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186.000 Getötete in Gaza

An die Wuppertaler Unterstützenden des offenen Briefes „ Aus aktuellem Anlass: Kein Platz für Antisemitismus an Hochschulen“

Sehr geehrter Herr Lutter, sehr geehrter Herr Bedenbender, sehr geehrter Herr Freudenberg, sehr geehrte Frau Gräsel, sehr geehrter Herr Hartung, sehr geehrter Herr Heinen, sehr geehrter Herr Johrendt, sehr geehrter Herr Jürges, sehr geehrte Frau König, sehr geehrte Frau Schneider, sehr geehrter Herr Grimm, sehr geehrter Herr Hunze, sehr geehrte Frau Lütke-Harmann,

Das Foto zeigt Zerstörungen in Rafah
Foto © Mohamed Zanoun via activestills.org
Sie haben am 2. Juli 2024 den offenen Brief „ Aus aktuellem Anlass: Kein Platz für Antisemitismus an Hochschulen“ unterzeichnet.

Ich möchte Sie auf die folgende Veröffentlichung aufmerksam machen:

„Counting the dead in Gaza: difficult but essential“ - Artikel von Rasha Khatib, Martin McKee und Salim Yusuf, erschienen am 5. Juli 2024 in The Lancet.

Der Artikel bezieht sich auf die grosse Studie „Global burden of armed violence“, Geneva Declaratian Secretariat, Geneva 2008

Es wird angenommen, dass die Zahl indirekter Todesfälle in modernen bewaffneten Auseinandersetzungen die Zahl direkter Todesfälle um den Faktor drei bis fünfzehn übersteigt. Die Autor:innen setzen für Gaza das Ergebnis konservativ mit dem Faktor vier an. Sie kommen unter dieser Annahme, bei Berücksichtigung von Unsicherheiten, zu dem Ergebnis, dass von Oktober 2023 bis zum 19. Juni 2024 circa 186.000 Menschen getötet wurden.

Als angemessener historischer Vergleich der Belagerung einer Millionenstadt ist die Blockade von Leningrad 1941 bis 1944 heranzuziehen. Hier wurde innerhalb von 28 Monaten schätzungsweise ein Drittel der Bevölkerung durch Hunger, Krankheit und Beschuss getötet. Dabei starben von den circa 1,1 Millionen Opfern etwa 16.000 direkt durch Waffengewalt. Die systematische Zerstörung der Infrastruktur durch die deutsche Armee war integraler Teil der deutschen Kriegsführung.

Es gibt allerdings auch signifikante Unterschiede zwischen Leningrad und Gaza: Während Leningrad eine weitläufige Metropole mit Umland war, umfasst Gaza lediglich eine Fläche von 45 Quadratkilometern.

Gaza ist mit über 12.000 Einwohner:innen pro Quadratkilometer der am dichtesten besiedelte Ort der Welt. Etwa die Hälfte der Bevölkerung sind Kinder und Jugendliche. Durch diese Faktoren liegt eine hohe Vulnerabilität vor.

Durch die Blockade und die Bombardierung seit dem 10. Oktober wurden alle Bereiche der Infrastruktur zerstört. Elektrizität, Wasser und Abwasser, Strassen, Krankenhäuser, Schulen, Universitäten sind Ziele systematischer Angriffe durch die israelische Armee.

Daraus resultiert ein eklatanter Mangel an Wasser, an Nahrungsmitteln, an Medizin, an Dingen des täglichen Bedarfs. Durch gravierenden und langhaltenden Mangel hervorgerufene Schwäche führt zu Verbreitung vermeidbarer Krankheiten, zum zunehmenden Sterben von Kranken, Alten und Kindern.

Nahezu alle Bewohner:innen sind Binnenvertriebene. Mehr als fünfzig Prozent der Wohngebäude sind zerstört. Unter den Trümmern werden mindestens 10.000 nicht geborgene Leichen vermutet.

