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Schlagkraft!

Kaum hatte die Regierung und ihre Bataillone das Parlament das erste Mal belogen - von Hebeln sei keine Rede bei den zugesagten bis erpressten Garantien für Anleihen-Ankäufe, tauchte am nächsten Morgen das Wort "Schlagkraft" auf in sämtlichen offiziellen Fernsehsendungen. Hörte sich gut und überzeugend an! "Schlagkraft" - wer denkt sich was Böses dabei? Was nutzt ein schlapper Hammer, der keine Wirkung hat beim Zuschlagen? Und dass wir alle zusammen zuschlagen müssen, haben "wir" doch eben beschlossen im Parlament ohne Opposition.

Das Wort hat Karriere gemacht. Kaum eingebürgert fürs Finanzwesen, hat es sich jetzt der Militärorganisation bemächtigt. Auch die angebliche Sparpolitik unseres derzeitigen Wehrmachtsministers dient vor allem der "Schlagkraft" im Ausland. Hier bekommt das Wort schon seine greifbarste- und für andere schmerzliche- Bedeutung.

Ein deutsches Volk, in allen seinen Stämmen geeint im Willen zur Schlagbewegung - so könnte ein neuverstandenes Grundgesetz anfangen, wenn aus Versehen einmal nach Wahrheit gefragt würde. Wie aber kommt so ein Lockwort überfallartig über die angeblich unabhängigen und freien Nachrichtenorgane unseres Landes? Auf pfingstliche Inspiration ist wohl nicht zu setzen.

Sollte es da doch Direktiven geben? Nicht im Sinne einer einfachen Verschwörung. Mehr in dem einer langsamen Osmose, wie sie inzwischen alle Sendearten durchzieht. Gerade die allertrivialsten.

Nehmen wir nur mal als Beispiel die Redensart vom "Zeit kaufen". Eine der Grundkategorien nicht nur der Lalltüte v. Dohnanyi, sondern der meisten ernsten Kommentatoren. Wer sich langjährig von amerikanischen und deutschen Comedies einschläfern ließ, kennt sie als den Spruch "Schatz, ich bin noch nicht so weit". Zeit kaufen läuft hier hinaus auf allerlei Umtriebe vor dem ersten Sprung in die Kiste - der unweigerlich folgt. Politisch sehr genau: "Am Ende wird es den großen Zusammenbruch geben, aber dann sind wir alle schon raus -wenn wir Glück haben." Das sickert dann so ein ins Allgemeinbewußtsein.

Ähnlich das Ringen um Vertrauen. Verbraucht fast die halbe Sendezeit von "Rote Rosen". "Vertraust Du mir denn nicht mehr?"- "Du musst lernen, mir zu vertrauen". Am Ende muss das ja klappen, sonst hörte die Serie unverhofft doch einmal auf.

In der Politik hat die Einsicht gesiegt, dass das altertümliche Vertrauen hoffnungslos versiegt ist. Dasjenige nämlich, dass ein Ausleiher eines Tages das Ausgeliehene zurückbekommt. Mit Zins, normalerweise.

Stattdessen wird Vertrauen synthetisch gewoben. Auf den beliebten Konferenzen in Brüssel oder sonstwo. Vertrauen schaffen heißt jetzt: "Ich verspreche Dir soundsoviel Dollars - nach Sarkozy - sonst Euros - sofort, wenn Du meinen Versprechungen auf ewig und immerdar glaubst - oder so tust, als ob!" Dann - wie im Vorlagenfilm - Massenknutschen.

Nur eine Standardszene ist noch nicht in den Wortschatz der Politik eingedrungen: "Schatz, ich kann Dir das erklären". Ein Wesen, meist Mann, nestelt sich von seiner Mitlagernden los, springt nackt aus dem Bett und breitet die Arme. Türenschlagen die Folge. Wenn das einmal auf die Politik übertragen werden müsste, könnte es nicht anders heißen als "Genossen, Kollegen - ich bin wirklich pleite". Die Höllenanstrengung unserer Kanzlerin richtet sich allein darauf, dass dieser Augenblick so spät wie möglich ins Fernsehen dringt.

Und was tun wir dazu, dass das wenigstens mal vorstellbar wird?

Nachtrag zu Griechenland: Rasenmäher weg von den Ohren! Begriffe sauber halten!

Wir stehen weiterhin zur Rechtfertigung der Streiks in Griechenland - wie sehr auch auf verlorenem Posten.

Inzwischen hat es Nachrichten gegeben von Auseinandersetzungen zwischen der kommunistischen KKE und angeblich vermummten Anarchisten vor dem Parlament in Athen. Wer dabei Angreifer, wer Verteidiger war, machen alle Berichte nicht deutlich.



Bedenklich sind nicht allein diese Rempeleien zwischen verschiedenen Gruppen. Die gab es immer schon, meistens allerdings in Epochen des Niedergangs der Bewegung. Viel schlimmer die Erklärungs-und Verteidigungsversuche der beiden Gruppen.

Die als Anarchisten auftretende Gruppe sieht sich gegenüber eine Horde von "STALINISTEN ". Die KKE dagegen trumpft auf mit einem neuen Namen für ihre Gegner: "ANARCHOFASCHISTEN". Den Islam-Faschisten unseligster Erfindung mussten unbedingt grässliche Geschwisterchen hinzuerfunden werden.

Beide Begriffsbildungen dienen der Betonierung von Zwistigkeiten. Diese sollen unbedingt als antagonistische Gegensätze wahrgenommen werden. Wäre das nicht nur augenblickliches Angs-und Wutgebrodel und bliebe es dabei, wäre eine Einigung der Aufständischen und damit ein Sieg über die Knechte der gesamteuropäischen Reaktion im Parlament unmöglich.

Stalinisten.

Auch in Deutschland ist es leider üblich geworden, allen, die man nicht lieb hat, Stalins Kappe überzustülpen. Vergl. das haltlose Geifern gegen die "Junge Welt". Analytisch begründet ist an dieser Klassifizierung nichts. Rein historisch gesehen gibt es treue Anhängerschaft an Stalins Führertum seit Chrustschow nicht mehr. Hanna Arendt hat das - im Nachtrag ihres verfehlten Hauptwerks - immerhin selbst zugegeben. Hinzukommt, dass die ehemalige SBZ, später DDR, staatsrechtlich nie nach dem Muster der UDSSR ausgestaltet worden war. Schon die bis zum Schluss unangefochtene Anerkennung anderer Parteien, wie wenig sie auch zu sagen hatten, widerspräche dem. Auch waren selbst Prozesse wie der gegen Harich- so unterdrückerisch sie auch gemeint waren- nie solche, in denen die Angeklagten Erfundenes zum allgemeinen Abscheu hätten bekennen müssen.Was er zugab, stimmte! (Harich als Westler hätte für unerlaubte Kontakte mit Organen der Ost-Presse von unserem Gericht vielleicht nicht gleich acht Jahre aufgebrummt bekommen. Aber für drei hätte es unter den Bedingungen der fünfziger Jahre schon reichen können).

