt. Der Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) hat Haftbefehle gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und den Verteidigungsminister Yoav Gallant wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beantragt. Eine Kommission des UN-Menschenrechtsrates hat festgestellt, dass israelische Sicherheitskräfte Verbrechen wie Hunger, Mord, vorsätzliche Schädigung von Zivilisten, Zwangsverschleppung, sexuelle Gewalt und Folter begangen haben. Selbst die Vereinigten Staaten, Israels engster Verbündeter, kamen zu dem Schluss, dass Israels Waffeneinsatz im Gazastreifen mit den Menschenrechten unvereinbar" ist.

Während sich diese Anschuldigungen häufen, beginnt Israel neben seiner laufenden Militärkampagne mit einer weiteren groß angelegten Operation: der größten Verbrechensvertuschung in der Geschichte des Landes.

Israelische Politiker und Diplomaten wiederholen bis zum Überdruss das altbekannte Mantra, Israels Armee sei die moralischste der Welt. Diese Behauptung stützt sich unter anderem auf die angeblich robusten Rechtsmechanismen des Militärs, die angeblich jeden Angriff genehmigen und Verdachtsfällen von Völkerrechtsverletzungen nachgehen. In ihren Argumenten vor dem IGH gegen den Vorwurf, Israel begehe Völkermord, lobte Israels Verteidigungsteam wiederholt diese Rechtsmechanismen: Selbst wenn israelische Soldaten Kriegsverbrechen begehen, so argumentierten die Anwälte, sei das System in der Lage, sie selbst zu untersuchen.

Trauernde werfen einen letzten Blick auf die Familie des Leiters des Gaza-Büros von Al-Jazeera, Wael Al-Dahdouh, im Krankenhaus der Al-Aqsa-Märtyrer in Deir Al-Balah, 26. Oktober 2023.
Trauernde werfen einen letzten Blick auf die Familie des Leiters des Gaza-Büros von Al-Jazeera, Wael Al-Dahdouh, im Krankenhaus der Al-Aqsa-Märtyrer in Deir Al-Balah, 26. Oktober 2023.
Foto © Mohammed Zaanoun
Ein neuer Bericht, den ich für die Menschenrechtsgruppe Yesh Din verfasst habe, zeigt jedoch, dass die Hauptaufgabe des israelischen militärischen Strafverfolgungssystems darin besteht, den Anschein einer internen Rechenschaftspflicht aufrechtzuerhalten, um sich vor externer Kritik zu schützen. Das Magazin +972 und der Guardian haben kürzlich aufgedeckt, dass israelische Geheimdienste die Aktivitäten des IStGH überwachen, zum Teil um festzustellen, welche Vorfälle an die Staatsanwaltschaft zur Untersuchung weitergeleitet werden; auf diese Weise könnte Israel rückwirkend Untersuchungen in denselben Fällen einleiten und dann das Mandat des IStGH unter Berufung auf den "Grundsatz der Komplementarität" ablehnen.

Illusion der Rechenschaftspflicht
Ende Mai gab Israels Militärgeneralanwältin (MAG), Yifat Tomer-Yerushalmi, bekannt, dass sie strafrechtliche Ermittlungen in mindestens 70 Fällen von mutmaßlichen Kriegsverbrechen im Gazastreifen angeordnet habe. Dies geschah, nachdem das Militär Hunderte von Vorfällen an den "Fact-Finding Assessment Mechanism" (FFAM) des Generalstabs verwiesen hatte, ein militärisches Gremium, das eine erste und schnelle Untersuchung mutmaßlicher Verstöße gegen das Völkerrecht durchführen soll, bevor das MAG entscheidet, ob eine strafrechtliche Untersuchung eingeleitet wird oder nicht.

Angeblich sind dies Zeichen für Israels Engagement für die Einhaltung der Kriegsgesetze. Eine Untersuchung der letzten zehn Jahre israelischer Angriffe auf den Gazastreifen - einschließlich der als "Protective Edge" bekannten Offensive 2014, der Unterdrückung des Großen Marsches der Rückkehr 2018/19 und der als "Guardian of the Walls" bekannten Operation 2021 - zeigt jedoch, dass es äußerst unwahrscheinlich ist, dass Israel die Absicht hat, Kriegsverbrechen ordnungsgemäß zu untersuchen, zu bestrafen oder zu verhindern.

Verteidigungsminister Yoav Gallant mit Premierminister Netanjahu, US-Verteidigungsminister Lloyd Austin, US-Militärchef CQ Brown und IDF-Chef Herzi Halevi in Tel Aviv, 18. Dezember 2023
Foto: U.S. Embassy Jerusalem, Lizenz: CC BY 2.0 , via Wikimedia Commons, via Wikimedia Commons
Seit 2014 wurden Hunderte von Vorfällen, die den Verdacht auf Kriegsverbrechen aufkommen ließen, dem Militär zur Kenntnis gebracht. Die überwiegende Mehrheit davon wurde an das FFAM weitergeleitet, aber ohne strafrechtliche Ermittlungen eingestellt, nachdem sie von den Mitarbeitern des Mechanismus über unangemessen lange Zeiträume "überprüft" wurden. So wurden beispielsweise einige Fälle, die potenzielle Verstöße aus dem Jahr 2014 betrafen, vom FFAM noch im Jahr 2022 geprüft.

Die Arbeit des FFAM und die Zusammensetzung seiner Mitglieder sind nach wie vor vertraulich, so dass wir die Einzelheiten seines Prüfungsverfahrens oder die Gründe für die Einstellung von Fällen ohne Ermittlungen wahrscheinlich nie erfahren werden. Unabhängig davon, ob die FFAM Empfehlungen ausspricht oder nicht, wurden die meisten von der MAG eingeleiteten und von der Militärpolizei durchgeführten strafrechtlichen Ermittlungen eingestellt, ohne dass Soldaten oder Kommandeure angeklagt wurden.

Von fast 600 Vorfällen im Gazastreifen in den letzten 10 Jahren, bei denen der Verdacht auf Gesetzesverstöße bestand und deren Ergebnisse bekannt sind, führten nur drei Ermittlungen - eine pro Militäroffensive - zu einer Anklageerhebung. Selbst in diesen seltenen Fällen bleibt die Beschönigung zentraler Bestandteil der Taktik des Militärs, wobei die Täter einer harten Bestrafung entgehen.

Zum ständigen Versagen des Militärs im Umgang mit dem Verdacht auf Kriegsverbrechen kommt hinzu, dass sich das israelische Strafverfolgungssystem bis heute nicht mit der israelischen Politik der Gewaltanwendung befasst und es unterlassen hat, gegen Entscheidungsträger in Regierung und Militär zu ermitteln. Mit anderen Worten: Diejenigen, die direkt für die sich abzeichnende Katastrophe im Gazastreifen verantwortlich sind - die das Vorgehen der Armee gegen unschuldige Zivilisten ausgeweitet, Israels Richtlinien für die Bombardierung und das offene Feuer diktiert, die humanitäre Hilfe eingeschränkt und ganze Gebiete im Gazastreifen als Tötungszonen ausgewiesen haben - werden in Israel wahrscheinlich straffrei bleiben.

Dies ist zum Teil auf einen inhärenten Interessenkonflikt innerhalb des Strafverfolgungssystems zurückzuführen. Der Generalstaatsanwalt und der Generalstaatsanwalt des Militärs, die mit der Untersuchung und Verfolgung mutmaßlicher Verstöße gegen das Völkerrecht beauftragt sind, dienen auch als Rechtsberater für die Genehmigung der tödlichen Maßnahmen Israels in Gaza. Es ist schwer vorstellbar, wie eines dieser Gremien nun eine echte und gründliche Untersuchung einer Politik einleiten will, die sie selbst mitgestaltet haben.

Vermutlich werden einige der kürzlich eingeleiteten Untersuchungen zu Anklagen gegen untergeordnete Soldaten führen, die palästinensische Häuser geplündert oder palästinensische Gefangene misshandelt haben. Es ist jedoch zu bedenken, dass diese Fälle das Image der Armee verbessern könnten, indem sie nach außen hin den Anschein einer internen Rechenschaftspflicht erwecken.

Aber das sind nur die Ausnahmen, die die Regel bestätigen. In den allermeisten Fällen wird das System dazu dienen, Kriegsverbrechen zu beschönigen. Und wenn es dies tut, sollten die israelischen Führer nicht überrascht sein, wenn sie als Angeklagte vor internationalen Gerichten landen.

Eine Version dieses Artikels wurde zuerst auf Hebräisch in Local Call veröffentlicht. Lesen Sie ihn hier.

Von Dan Owen 24. Juli 2024, Dan Owen ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Yesh Din und Autor des Berichts "The General Staff Whitewashing Mechanism: Das israelische Strafverfolgungssystem und Verstöße gegen das Völkerrecht und Kriegsverbrechen in Gaza".

Quelle: +972mag

[Nicht authorisierte] Übersetzung: Thomas Trueten

Ein Aufruf gegen Waffen

Das Foto von R. Namov zeigt verbrannte russische Ausrüstung bei Chornobaivka
Foto: © R Naumov - Eigenes Werk, CC BY 4.0, Link
Systemische Kriegstreiber und eine autonome, antikapitalistische Antikriegsposition

 1. VORBEMERKUNGEN

  1. Die Angriffe der Houthis auf Frachtschiffe, die Angriffe der USA und Großbritanniens auf den Jemen, die Stationierung der Marineflotte der USA und der EU im Roten Meer, der Angriff des ISIS auf die Crocus City Hall 1 und die Raketenangriffe des Iran und Israels 2 sind neue Ausdrucksformen der sich abzeichnenden globalen Realität: konkurrierende Gruppen/Blöcke von Kapitalisten haben den Weg des Krieges gewählt, um sich in den Hierarchien einer globalisierten Wirtschaft, die sich in der Stagnation befindet und auch mit der Erschöpfung der natürlichen Ressourcen zu kämpfen hat, besser zu positionieren. Diese neue multipolare Welt, die sich gerade formiert, wurde nach der russischen Invasion in der Ukraine offensichtlich, aber die Anzeichen waren schon seit der Annexion der Krim durch die Russische Föderation (Februar 2014), dem Stellvertreterkrieg in Syrien (September 2015 - ...) und dem neuen Kampf um Afrika (Kriege im Sudan, in der C.A.R., in Mali) vorhanden.

  2. Da die Weltwirtschaft immer tiefer in die Krise gerät, wird der Krieg zur letzten Lösung des Kapitalismus, um den Weg für Wachstum freizumachen. Wenn wir also die von der IDF in Gaza begangenen Gräueltaten als bloße Fortsetzung der 75-jährigen Besatzung verstehen, wenn wir die Angriffe der Hamas als bloße Fortsetzung des palästinensischen Widerstands verstehen, werden wir ihren Zusammenhang mit der aktuellen Abwärtsspirale des globalen Kapitalismus in Richtung Krieg nicht erkennen.

  3. In den ersten Wochen der Militärkampagne in Gaza protestierten die Menschen massiv auf den Straßen und forderten einen Waffenstillstand, insbesondere als die Brutalität der IDF-Angriffe bekannt wurde. Empathie ist wichtig, spontaner Widerstand gegen den Krieg und den militaristischen Horror ist entscheidend. Aber wenn die Menschen diese Politik des Todes nicht mit den Bedingungen des Kapitalismus als globales System in Verbindung bringen (und nur über das "kolonialistische und mörderische Israel" sprechen), können sie nicht verstehen, dass es notwendig ist, gegen kapitalistische Kriege in ihrem eigenen Interesse zu kämpfen. Die romantisierte Darstellung des palästinensischen Kampfes und die Dehumanisierung der Palästinenser durch den Mainstream sind zwei Seiten derselben Medaille. Und solange die Reaktionen auf Sentimentalität beruhen, können sie zu einer massenhaften Banalisierung des Todes führen: Da die Menschen der Gewalt und dem ständigen Massaker zu sehr ausgesetzt sind, gewöhnen sie sich daran, ohne sich jemals über die Ursachen und die Funktion des Krieges klar zu werden. Sie sehen auch nicht die Notwendigkeit, Kriege zu führen, nicht Kriege.

  4. Wer auch immer hier oder dort gewinnt oder verliert, Krieg ist für den Kapitalismus als globales System notwendig. Neben den Vorteilen für die Rüstungsindustrie setzt er Profite frei und ermöglicht die Schaffung von Mehrwert durch Zerstörung, er diszipliniert die Gesellschaften in den kapitalistischen Zentren und verwaltet überschüssige Bevölkerungen, die vom Kapital nicht profitabel ausgebeutet werden können.