Alle Bürger:innen in Gaza sind seit neun Monaten in einer körperlicher und psychischen Extremsitation, die durch Verlust und Todesangst gekennzeichnet ist.

Israel hat eine der modernsten Streitkräfte weltweit. Armee, Luftwaffe und Marine setzen Waffen aller Gattungen und Munition aller Kaliber in Gaza ein. 1000 Pfund Bomben und 2000 Pfund Bomben werden in die Stadt mit der welthöchsten Bevölkerungsdichte abgeworfen.

Es muss davon ausgegangen werden, dass die Kombination aller dieser Faktoren zu einer Beschleunigung der Sterblichkeit, führen wird.

Es wäre deshalb die These zu prüfen, ob die Zahl an Getöteten in Gaza höher als Faktor vier, wie bei Khatib, McKee, Yusuf, anzusetzen ist. Dann wäre die Zahl von 186.000 getöteten Einwohner:innen in Gaza überschritten.

Der Stichtag des Artikels war der 19. Juni, seitdem ein weiterer Monat mit Blockade und unverminderter Bombardierung vergangen.

Als Lehrende und Forschende sind Sie aufgefordert, die Hypothese von Khatib, McKee, Yusuf nach den Grundsätzen der Wissenschaftlichkeit zu diskutieren.

Geben Sie Ihre einseitige Position auf und ziehen Sie die einzige mögliche Schlussfolgerung aus der Analyse - verurteilen Sie dieses enorme Kriegsverbrechen!

Wuppertal, 20. Juli 2024

Spenden für Mohammed Zanoun und seine Familie

Der preisgekrönte internationale und arabische Fotojournalist Mohammed Al-Zanoun aus Gaza bei der Arbeit mit blauer Pressejacke, Helm und Kamera beim Fotografieren in einem Trümmerfeld
Der preisgekrönte internationale und arabische Fotojournalist Mohammed Zanoun aus Gaza bei der Arbeit
Um Mohammed Zanoun, einen Fotografenkollegen, der unter anderem für activestills.org und die Nachrichtenagentur Ma'an arbeitet, aus dem Gaza Streifen bitte ich um Spenden via gofundme:

Hallo, mein Name ist Sarah Al Zanoun.
Ich bin eine Verwandte von Mohammed Zanoun und muss meiner Familie dringend helfen, den Gazastreifen sicher zu verlassen.
Mohammed ist ein international bekannter Fotograf, der alles in Gaza dokumentiert - Gutes und Schlechtes. Er hat schon viele Male den Tod überlebt. Im Jahr 2006 wurde Mohammed während seiner Arbeit für die Nachrichtenagentur Ma'an mehrmals von israelischen Scharfschützen angeschossen. Die Chancen, dass er überlebt, waren gering, aber er überlebte mit einer bleibenden Verletzung und zeigt der Welt weiterhin mutig die Gräueltaten, denen Gaza ausgesetzt ist.

Im Oktober zerstörten die israelischen Besatzungstruppen sein Haus, in dem 30 Familienmitglieder lebten. Die Bombardierungen haben ihm und seiner Familie alles genommen. Seine Frau und seine vier Kinder leben in der ständigen Angst, zur Zielscheibe des Militärs zu werden, während sie vertrieben werden, frieren und hungern.

Unser gemeinsames Ziel ist es, genügend Geldmittel zu sammeln, um ihm und seiner Familie die lebensnotwendige Versorgung und Unterkunft zu ermöglichen und sie sicher aus dem Gazastreifen zu bringen.

Mohammed ist ein leidenschaftlicher Fotograf, aber nach fast 120 Tagen Völkermord ist es wichtig, dass Mohammed sich in Sicherheit bringt, anstatt über die Geschehnisse in Gaza zu berichten. Jeder Beitrag, unabhängig von seiner Größe, hat eine tiefgreifende Wirkung.

Mohammed hat seine eigene Familie bereits viermal aus den Trümmern gerettet. Jetzt ist es an der Zeit, dass wir ihm und seiner Familie helfen, sich aus dieser schrecklichen Situation zu befreien.