Meint man mit Stalinismus aber die Deformation einer Partei, die sich dem Staat wesentlich als Hilfsorganisation und Stütze unterworfen hat- und keinen eigenen kollektiven Willen mehr entfalten kann- so träfe das auf die DDR zwar zu. Nicht nur auf sie!- Sondern auch auf die meisten sozialdemokratischen Staaten, in denen Parteiaktivität aufs Hurra-Brüllen beschränkt bleibt. Dann sagt der Begriff nichts mehr Unterscheidendes aus. Sondern dient als Anregung zum erschütterten "Huch". Wie er ja auch gewollt wird.

Anarchofaschismus.
Ab 68 litten wir unter der Inflation des Faschismusbegriffs. Ein Vater, der seine minderjährige Tochter schon um 1 Uhr zurückerwartete, war unweigerlich "Faschist". Es war eine Erleichterung, als vor allem Schmierer im "Roten Forum" Heidelberg den Begriff zu analysieren begann. Grob gesagt stellte sich heraus, dass vor allem zum Faschismus eine Massenbewegung gehört, die auf Führerbefehl Gewaltmaßnahmen durchsetzt über jede rechtliche Bindung hinaus.

Das erlaubte sofort eine besondere Betrachtung der damals zahlreichen Militärdiktaturen in Griechenland, den südamerikanischen Staaten oder auch der Türkei. Bei allen stellte sich heraus: Während für die authentisch faschistischen Staaten Deutschland und Italien Krieg den Augenblick ihres Aufschwungs bedeutete, sackten die Bewegungen z.B. in Griechenland bei einem im Grunde nicht lebensbedrohenden bewaffneten Konflikt mit der Türkei sofort zusammen.

Guerin in seinem kleinen Buch "Die Braune Pest" schildert die Begegnung 1932/1933 in Berlin mit einer kleinen Gruppe, die sich für anarchistisch hielt, ziemlich wüst klaute und sich gegenseitig zu Sex-Exzessen auf einem gemeinsamen Sofa anhielt. Welche Verblüffung, als eine Bekannte 1934 von einem martialischen SA-Mann schultergeklopft wurde: er war Ex-Anarcho, jetzt Neo-Faschist. So etwas könnte dem glücklichen Erfinder des "Anarcho-Faschismus" auf den ersten Blick gefallen. Bis er gemerkt hätte, dass diese jungen Draufgänger auch schon vor 1933 nicht einmal bis zur Annäherung an Anarchismus gelangt waren. Sie blieben gerade in ihrem gezwungenen Skandalverhalten genau an die Werte gefesselt, die sie angeblich bekämpften. Nur eben negativ verzerrt. Kein Wunder, dass die frühen Verhältnisse bei der SA noch bessere Chancen zu bieten schienen, alle gesetzlichen und bürgerlichen Anstands-Schranken zu überschreiten. Die faschistischen Spezial-Phantasien von Rassereinheit und Ahnenstolz sagten ihnen 1934 so wenig wie vor 1933 Kropotkin und Bakunin.

Sonst lassen sich die Gedanken totaler Unabhängigkeit des Einzelnen und zugleich Bereitschaft zum Zusammenschluss mit allen Unterdrückten mit der faschistischen Kombination von Sadismus und Masochismus in keiner Weise zusammendenken.

Gut - das alles sind Benennungen entsprungen aus Wut, Unbesonnenheit und einfachem Nicht-Weiter-Denken-Wollen.

Sie dürfen sich nicht durchsetzen! Handfeste Auseinandersetzungen gab es immer schon in jeder sozialistischen Bewegung. Sie müssten und müssen aber zurückstehen vor der Einsicht, dass hier zwei Sorten von Geprügelten und Gepeinigten zum Vergnügen ihrer Peiniger sich gegenseitig aufreiben und ohnmächtig machen.

PS: Schöne Erinnerung! Zeitweise gab es in den siebziger Jahren einmal Absichten der Obrigkeit, alle kommunistischen Organisationen, die keinen Parteicharakter aufweisen konnten, zu verbieten. Vermutlich in Spaltungsabsicht. Nämlich die DKP zunächst- zunächst!- zu verschonen und sich erst einmal an der Niedermachung der sogenannten K-Gruppen zu ersättigen.  Es gelang damals gegen größte Widerstände und Ängste bei den neuen Kommunisten - Angst und Abscheu wegen vielen Scheinbeintritten zwischen DKP und K-Gruppen - zu einer gemeinsamen Demonstration in Bonn zu kommen. Das hat immerhin dazu beigetragen, den Oberen den Appetit auf Zerfleischung aller linken Gruppen für eine Zeit zu versalzen.

ETA erklärt Ende ihres bewaffneten Kampfes

ETA Graffiti in Altsasu
Nachdem am 17. Oktober eine internationale Delegation im Baskenland, bestehend aus Bertie Ahern, Kofi Annan, Gerry Adams, Jonathan Powell, Gro Harlem Bruntland und Pierre Joxe eine Erklärung veröffentlichte, mit der sie die baskische bewaffnete Organisation Euskadi Ta Askatasuna, Baskenland und Freiheit (ETA) dazu aufforderte, "definitiv das Ende aller bewaffneten Aktionen bekannt zu geben" und in der sie die spanische und die französische Regierung zu Gesprächen auffordert, die ausschließlich die Konsequenzen des Konflikts betreffen, erklärte ETA gestern abend das endgültige Ende ihres bewaffneten Kampfes. Ob die in der Erklärung damit verbundene dringende Bitte an "die Regierungen von Spanien und Frankreich (...), eine solche Erklärung zu begrüßen und Gesprächen zuzustimmen, die ausschließlich die Konsequenzen des Konflikts betreffen" auch gehört wird, ist zur Stunde offen.