  5. Krieg ist die endgültige Lösung für die Widersprüche des Kapitalismus als globales System. Aber eine neue Gesellschaft wird aus diesem Bündel von Widersprüchen nicht entstehen. Das kann nur die antikapitalistische soziale Bewegung erreichen. Solange wir passiv bleiben oder Positionen zugunsten der einen oder anderen kriegsführenden Seite einnehmen, schaufeln wir unser Grab mit unseren eigenen Händen.

  6. Deshalb ist es dringender denn je, klare Positionen zu beziehen und gemeinsam an der Schaffung einer globalen sozialen Bewegung gegen die kapitalistische Maschine des Todes und der Verzweiflung zu arbeiten.

2. WARUM GESCHEHEN ALL DIESE DINGE?

"Die Dividenden steigen und die Proletarier fallen."

(Rosa Luxemburg, Die "Junius" Broschüre, 1915)

Wir müssen nicht auf romantisierte und naturalisierte Vorstellungen von Geschichte und kultureller Differenz zurückgreifen. Die Geschichte des Kapitalismus ist mit Blut und Feuer geschrieben. Krieg, Krisen, Zerstörung, Enteignung, Plünderung, Kolonialismus waren schon immer das (nicht so) verborgene Gesicht des kapitalistischen Fortschritts und der Entwicklung nach dem Zeitalter der Entdeckungen. Neben dem Wettbewerb um Ressourcen und Einflusszonen als Triebfedern für bewaffnete Auseinandersetzungen kann der Krieg die Proletarier disziplinieren, die Akkumulation durch Enteignung beschleunigen, die Überschussbevölkerung verwalten und das kapitalistische System als Ganzes wiederbeleben: Wenn die Rentabilität blockiert ist, können Krieg und Zerstörung die (Nachkriegs-)Chance für neue Wertschöpfungs- und Wachstumsrunden eröffnen. Konkurrierende kapitalistische Blöcke kämpfen gegeneinander um die Vorherrschaft im Handel, im Finanzwesen und im Militär. In diesem Wettbewerb sind es die Menschen, die Proletarier, wenn Sie so wollen, die garantiert verlieren werden. Einige Kapitalisten mögen viel gewinnen, andere mögen etwas verlieren, und einige mögen sogar alles verlieren. Aber Geld kennt keinen Meister - das kapitalistische System als Ganzes wird garantiert gewinnen. Insbesondere im Kontext einer globalisierten Wirtschaft kann das Schlafen mit dem Feind (Handel zwischen Gegnern in Kriegszeiten) zur Norm und nicht zur Ausnahme werden, was die Rentabilität für die herrschenden Eliten aller kriegführenden Seiten erhöht. Selbst wenn die wirtschaftliche Logik eines bestimmten Krieges nicht sofort ersichtlich ist oder in diesem Moment gar nicht existiert, tragen Kriege immer zu Formen der Macht bei, wie z. B. zu Nationalstaaten oder bestimmten Führern und Regimen, die letztlich dem Kapitalismus als Ganzem zugute kommen. Was diejenigen betrifft, die glauben, dass eine multipolare Welt für die soziale Gerechtigkeit günstiger sein wird: Wie könnte ein neues Machtgleichgewicht, das auf Kosten der Gesellschaften geschaffen wird (da die soziale Bewegung unter dem Gewicht der Geopolitik begraben oder auf einen Unterstützer autoritärer Regime und/oder staatlicher Politik reduziert wird), irgendjemandem nützen?

Die Machtzentren des Kapitalismus als Weltsystem haben sich in der Vergangenheit oft verändert. Diese Veränderungen haben nie dazu geführt, dass der Kapitalismus (oder die Ausbeutung) weniger brutal wurde. Damit diese für den Kapitalismus so nützlichen Kriege stattfinden können, gibt es zwei Voraussetzungen: (a) Waffen, die produziert werden müssen, und (b) Köpfe, die für den gleichen Zweck geformt werden müssen. Die Rüstungsindustrie ist immer bereit, die Mittel zur Zerstörung zu liefern. Die Rüstungsindustrie ist schließlich eine Industrie wie alle anderen auch, eine Industrie, die mehr Produkte verkaufen, die "Kauffrequenz" erhöhen, für Produkte werben muss, indem sie sie potenziellen Kunden unter realen Bedingungen und in vivo vorführt, neue Produkte entwickeln, Lagerbestände abbauen, neue Märkte schaffen usw.3
Das Gleiche gilt für die Gegenseite. Die russische und die chinesische Rüstungsindustrie haben seit Jahren auf dem Weltmarkt zu kämpfen, da ihre Systeme noch nicht kampferprobt sind 4.

3. UNMITTELBARE FOLGEN DES/DER KRIEGES/KRIEGE ÜBER DEN SCHRECKEN DER SCHLACHTFELDER HINAUS

a. Die Umwelt als Kriegsopfer

Die jüngsten Kriege haben Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise zunichte gemacht, während der Bedarf der globalen Kriegsmaschinerie an fossilen Brennstoffen ein weiterer Parameter für die zunehmenden Konfrontationen ist.

"Das Ziel der Dekarbonisierung der Energiesysteme, das in politischen Kreisen vor dem Krieg oft genannt wurde, ist zugunsten der Energiesicherheit und der Bezahlbarkeit von Energie in den Hintergrund getreten. Der Schwerpunkt liegt jetzt auf der Energieunabhängigkeit, wobei das Ziel darin besteht, genügend einheimische Energiequellen zu sichern, um nicht auf Importe angewiesen zu sein, unabhängig davon, wie kohlenstoffintensiv diese Quellen sein mögen. Dies hat dazu geführt, dass der Ausstieg aus schmutzigeren Energieformen ins Stocken geraten ist. Einige Länder haben begonnen, mehr Kohle zu verbrennen, mehr Terminals für verflüssigtes Erdgas (LNG) zu bauen und die Gaspipelines zu erweitern. Überall auf der Welt bauen Länder Kohlekraftwerke im eigenen Land oder nehmen sie wieder in Betrieb, während sie im Ausland in die Erschließung von Öl- und Gasvorkommen investieren"5.

Während der COP28 sagten die USA nur 17,5 Mio. USD für den "Loss and Damage Fund" (Fonds zur Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Bewältigung der Auswirkungen des Klimawandels) zu - ein Tropfen auf den heißen Stein im Vergleich zu ihren gigantischen Militärausgaben von 876,94 Mrd. USD im Jahr 2022. Auf demselben Treffen betonten die Teilnehmer "ihr Engagement für die Bewältigung der Klimakrise und erneute Investitionen in erneuerbare Energien".

Viele der für erneuerbare und kohlenstoffarme Technologien wichtigen Mineralvorkommen - Kobalt, Lithium 6, Mangan, Graphit und Nickel - befinden sich jedoch in Afrika. Die Abkehr von fossilen Brennstoffen bedeutet also, dass man sich auf ein neues Feld der Konfrontation begibt.

Andererseits sind fossile Brennstoffe für das Militär unverzichtbar. "Der Energieverbrauch des US-Militärs treibt den gesamten Energieverbrauch der US-Regierung an" 7
"Wären die Streitkräfte der Welt eine einzige Nation, so läge sie nach unserer Schätzung an vierter Stelle - hinter China, den USA und Indien, aber vor Russland und Japan" 8.

Zwischen 2013 und 2021 gaben die reichsten Länder 9,45 Billionen Dollar für das Militär aus, was 56,3 % der gesamten weltweiten Militärausgaben (16,8 Billionen Dollar) entspricht. Die Militärausgaben sind seit 2013 um 21,3 % gestiegen.9

b. Militarismus, Männlichkeit und geschlechtsspezifische Gewalt

Obwohl sowohl in der Ukraine als auch in Israel Massenmedien und Behörden den Kampf von Queers für Krieg und nationalistische Propaganda instrumentalisieren, ist der Krieg selbst die Definition von Männlichkeit, Patriarchat und dem romantisierten Bild des Helden, der "das Mutterland beschützt" und "das Vaterland ehrt". Kriege und Militarismus verstärken das Patriarchat und patriarchalische Gesellschaften, verstärken eine Kultur, in der Gewalt gegen Frauen und LGBTQIA-Personen normalisiert wird. Neben dem patriarchalischen Charakter des Krieges tragen bewaffnete Auseinandersetzungen direkt zur Zunahme geschlechtsspezifischer Gewalt bei und führen zu finanzieller Unsicherheit, wirtschaftlicher Not und Ernährungsunsicherheit. Die rassistische Dynamik überschneidet sich mit der geschlechtsspezifischen Gewalt und schafft eine Hölle für Frauen und LGBTQIA-Personen of Colour. So wurden im Jahr 2022 weltweit fast 89.000 Frauen und Mädchen vorsätzlich getötet. Dies ist die höchste jährliche Zahl, die in den letzten zwei Jahrzehnten verzeichnet wurde. Eine beträchtliche Anzahl von Femizidopfern (etwa 40 Prozent) bleibt im UN-Bericht unberücksichtigt, da sie nicht als geschlechtsspezifische Tötungen kategorisiert werden" 10.

Dieses Argument gilt selbst angesichts einer "queer-freundlichen Militarisierung", wie sie in Israel und der Ukraine zu beobachten ist. Die Inklusion von LGBTQIA in Kriegseinsätzen ist kein Zeichen von Fortschritt. Im Gegenteil, sie deradikalisiert, entpolitisiert und neutralisiert diese Ungleichheiten, indem sie in die nationalistische, kapitalistische Kriegsmaschinerie integriert werden.

c. Der Krieg gegen Migranten

Während Kriege immer mehr Flüchtlinge und Migranten hervorbringen, haben wir in den letzten 10 Jahren eine Militarisierung der (Anti-)Migrationspolitik in einem solchen Ausmaß erlebt, dass wir den Begriff "Krieg gegen Migranten" verwenden müssen.

  • Kürzlich wurden unter dem Vorwand des Massakers in Gaza Änderungen an der (Anti-)Migrationspolitik vieler EU-Länder eingeführt.

  • Der US-Kongress musste die Bewilligung von mehr Mitteln für Waffenlieferungen an die Ukraine mit dem Versprechen kompensieren, dass auch neue Mittel für den Bau der Mauer in Mexiko und die Blockade von Migranten bereitgestellt werden.

  • Militarisierung und Brutalität haben ihren Höhepunkt im Mittelmeer erreicht (z. B. der staatliche Massenmord in Pylos, wo 600 Migranten bei einem Zwischenfall ums Leben kamen, an dem die griechische Küstenwache beteiligt war, aber niemand zur Verantwortung gezogen wurde) und an den Grenzen zwischen Mexiko und den USA (z. B. hat Texas eine schwimmende Barriere mit Kettensägen installiert, um Migranten zu verletzen).

d. Die Reichen werden reicher und die Armen werden ärmer

"Während Millionen von Menschen auf der ganzen Welt in bitterer Armut leben, ohne sauberes Trinkwasser, angemessene Gesundheitsfürsorge, angemessenen Wohnraum oder Bildung für ihre Kinder, haben die Milliardäre der Welt ihren Reichtum allein in den letzten drei Jahren um mehr als 3 Billionen US-Dollar gesteigert." "Im Gegensatz dazu liegen die Länder mit niedrigem Einkommen immer noch über den Armutsquoten vor der Einführung der COVID und sind nicht dabei, die Lücke zu schließen, da die Armut in diesen Ländern zwischen 2022 und 2023 geringfügig zunimmt." "Die Milliardäre sind heute um 3,3 Billionen US-Dollar (oder 34 %) reicher als zu Beginn des Krisenjahrzehnts, wobei ihr Vermögen dreimal so schnell wächst wie die Inflationsrate.Die größten Unternehmen verzeichneten zwischen 2021 und 2022 einen Gewinnsprung von 89 %, während die Gewinne von 14 Öl- und Gasunternehmen 2023 um 278 % über dem Durchschnitt von 2018-21 lagen." "Seit 2020 haben die fünf reichsten Männer der Welt ihr Vermögen verdoppelt." 11

e. Der Krieg nährt neue Kriege - Krieg wird als Mittel zur Bewältigung aller Arten von Krisen normalisiert

  • Der von der türkischen Armee geführte Krieg gegen das kurdische Volk wird immer härter, mit Beschuss durch Drohnen und Kampfflugzeuge im Oktober 2023, Januar 2024 und März 2024 (inzwischen unterhält der türkische Staat enge wirtschaftliche Beziehungen zum israelischen Staat, auch wenn das Erdogan-Regime die Hamas unterstützt).