Seine Familie und ihr Leben hängen im wahrsten Sinne des Wortes davon ab.



Text in Arabisch:

اسمي سارة زعنون

و أنا بحاجة ماسة لإخراج قريبي الصحفي محمد زعنون وعائلته من غزه قبل فوات الاوان.

محمد مصور معروف دولياً يوثق كل شيء في غزة (الجيد والسيء). لقد نجا من الموت مرات عديدة. وقد أطلق القناصة الإسرائيليون النار على محمد عدة مرات في عام 2006 بينما كان يعمل لدى وكالة معان الجديدة وكانت احتمالات بقائه على قيد الحياة ضئيلة، ولكنه نجا بإصابه دائمه واصر بكل شجاعه رغم كل التحديات الجسديه والنفسيه ان يواصل عمله ويُظهر للعالم الفظائع التي تواجهها غزة.

في تشرين الأول/أكتوبر، دمرت قوات الاحتلال الإسرائيلية منزله الذي يضم 30 فرداً من أفراد أسرته. واستولت عمليات القصف على كل شيء منه ومن أسرته. والآن تعيش عائلته واطفاله الاربعه رعب الاستهداف المباشر لمحمد وهم نازحين مشردين معرضين للموت بأي لحظه. والبرد القارص والجوع يلازمهم .

تتمثل مهمتنا الجماعية في جمع الأموال الكافية لإخراج محمد واطفاله من غزه والحصول على الرعاية الأساسية، والمأوى والأمان.

محمد لديه شغف بالتصوير الفوتوغرافي، ولكن بعد اكثر من 120 يوم من الإبادة الجماعية، فإنه من الأهم أن يسعى محمد إلى الأمان بدلاً من السعي إلى تغطية ما يحدث في غزة. ولكل مساهمة، بغض النظر عن حجمها، أثر عميق.

لقد سحب محمد أسرته من الأنقاض في أربع مناسبات مختلفة … حان الوقت الآن لكي نساعد على إخراجه وأسرته من هذه الحالة الأليمة.
عائلته وحياتهم يعتمدون عليها حرفياً.

Text in english:

Hi my name is Sarah Al Zanoun
I'm a relative of Mohammed Zanoun and I URGENTLY need to help my family safely get out of Gaza.
Mohammed is an internationally known photographer who documents everything in Gaza-good and bad. He has survived death many times. Mohammed was shot by Israeli snipers several times in 2006 while working for Ma'an new agency. The odds of him surviving were slim, but he did survive suffering a permanent injury and continues to bravely show the world the atrocities Gaza is facing.

In October, the Israeli Occupation Forces destroyed his home which housed 30 family members. The bombardments took everything from him and his family. His wife and four children live in the constant fear of being military targets whilst displaced, cold and hungry.

Our collective mission is to raise enough funds to get essential care, shelter, and help him and his family navigate out of Gaza SAFELY.

Mohammed has a passion for photography, but after nearly 120 days of genocide, it is crucial that Mohammed seeks safety rather than seeking coverage of what’s happening in Gaza. Every contribution, regardless of size, has a profound impact.

Mohammed has pulled his own family out of the rubble on four different occasions, it is now time for us to help pull him and his family out of this dire situation.
His family and their lives, quite literally depend on it.

Source: Gofundme

Kampagne "atomwaffenfrei.jetzt" beendet

Kampagnenlogo Büchel AtomwaffenfreiUnser Engagement geht nach Abschluss der atomwaffenfrei-Kampagne entschieden weiter!

Seit 1994 engagiert sich der Trägerkreis „Atomwaffen abschaffen - bei uns anfangen!“ für die Ächtung von Atomwaffen und eine atomwaffenfreie Welt. Inzwischen haben sich mehr als 70 Gruppen und Organisationen der Forderung nach dem sofortigen Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland angeschlossen.