Ebenso die Frage, ob die angemahnten "größeren Schritte, um Versöhnung zu fördern, alle Opfer anzuerkennen, sie zu entschädigen und ihnen zu helfen, das Leid anzuerkennen, das ihnen angetan wurde und zu versuchen, persönliche und soziale Wunden zu heilen" im bislang längsten bewaffneten Konflikt in Europa nicht länger ein frommer Wunsch bleiben. Bislang hatte vor allem die spanische Regierung jeden Vermittlungsversuch abgelehnt und statt dessen Bestrebungen verschiedenster demokratischer baskischer Organisationen zur Lösung des Konfliktes stets mit Repressionen wie Verboten und langjährigen Gefängnisstrafen für deren RepräsentantInnen beantwortet. Zuletzt erhielt Arnaldo Otegi, einer der bekanntesten baskischen Führungspersönlichkeiten 10 Jahre Haft dafür, dass er gemeinsam mit Rafa Díez, Sonia Jacinto, Miren Zabaleta und Arkaitz Rodriguez die Friedensinitiative der baskischen Linken vorbereitet hatte. Kurz vor ihrer Verhaftung im Oktober 2009 hatten sie dieses Diskussionspapier freigegeben. In der breiten gesellschaftlichen Diskussion im Baskenland trafen die darin entwickelten Vorschläge überwiegend auf Zustimmung, was auch zur Änderung der Strategie hin zu einer unilateralen Friedensinitiative und letztlich im Zuge dieser Diskussion zum unbefristeten Waffenstillstand von ETA und zum spektakulären Wahlerfolg des pro-Unabhängigkeitsbündnisses Bildu führte. Dieses stellt seit den Kommunalwahlen im Mai 2011, bei denen sie mit 25% der Stimmen zweitstärkste parlamentarische Kraft wurde, die meisten Stadt-und Gemeinderäte im Baskenland.

Nach dem skandalösen Prozess behaupten die Richter in ihrem Urteil, die Verurteilten hätten sich getroffen, um Anweisungen von ETA umzusetzen. Die Entwicklung im Baskenland betrachten sie als irrelevant für den Prozess. Als “Beweise für konspirative Tätigkeiten im Auftrag der ETA- wurden im Urteil neben Interpretationen durch Polizei-experten- auch die Buchung von Räumen im Gewerkschaftshaus und Treffen mit bekannten Persönlichkeiten im Umfeld der baskischen Unabhängigkeitsbewegung angeführt.

In den hiesigen Medien wird der baskische Befreiungskampf wenn überhaupt, dann verzerrt und in der offiziellen staatlichen spanischen Sichtweise dargestellt. Über die bis heute wirkenden, weit in die Geschichte zurückliegenden Hintergründe der Auseinandersetzung um Identität und Selbstbestimmung einer der ältesten europäischen Bevölkerungsgruppen wird meist platt mit der Terrorismuskeule geurteilt. Die der gestrigen Erklärung zugrundeliegende Initiative der abertzalen Linken vom Oktober 2009 findet bis heute in den deutschen Medien praktische keine Beachtung.

Die vollständige Erklärung der ETA in deutscher Übersetzung:
Die sozialistische revolutionäre baskische Organisation der nationalen Befreiung ETA möchte mit dieser Erklärung ihre Entscheidung bekanntgeben:

Aus Sicht von ETA ist die internationale Konferenz, die vor Kurzem in Euskal Herria (dem Baskenland) stattfand, eine Initiative großer politischer Tragweite. Ihre Abschlusserklärung enthält alle Bestandteile einer gesamtheitlichen Lösung des Konflikts und hat die Unterstützung großer Teile der baskischen Bevölkerung und der internationalen Gemeinschaft.

In Euskal Herria beginnt ein neues politisches Zeitalter. Wir stehen vor der historischen Möglichkeit einer gerechten und demokratischen Lösung des alten politischen Konflikts.

Angesichts der Gewalt und der Unterdrückung muss die neue Zeit durch Dialog und Übereinkünfte gekennzeichnet sein. Die Anerkennung von Euskal Herria und der Respekt vor dem Willen seiner Bevölkerung muss sich gegenüber jedweder Unterdrückung durchsetzen. Das ist der Wille der Mehrheit der baskischen Bevölkerung.

Der jahrelange Kampf hat diese Möglichkeit geschaffen. Es war nicht einfach. Die Härte des Kampfs hat uns viele Genossen für immer genommen. Andere leiden im Gefängnis oder im Exil. Ihnen gehört unsere Anerkennung und unsere tiefste Achtung. Auch in Zukunft wird es nicht einfach sein. Angesichts der immer noch vorherrschenden Unterdrückung wird jeder Schritt und jede Errungenschaft das Ergebnis des Einsatzes und des Kampfs der baskischen Bevölkerung sein. Über die Jahre hat Euskal Herria die Erfahrung und die Stärke gesammelt, um diesen Weg zu gehen. Und es hat den festen Willen dazu.

Es ist an der Zeit, hoffnungsfroh in die Zukunft zu sehen, es ist auch Zeit, mit Verantwortungsbewusstsein und Mut zu reagieren.

Deswegen hat ETA das endgültige Ende ihres bewaffneten Kampfes entschieden. ETA appelliert an die Regierungen von Spanien und Frankreich, einen direkten Verhandlungsprozess zu eröffnen, der als Ziel eine Lösung für die Konsequenzen des Konflikts und damit ein Ende des bewaffneten Konflikts hat. Mit dieser historischen Entscheidung demonstriert ETA ihr klares, festes und endgültiges Ziel.

ETA ruft die baskische Gesellschaft auf, sich in den Prozess einzubringen, bis Frieden und Freiheit erreicht sind.

Es lebe das freie Euskal Herria, es lebe der baskische Sozialismus, wir werden nicht ruhen, bis Unabhängigkeit und Sozialismus erreicht sind.

In Euskal Herria, 20. Oktober 2011

Euskadi Ta Askatasuna

ETA


Quelle / Alle Zitate: Freunde des Baskenlandes

Gaddhafi beseitigt! Imperialisten, Beutegierige, Betrogene im Blutrausch!

Nach der  wochenlang  eintrainierten Arbeitsteilung ist nun der ehemalige Führer des Landes Libyen offenbar abgeknallt worden. Die Arbeitsteilung: irgendwelche Libyer, deren Kraft zum Knarretragen ausreicht, befinden sich auf Panzern oder Lastwagen, grölen herum und schießen in die Luft. Die zum Kriegführen nun einmal notwendige Mordarbeit wird von den Nato-Truppen erledigt. Nato im weitesten Sinn: Wie inzwischen die englische Regierung zugegeben hat, waren seit diesem Frühjahr immer schon englische Geheimdienstler zusätzlich im Land. Jetzt fallen sie sich alle in die Arme. Die Imperialisten, denen es zu allerletzt um befreite Gegenden ging- die Beutegierigen, die sich ein kleines Stück der Erträge wünschten, und kleinlaut - aber immer noch - die wenigen Freiheitskämpfer, die es möglicherweise auch gegeben hat. Sie haben das letzte Mal Gelegenheit zu lachen.

Gaddafi

Ich erinnere mich noch gut an den Augenblick, als er den Günstling Englands, Idris, entmachtete. Es regte damals wirklich auf Gottes Erdboden niemand auf. Alle verstanden: hier erfolgte ein Aufstand im Sinne und in der Nachfolge Nassers von Ägypten. Mit der Absicht, sich die Erträge der eigenen Erde wieder selbst anzueignen. Das Öl.