  • Am 17. und 18. Januar 2024 griffen Iran und Pakistan über ihre Grenzen hinweg Zivilisten in der Region Belutschistan an. Am 17. März 2014 startete Pakistan Luftangriffe innerhalb Afghanistans "gegen pakistanische Taliban".

  • Die Zentralafrikanische Republik ist bereit, einen russischen Stützpunkt für bis zu 10.000 Soldaten aufzunehmen. (Zentralafrikanische Republik will russischen Stützpunkt beherbergen - offiziell. 16. Januar / TASS). In Burkina Faso gewinnt der russische "Antiimperialismus" seit der Machtübernahme durch das Militär in zwei aufeinanderfolgenden Putschen im Jahr 2022 an Boden (z. B. Burkina Faso dankt Russland für ein "unbezahlbares Geschenk" von Weizen, BBC News, 27. Januar 2024).

  • Am 16. März 2024 verkündete der Sprecher der nigrischen Militärregierung, dass "Niger die militärische Zusammenarbeit mit Washington aussetzen wird" (Niger's junta says US military presence is no longer justified, Associated Press News, 17. März 2024).

  • Neben den oben erwähnten jüngsten Entwicklungen sind auch die laufenden Kriege im Sudan, in Somalia und in Äthiopien zu beachten.

  • Mögliche Gebiete für künftige bewaffnete Konfrontationen sind China/Taiwan und das Esequiba-Gebiet in Guyana (am 3. Dezember 2023 fand in Venezuela ein Referendum statt, bei dem es um die Frage ging, ob das Gebiet in die Landkarte Venezuelas aufgenommen werden sollte).

  • In Lateinamerika (Mexiko, Ecuador, Kolumbien usw.) wird der Krieg gegen die Bevölkerung durch die Narcos geführt, die genauso agieren wie die paramilitärischen Gruppen in den 70er und 80er Jahren.

  • Wir haben bereits den "Krieg gegen Migranten" erwähnt, die Militarisierung der Reaktionen auf COVID-19 ist ein weiteres Beispiel für die Normalisierung des Krieges als Mittel zur Bewältigung aller Arten von Krisen.

Parenthese: Notizen von den Fronten des Krieges

Russland/Ukraine

Genossinnen und Genossen aus der Region informieren uns darüber: Menschen aus Zentralasien werden zur russischen Armee geschickt, wofür ihnen die russische Staatsbürgerschaft versprochen wird; wenn sie in ihre Länder zurückkehren, werden sie verhaftet, weil es verboten ist, in die Armee eines anderen Landes einzutreten. Die russische Wirtschaft ist durch den Krieg schwer geschädigt, macht aber auch Gewinne durch den Krieg. Die Stimmung in der Ukraine ist im Umbruch. Viele Arbeiter verstecken sich. Wenn sie erwischt werden, schickt man sie einfach zur Armee. Es gibt immer mehr Geschichten von Verwundeten, die sich in der EU, vor allem in den baltischen Ländern, ins Krankenhaus begeben, um dem neuen Mobilisierungsgesetz in der Ukraine zu entgehen. "Estland ist, wenn nötig, bereit, die Flüchtlinge, die der Mobilmachung unterliegen, an die Ukraine auszuliefern", sagte Innenminister Lauri Läänemets (22. Dezember 2023). Im Moment gibt es keine Anzeichen für Initiativen, die den Krieg in der Ukraine beenden wollen oder können.

Techno-Theatopolitik im Gazastreifen

Viel ist über die Militärkampagne der IDF als Rache an der Bevölkerung des Gazastreifens für die Hamas-Angriffe vom 7. Oktober und als Vorstoß in Richtung der nationalen Säuberungsträume der Netanjahu-Regierung geschrieben worden 12. Ein Aspekt, der nicht genug betont wurde, ist das Beispiel der Politik des Todes und des Managements der überschüssigen Bevölkerung, das dieser Krieg auf eine äußerst raffinierte Art und Weise setzt, die als Techno-Theatopolitik bezeichnet werden kann: "Die israelische Armee verfügt über Dateien zu den meisten potenziellen Zielen in Gaza - einschließlich Häusern -, in denen die Anzahl der Zivilisten festgelegt ist, die bei einem Angriff auf ein bestimmtes Ziel wahrscheinlich getötet werden. Diese Zahl wird berechnet und ist den Nachrichtendiensten der Armee im Voraus bekannt, die auch kurz vor einem Angriff ungefähr wissen, wie viele Zivilisten mit Sicherheit getötet werden" 13.

Es gibt keinen Ausweg aus der Situation in Gaza/Palästina/Israel, wenn es keine internationalistische und antikapitalistische Mobilisierung gibt. Es besteht dringender Bedarf an einem Ansatz, der in der Lage ist, die Wurzeln des Konflikts, die jeweiligen Interessen und, was noch wichtiger ist, die sozialen Kräfte innerhalb der israelischen und palästinensischen Gesellschaften anzusprechen, die in der Lage und willens sind, eine andere Lösung als den totalen Krieg und die Vernichtung zu unterstützen (die von der IDF derzeit brutal praktiziert und von verschiedenen Versionen des politischen Islams für die Zukunft angestrebt wird). Dies bedeutet, dass wir palästinensische und israelische fortschrittliche und oppositionelle Stimmen gegen die Netanjahu-Regierung und die Hamas-Regierung erfassen, unterstützen und zusammenführen müssen.

f. Die Angst vor dem Krieg befeuert die Kriegspolitik: Die Angst vor der Ausbreitung des Krieges führt dazu, dass die Menschen den Krieg unterstützen

Wie kann man eine Perspektive gegen den Krieg schaffen in einer Situation, in der der größte Teil der Gesellschaft Angst vor dem Krieg hat? Wie kann man erklären, dass Antikriegspolitik nützlicher ist als die Politik der NATO oder der eurasischen Militarisierung?

Diese sehr realen Fragen werden in den letzten zwei Jahren in allen Nachbarländern der Ukraine gestellt. Die Kriegsherren des westlichen Kapitalismus wollen sie auf ihr gesamtes Herrschaftsgebiet ausweiten: "Die EU sollte sich bis zum Ende des Jahrzehnts auf einen Krieg vorbereiten, warnt der deutsche Verteidigungsminister" (18. Dezember 2023), "Die Zeit der Friedensdividende ist vorbei. Und jetzt müssen wir, genau wie unsere Feinde, für eine Ära der Konfrontation planen und investieren..." (Großbritanniens Verteidigungsminister, Montag, 15. Januar 2024), "Das Militär der NATO ist bereit, aber auch die Zivilbevölkerung muss sich auf den Krieg vorbereiten" (NATO-Militärkommandeur Admiral Rob Bauer, 18. Januar 2024). "Französische Truppen sind bereit für "die härtesten Einsätze" (NATO-Verbündeter könnte 60.000 Mann in der Ukraine befehligen, Newsweek, 20. März 2024). Abgesehen davon, dass dies ein klarer Fall ist, in dem das Heilmittel die Krankheit nährt, kann es keine persönliche Antwort (außer auf ethischer Basis) auf die oben genannten Fragen geben, die Antwort wird entweder von einer transnationalen sozialen Bewegung gegen Militarismus und Krieg oder von der grausamen Realität des Krieges selbst kommen.

g. Die Angst verschiebt das gesamte politische Spektrum nach (ganz) rechts

Die Unterstützung für mehr oder weniger offene Faschisten (Geert Wilders, Javier Milei, Giorgia Meloni, Marine Le Pen usw.) ist die Antwort der freien Welt auf die despotischen Regime des/der konkurrierenden kapitalistischen Blocks.

Auch am anderen Ende des politischen Spektrums vollzieht sich ein Rechtsruck: Während sich autoritäre und unterdrückerische Regime als Anführer einer entstehenden "multipolaren" Welt präsentieren, treten Teile der Linken dafür ein, dass tyrannische, autoritäre und reaktionäre Kräfte und Regime einen progressiven Widerstand gegen den "westlichen Imperialismus" darstellen.

Menschen, die noch vor einem Jahr "Frau, Leben, Freiheit" riefen, unterstützen jetzt die so genannte "Achse des Widerstands". Wir sind entschieden dagegen, dass Menschen aufgrund ihrer Nationalität unterdrückt werden. Das ist klar. Aber wir dürfen nie vergessen, dass alle Nationalismen - auch die der derzeit unterdrückten Gruppen - ebenfalls ausgrenzend und unterdrückend sind. Das Gleiche gilt für Theokratie und religiösen Obskurantismus. Außerdem ist der politische Islam kein Konkurrent des Kapitalismus, sondern ein Werkzeug in den Händen verschiedener kapitalistischer Gruppierungen, er ist eine Alternative zur Marke des westlichen Kapitalismus, nicht zum Kapitalismus selbst. Er wird seit vielen Jahrzehnten von globalen und regionalen kapitalistischen Mächten eingesetzt: in der Vergangenheit von den USA gegen den säkularen arabischen Nationalismus und die Sowjetunion, in jüngerer Zeit vom israelischen Staat gegen den säkularen palästinensischen Widerstand, von der NATO gegen das Bashar al-Assad-Regime in Syrien, von den Golfmonarchien und der Islamischen Republik Iran, um ihre eigenen Interessen in der weiteren Region zu fördern, vom Erdogan-Regime für das neo-osmanische Narrativ der AKP, selbst die streng christlich-orthodoxe Russische Föderation hat die Karte des Putin-freundlichen politischen Islams in Tschetschenien gespielt, um die neue Konfrontation in Palästina anzugehen.

"Wir wissen, dass der Weg zur kollektiven Befreiung nicht über die Wahl zwischen falschen Dichotomien wie "globaler Imperialismus/Islamische Republikregierung" oder "israelische Kolonialherrschaft/Hamas reaktionäre Kraft" führt. (...) Stattdessen geht es darum, diese Binaritäten und Vereinfachungen insgesamt abzubauen. Jahrelang hat man uns weisgemacht, dass wir nur die Wahl zwischen dem "Schlechten und dem Schlimmeren" haben. Heute sagen wir laut und deutlich "Nein" zu den falschen Binaritäten, die uns präsentiert werden, und stellen uns gegen Unterdrückung und Repression in all ihren Formen." (Jin Jiyan Azadî wie in Freies Palästina, Text unterzeichnet von 250+ iranischen Feministinnen, November 2023) 14.
Selbst Solidaritätsbewegungen neigen dazu, diese Dichotomien als Erklärungsrahmen für diese Konflikte zu interpretieren. Diese Dichotomien scheinen einen einfachen Zugang zu moralisierenden politischen Bewertungen zu bieten, die politische Subjekte dazu bringen können, die eine oder andere Seite zu unterstützen oder die Situation zu vereinfachen. Da solche Dichotomien jedoch auf kapitalistischen, etatistischen Erzählungen über Weltfrieden durch Krieg oder über eine multipolare Welt beruhen, reproduzieren sie in Wirklichkeit den Effekt, den sie abschwächen wollen. In einem konfliktgeladenen, kapitalistischen, hyperkomplexen Stellvertreterkrieg kommt es zu einer endlosen Vermehrung solcher Dichotomien.