Für dieses Ziel tritt der Trägerkreis seit seiner Gründung mit Projekten und Kampagnen sowie durch Unterstützung der Webseite „Atomwaffen A-Z“ ein. In den letzten Jahren lag unser Fokus darauf, darüber das Wissen zu stärken, dass US-Atombomben in Büchel lagern und vor Ort dagegen zu protestieren.

Seit Beginn der Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt“ im Jahr 2016 haben sich die Rahmenbedingungen für unsere Arbeit jedoch deutlich geändert: In Büchel sind keine Camps mehr möglich, weil die dafür genutzten Flächen für uns inzwischen gesperrt sind. Die Atomwaffenstaaten setzen wieder verstärkt auf Atomwaffen und drohen unverhohlen mit dem Einsatz. Viele Menschen sind verunsichert und zweifeln am Sinn nuklearer Abrüstung.

Wir wollen auf diese Veränderungen mit neuen Konzepten antworten und schließen die Büchel-Kampagne zum Juni 2024 ab.

Klar ist für uns aber dies: Solange es Atomwaffen gibt, geht unsere Arbeit weiter! Unsere Ziele bleiben der Abzug der Atomwaffen aus Büchel, der Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag und ein Ende der nuklearen Teilhabe in Europa!

Wir werden die aktuellen Debatten aufgreifen und öffentlichkeitswirksame Aktionen und Projekte umsetzen! Ein Beispiel dafür ist unser vielbeachtetes Projekt „nuclearban24.eu“ zur Europawahl 2024, das der Forderung nach EU-Atomwaffen klar widerspricht. Zum 30-jährigen Jubiläum des Trägerkreises „Atomwaffen abschaffen - bei uns anfangen!“ am 27./28. September 2024 und der Demonstration am 12. Oktober 2024 in Nörvenich gegen das Atomkriegsmanöver "Steadfast Noon" der NATO werden wir unsere Pläne für die nächste Zeit vorstellen. Unter anderem werden dabei die Bundestagswahl 2025, das Gedenken an 80 Jahre Hiroshima und Nagasaki und damit verbunden die humanitären Folgen von Atomwaffen sowie die geplante Stationierung der neuen B-61-12-Atombomben in etlichen europäischen Ländern, auch in Büchel, eine wichtige Rolle spielen.

Quelle: Erklärung, 15.07.24

"Mir ist langweilig, also schieße ich": Die Zustimmung der israelischen Armee zur freien Gewalt in Gaza

Israelische Soldaten beschreiben, dass es im Gaza-Krieg so gut wie keine Schießvorschriften gibt. Die Truppen schossen nach Belieben, steckten Häuser in Brand und ließen Leichen auf den Straßen liegen - alles mit der Erlaubnis ihrer Kommandeure.

Anfang Juni strahlte Al Jazeera eine Reihe beunruhigender Videos aus, die von "Exekutionen im Schnellverfahren" berichteten: Israelische Soldaten erschossen bei drei verschiedenen Gelegenheiten mehrere Palästinenser, die in der Nähe der Küstenstraße im Gaza-Streifen spazieren gingen. In jedem Fall waren die Palästinenser offenbar unbewaffnet und stellten keine unmittelbare Bedrohung für die Soldaten dar.

Solche Aufnahmen sind selten, da Journalisten in der belagerten Enklave nur sehr eingeschränkt arbeiten können und ständig in Lebensgefahr schweben. Diese Hinrichtungen, für die es offenbar keine Sicherheitsgründe gab, stimmen jedoch mit den Aussagen von sechs israelischen Soldaten überein, die nach ihrer Entlassung aus dem aktiven Dienst in Gaza in den letzten Monaten mit +972 Magazine und Local Call sprachen. In Übereinstimmung mit den Aussagen palästinensischer Augenzeugen und Ärzte während des Krieges beschrieben die Soldaten, dass sie befugt waren, praktisch nach Belieben das Feuer auf Palästinenser, einschließlich Zivilisten, zu eröffnen.