Alle Versuche Gaddafis, das Fundament zu erweitern, durch Zusammenschluss mit anderen arabischen Staaten, schlugen fehl. Warum? Der nationalistische Ansatz vertrug sich schlecht mit den Ideen des Panarabismus. Um es noch genauer zu sagen: die Nachbarn waren so nationalistisch wie der Herrscher Libyens selber. Und das Schwadronieren von der UMMA- der arabischen Einigung- half nicht viel weiter.

Was wir vom "Grünen Buch" mitbekommen haben, haben wir kaum verstanden. Immerhin haben seine unklaren und undeutlichen Ideen dazu verholfen, die total verschiedenen Leute der verschiedenen Landesteile halbwegs zusammenzuhalten. Sonst hatten die Berber auf der einen Seite, die Tuareg auf der anderen und die verschiedenen Arabergruppen in der Mitte einander herzlich wenig zu sagen. Einzige Gemeinsamkeit: das Interesse am Ölertrag. Von dem- immerhin- mehr den einfachen Leuten zukam als in vielen anderen Öl-Fürstentümern. Nicht zu vergessen auch die umfassenden Bewässerungsanlagen, die ohne Krieg und hochfahrende Abenteuer dem Land einen dauerhaften landwirtschaftlichen Fortschritt ermöglicht hätten.

Gaddafis Hauptfehler in den letzten Jahren: Sich seinen jetzigen Feinden -und Verrätern!- vorzeitig auszuliefern . Durch Verträge und Stillhalteabkommen. Vor allem durch das schändlichste: die Vereinbarung mit Italien, Flüchtlinge aus dem Innern Afrikas im Dienste der Schengen-Sicherheit zurückzuhalten (Womit er sich allerdings vom inzwischen hochgelobten Tunesien nicht unterschied, das eben im Begriff stehen soll, den gleichen Vertrag mit dem mittelmeerischen Westen zu erneuern. Aber hochdemokratisch dieses Mal, bitte sehr)

Humanitär - inzwischen das Ekelwort des Jahres.

Ein flatterseeliger Schreiber französischen Slangs - ein nach allem schnappender französischer Präsident in Not - die englische Blair geschulte Gierhalskompanie frömmsten Angesichts - stürzten sich auf die Gelegenheit. Warum Russland und China kein Veto einlegten, ist kaum zu begreifen. Jedenfalls ergab sich die herrliche Gelegenheit für die NATO, HUMANITÄR abzuknallen, was sich breit machte.  Wenn Tote im Fernsehen oder den gefälligen anderen Medien erwähnt wurden, dann stammten sie immer und ausschließlich von den sich verteidigenden Truppen Gaddafis, die sich  vom ersten Tag des Überfalls in "Heckenschützen" verwandelten. Ihr Chef wurde "Machthaber". In Jugoslawien hatte es immer noch - versehentlich - zivile Opfer gegeben, die verschämt zugegeben wurden. In Libyen: Kein einziges. Wenn wir dem Wehrmachtsbericht glauben dürfen.

Die trübsten rassistischen Phantasien der ausländischen Pressechefs und libyscher Chauvis  rasten auf bei der Vorstellung einer Unmenge schwarzhäutiger Milizen und "Söldner" aus dem Inneren Afrikas. Dass die in der Regel unter Prügeln gestanden, nur Fremdarbeiter gewesen zu sein,bewies ihren Verfolgern, mit welchem Recht es die Prügel gesetzt hatte.

Bei Licht besehen unterschied sich Gaddafi nicht wesentlich von den Gewalttätern, die sonst die Gegend beherrschen. Sein Pech: er hatte sich von den meisten Nachbarn isoliert. So wurde er -trotz allem- nach langem Widerstand leichte Beute der viel schlimmeren Machthaber im Westen, die ihn billig und "HUMANITÄR" loswerden konnten. Trotz allem: Friede seiner Asche! Er war der schlimmste nicht im Kreis der blutigen Brüder.

PS: Nur für Leute mit Fernsehen im Bad: Das Auftreten zweier Friedensfreunde aus purem Versehen, die sich im letzten Augenblick anschleimen werden: Westerwelle und Merkel. Beide haben ein dringendes Interesse daran, mitgesiegt zu haben und mitzuernten. Westerwelle im Ersaufen, Merkel im Sarkozyclinch. Klodeckel offen halten! Sie erflehen Absolution für das einzig Anständige ihrer Laufbahn.

Siehe auch:

Griechische Streiks auf verlorenem Posten. Worauf beruht trotz allem ihr Recht?

Gönnerhaft reden selbst die  wohlwollendsten Berichterstatter der offiziellen Medien von den Massenstreiks  in Griechenland. "Na ja - die ersten Beamtenkündigungen seit undenklicher Zeit" Erklärung: Dampf ablassen! Die werden schon klein beigeben, wenn das Parlament pflichtschuldig und demokratisch das absegnet, was die Euro-Diktatur über sie verhängt hat.

Und wirklich: So lange die einmal eingesetzte Regierung das eigene Militär und die diversen Polizeien - plus Dienste - noch in der Hand hat, wird auch ein Generalstreik die Regierung nicht erschüttern. Selbst wenn den gleichen Machthelfern  ebenfalls die Löhne und Gehälter brutal gekürzt wurden.

Man muss allerdings den Absichten der Gewalthaber, die hinter Papandreou stehen, genauer nachgehen. Ein kleines Detail! Die Eintreiber der Tribute  bestehen  auf der praktischen Enteignung aller Besitzer von Taxi-Konzessionen - und damit zum Zwang, sich neue zu beschaffen. Zu neu diktierten Bedingungen! Was hat das mit Wirtschaftssanierung zu tun? Nichts. Mit dem offenen Nachweis des Verlusts aller erworbenen und erkauften Rechte aber alles.

Genau darauf scheint es bei den restlichen Maßregeln hinauszulaufen. Den Gewerkschaften soll dokumentiert werden: Ihr könnt gut oder schlecht organisiert sein, hilft euch alles nichts. Lohngekürzt und entlassen muss werden nach dem Willen der Bosse und der restlich verbliebenen Obrigkeit.Den Beamten und anderen, die sich auf bisherige staatliche und gesetzliche Garantien verlassen haben: Auf was ihr gebaut habt, das soll zu Staub verfallen. Den Angestellten noch staatlicher Betriebe: Alles herausgeben! Schäuble in einem seiner offenherzigen Momente: Alle Betriebe zusammenfassen und -wie damals in der DDR- parken, bis sie zu besseren Bedingungen ans Ausland verscherbelt werden können. Die meisten ehemals die DDR bewohnenden Personen  werden von Demenz noch nicht so befallen sein, dass sie vergessen hätten, wie das damals ausfiel.