Es gibt auch die visuelle Darstellung des Antiimperialismus der 1960er und 1970er Jahre, die als Avatar wiederkehrt. Obwohl es keine Staatsmacht gibt, die sich als antikapitalistisch ausgibt, phantasieren die Anhänger des Antiimperialismus rivalisierende kapitalistische Blöcke als Gegenmittel zum westlichen Kapitalismus. Es genügt, eine sowjetische Flagge auf einem russischen Panzer oder die PDFLP-Flagge neben der der Hamas zu sehen, um das Gefühl zu bekommen, dass eine Ideologie wiederbelebt wird, die sich bereits in der Vergangenheit als falsch erwiesen hat, als antikolonialistische Kämpfe gezwungen waren, sich entweder mit der einen oder anderen Version des Staatskapitalismus (UdSSR oder China) zu verbünden oder durch Industrialisierung, primitive Akkumulation und den Aufbau von Nationalstaaten "ihren eigenen Weg zu finden". Selbst wenn die lokalen Revolutionäre wohlmeinend waren und die besten Träume und Absichten hatten, waren sie, als sie Bündnisse mit den bestehenden Machtstrukturen und den aufstrebenden herrschenden Klassen in den kürzlich entkolonialisierten Ländern schmiedeten, gestrandet und gefangen zwischen staatlicher Politik, der Außenpolitik der damaligen Großmächte und der internationalen Diplomatie. Wenn sie nicht direkt von der Militärmaschinerie des Westens überrollt wurden, reichten all diese Sackgassen und entfremdenden Mittel des Kampfes aus, um die Menschen völlig zu entmachten und ihnen jede Perspektive und Hoffnung auf Emanzipation zu nehmen. In den 1990er Jahren setzten der korporative Neokolonialismus, die "Strukturanpassungsprogramme", die "humanitären Kriege" und dann der "Krieg gegen den Terror" eine neue Art von Kolonialherrschaft durch, deren Alternative nun die Bühne betritt: der politische Islam und die "multipolare" BRICS-"Perspektive".

4. VERKNÜPFUNG DER LAUFENDEN SOZIALEN KÄMPFE MIT DEM WIDERSTAND GEGEN MILITARISMUS UND KRIEG

Anstatt von einer Rückkehr zu etwas zu fantasieren, das sich von Anfang an als falsch erwiesen hat, sollten wir versuchen, den Widerstand gegen die kapitalistische Todesmaschinerie mit den laufenden sozialen Kämpfen zu verbinden. Überall finden bereits Mobilisierungen zu verschiedenen Themen statt, mit Forderungen, die sich der Logik des Krieges durch ihre bloße Existenz entziehen: Feministische Kämpfe, wie die großen Demonstrationen am 25. November 2023 in Italien gegen patriarchale Gewalt 15, oder die Proteste in Frankreich gegen das neue und sehr rassistische Einwanderungsgesetz, oder der Marsch von MigrantInnen zu den US-Grenzen 16, Kämpfe gegen Privatisierungen, wie der Kampf der Studierenden gegen die Privatisierung der griechischen Universitäten, Kämpfe gegen Extraktivismus und kapitalistische Megaprojekte, die in vielen Teilen Lateinamerikas, aber auch in Frankreich, Serbien und anderswo in Europa stattfinden.

Obwohl Krieg oft von den Machthabern als Mittel gegen die wachsende allgemeine Unzufriedenheit eingesetzt wird, verdrängt die Stärkung des sozialen/klassischen Krieges in einer Weise, die es dem (universellen) Proletariat ermöglicht, seine eigene neue Form der Macht zu verkörpern, indem es zur Klasse des Bewusstseins wird, immer die Aussicht auf Krieg. Dies erfordert internationalistische Organisationsinitiativen, wie die Aktionswoche und den Antikriegskongress in Prag. Leider hat es in den mehr als zwei Jahren, die seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine vergangen sind, nicht so viele ähnliche Initiativen gegeben. Wir können nur die folgenden nennen:

  • Der zapatistische Aufruf "zu Protesten und Mobilisierungen gegen ALLE KAPITALISTISCHEN KRIEGE" am 13. März 2022.

  • Der Aufruf der Ständigen Versammlung gegen den Krieg zum "Streik gegen den Krieg" am 1. Mai. 2022.

  • Antikriegsplakat mit der Aufschrift "Überall auf der Welt, vom Balkan bis nach Palästina und Israel, Russland und der Ukraine, ist der Feind das Kapital und der Staat - über die Mauern des Nationalismus und des Krieges hinweg, Solidarität und Widerstand aufbauen!"Der internationalistische, antikapitalistische und Antikriegs-Protest, der am 8. Juli 2023 in Ljubljana im Rahmen der Balkan Anarchist Bookfair stattfand.

  • Die "Weltweiten Aktionstage gegen jeglichen Krieg und Militarismus", die auf dem Internationalen Anarchistentreffen in Saint-Imier (Juli 2023) vorgeschlagen wurden und Ende November 2023 stattfinden sollen. Am 18. November fand in Turin eine von der Assemblea Antimilitarista organisierte antimilitaristische Demonstration "gegen die Stadt der Waffen und den NATO-Innovationsbeschleuniger in Turin anlässlich der Kriegsmesse der Luft- und Raumfahrtindustrie (Aerospace and Defense Meeting)" statt. Am 29. November fand ein Protest gegen die Berliner Sicherheitskonferenz (ein internationales Treffen von Rüstungsindustriellen, NATO-Beamten und europäischen Politikern) unter dem Motto "Keine Kriegskonferenz in unserer Stadt" statt, während Genossen in Ljubljana Anti-Kriegs-Transparente vor den Gebäuden von drei Rüstungsunternehmen aufhängten. In denselben Tagen wurde ein Antikriegsplakat mit der Aufschrift "Überall auf der Welt, vom Balkan bis nach Palästina und Israel, Russland und der Ukraine, ist der Feind das Kapital und der Staat - über die Mauern des Nationalismus und des Krieges hinweg, Solidarität und Widerstand aufbauen!" produziert - dieses Plakat wurde auf der Generalversammlung der 15. balkanischen anarchistischen Buchmesse (Ljubljana, Juni 2023) 17 beschlossen.

Eine weitere internationale (aber nicht unbedingt internationalistische) Initiative fand am 10. November 2023 statt, als auf verschiedenen Kontinenten Demonstrationen und Streiks gegen Waffenlieferungen an die israelische Armee stattfanden. In Kent, England, wurde eine Waffenfabrik durch eine Blockade gestoppt, während Hafenarbeiter in Oakland, Seattle, Barcelona und Sydney zur gleichen Zeit Aktionen organisierten. Im Hafen von Genua, Italien, organisierten die Arbeiter eine Blockade der Hafentore, begleitet von einer Demonstration gegen den Krieg und die Militärlogistik. Die Aktionen in Genua wurden von der CALP (Autonomes Kollektiv der Hafenarbeiter) organisiert. Hafenarbeiter in Genua hatten am 31. März 2022 einen ähnlichen Protest mit einem Transparent mit der Aufschrift "Kein Penny, kein Gewehr, kein Soldat für den Krieg" durchgeführt.

Es gab den Vorschlag, die Proteste der Feministinnen am 8. März 2024 mit dem Widerstand gegen Krieg und Kapitalismus zu verbinden, doch scheint dies vor allem in Italien tatsächlich geschehen zu sein. Im Gegenteil, in Deutschland fanden separate pro-israelische und pro-palästinensische feministische Proteste statt.

Die Notwendigkeit, Deserteure und Kriegsverweigerer in den betroffenen Gebieten zu unterstützen, wurde häufig angesprochen.

  • In Israel wurden Sofia Or und Tal Mitnick (Mesarvot-Netzwerk) wegen ihrer Weigerung, in die Armee einzutreten, vor Gericht gestellt und inhaftiert.

  • In der Ukraine werden sogar christliche Kriegsdienstverweigerer (wie Vitaly Alekseenko) inhaftiert, während Pazifisten wie Yurii Sheliazhenko von der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung ständig schikaniert werden.

  • Es gibt Netze zur gegenseitigen Unterstützung von ukrainischen Staatsangehörigen, die in EU-Länder geflohen sind, um nicht für den Krieg rekrutiert zu werden, aber (mit sehr wenigen Ausnahmen) fühlen sie sich nicht sicher, wenn sie an die Öffentlichkeit gehen.

  • Viele Menschen, die aus Russland geflohen sind, befinden sich jetzt in Serbien, da sie für die Einreise in EU-Länder ein Visum benötigen, was bei der Einreise nach Serbien nicht erforderlich war. Gleichzeitig werden sie in Serbien selbst ständig von FSB-Agenten überwacht.

  • In Russland gibt es viele Gefangene, die wegen direkter Aktionen gegen den Krieg verurteilt wurden. Hier sind die Kontaktadressen von antikriegerischen, anarchistischen und antifaschistischen Gefangenen in Russland (Information, von Anarchist Black Cross Moskau, Update vom 20. Februar 2024): Currently imprisoned in Russia


Wir sollten nicht vergessen:

a. Eine Bewegung, die sich gegen die systemischen Triebkräfte von Kriegen richtet, kann entstehen, bevor ein Krieg ausbricht. Wenn der Krieg ausbricht, ist es zu spät.

b. Im Westen wird der "Krieg" immer noch in den Köpfen und Herzen der Menschen ausgetragen.

Nach dem Ende des Kalten Krieges haben die Realität des Krieges und seine Wahrnehmung in der Öffentlichkeit verschiedene Stadien durchlaufen:

  • Morbide Neugier und Exotik/Spektakel (Irak 1990) / Live-Übertragung eines Krieges / "Der Himmel über Bagdad wird erleuchtet".

  • Victimization/Charity, während der Krieg noch "weit weg" war (Syrien) und Gleichgültigkeit (in der Vergangenheit haben wir von einigen der tödlichsten Massaker nicht einmal etwas mitbekommen: der Maya-Völkermord in Guatemala, der zweite Kongo-Krieg, auch bekannt als Afrikas Weltkrieg. Zurzeit gibt es Kriege - Sudan, Äthiopien - die niemanden interessieren.)

  • Je näher der Krieg rückte (der Krieg in der Ukraine wurde als "erster Krieg auf europäischem Boden nach dem 2. Weltkrieg" bezeichnet, eine Beschreibung, die die Jugoslawienkriege bequemerweise vergisst), desto weiter reichte das allgemeine Gefühlsspektrum von Angst bis zur Banalisierung des Todes.

  • Die Überbetonung von Gewalt und Tod während des andauernden Massakers in Gaza hat die Thanatopolitik auf eine neue Ebene gehoben.


Wir brauchen unsere eigene Politik des Lebens.

Wir müssen verstehen, dass die Antikriegspolitik den Aufbau von Realitäten beinhalten muss, die die Wurzeln des Krieges bekämpfen.

An verschiedenen Orten auf der Welt versuchen Bewegungen und Menschen, Alternativen zum Kapitalismus, dem Staat und seiner Kriegsmaschinerie zu schaffen: Die zapatistische Autonomie in Chiapas, der kurdische demokratische Konföderalismus in Rojava, die Selbstorganisation der Mapuche (Chile/Argentinien), der Nasa und der Misak (Kolumbien) sowie von Dutzenden von Völkern im Amazonasgebiet, die Bewegung der Hüttenbewohner Abahlali baseMjondolo in Südafrika, die MST in Brasilien und die internationale Bewegung Via Campesina. Schauen wir uns auch die Bewegungen innerhalb der kapitalistischen Kernländer an (Hausbesetzungen, soziale Zentren, Solidaritätsnetzwerke, selbstorganisierte Projekte und Initiativen in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Lebensmittelverteilung und Gegeninformation, Initiativen der Arbeiterselbstverwaltung, landwirtschaftliche Kollektive usw.).

Wir müssen verstehen, dass die Antikriegspolitik den Aufbau anderer Realitäten beinhalten muss, Realitäten, die den Wurzeln des Krieges widerstehen. Mit anderen Worten, wir können uns der Thanatopolitik nicht widersetzen, wenn wir nicht unsere eigene Politik des Lebens praktizieren: Die Freude am Widerstand und an der Revolution gegen den Kult des Todes und des Märtyrertums; Fürsorge und Solidarität anstelle des wachsenden Militarismus und der Intoleranz (die aus dem Elend und der Verzweiflung herrühren); Selbstverwaltung und soziale Verantwortlichkeit anstelle der vom Kapitalismus geförderten allgemeinen Verantwortungslosigkeit; kollektive Freiheit anstelle der individualistischen Inhaltslosigkeit.

Zusammen mit Klassenkampforganisationen und sozialen Bewegungen gegen Rassismus, Patriarchat, Umweltzerstörung, Militarismus und zur Verteidigung der Gemeingüter, zusammen mit Kriegsverweigerern und Deserteuren von den verschiedenen Kriegsfronten, zusammen mit Feministinnen, Migranten, prekär Beschäftigten und Umweltaktivisten werden wir eine autonome Antikriegsbewegung gegen die kapitalistische Maschine des Todes und der Verzweiflung schaffen.