Die sechs Quellen - alle bis auf eine, die unter der Bedingung der Anonymität sprach - berichteten, wie israelische Soldaten routinemäßig palästinensische Zivilisten hinrichteten, nur weil sie ein Gebiet betraten, das vom Militär als "No-go-Zone" definiert wurde. Die Zeugenaussagen zeichnen das Bild einer Landschaft, die mit zivilen Leichen übersät ist, die der Verwesung überlassen oder von streunenden Tieren gefressen werden; die Armee versteckt sie nur vor der Ankunft internationaler Hilfskonvois, damit "keine Bilder von Menschen im fortgeschrittenen Stadium der Verwesung an die Öffentlichkeit gelangen". Zwei der Soldaten bezeugten auch eine systematische Politik, palästinensische Häuser in Brand zu setzen, nachdem sie sie besetzt hatten.

Mehrere Quellen schilderten, wie die Möglichkeit, ohne Einschränkungen zu schießen, den Soldaten eine Möglichkeit bot, Dampf abzulassen oder die Tristesse ihrer täglichen Routine zu lindern. "Die Leute wollen das Ereignis [vollständig] erleben", erinnerte sich S., ein Reservist, der im nördlichen Gazastreifen diente. "Ich habe selbst ein paar Kugeln ohne Grund abgefeuert, ins Meer, auf den Bürgersteig oder ein verlassenes Gebäude. Sie melden es als 'normales Feuer', was ein Codename für 'Mir ist langweilig, also schieße ich' ist."

Seit den 1980er Jahren weigert sich das israelische Militär, seine Vorschriften für offenes Feuer offenzulegen, trotz mehrerer Petitionen an den Obersten Gerichtshof. Dem politischen Soziologen Yagil Levy zufolge hat die Armee seit der Zweiten Intifada "den Soldaten keine schriftlichen Einsatzregeln gegeben", so dass vieles der Interpretation der Soldaten im Feld und ihrer Kommandeure überlassen bleibt. Diese laxen Richtlinien haben nicht nur zur Tötung von mehr als 38.000 Palästinensern beigetragen, sondern sind auch mitverantwortlich für die hohe Zahl von Soldaten, die in den letzten Monaten durch eigenen Beschuss getötet wurden.

"Es gab völlige Handlungsfreiheit", sagte B., ein anderer Soldat, der monatelang in den regulären Streitkräften in Gaza diente, auch in der Kommandozentrale seines Bataillons. "Wenn es [auch nur] ein Gefühl der Bedrohung gibt, braucht man nichts zu erklären - man schießt einfach. Wenn Soldaten sehen, dass sich jemand nähert, "ist es erlaubt, auf den Mittelpunkt der Masse [des Körpers] zu schießen, nicht in die Luft", so B. weiter. "Es ist erlaubt, jeden zu erschießen, ein junges Mädchen, eine alte Frau."

B. beschrieb einen Vorfall im November, als Soldaten bei der Evakuierung einer Schule in der Nähe des Zeitoun-Viertels von Gaza-Stadt, die als Unterkunft für vertriebene Palästinenser diente, mehrere Zivilisten töteten. Die Armee wies die Evakuierten an, die Schule auf der linken Seite in Richtung Meer zu verlassen, anstatt auf der rechten Seite, wo die Soldaten stationiert waren. Als in der Schule ein Feuergefecht ausbrach, wurde auf diejenigen, die in dem darauf folgenden Chaos nach links auswichen, sofort geschossen.

"Es gab Informationen, dass die Hamas Panik verbreiten wollte", sagte B.. "Ein Kampf begann im Inneren; die Leute rannten weg. Einige flohen nach links in Richtung Meer, [aber] einige rannten nach rechts, darunter auch Kinder. Jeder, der nach rechts lief, wurde getötet - 15 bis 20 Menschen. Es gab einen Haufen von Leichen.

"Die Leute schossen, wie es ihnen gefiel, mit aller Macht".