Zusammenfassend gesagt:Es geht um die Schaffung eines Vakuums, in welchem  Investoren - vor allem ausländischen - jedes Recht zugeschoben  werden soll - denen, die die Produktion dann tragen sollen, kein einziges! So gesehen, haben die gewerkschaftlich und außergewerkschaftlich Vorgehenden  jedes denkbare Recht, sich aufzulehnen.

Eine Antwort:
"Natürlich lassen wir uns nicht zum Narren halten, auch leben wir nicht in unserer eigenen Privatwelt. Offensichtlich glauben wir nicht daran, dass, sobald wir uns entschließen zwei, drei Angriffe auf einem Generalstreik durchzuführen, die Revolution kommen wird. Aber wir glaube, dass wir jenen einen Gegenangriff schuldig sind, die versuchen unser Leben zu kontrollieren; jene, die es wagen zu denken, dass wir nur existieren, um ihre Sklaven zu sein; gegen jene, die uns zu Grunde richten und uns unsere Leben stehlen; gegen die Unterdrückung und Barbarei des täglichen Lebens im Kapitalismus; gegen die Gewalt, die wir täglich vom Staat und den Bossen erleiden. Das geringste, das wir tun können, ist es, uns zu wehren!!!!
Um die Pläne jener zu vereiteln, die denken, dass dieser Tag ein einfacher Streikspaziergang durch das Stadtzentrum wird; jene, die sich einen pazifistischen Marsch erhoffen.
Lasst uns am 19. Oktober eine stürmische Antwort jenen geben, die wollen, dass wir unser ganzes Leben als Sklaven leben, damit ein Haufen von Menschen mit Goldlöffeln essen wird und ihr verfaultes System überlebt."

So die treffende Begründung, wie sie einem Hinweis in indymedia zu entnehmen ist. Das - unverzichtbare - revolutionäre Pathos abgezogen, lautet die Mitteilung schlicht: Es kann sein, dass ihr das Parlament bis zur Selbstabdankung über den Tisch zieht. Aber - ihr neuen Machthaber und Investoren - ihr werdet keine Freude haben an den miteingekauften "Arbeitnehmern" - eigentlich - SKLAVEN! -

Darin liegt alles Recht des Generalstreiks!

Es soll sich keiner täuschen: Nur um die griechischen Wähler  und Arbeitnehmer niederzuwerfen, würde sich der ungeheure Aufstand nicht lohnen. Die Botschaft der Machthaber richtet sich offensichtlich an alle - in ganz Europa. Heute  Griechenland - morgen alle! Alle, die sich nicht beugen wollen den Diktaten, die wir für euch schon in petto haben! Verlasst Euch dabei nicht auf Eure Parlamente! Dass das deutsche gerade wieder von jeder Einflussnahme weggeboxt wird - trotz Verfassungsgericht, trotz Mehrheitswünschen - zeigt euch: wer sich auf die verlässt, ist immer schon verlassen. Um so wichtiger die Massenbewegungen - wie unbestimmt und verzittert bis jetzt auch immer - die die eigene Sache in die eigene Hand nehmen wollen. Nur würde dazu auch gehören - viel vehementer als bisher - Solidarität mit der äußersten Auflehnung all derer, die jetzt schon das Messer an der Kehle spüren.

Mit den Streikenden in Griechenland!

Gauck: Dummwerden - kein Naturereignis! Berufskrankheit bei Politikern

Joachim Gauck, 2011
Foto: J. Patrick Fischer
Lizenz: (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-3.0 (www.creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
Gauck,  Meister Ehrenfest, den Rot und Grün aus Versehen sich fast als Präsident aufgeladen hätten, hat bisher am treffendsten gezeigt, dass er nichts kapiert. Und wahrscheinlich seit langem nichts kapiert hat, sondern nur immer wissend Löcher ins Leere starrte, wenn ihn Gläubige- Glaubensgierige- nach dem rechten Weg befragten. (Erinnerungsstarke erinnern sich noch, dass die LINKE damals den ersten Vorschuss der vorbereiteten Ration Prügel bekamen,die ihnen die Meinungslenker zugedacht hatten. Sie lehnten es ab,sich einen Gauck aufbinden zu lassen.)

Wie kommt es, dass ein immerhin viele Dienstjahre  Normales absondernder Herr bekennerisch so stark auf dem Vollunsinn besteht? Am Alter allein kann es nicht liegen. Andere sind auch nicht jünger, und lallen erwartungsgemäß "Verständnis", ohne selbstverständlich etwas ändern zu wollen. "Sie wackeln mit dem Kopfe" - und alle meinen, das hätte was Konkretes zu sagen. Gauck dagegen, der wieder einmal auf sein schweres Leben verweist in einem Lande, das ein gerechter Gott  von der Karte gewischt hat,schändet - ohne dass er es merkt - die von ihm so geschätzten und verehrten Herren des inzwischen eigenen Landes, wenn er die mit den Chefs der DDR-Banken vergleicht. Oder, was will er mit der schelmischen Rede von den dort "besetzten Banken" sonst sagen? Dass Politik sich immer gleich bleibt, egal ob von ziegelrot oder kohlrabenschwarz betrieben?

Am Alter kann es nicht liegen. Aber an der jahrelang geübten Fähigkeit, keinerlei Einwände gelten zu lassen. Der Weg ist gerade- und den trabe ich weiter. Wer wäre ich denn als Führer des Volkes, wenn ich mich von dem drausbringen ließe.Kapitalismus ist gut - also sind Banken gut, wie sie nun einmal funktionieren. Das Wegräumen der offensichtlichsten Gebrechen der laufenden Maschine muss immer brutaler vorgenommen werden, je aufdringlicher sie in die Augen fallen. Wer bisher schon so weit gegangen ist wie Gauck in der Verblendung und im Hurra-Brüllen, wie sollte der aufhören können. Dann wäre ja alles Bisherige - alle Ohrenstöpsel, alle Sonnenbrillen, jede Nackenstütze - vertan. Umsonst verpasst!

Ein einziger bleibt Gauck an der Seite. Broder! Er weiß in seinem Verlautbarungsorgan "achgut" ganz sicher, dass demnächst wieder vom "schaffenden" und vom "raffenden" Kapital die Rede sein wird- wie einst. Und dass die Deutschen unverbesserlich nur noch dazu dienen, die Zuchtrute des gerechten Besserwissers zu spüren.

Die übrigen aus der Politik, die bisher sich nicht in die Karten schauen ließen und ein gutmütiges "Muh" für die Herde ausgaben, waren einfach vorsichtiger. Die furchtbare Wahrheit, dass die ganze bisherige Politik der vier Blockparteien im Reichstag ins Leere und in den Ruin führte, darf nicht ausgesprochen werden. Schlimm genug, dass das Ergebnis der letzten Erkenntnis, stumm und gnadenlos an uns exekutiert werden wird.