„Wie immer friert der Krieg, wenn er nicht zivil ist, den Prozess der sozialen Revolution nur ein. In Nordvietnam hat er dazu geführt, dass die Bauernschaft die Bürokratie, die sie ausbeutet, in nie gekanntem Maße unterstützt. In Israel hat sie jede Opposition gegen den Zionismus für lange Zeit ausgelöscht, und in den arabischen Ländern stärkt sie die reaktionärsten Schichten. Revolutionäre Strömungen können sich dort in keiner Weise mit ihr identifizieren. Ihre Aufgabe liegt am anderen Pol der gegenwärtigen Bewegung, da sie deren absolute Negation sein muss.“

(Mustapha Khayati, Zwei lokale Kriege, Situationistische Internationale #11, Oktober 1967; übersetzt von Ken Knabb)

Antipolitika, Mai 2024.


Fußnoten:
1 Wir sollten uns den islamistischen Bewegungen nicht anhand der Ideen nähern, die sie artikulieren, sondern vielmehr anhand ihres sozialen Inhalts. Der Islamische Staat entstand nach dem katastrophalen Krieg im Irak und wuchs nach der Niederlage des Arabischen Frühlings im Umfeld des wachsenden Gewichts des Golfkapitals sowohl im Nahen Osten als auch auf globaler Ebene. Sie wurde durch die Internetpornografie ihrer Gewalt weltweit bekannt. Während des Stellvertreterkriegs in Syrien haben westliche Regierungen Gruppen, die mit ISIS in Verbindung stehen, mit Waffen und Geldern unterstützt. Über die aktuelle Organisationsform ist nichts bekannt. Vielerorts beanspruchen Gruppen, dazuzugehören, und es ist unklar, welche spezifischen Faktoren jede vom Islamischen Staat beanspruchte Aktion bestimmen (der Anschlag auf das Krokus-Rathaus von ISIS-K könnte mit der unverhältnismäßigen Zwangsrekrutierung von Muslimen in die russische Armee in der Ukraine oder den brutalen Kriegen in Itschkeria, Inguschetien usw. zusammenhängen). In dem komplexen globalen Umfeld von heute könnten viele Faktoren gleichzeitig eine Rolle spielen, sogar mit widersprüchlichen langfristigen Interessen. Doch anstatt sich in Verschwörungstheorien zu ergehen, sollten wir den Islamischen Staat im Rahmen der globalen sozialen Beziehungen und Bedingungen untersuchen: Niederlage und Demütigung sind zu alltäglichen Erfahrungen geworden, und es sind keine plausiblen Alternativen der politischen und wirtschaftlichen Organisation in Sicht; das Kapital bewegt sich auf der Suche nach Profit ständig über nationale Grenzen hinweg, während die Thanatopolitik den Alltag beherrscht und einen ideologischen Rahmen bietet, der ganze Gruppen von Menschen in den Status von Untermenschen degradiert; der Islamische Staat könnte als ein transnationales Netzwerk verstanden werden, das das System widerspiegelt, gegen das er sich stellt.

2 "Die jüdische Apartheid und die schiitische Apartheid brauchen den Krieg: Die Angleichung des islamischen Regimes an die Ziele der Ausweitung des Krieges von Netanjahu und der israelischen Rechten ist genau auf die Angleichung an die Ergebnisse und Auswirkungen dieses zerstörerischen Krieges bei der Unterdrückung der zivilen und revolutionären Bewegung des Volkes im Iran zurückzuführen. In diesem Ziel sind die beiden Apartheidregime vereint und gleichgeschaltet. (...) Wir rufen alle freiheitsliebenden und nach Gleichheit strebenden Kräfte, alle gewissenhaften und besorgten Individuen auf, die Friedensbewegung von ganzem Herzen zu verjüngen; alle ihre Ressourcen zu nutzen, um die Bemühungen der Kriegstreiber von allen Seiten zu entlarven. O.R.W.I. - Organisation der Revolutionären Arbeiter des Iran (Rahe Kargar)". Voices of Dissent: Iranische Linksparteien verurteilen Militarismus und Imperialismus3 Siehe zum Beispiel: Sophia Goodfriend, "Gaza war offers the ultimate marketing tool for Israeli arms companies", +972 Magazine, 17. Januar 2024.


5 Brown O., Froggatt A., Gozak N., et al. The impact of Russia's war against Ukraine on climate security and climate action. OSZE; 2023.

6 Es gibt auch große Lithiumreserven in den USA, in Mittel- und Westeuropa und kleine in Serbien. Raten Sie mal, wo in Europa die Unternehmen zuerst graben wollen? In Serbien, denn der Abbau ist furchtbar umweltschädlich! Es ist nicht immer nur so, dass bestimmte Reserven nicht verfügbar sind, aber es ist einfacher, Gewalt gegen die Bevölkerung in einem afrikanischen Land oder in Serbien zu delegieren als in einem westeuropäischen Land.

7 "Das DOD (United States Department of Defense) ist der größte Einzelverbraucher von Energie in den USA und in der Tat der größte institutionelle Einzelverbraucher von Erdöl in der Welt. ... wenn das US-Militär eine Nation wäre, würde es zu den 50 größten Treibhausgasemittenten der Welt gehören und damit noch vor Schweden oder Dänemark liegen". Neta C. Crawford, Pentagon Fuel Use, Climate Change, and the Costs of War, Boston University, November 2019.

8 "Unsere Schätzung hat eine ziemlich große Unsicherheit - wir haben zwischen 3,3 % und 7,0 % [der globalen Emissionen] berechnet - aber es ist auch wichtig zu beachten, dass diese Zahlen die weiteren Auswirkungen des Krieges nicht berücksichtigen. Zu diesen Auswirkungen gehören: Brände in Lagern für fossile Brennstoffe und in Gebäuden, Brände und andere Schäden an Wäldern, Ernten und anderen biologischen Kohlenstoffspeichern, Flüchtlingsströme, die medizinische Versorgung der Überlebenden und der Wiederaufbau nach Konflikten. In unserer Schätzung ist auch die Erwärmung des Klimas durch die Auswirkungen der militärischen Flugzeugemissionen in der Stratosphäre nicht berücksichtigt". Dr. Stuart Parkinson, "Wie groß sind die globalen militärischen Kohlenstoffemissionen?" Responsible Science Journal Nr.5; Juli 2023.



11 Oxfam-Bericht "Inequality Inc", Januar 2024.

12 Es gibt eine Diskussion darüber, wie man das, was in Gaza geschieht, bezeichnen soll: Massaker, ethnische Säuberung, Völkermord...? In der Tat gibt es kein "richtiges" Wort, keine angemessene Terminologie, keine Worte, um das Grauen zu beschreiben. Aus antikapitalistischer Sicht wäre es vielleicht nützlich, daran zu erinnern, dass diese Art von "Bestrafung" mit einem Verhältnis von 1:30 zu 1:100 (30-100 getötete "Untermenschen" für jeden getöteten Europäer) seit langem und bis vor kurzem das Standardverfahren des europäischen/westlichen Kolonialismus war: Das Massaker von Sétif und Guelma (Algerien) im Jahr 1945, das Massaker von Mỹ Trạch (Vietnam) im Jahr 1947 und die Massenerschießungen, Folterungen, Kriegsvergewaltigungen, das Abfackeln ganzer Dörfer, kollektive Bestrafungen und andere Gräueltaten, die während des madagassischen Aufstands (Madagaskar, 1947-1949) begangen wurden - massive Gräueltaten, die denen der britischen Armee in nichts nachstanden - werden die Französische Republik immer stigmatisieren: die Kopfjagd auf Rebellen bei der Niederschlagung des Aufstands in Malaya (1948-1960), die "fragwürdigen Methoden" bei der Niederschlagung des irakischen Aufstands 1920, das Massaker von Jallianwala Bagh (Indien) 1919 oder die so genannte "Strafexpedition nach Benin" (1897). Dann das Massaker von Shar al-Shatt (Libyen) 1911 durch italienische Truppen, die chemischen Waffen, die General Franco einsetzte, um den Aufstand der Berber gegen die Kolonialherrschaft in der Rif-Region (1921) niederzuschlagen, ganz zu schweigen von dem Völkermord an den Herrero und Nama 1904-1908 durch das Deutsche Reich, die Millionen von Kongolesen, die in den Kautschukplantagen des von König Leopold II. von Belgien gegründeten "Kongo-Freistaats" (1885-1908) starben, oder den Aphorismus von General Sheridan "Der einzige gute Indianer ist ein toter Indianer" ("Indianerkriege", 1866-1869).



15 Hunderttausende Menschen haben am Samstag, den 25. November 2023 (Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen), in ganz Italien an Protesten teilgenommen, inmitten einer weit verbreiteten öffentlichen Wut und Bestürzung über den Mord an der 22-jährigen Giulia Cecchettin durch ihren Ex-Freund Filippo Turetta. Es gab eine Debatte, weil einige jüdische Feministinnen und Mitglieder der jüdischen Gemeinde behaupteten, Non una di meno kümmere sich nicht um die von der Hamas am 7. Oktober vergewaltigten Frauen. Diese Art von Kritik wurde vom rechten Flügel benutzt, um den feministischen Kampf gegen patriarchale Gewalt zu disqualifizieren. Dies ist ein Beispiel dafür, wie der Krieg ein Mittel ist, um die Räume des Kampfes zu schließen und zu untergraben.

16 Etwa 7.500 Menschen aus 24 verschiedenen Ländern nahmen an einer Protestkarawane teil, die sich vom mexikanischen Bundesstaat Chiapas aus nach Norden in Richtung der Grenzen zu den USA bewegte. Die meisten Migranten stammten aus Mittelamerika, Kuba, Venezuela und Haiti, aber einige kamen auch aus der Türkei, dem Iran, Syrien und Kamerun.

17 Obwohl es im Internet kursierte, wurde es wahrscheinlich nur an die Wände mehrerer Städte im griechischen Staat geklebt: Chania, Patras, Larissa, Ioannina, Thessaloniki und Athen.


Quelle: Antipolitika - anarchist journal from the balkans, 24. Mai 2024
Übersetzung [Nicht authorisiert]: Thomas Trueten
Updates:
23. Juni 2024: Links ergänzt, kleinere Korrenturen.
24. Juni 2024: Zitate hervorgehoben.

Der LAIKA Verlag stellt den Buchverkauf ein

Liebe Freunde und Freundinnen des guten Buches:
Seit unserem ersten Hilferuf ist etwas mehr als ein Jahr vergangen, und Dank Eurer großartigen Unterstützung konnte der LAIKA Verlag diesen Zeitraum finanziell überstehen.

Jetzt bin ich jedoch an einem Punkt angelangt, wo es für den Verlag finanziell einfach nicht mehr weitergeht. Alle bisherigen Einnahmen seit unserem Aufruf vom März 2023 sind für Lagermiete, die Buchhaltung, den Steuerberater, das Finanzamt und das Bundesamt für Justiz, das immer wieder mit absurd hohen Strafzahlungen droht, draufgegangen. Uns selber haben wir für alle geleistete Arbeit nichts ausgezahlt - im Gegenteil: Dadurch, das ich hauptberuflich in Vollzeit als Angestellter beschäftigt war, konnte ich Fehlbeträge immer wieder aus meinen Privateinnahmen decken. Das geht jetzt nicht mehr, da ich seit April 2024 in Rente und, wie viele andere Betroffene in dieser Situation, mit einer prekären finanziellen Lage konfrontiert bin, die keinen finanziellen Spielraum mehr zulässt. Zusätzlich plane ich, Hamburg zu verlassen und werde mich nicht mehr um den Versand der Bücher kümmern können.

Wir, ich als Geschäftsführer sowie der ursprüngliche Verlagsgründer Karl-Heinz Dellwo, mussten deshalb die traurige Entscheidung treffen, den restlichen noch vorhandenen Buchbestand, immer noch über 30.000 Bücher, bis auf jeweils wenige Exemplare zu entsorgen. Die Einnahmen aus dem Buchhandel sowie über den Webshop sind bei Weitem nicht ausreichend und zu unbeständig, um die Lagerkosten und den Verkauf über den Buchhandel zu finanzieren. Der LAIKA Verlag wird aus den genannten Gründen den Buchverkauf zum 30. Juni 2024 einstellen. Bis zu diesem Datum können noch vorhandene Titel über den Webshop bestellt werden, danach wird es nur noch einen Vertrieb von digitalen Medien geben, d.h. eBooks im PDF Format zum Download oder auf USB Stick.