Konservative in linkem Gewand. Wie das bürgerliche Feuilleton um Deutungshoheit kämpft

Angesichts derartiger Bilder aus London fragten sich Konservative in den Feuilletons, wie der Kapitalismus vor sich selber gerettet werden kann.

Foto: hughepaul
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Im Sommer 2011 fragen sich konservative Intellektuelle aus Deutschland und Großbritannien offen, ob die Linke angesichts der Krise und deren Folgen letztlich recht hat. Diese angeblichen Linkswendungen sind allerdings nicht zwingend Ausdruck einer Krise des Konservativismus - sie machen jedoch in jedem Fall die gegenwärtig schwache Position linker Gesellschaftskritik deutlich.

Im deutschen Feuilleton gibt sich die bürgerliche Elite seit 1945 große Mühe, mittels einer scheinbar tiefgründigen Suche nach Erkenntnis ihre gesellschaftliche Position zu legitimieren und zu stärken. Im Vergleich zu den jeweiligen Politik- und Wirtschaftsressorts zeichnen sich die Feuilleton- bzw. Kulturteile der Zeitungen durch ein breiteres Feld des Sagbaren aus. So treten in Form von gesellschaftspolitischen Debatten selbst in konservativen Blättern auch vermeintlich linke Positionen auf. Doch was sich Mitte August auf den bürgerlichen Feuilleton-Seiten abspielte, überraschte dann dennoch. Konservative Intellektuelle grübeln, ob die Linke mit ihren Analysen nicht doch recht hat. Es scheint Einschneidendes zu geschehen - jedoch nur auf den ersten Blick.

Geläuterte Konservative oder Offensivstrategie?

Den Anfang machte der konservative Publizist und offizielle Biograf von Margaret Thatcher, Charles Moore, in der konservativen Tageszeitung Daily Telegraph. (22.7.11) Er schrieb zwei Kolumnen, die erste mit dem merkwürdigen Titel "Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat". Aufhänger für die vermeintliche Reflexion waren Enthüllungen zu den Abhörmethoden der Zeitung News of the World. (ak 563) Moore kritisierte nicht nur Teile der Presse um den Medienmogul Rupert Murdoch scharf, sondern äußerte zudem Kritik am Bankenwesen und den verantwortlichen PolitikerInnen. In seinem Beitrag wartete er mit links-konnotierten Diskursfragmenten auf, wenn er etwa konstatierte, die ArbeiterInnen verlören ihre Jobs, damit die BankerInnen in Frankfurt und die BürokratInnen in Brüssel beruhigter schlafen können.

Mit den Riots in England schwappte die Diskussion mit dreiwöchiger Verspätung nach Deutschland über. Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der FAZ, bekannte sich am 14.8.11 in der Sonntagsausgabe der Zeitung auf ähnliche Weise. Er zitiert Moore mit Sätzen wie "Globalisierung ... sollte ursprünglich nichts anderes bedeuten als weltweiter freier Handel. Jetzt heißt es, dass Banken die Gewinne internationalen Erfolgs an sich reißen und die Verluste auf jeden Steuerzahler in jeder Nation verteilen." Schirrmacher stimmt Moore zu und fragt sich, ob er angesichts dieser Entwicklungen als Konservativer richtig gelegen habe, "ein ganzes Leben lang".

Charles Moore in England oder Frank Schirrmacher in Deutschland - wenden sich rechte Intellektuelle vom Konservativismus und Kapitalismus ab? Werden sie gar Linke? Gewiss nicht. Es steht keine Kulturrevolution bevor. Auf den zweiten Blick geht es beiden um die Restauration des Konservativismus. Moore macht am Schluss seines ersten Beitrags deutlich, dass er keinesfalls geläutert ist, vielmehr ist sein Artikel als Selbstkritik und Warnung für die Konservativen zu lesen: "Man muss immer beten, dass Konservativismus durch die Dummheit der Linken gerettet wird, wie es so oft in der Vergangenheit der Fall war." In dem nicht so häufig zitierten zweiten Beitrag wird er eine Woche später noch deutlicher. Seine Kritik richtet sich nicht an die kapitalistische Idee, sondern im Gegenteil an die gegenwärtigen PolitikerInnen, die sich in das Gewinnen und Verlieren des freien Marktes einmischen. Moore stellt dem jetzigen System keinesfalls ein linkes entgegen, sondern einen marktfundamentalistischen Neoliberalismus im Sinne von Margaret Thatcher und Ronald Reagan.

Auch Schirrmacher findet den Dreh zur Linie der FAZ und appelliert letztlich für das Wiederfinden "bürgerlicher Gesellschaftskritik". Dass diese "bürgerliche Gesellschaftskritik" auch eine erzkapitalistische und sein Beitrag nicht als Abbruch der Zusammenarbeit zwischen Konservativismus und Kapital zu deuten ist, lässt sich anhand Schirrmachers Huldigung von Ludwig Erhard deutlich machen, quasi dem "Erfinder" der Sozialen Marktwirtschaft. Das Credo lautet nämlich: Zurück zur guten, alten Sozialen Marktwirtschaft. So sei etwa das Schweigen Merkels um die Moral in Folge der Krise unter Ludwig Erhard undenkbar gewesen. Sprachlos macht Schirrmacher überdies der "endgültige Abschied von Ludwig Erhards aufstiegswilligen Mehrheiten". Hinter dieser Sprachlosigkeit kommt das konservative Klassendenken zum Ausdruck. Zwar wünscht sich Schirrmacher die Chance des sozialen Aufstiegs und kritisiert somit implizit den klassischen Konservativismus, bei dem alles so bleiben sollte, wie es ist: Der Sohn des Bauers bleibt Bauer, der Sohn des Arztes bleibt Arzt. Jedoch hält er an der Klassengesellschaft fest, in der es neben den aufsteigenden Gewinnern auch Verlierer geben muss.

Die Linkswendungen von Schirrmacher und Moore verschwinden schnell bei näherer Betrachtung. Die Kapitalismuskritik ist nicht mehr als eine kurze "Entladung" in Form eines Blitzes. Eine der Funktionen des bürgerlichen Feuilletons scheint mal wieder erfüllt: Aufkommende Energie blitzschnell entladen, damit nichts bleibt als ein kurz verstörender Donner.

Noch vor hundert Jahren existierte das Feuilleton nicht als selbstständige Rubrik in den Zeitungen. Die Beiträge, meist Buch- und Theaterkritiken, erschienen unter einem Strich im unteren Drittel meist auf der ersten Seite. Mittlerweile ist das Feuilleton das Verständigungsmedium des Bürgertums. Insbesondere das Feuilleton der FAZ ist der Ort, von dem die grundsätzlichen Diskussionen ausgehen. Die hin und wieder geäußerte Gesellschaftskritik versickert entweder oder wird kanalisiert, indem etwa kapitalismuskritische Positionen eingebunden werden. Aufgabe linker Kritik sollte es sein, diese Debatten gegen den Strich zu lesen. Anstatt sich heimlich oder offen über die angeblichen mooreschen oder schirrmacherschen Linksdrehungen zu freuen, sollte sie zum Beispiel gefragt werden, warum zu diesem Zeitpunkt Derartiges geäußert wird.