Wer also noch Bücher in gedrucktem Format bestellen möchte sollte die letzte Gelegenheit bis Ende Juni nutzen. Ich werde mich bemühen, alle Bestellungen so schnell wie möglich zu versenden. Bitte habt Verständnis, wenn es jedoch mal etwas länger dauern sollte. Die Verschenkaktion wird ebenfalls noch bis Ende Juni weitergehen, d.h., das zu jedem bestellten Buch ihr euch ein Weiteres als Geschenk aussuchen könnt, selbstverständlich nur soweit die Titel noch vorhanden sind. Das gilt nicht für Buchpakete und die Reihe Marxist Pocket Books.

Nochmals vielen Dank an euch alle für eure Unterstützung und die Weiterverbreitung dieses Aufrufs!

Martin Bergt
LAIKA Verlag
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Oelkersallee 66
22769 Hamburg
Germany
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Die Grafik zeigt das Logo - eine stilisierte Zeichnung von Laika, der ersten Hündin  im Weltraum - und des Schriftzuges des Verlages

70 Jahre Schlacht um Điện Biên Phủ: Niederlage Frankreichs

Gestern vor 70 Jahren endete die Schlacht um Điện Biên Phủ. Sie "gilt als die entscheidende Schlacht des Französischen Indochinakrieges zwischen den Streitkräften Frankreichs einschließlich der Fremdenlegion und den Truppen der vietnamesischen Unabhängigkeitsbewegung Việt Minh. Der Kampf um die französische Festung im Kreis Điện Biện nahe der damaligen Kreisstadt Điện Biên Phủ begann am 13. März 1954 und endete am 8. Mai mit der Niederlage der Franzosen, die das Ende des französischen Kolonialreiches in Indochina besiegelte (ehemals Französisch-Indochina, heute Vietnam, Laos und Kambodscha). Den Việt Minh gelang es vor allem durch menschliche Arbeitskraft, die notwendige Logistik für eine Artillerieüberlegenheit gegenüber den aus der Luft versorgten Franzosen herzustellen. Dadurch konnten sie die Franzosen, die mit einer solchen Leistung ihrer Gegner nicht gerechnet hatten, größtenteils von der Luftversorgung abschneiden und nach wenigen Monaten die Befestigungen um Điện Biên Phủ einnehmen. Ein großer Teil der in Gefangenschaft geratenen Soldaten starb in Gewahrsam der Việt Minh." Wikipedia

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Zur ergänzenden Lektüre empfehlen wir den Artikel "Die größte Schlacht. Vom Kriegsschauplatz zum Gedenkort und Touristenmagnet. Dien Bien Phu vor 70 Jahren und heute" von Hellmut Kapfenberger. Er war zwischen 1970 und 1973 für den Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienst (ADN), der Nachrichtenagentur der DDR, und für Neues Deutschland Korrespondent in Hanoi. Er ist Autor des Buchs »Vietnam 1972. Ein Land unter Bomben. Mit Notizbuch und Kamera im Norden unterwegs«, das im vergangenen Jahr im Verlag Wiljo Heinen erschien.

"In der Sozialistischen Republik Vietnam wird schon seit Anfang März in vielfältiger Weise des Sieges in der Schlacht von Dien Bien Phu am 7. Mai 1954 gedacht. Nicht nur am Schauplatz jenes dramatischen Geschehens nahe der Grenze zu Laos, sondern auch an vielen anderen Orten des gebirgigen vietnamesischen Nordwestens, die seinerzeit als Hinterland eine wichtige Rolle beim Sieg über ein kampfstarkes französisches Expeditionskorps spielten, wie überhaupt im ganzen Land lebt die Erinnerung daran, dass vor 70 Jahren die 1945 errungene, von Frankreich sofort in Frage gestellte Unabhängigkeit der einstigen indochinesischen Kolonie unter großen Opfern bewahrt werden konnte.

Nach 55 Tagen und Nächten schwerer, für beide Seiten verlustreicher Kämpfe mit Artilleriekanonaden, Bombenangriffen und erbitterten Gefechten am Boden, schwiegen an jenem Tag Anfang Mai auf der Hochebene der Gebirgsprovinz Lai Chau die Waffen. Der extrem dünn besiedelte Landstrich etwa 200 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Hanoi mit dem kleinen Ort Dien Bien Phu als Zentrum war von Granaten und Bomben umgepflügt, mit Leichen bedeckt, von Kriegsschrott aus Stahl und Beton übersät. Ruhe lag nun über dem Ort wochenlangen Gemetzels. An drei Seiten von schroffen, dicht bewachsenen Bergen gerahmt, nur zur nördlichsten laotischen Provinz Phongsali hin halbwegs problemlos zugänglich, war das Terrain zum Schauplatz der entscheidenden und schwersten Schlacht zwischen dem französischen Expeditionskorps und der vietnamesischen Volksarmee geworden. Ihr Ausgang markierte das Ende des französischen Rückeroberungsfeldzugs.

70 Jahre später ist Dien Bien Phu ein Touristenmagnet. Heute kommen jährlich Hunderttausende einheimische und ausländische Besucher, im vorigen Jahr waren es schon fast eine Million, auch hochbetagte vietnamesische und französische Kriegsveteranen. Die stetig wachsende Stadt Dien Bien Phu ist zum Hauptort der seit 2003 bestehenden wirtschaftlich prosperierenden Provinz Dien Bien geworden. Deren nunmehr rund 630.000 Einwohner setzen sich zu mehr als 80 Prozent aus Thai, Hmong (Meo), Dao und 16 weiteren ethnischen Minderheiten zusammen und siedeln auf einer Fläche von rund 8.500 Quadratkilometern.
Frankreichs Festung

Frankreichs Präsident Charles de Gaulle hatte Ende 1946 mit logistischer Unterstützung Großbritanniens ein von den USA ausgerüstetes Expeditionskorps formiert und in Marsch gesetzt. Die Militäroperation erfolgte in der Absicht, die 1945 verlorene, im Gefolge der siegreichen Augustrevolution zur Demokratischen Republik Vietnam (DRV) gewordene indochinesische Kolonialdomäne zurückzuerobern. Allmählich tief in das Land vorgestoßen, geriet die auch aus afrikanischen Kolonialtruppen und etlichen deutschen Fremdenlegionären bestehende Streitmacht nach einigen Jahren in eine äußerst prekäre Lage. Den jungen, von der Bevölkerung tatkräftig unterstützten und stetig erstarkenden Streitkräften der DRV gelang es im Laufe der Zeit trotz deutlicher materieller Unterlegenheit mehr und mehr, den Eindringlingen Kämpfe aufzuzwingen und Niederlagen zu bereiten. Immer größere Teile des Landes von den Küstenebenen bis in die Tiefen des nördlichen Hochgebirges an der Grenze zu China und nahe der Grenze zu Laos konnten sie freikämpfen. Auch große Gebiete des angrenzenden laotischen Nordens gingen für die Aggressoren verloren. Das am Ende fast gänzlich von den USA finanzierte Vorhaben einer neokolonialen Rückeroberung drohte zu scheitern. In dieser für Frankreich bedrohlichen Lage rückte Dien Bien Phu ins Zentrum, gelegen in einer Region allerdings, die für die Eindringlinge auf dem Landweg nur noch von Laos aus erreichbar war.

Die Gegend mit einem Anfang der 1940er Jahre von den Japanern nach der Eroberung Indochinas angelegten kleinen Feldflugplatz war bis dahin vom Krieg unberührt geblieben. Gemäß strategischer Überlegungen auf beiden Seiten sollte dieses Terrain mit einer Ausdehnung von etwa 20 mal acht Kilometern – erst seit November 1953 mit der Landung von Fallschirmjägern in französischer Hand – nun zum Austragungsort einer möglichst entscheidenden militärischen Auseinandersetzung werden. Aus französischer Sicht gab es für den Plan, Vietnams Truppen einen vernichtenden Schlag zu versetzen, in den wenigen noch selbst kontrollierten Gebirgsgebieten keinen besser geeigneten Ort mehr. Zudem meinte man, so die Kontrolle zunächst über Vietnams Nordwesten und den laotischen Norden zurückgewinnen zu können, um darauf aufbauend allmählich wieder in die Offensive zu gelangen. Das Kommando des Expeditionskorps und hochrangige US-amerikanische Berater im noch okkupierten Hanoi entschieden, im Raum Dien Bien Phu mit demonstrativer Offenheit eine waffenstarrende Stützpunktfestung zu errichten und die Vorbereitung einer Offensive vorzutäuschen. Das Kalkül war, wie später aktenkundig wurde, Vietnams Armeeoberkommando unter General Vo Nguyen Giap zur Verlegung der Hauptkräfte der Volksarmee in dieses Gebiet zu verleiten. In der nur schwer zugänglichen, wilden, teils von undurchdringlicher Vegetation überwucherten Gebirgswelt, die kaum Manövriermöglichkeiten bot, wollte man sie mit konzentriertem Artilleriefeuer und massiven Luftschlägen zermalmen, davon überzeugt, an diesem Ort die weitaus besseren Karten zu besitzen.

Über eine Luftbrücke, wie sie Indochina noch nie erlebt hatte, wurden ab Dezember 1953 gewaltige Mengen Baumaterial und -gerät, schwere Waffen und Tausende Soldaten herangeschafft. Auf der Hochebene entstand der größte Stützpunktkomplex in Indochina mit zwei leistungsstarken Feldflugplätzen. Die französischen Militärs und amerikanische Berater schätzten ihn als uneinnehmbar ein. Ende März waren in den mit Bunkern gespickten, von Grabensystemen durchzogenen, mit Minenfeldern und kilometerlang mit Stacheldraht gesicherten drei inneren Sektoren und in den stark befestigten Außenforts auf umliegenden Bergen 17 Infanterie- und drei Artilleriebataillone, Pioniertruppen, Panzereinheiten, Kampf-, Transport- und Aufklärungsflugzeuge konzentriert. Das Expeditionskorps hatte rund 20.000 Mann seiner schlagkräftigsten Einheiten zusammengezogen. Sein Chef General Henri Navarre tönte: »Nur in Dien Bien Phu und nirgendwo sonst werden wir den Sieg erringen.« Bei einer Blitzvisite vor Ort zeigte sich der Oberkommandierende der US-Streitkräfte im pazifischen Raum, General John O’Daniel, hinsichtlich der Perspektiven der geplanten Schlacht »enthusiastisch«. US-Vizepräsident Richard Nixon und Außenminister John Foster Dulles kreuzten in Hanoi auf. Im Golf von Bac Bo (Tonkin) gingen auf der Höhe der Hafenstadt Haiphong zwei Flugzeugträger vor Anker. (...)"

Weiterlesen in "junge Welt" vom 07. Mai 2024

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Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg! Friedensfähigkeit statt Kriegstüchtigkeit!

Logo de Gewerkschaften gegen Aufrüstung: Eine rote nelke wächst aus einer zerbrochenen RaketeDie Welt wird von immer neuen Kriegen erschüttert, Menschen werden getötet, Länder verwüstet. Das Risiko eines großen Krieges zwischen den Atommächten wächst und bedroht die Menschheit weltweit. Gigantische Finanzmittel und Ressourcen werden für Krieg und Militär verpulvert. Statt damit die großen Probleme von Armut und Unterentwicklung, maroder Infrastruktur und katastrophalen Mängeln in Bildung und Pflege, Klimawandel und Naturzerstörung zu bekämpfen.

Die deutsche Regierung und Parlamentsmehrheiten beteiligen sich an dieser verheerenden Politik. Sie reden über „Kriegstüchtigkeit“ und sogar über „eigene“ Atombewaffnung, statt sich mit aller Kraft für ein Ende der Kriege, für Frieden und gemeinsame Problemlösungen einzusetzen. Die Ausgaben für Militär sollen 2024 auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung, über 85 Milliarden Euro, erhöht werden und in den kommenden Jahren weiter steigen. Während in den sozialen Bereichen, bei Bildung und Infrastruktur gravierend gekürzt wird und die Lasten der Klimapolitik auf die Masse der Bevölkerung abgewälzt werden.

Die Gewerkschaften müssen sich unüberhörbar für Friedensfähigkeit statt „Kriegstüchtigkeit“ einsetzen, für Abrüstung und Rüstungskontrolle, Verhandlungen und friedliche Konfliktlösungen. Für Geld für Soziales und Bildung statt für Waffen. Das ergibt sich aus ihrer Tradition und ihren Beschlüssen. Auch und besonders in den aktuellen Auseinandersetzungen um die internationale Politik und um die Haushaltspolitik!