Kapitalismus durch Kritik an Auswüchsen schützen


Es ist auffällig, dass die Debatte in Deutschland erst mit den Riots in England aufkam. Vorher fand sich kaum ein Wort über die durch Moore angestoßene, sich in England vollziehende Diskussion. Zwei Tage vor Schirrmachers Beitrag tauchte in der FAZ (12.8.11) nur ein Verweis auf. Die Feuilletonkorrespondentin Gina Thomas schrieb über die "Randalierer und ihre Vorbilder" und führte mit Hilfe von Moores Kolumne Werteverfall als Grund für Riots aufs Deutungsfeld. Mit sozialer Ungleichheit hätten die Riots nichts zu tun, sondern sie zeugten vom "Verlust der moralischen Orientierung". Die "Unterschicht" hätte sich an der "Habgier der Boni-Banker und spesenritterlichen Abgeordneten" ein Vorbild genommen. Statt Armut gehe es um allgemeinen "Materialismus". Thomas koppelte die Proteste in England von Fragen der sozialen Ungleichheit ab, um sie zu entpolitisieren.

Diese Delegitimationsstrategie ist in der Sorge um die Sicherung der eigenen gesellschaftlichen Stellung begründet. So erscheint ein Satz als Klagelied auf die gute alte Zeit: "Anders als früher, als ein quasi erbliches Establishment die Zügel in der Hand hatte, gibt heute nicht die Herkunft den Ausschlag, sondern das Geld." Zwar spielen die Riots bei Schirrmacher keine Rolle, in den Zu- und Widersprüchen nach Schirrmachers Beitrag wird hingegen die These von der Krise des Konservativen immer wieder in Zusammenhang mit den sozialen Protesten in England gesetzt. Vermutlich lief dem Großteil des Bürgertums ein Schauer über den Rücken, als die Bilder aus London, Birmingham und Manchester zu sehen waren, wo Menschen Fernsehgeräte und teure Schuhe aus den Kaufhausketten entwendeten. Positiv betrachtet sorgt sich das konservative Establishment in den Redaktionen in erster Linie um ihre Werte, ihre Position und nicht zuletzt um ihren Besitz.

Bürstet man die "Schirrmacher-Debatte" weiter gegen den Strich, erscheint das Gerede um Werte und die Banker-Kritik nicht allein als bloßer Abwehrkampf. Auffällig häufig melden sich derzeit Konservative zu Wort, um Partei für das Soziale zu ergreifen. Anfang August forderte etwa der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel eine Besinnung der CDU auf evangelische Sozialethik und katholische Soziallehre, da die Wirtschaft für die Menschen da sei und kein Selbstzweck. In den USA drängt einer der reichsten Männer der Welt, Warren Buffet, auf erhebliche Steuererhöhungen für Reiche - und der Verfassungs- und Steuerrechtler Paul Kirchhoff bezeichnet in der FAS (21.8.11) das hiesige System als "Feudalismus", da das momentane Steuerrecht zu einer Umverteilung von Arm zu Reich führe.

In den Feuilletons sorgt sich das Bürgertum um Werte, beklagt fehlende soziale Ausgewogenheit. Doch die postulierte Werte- und Daseinskrise des Konservativismus als moralischer Bodyguard des Kapitalismus sollte kein Grund zu Freude sein. Ob gewollt oder nicht: Eine solche Debatte könnte eine für die Linke fatale diskursive Wirkung entfalten.

Karl Kraus merkte einmal an: "Das Geheimnis des Agitators ist, sich so dumm zu machen, wie seine Zuhörer sind, damit sie glauben, sie seien so gescheit wie er." Übertragen auf die Debatte um Schirrmacher und Moore bedeutet das, dass die Blitze in den bürgerlichen Feuilletons an ungeschützter Stelle einschlagen könnten. Die Interventionen bürgerlicher Schreiberlinge zielen darauf ab, die kulturelle Hegemonie über Gesellschaftskritik weiter zu festigen. Ein Feld, auf dem lange Zeit die Linke die Deutungshoheit hatte, aber diese schon vor Jahren verlor.

Würde eine ernsthafte Gefahr für das Bestehende von links ausgehen, wären reihenweise Linksbekenntnisse von Konservativen nur denkbar als Strategie, die linken Positionen in einen gesamtgesellschaftlichen Konsens einzubinden - sie im Sinne des kapitalistischen Projekts zu normalisieren. Doch von einer starken Stellung linker Ideen kann momentan keine Rede sein. Selten wurden antikapitalistische Thesen so sehr bestätigt wie in der billionenschweren Rettung von Banken. Die Linke vermochte es jedoch bisher nicht, aus einer der schwerwiegendsten Legitimationskrisen des Kapitalismus zu "profitieren". Es fehlt der Linken - genauer gesagt, der radikalen Linken - momentan an neuen Analysen und vor allem an der offensiven Vermittlung der vorhandenen.

Bürgertum will Hegemonie über Gesellschaftskritik


Das Betören und Streicheln linker Überzeugungen durch das konservative Feuilleton raschelte vielmehr deshalb so laut im Blätterwald, weil die Linke als Gegner um Deutungen nicht mehr ernst genommen wird. Beides zusammengedacht, einerseits die schwache Position linker Ideen in den Deutungskämpfen und andererseits soziale Proteste wie in England, aber auch in vielen anderen Ländern, ergibt folgende Situation: Die Verhältnisse spitzen sich zwar zu, gleichzeitig sind linke Alternativen im Mainstream unsichtbar. Genau diesen Zustand versucht die "bürgerliche Gesellschaftskritik" für sich zu nutzen.

Negativ betrachtet schicken sich also gerade die Moores und Schirrmachers an, linke Gesellschaftskritik endgültig überflüssig zu machen und an deren Stelle konservative und erzkapitalistische Deutungen zu setzen. Linker Antikapitalismus wird ersetzt durch (sozial-)marktwirtschaftliche "Kapitalismuskritik", die sich nicht gegen die Logik der Wirtschaftsordnung richtet, sondern gegen einzelne "Auswüchse". Das Feld des Sagbaren könnte schon bald so sehr beschnitten sein, dass der Linken hören und sehen vergeht.