Wir fordern unsere Gewerkschaften und ihre Vorstände auf, den Beschlüssen und ihrer Verantwortung gerecht zu werden! Die Gewerkschaften müssen sich laut und entschieden zu Wort melden und ihre Kraft wirksam machen: gegen Kriege und gegen Aufrüstung!

Hier könnt ihr unterschreiben:
https://gewerkschaften-gegen-aufruestung.de/



Der Ortsseniorenausschuss IG Metall Stuttgart hat beschlossen, diesen Gewerkschaften-Aufruf zu unterstützen. Ebenso der Stadtteilausschuss der Senioren Obere Neckarvororte. Die Delegiertenversammlung der IG Metall Hanau/Fulda hat sich per Beschluss ebenfalls dem Aufruf „Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg! Friedensfähigkeit statt Kriegstüchtigkeit!“ angeschlossen. Damit reihte sie sich in die Reihe der inzwischen mehr als 4.700 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner ein. Die Initiatoren des Papiers rufen dazu auf, sich mit Friedensfahnen und Transparenten an den gewerkschaftlichen Kundgebungen, Demonstrationen und Veranstaltungen zum 1. Mai zu beteiligen und den Aufruf dort zu verbreiten.

Hier ein Bericht:

Senioren für Frieden

Der Seniorenausschuss der IG Metall in Stuttgart hat in seiner letzten Sitzung sehr lange und ausführlich über den Rüstungspakt der IG Metall mit dem Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) sowie dem Wirtschaftsforum der SPD e. V. diskutiert. Fast alle Teilnehmenden verurteilten diese Erklärung, weil immer mehr Waffen keinen Frieden schaffen. In der Diskussion wurde von mehreren Senioren betont, dass dies sowohl der Satzung der IG Metall widerspricht als auch den Beschlüssen des Gewerkschaftstags im Oktober. Es wurde Bezug genommen auf den dort mit großer Mehrheit beschlossenen Änderungsantrag, der sich gegen die „Fixierung auf Waffenlieferungen“ aussprach, weil diese den Krieg verlängern, und der einen „Schwerpunkt auf diplomatische Lösungen“ festlegte. Außerdem wurde verurteilt, dass die Erklärung auch dem beschlossenen Ziel „Gemeinsam für Rüstungskonversion“ widerspricht. Es herrschte Unverständnis darüber, dass die Entsorgung dieser Beschlüsse schon so kurz nach dem Gewerkschaftstag erfolgen sollte. Außerdem wurde betont, dass es so einen engen Schulterschluss zwischen IG Metall und Rüstungsindustrie noch nie gegeben habe.

Um dieser „Zeitenwende“ in der IG Metall etwas entgegenzusetzen und als Gegenposition zum Schulterschluss des Zweiten Vorsitzenden Jürgen Kerner mit der Aufrüstungs- und Militarisierungspolitik der Bundesregierung beschloss der Seniorenausschuss mit wenigen Gegenstimmen, den Aufruf „Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg! Friedensfähigkeit statt Kriegstüchtigkeit!“ offiziell zu unterstützen. Die Geschäftsführung der IG Metall Stuttgart wurde aufgefordert, diese Meinungsäußerung der Seniorinnen und Senioren in die Gremien der IG Metall weiterzutragen.

Im Seniorenausschuss sind die Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden von acht Stadtteilausschüssen zusammengeschlossen. Sie vertreten über 13.000 Rentnerinnen und Rentner der Geschäftsstelle Stuttgart.

Quelle: Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften

Erklärung des Bundesauschusses Friedensratschlag zum Verbot des Palästina Kongresses in Berlin

Logo des Bundesausschusses: Eine gezeichnete Friedenstaube neben einem GesichtDer vom 12.-14.4. geplante Palästina-Kongress in Berlin unter dem Motto: „Wir klagen an“ wurde nach im Vorfeld bereits stattgefundenen massiven Diffamierungen aus Politik und Medien am Freitag nur kurze Zeit nach Beginn aufgelöst und verboten. Mehrere Menschen, darunter auch Personen jüdischer Herkunft, wurden verhaftet. Das Vorgehen von Politik und Polizei – obwohl es weder vor, noch während noch nach dem Kongress zu keinerlei strafbaren Äußerungen gekommen ist – darf nicht hingenommen werden.

Bereits im Vorfeld wurde alles versucht, um die friedliche Konferenz zu verhindern, auf der insbesondere eine Koexistenz von Israelis und Palästinensern praktiziert wurde. Die Schikanen gingen von Kontensperrungen und dem Versuch, mithilfe des Bauamts und der Feuerwehr unüberwindbare Hürden aufzubauen sowie willkürliche Auflagen zu erlassen, über Betätigungsverbote bis hin zur Verhinderung von Einreisen.

Neben ihren völlig haltlosen Anschuldigungen gegen den Kongress, seine Organisator:innen, Teilnehmer:innen und Redner:innen machen sich deutsche Politik und Medien der Verharmlosung israelischer Kriegsverbrechen an der Bevölkerung des Gazastreifens, der Westbank und Ostjerusalems schuldig. Selbst Zahlen der im Gazastreifen Getöteten sowie die von Israel verursachte Hungerkatastrophe in der Küstenenklave werden in Zweifel gezogen. Über die deutsche Mitverantwortung spricht man lieber nicht. Und das, während Deutschland als zweitgrößter Waffenlieferant Israels und wegen seiner Streichung der Gelder für das UN-Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge UNRWA bereits vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag steht.

Die Bundesregierung isoliert mit ihrer Politik Deutschland in der gesamten Welt und handelt ohne jeden moralischen Kompass und Werte. Sie muss sich stattdessen für Deeskalation und diplomatische Lösungen im Israel-Palästina-Konflikt einsetzen.

Das Verbot des Kongresses ist ein riesiger Skandal und stellt eine weitere bedrohliche Eskalation bei der Aushebelung demokratischer Rechte dar. Die fortschreitende Einengung jeglicher Meinungskorridore in Deutschland ist brandgefährlich für alle, weil es das demokratisch verbriefte Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit einschränkt. Die zunehmende Unterdrückung von Meinungsäußerungen sowie die Repression aller kritischen Stimmen zum israelischen Krieg im Gazastreifen und dem absolut unverhältnismäßigen Vorgehen der israelischen Regierung und Armee geht uns alle an.

Kassel, den 14.4.2024
Frieden- und Zukunftswerkstatt e. V. c/o Frankfurter Gewerkschaftshaus

Quelle: Bundesausschuss Friedensratschlag

Rede von Yanis Varoufakis auf dem von der deutschen Polizei verbotenen Palästina Kongress

Wir dokumentieren die Rede von Yanis Varoufakis auf dem kurz nach Beginn von Polizei aufgelösten Berliner Palästina Kongress:

Freunde

Herzlichen Glückwunsch und herzlichen Dank, dass ihr hier seid, trotz der Drohungen, trotz der gepanzerten Polizei vor dem Veranstaltungsort, trotz des Aufgebots der deutschen Presse, trotz des deutschen Staates, trotz des deutschen politischen Systems, das euch verteufelt, weil ihr hier seid.

Yanis Varoufakis bei der Veranstaltung "A Soul for Europe" am 13. April 2019 in der Akademie der Künste in Berlin.
Yanis Varoufakis bei der Veranstaltung "A Soul for Europe" am 13. April 2019 in der Akademie der Künste in Berlin.

Von Olaf Kosinsky - Eigenes Werk, Lizenz: CC BY-SA 3.0 de
„Warum ein palästinensischer Kongress, Herr Varoufakis?“, fragte mich kürzlich ein deutscher Journalist. Weil, wie Hanan Ashrawi einmal sagte: „Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die zum Schweigen gebrachten Menschen uns von ihrem Leid berichten.“ Heute ist Ashrawis Begründung deprimierenderweise noch stärker geworden: Weil wir uns nicht darauf verlassen können, dass die zum Schweigen gebrachten, die ebenfalls massakriert werden und hungern, uns von den Massakern und dem Hungertod berichten.

Aber es gibt noch einen anderen Grund: weil anständige Menschen, die Deutschen, dazu gebracht werden, einen gefährlichen Weg Richtung herzloser Gesellschaft zu beschreiten, indem ein weiterer Völkermord im Namen dieses Landes und in seiner Mitschuld verübt wird.

Ich bin weder Jude noch Palästinenser. Aber ich bin unglaublich stolz, hier unter Juden und Palästinensern zu sein – meine Stimme für Frieden und universelle Menschenrechte mit den jüdischen Stimmen für Frieden und universelle Menschenrechte zu vereinen – zusammen mit den palästinensischen Stimmen für Frieden und universelle Menschenrechte. Dass wir heute hier zusammen sind, ist der Beweis dafür, dass Koexistenz nicht nur möglich ist, sondern dass sie bereits stattfindet. Schon jetzt.

„Warum kein jüdischer Kongress, Herr Varoufakis?“, fragte mich derselbe deutsche Journalist, der sich wohl einbildete, schlau zu sein. Mir machte seine Frage nichts aus.

Denn wenn auch nur eine einzige Jüdin oder ein einziger Jude bedroht wird, nur weil sie oder er Jude ist, werde ich den Davidstern an meinem Revers tragen und meine Solidarität anbieten – koste es, was es wolle.

Um es noch deutlicher zu sagen: Wenn Juden irgendwo auf der Welt angegriffen werden, wäre ich der Erste, der sich für einen jüdischen Kongress einsetzen würde, um unsere Solidarität zu bekunden.

Ebenso: wenn Palästinenserinnen und Palästinenser massakriert werden, weil sie Palästinenserinnen und Palästinenser sind – nach dem Dogma, dass sie Hamas gewesen sein müssen, wenn sie jetzt tot sind – werde ich meine Keffiyeh tragen und meine Solidarität bekunden, koste es, was es wolle.

Die universellen Menschenrechte sind entweder universell oder sie bedeuten nichts.

In diesem Sinne habe ich die Frage des deutschen Journalisten mit ein paar eigenen Fragen beantwortet:

  • Werden 2 Millionen israelische Juden, die vor 80 Jahren aus ihren Häusern in ein Freiluftgefängnis geworfen wurden, immer noch in diesem Freiluftgefängnis gehalten, ohne Zugang zur Außenwelt, mit minimaler Nahrung und Wasser, ohne Chance auf ein normales Leben, ohne Möglichkeit, irgendwohin zu reisen, und seit 80 Jahren regelmäßig bombardiert? Nein.

  • Werden israelische Juden absichtlich von einer Besatzungsarmee ausgehungert, während sich ihre Kinder auf dem Boden winden und vor Hunger schreien? Nein.

  • Gibt es Tausende von jüdischen verletzten Kindern ohne überlebende Eltern, die durch die Trümmer ihrer ehemaligen Häuser kriechen? Nein.

  • Werden israelische Juden heute von den modernsten Flugzeugen und Bomben der Welt bombardiert? Nein.

  • Erleben die israelischen Juden einen totalen Ökozid an dem bisschen Land, das sie noch ihr Eigen nennen können, keinen einzigen Baum mehr, unter dem sie Schatten suchen oder dessen Früchte sie kosten können? Nein.

  • Werden heute israelische jüdische Kinder auf Befehl eines UN-Mitgliedsstaates von Scharfschützen getötet? Nein.

  • Werden israelische Juden heute von bewaffneten Banden aus ihren Häusern vertrieben? Nein.

  • Kämpft Israel heute um seine Existenz? Nein.


Wenn die Antwort auf eine dieser Fragen „Ja“ wäre, würde ich heute an einem jüdischen Solidaritätskongress teilnehmen.

Freunde,

Heute hätten wir gerne mit Menschen, die anders denken als wir, eine anständige, demokratische und von gegenseitigem Respekt geprägte Debatte darüber geführt, wie wir Frieden und universelle Menschenrechte für alle Menschen, Juden und Palästinenser, Beduinen und Christen, vom Jordan bis zum Mittelmeer erreichen können. Leider hat das gesamte deutsche politische System beschlossen, dies nicht zuzulassen. In einer gemeinsamen Erklärung haben sich nicht nur die CDU-CSU oder die FDP, sondern auch die SPD, die Grünen und bemerkenswerterweise zwei Vorsitzende der Partei Die Linke zusammengetan, um sicherzustellen, dass eine solche zivilisierte Debatte, in der man durchaus unterschiedlicher Meinung sein kann, in Deutschland niemals stattfinden wird.

Ich sage ihnen: Ihr wollt uns zum Schweigen bringen. Uns verbieten. Uns dämonisieren. Uns anklagen. Deshalb lasst ihr uns keine andere Wahl, als euren Anschuldigungen mit unseren Anschuldigungen zu begegnen. Ihr habt euch das ausgesucht. Nicht wir.

  • Ihr beschuldigt uns des antisemitischen Hasses

Wir werfen euch vor, die bestenFreunde derAntisemiten zu sein, indem ihr das Recht Israels, Kriegsverbrechen zu begehen, mit dem Verteidigungsrecht der israelischen Juden gleichsetzt.

  • Ihr beschuldigt uns, den Terrorismus zu unterstützen

Wir werfen euch vor, legitimen Widerstand gegen einen Apartheidstaat mit Gräueltaten gegen Zivilisten gleichzusetzen. Gräueltaten, die ich immer verurteilt habe und verurteilen werde, egal wer sie begeht – Palästinenser, jüdische Siedler, meine eigene Familie, wer auch immer.

Wir werfen euch vor, dass ihr die Pflicht der Menschen in Gaza nicht anerkennt, die Mauer des offenen Gefängnisses einzureißen, in dem sie seit 80 Jahren eingeschlossen sind, und dass ihr diesen Akt des Einreißens der Schandmauer – die genauso wenig zu verteidigen ist wie die Berliner Mauer –mit Terrorakten gleichsetzt.

  •  Ihr werft uns vor, den Terror der Hamas am 7. Oktober zu bagatellisieren.

Wir werfen euch vor, die 80 Jahre andauernde ethnische Säuberung der Palästinenser durch Israel und die Errichtung eines gepanzerten Apartheidsystems in Israel-Palästina zu verharmlosen.

Wir werfen euch vor, zu verharmlosen, dass Netanjahu über Jahre die Hamas unterstützte, um die Zweistaatenlösung, die ihr angeblich befürwortet, zu zerstören.

Wir werfen euch vor, den beispiellosen Terror der israelischen Armee gegen die Menschen in Gaza, im Westjordanland und im Osten Jerusalems zu verharmlosen.


  •  Ihr werft uns, den Organisatoren des heutigen Kongresses, vor, dass wir, ich zitiere, „nicht daran interessiert sind, vor dem Hintergrund des Krieges in Gaza über Möglichkeiten des friedlichen Zusammenlebens im Nahen Osten zu sprechen“. Ist das euer Ernst? Habt ihr den Verstand verloren?
Wir beschuldigen euch, einen deutschen Staat zu unterstützen, der nach den USA der größte Waffenlieferant der Netanjahu-Regierung ist, die damit Palästinenserinnen und Palästinenser massakrieren will, um eine Zweistaatenlösung und ein friedliches Zusammenleben zwischen Juden und Palästinensern unmöglich zu machen.

Wir werfen euch vor, dass ihr nie die Frage beantwortet, die jeder Deutsche beantworten muss: Wie viel palästinensisches Blut muss noch fließen, bevor euer – berechtigtes – Schuldgefühl für denHolocaust weggewaschen ist?

Um es klar zu sagen: Wir sind hier in Berlin mit unserem palästinensischen Kongress, weil wir, im Gegensatz zum deutschen politischen System und den deutschen Medien, Völkermord und Kriegsverbrechen verurteilen unabhängig davon, wer sie verübt. Weil wir die Apartheid im Land Israel-Palästina ablehnen, egal wer die Oberhand hat – genauso wie wir die Apartheid in den amerikanischen Südstaaten oder in Südafrika abgelehnt haben. Weil wir für universelle Menschenrechte, Freiheit und Gleichheit unter Juden, Palästinensern, Beduinen und Christen im alten Land Palästina eintreten.

Und damit wir uns noch klarer über die berechtigten und bösartigen Fragen sind, die wir immer bereit sein müssen zu beantworten:

Verurteile ich die Gräueltaten der Hamas? 

Ich verurteile jede einzelne Gräueltat, unabhängig davon, wer der Täter oder das Opfer ist. Was ich nicht verurteile, ist bewaffneter Widerstand gegen ein Apartheidsystem, das als Teil eines langsam brennenden, aber unaufhaltsamen Programms der ethnischen Säuberung konzipiert wurde. Anders ausgedrückt: Ich verurteile jeden Angriff auf Zivilisten, während ich gleichzeitig jeden feiere, der sein Leben riskiert, um die Mauer einzureißen.

Befindet sich Israel nicht in einem Krieg um seine Existenz?

Nein, ist es nicht. Israel ist ein nuklear bewaffneter Staat mit der vielleicht fortschrittlichsten Armee der Welt und dem ganzen Arsenal der US-Militärmaschine im Rücken. Es gibt keine Symmetrie mit der Hamas, einer Gruppe, die Israelis ernsthaften Schaden zufügen kann, die aber in keiner Weise in der Lage ist, Israels Militär zu besiegen oder Israel daran zu hindern, den langsamen Völkermord an den Palästinensern im Rahmen des Apartheidsystems, das mit langjähriger Unterstützung der USA und der EU errichtet wurde, fortzusetzen.

Haben die Israelis nicht zu Recht Angst, dass die Hamas sie ausrotten will? 

Natürlich haben sie das! Juden haben einen Holocaust erlitten, dem Pogrome und ein tief verwurzelter Antisemitismus vorausgingen, der Europa und Amerika seit Jahrhunderten durchdringt. Es ist nur natürlich, dass Israelis in Angst vor einem neuen Pogrom leben, wenn die israelische Armee einknickt. Indem der israelische Staat seinen Nachbarn die Apartheid aufzwingt und sie wie Untermenschen behandelt, schürt er das Feuer des Antisemitismus, stärkt Fanatiker unter den Palästinensern und Israelis, die sich nur gegenseitig vernichten wollen, und trägt letztlich zu der schrecklichen Unsicherheit bei, die Juden in Israel und der Diaspora verzehrt. Die Apartheid gegen die Palästinenser ist eine äußerst schlechte Idee, wenn es um die Selbstverteidigung Israels geht.

Was ist mit Antisemitismus?

Der Antisemitismus ist immer eine klare und gegenwärtige Gefahr. Und er muss ausgerottet werden, vor allem in den Reihen der Globalen Linken und der Palästinenserinnen und Palästinenser, die für palästinensische Bürgerrechte kämpfen – überall auf der Welt.

Warum verfolgen die Palästinenser ihre Ziele nicht mit friedlichen Mitteln?

Das taten sie. Die PLO erkannte Israel an und verzichtete auf den bewaffneten Kampf. Und was haben sie dafür bekommen? Absolute Erniedrigung und systematische ethnische Säuberung. Das hat die Hamas hervorgebracht und sie in den Augen vieler Palästinenserinnen und Palästinenser als einzige Alternative zu einem langsamen Völkermord unter Israels Apartheid erscheinen lassen.

Was sollte jetzt getan werden? Was könnte Frieden in Israel-Palästina bringen?

  • Ein sofortiger Waffenstillstand.

  • Die Freilassung aller Geiseln: die der Hamas und die Tausende, die von Israel festgehalten werden.

  • Ein Friedensprozess unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen, der durch die Verpflichtung der internationalen Gemeinschaft unterstützt wird, die Apartheid zu beenden und gleiche Bürgerrechte für alle zu gewährleisten.

  • Bei der Frage, was an die Stelle der Apartheid treten soll, müssen Israelis und Palästinenser zwischen der Zwei-Staaten-Lösung und der Lösung eines einzigen föderalen, säkularen Staates entscheiden.


Freunde,

Wir sind hier, weil es faul ist, Rache zu nehmen statt zu trauern.

Wir sind hier, um nicht für Rache, sondern für Frieden und Koexistenz in Israel und Palästina zu werben.

Wir sind hier, um den deutschen Demokratinnen und Demokraten, einschließlich unserer ehemaligen Genossinnen und Genossen von der LINKEN, zu sagen, dass sie sich lange genug mit Schande bedeckt haben –dass Unrecht plus Unrecht kein Recht ergeben –und dass es nicht zur deutschen Vergangenheitsbewältigung beiträgt, wenn wir zulassen, dass Israel mit Kriegsverbrechen davonkommt.

Über den heutigen Kongress hinaus haben wir in Deutschland die Pflicht, den Diskurs zu verändern. Wir haben die Pflicht, die große Mehrheit der anständigen Deutschen davon zu überzeugen, dass die universellen Menschenrechte das Wichtigste sind. Dass „Nie wieder“ wirklich „Nie wieder“ bedeutet. Für niemanden, egal ob Jude, Palästinenser, Ukrainer, Russe, Jemenit, Sudanese, Ruander –für alle, überall.

In diesem Zusammenhang freue ich mich, ankündigen zu können, dass die deutsche politische Partei MERA25 von DiEM25 bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im kommenden Juni auf dem Stimmzettel stehen wird – um die Stimme der deutschen Humanisten zu bekommen, die sich nach jemandem im Europäischen Parlament sehnen, der/die Deutschland vertritt und die Komplizenschaft der EU beim Völkermord anprangert – eine Komplizenschaft, die Europas größtes Geschenk an die Antisemiten in Europa und darüber hinaus ist.

Ich grüße euch alle und schlage vor, dass wir nie vergessen, dass niemand von uns frei ist, solange auch nur eine(r) von uns in Ketten liegt.

Quelle: diem25.org

k9 - combatiente zeigt geschichtsbewußt: Der Große Diktator

Vorderseite des Einladungsflyers mit dem Text aus dem Beitrag und einem Filmstill, das Chaplin mit Hitlergruß vor seiner Rede zeigt.DER GROßE DIKTATOR
Ein Spielfilm von Charlie Chaplin von 1940

Chaplin spielt eine Doppelrolle: den Diktator Adenoid Hynkel von Tomanien sowie den kleinen jüdischen Friseur aus dem Getto und zeigt das Hohle der faschistischen Ästetisierungen, persifliert die Sprache und Rhetorik Hitlers.
Der Film endet mit einer 6 minuten Rede des Frisörs, in der er die Menschheit zu Frieden aufruft und ihnen eine hoffnungsvolle Zukunft prophezeit, wenn sie einander nur mit Respekt und nicht mehr mit Krieg und Terror behandeln.
Chaplins erster Tonfilm ist eine vernichtende Satire über den zynischen Demagogen, zugleich ne pointierte Slapstickrevue gegen Nazifaschismus.

Sonntag, 21. April 2024 19 Uhr

Kurz nach dem Deutschen Einmarsch In Polen begann ChaplIn mit den Dreharbeiten für den „Großen Diktator“: In der Satire spielt Chaplin in einer Doppelrolle den Diktator Adenoid Hynkel von Tomanien und den kleinen jüdischen Friseur aus dem Getto. Es war der erste US-Film, der gegen Nazi-Deutschland unmißverständlich Position bezog. Chaplin ließ sich weder von ablehnender Haltung Hollywoods noch von den Protesten aus England, wo man an das Münchner Abkommen glaubte, von seinem Vorhaben abbringen. Der Film wäre nie entstanden, wenn er ihn nicht selbst produziert und finanziert hätte. Nach der Machtergreifung wurden in Dt. alle Chaplin-Filme verboten. In Italien wurde der Film noch lange gekürzt, um die Gefühle von Mussolinis Witwe nicht zu verletzen. In dem Spanien General Francos blieb er bis zu dessen Tod 1975 verboten.

Im Machtbereich des Deutschen Reiches gab es allerdings verschiedene Kopien unterschiedlicher Sprachen. Josip Broz Titos Partisanen gelang es, einen deutschen Propaganda-Film in einem Wehrmachtskino gegen eine dieser Kopien auszutauschen.

Diesen Anti-Hitler-Film wollte die US-amerikanische Zensurbehörde zuerst nicht genehmigen. Grund, die Deutschen hätten mit Wirtschaftssanktionen gedroht. Die Konservativen Amerikas unterschätzten anfangs Hitlers Machtwahn und sahen ihn als großartigen Politiker, als Verbündeten in Europa gegen Stalin. Chaplins Film passte ihnen nicht ins Konzept.

combatiente zeigt geschichtsbewußt: revolucion muß sein! filme aus aktivem widerstand & revolutionären kämpfen

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