Ob nun negativ oder positiv betrachtet: Sich über die vermeintlichen RenegatInnen zu freuen oder blauäugig zu fordern, sie sollten ihrer Worte Taten folgen lassen, führt in eine Sackgasse. Das von Schirrmacher und Moore gemeinsam servierte Zuckerbrot sollte offensiv abgewehrt werden, man könnte dran ersticken - und zum Schluss auch noch sprachlos werden.

Erstveröffentlichung in ak - zeitung für linke debatte und praxis / Nr. 564 / 16.9.2011

Bundestag: Erpressung erfolgreich. Plattmachen später.

Wie zu erwarten: Vier Stimmen über den Durst für unsere Euro-Madonna. Aus dem Kelch. Für etwas, das allenfalls ein Viertel genau durchschaute. (Vergleiche die Umfrage von PANORAMA am Donnerstagabend) Aber alle schwelgten im neuen Recht des Bundestags, keinen Cent auszugeben - ohne ihre überlegte Zustimmung.

Solche Rechte werden gerne gratis vergeben, wenn Widerspruch als schändlich entfällt. Wenn die angeblichen Regierungsgegner von SPD und GRÜN zwar blöken, wettern und böllern, aber nur um den absoluten Willen zum Mitmachen mit einem letzten Fetzen zuzudecken. Es gibt - außer den LINKEN - keine Opposition mehr im deutschen Bundestag.

Und warum? Ausgerechnet bei ANNE WILL am Vorabend kam es am deutlichsten heraus. Gerade weil keiner weiß, was los ist, heißt es: Absolute Treue! Durch Nacht und Dunkel in Tuchfühlung. Nur ja den Rockschoß nicht loslassen von Vordermann und Nebenfrau. Während bei WILL der hauptberufliche Jawoll-Sager Dohnanyi bis hin zum Ellbogenkrampf Segen spendete, flötete eine trainierte Börsen-Amsel es aus: Keiner weiß was! Gerade deshalb: Niemals abweichen! Und so macht sich eine geblendete Trappelgruppe auf zum Nachtmarsch. Binde vor den Augen: erste und heilige Pflicht.

Die Imitation einer Diskussion im Bundestag verlief im Fernsehen bei PHOENIX - wie im Fernsehen. Muster: Altes Ehepaar - vor der Scheidung. Refrain: Warum hassu? Und sie hielten sich schelmisch alle Verfehlungen vor. Wer hat den Stabilitätspakt als erster gebrochen? Wer hat froh mitgemacht? Und wer ist populistisch fremdgegangen?

Kein Wort über die wirklichen Folgen des Ja-Sagens. Neinsagen war ohnedies antieuropäisch.

Schäuble wurde ein einziges Mal aufsässig - als ihn jemand zu fragen versuchte, was es mit der "Hebelwirkung" auf sich habe. Hebelwirkung - ein Keuschwort für die in den Kommissariaten schon abgemachten Praktiken, das zur Verfügung gestellte Geld nicht einfach auszugeben, sondern als Grundlage für weitere Anleihen einzusetzen. "Unverschämte" Zudringlichkeiten! Und wenn was geschieht, dann stimmt ja der Bundestag ab. Dass Bundestag dann bedeuten wird eine Geheimsitzung von zehn Leuten, musste nicht ausdrücklich zugefügt werden. Nachher war die Sache eben dringlich und keiner darf verraten, was so besonders dringlich und was besonders notwendig gewesen war.

Wir haben kein funktionsfähiges Parlament mehr

Wir haben privilegierte Klumpenbildungen in Berlin. Wir haben allenfalls noch brüchige Ansätze zur Aufmerksamkeitserregung. Ohne Antworten freilich. Ein Wechsel zu einer Opposition aus Schädelknacker Steinbrück und Stimmbandkönig Trittin würde Entsetzen entsetzlicher machen.

Was bleibt? Zunächst einmal Zusammenschlüsse von Bewegungen wie die gegen "Stuttgart 21". Dann direkte Kontakte der letzen aufrechten in den Parlamenten mit den breiten Aufstandsbewegungen, die es ja tatsächlich gibt.

Nach den Rationierungsregeln für das freie Wort kamen die LINKEN ein einziges Mal mit Gysi zu ihrem Rederecht. Während die meisten übrigen Abgeordneten nach dem Staatstragen sich krummschultrig in die Kantine verfügten, fanden viele aus der LINKEN die Möglichkeit - zur Begründung ihrer Nein-Stimme -, wenigstens den Fernsehzuschauern mitzuteilen, was sie außer dem Abstimmen noch zu tun hatten.

Dabei meldeten viele- zum Beispiel auch Heike Hänsel - Kontakte mit griechischen Gewerkschaften und nicht-organisierten Streikenden. Nur darüber ergeben sich Hoffnungen, dem wirklichen Willen der Unteren - welcher Abstammung auch immer - wenigstens zu einem Ausdruck zu verhelfen.

Wenn auch noch lange nicht zu ihrem Recht.

Bündnis für Versammlungsfreiheit beginnt Unterschriftensammlung für fortschrittliches Versammlungsrecht und Einstellung aller Verfahren gegen S21 GegnerInnen

Das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit beginnt anlässlich des ersten Jahrestages des sogenannten „Schwarzen Donnerstages“ mit einer Unterschriftensammlung für die „Einstellung aller Verfahren gegen Stuttgart 21 GegnerInnen“ und eine „Amnestie für alle bisher Verurteilten“.

Die Unterschriftensammlung stellt einen Teil der im Herbst laufenden Kampagne für ein fortschrittliches Versammlungsgesetz dar. Für November kündigt das Bündnis ein „Forum für Versammlungsfreiheit“ an.

Bündnissprecher Thomas Trüten erklärt die Intention der Kampagne: „Es  ist höchste Zeit, dass die grün-rote Landesregierung ihre Wahlversprechen auf mehr Demokratie und bürgerfreundliche Gesetzgebungen in die Tat umsetzt. Die fortlaufende Kriminalisierung von demokratischem Engagement muss beendet werden!“

Downloads:
Aktuelle Flyer des Bündnisses für Versammlungsfreiheit zur Kampagne für ein fortschrittliches Versammlungsrecht:
Weitere Informationen finden sich auf der Webseite unseres Bündnisses.

Über strukturelle Gewalt

Bertold Brecht, 1954
Quelle:
Bundesarchiv, Bild 183-W0409-300 / Kolbe, Jörg / CC-BY-SA
„Es gibt viele Arten zu töten. Man kann einem ein Messer in den Bauch stechen, einem das Brot entziehen, einen von einer Krankheit nicht heilen, einen in eine schlechte Wohnung stecken, einen durch Arbeit zu Tode schinden, einen zum Suizid treiben, einen in den Krieg führen usw. Nur weniges davon ist in unserem Staat verboten.“

(Me-Ti. Buch der Wendungen. Bertolt Brecht - Dramatiker und Lyriker, 1898-1956)
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