B. sagte, dass es schwierig sei, Zivilisten von Kämpfern im Gazastreifen zu unterscheiden und behauptete, dass Hamas-Mitglieder oft "ohne Waffen herumlaufen". Das habe aber zur Folge, dass "jeder Mann zwischen 16 und 50 Jahren verdächtigt wird, ein Terrorist zu sein".

"Es ist verboten, herumzulaufen, und jeder, der sich draußen aufhält, ist verdächtig", so B. weiter. "Wenn wir jemanden sehen, der aus dem Fenster schaut, ist er ein Verdächtiger. Man schießt. Die [Armee] ist der Ansicht, dass jeder Kontakt [mit der Bevölkerung] die Streitkräfte gefährdet, und es muss eine Situation geschaffen werden, in der es unter allen Umständen verboten ist, sich [den Soldaten] zu nähern. [Die Palästinenser] haben gelernt, dass sie weglaufen, wenn wir eindringen.

Selbst in scheinbar unbewohnten oder verlassenen Gebieten des Gazastreifens schossen die Soldaten ausgiebig in einem Verfahren, das als "Anwesenheitsdemonstration" bekannt ist. S. sagte aus, dass seine Kameraden "viel schießen würden, auch ohne Grund - jeder, der schießen will, egal aus welchem Grund, schießt." In einigen Fällen sei dies "beabsichtigt gewesen, um ... Leute [aus ihren Verstecken] zu holen oder um Präsenz zu zeigen."


M., ein weiterer Reservist, der im Gazastreifen diente, erklärte, dass solche Befehle direkt von den Kommandanten der Kompanie oder des Bataillons im Einsatz kommen würden. "Wenn keine IDF-Kräfte [in der Gegend] sind ... wird wie verrückt und uneingeschränkt geschossen. Und nicht nur auf Handfeuerwaffen: Maschinengewehre, Panzer und Mörser."

Selbst wenn es keine Befehle von oben gibt, sagte M. aus, dass die Soldaten im Feld regelmäßig das Gesetz in die eigenen Hände nehmen. "Normale Soldaten, Unteroffiziere, Bataillonskommandeure - die unteren Ränge, die schießen wollen, bekommen die Erlaubnis."

S. erinnerte sich daran, dass er über das Radio von einem Soldaten hörte, der in einem Schutzgebiet stationiert war und eine palästinensische Familie erschoss, die in der Nähe herumlief. "Zuerst sagen sie 'vier Personen'. Daraus werden dann zwei Kinder und zwei Erwachsene, und am Ende sind es ein Mann, eine Frau und zwei Kinder. Sie können sich das Bild selbst zusammenstellen."

Nur einer der für diese Untersuchung befragten Soldaten war bereit, namentlich genannt zu werden: Yuval Green, ein 26-jähriger Reservist aus Jerusalem, der im November und Dezember letzten Jahres in der 55. Fallschirmjägerbrigade diente (Green hat kürzlich einen Brief von 41 Reservisten unterzeichnet, in dem sie erklären, dass sie nach dem Einmarsch der Armee in Rafah ihren Dienst in Gaza verweigern). "Es gab keine Munitionsbeschränkungen", sagte Green gegenüber +972 und Local Call. "Die Leute schossen einfach, um die Langeweile zu vertreiben."

Green beschrieb einen Vorfall, der sich in einer Nacht während des jüdischen Chanukka-Festes im Dezember ereignete, als "das ganze Bataillon gemeinsam das Feuer eröffnete, wie ein Feuerwerk, einschließlich Leuchtspurmunition [die ein helles Licht erzeugt]. Es gab eine verrückte Farbe, die den Himmel erleuchtete, und weil [Chanukka] das 'Fest der Lichter' ist, wurde es symbolisch."

C., ein weiterer Soldat, der im Gazastreifen diente, erklärte, dass die Soldaten, wenn sie Schüsse hörten, über Funk klärten, ob sich eine andere israelische Militäreinheit in der Nähe befand, und wenn nicht, eröffneten sie das Feuer. "Die Leute schossen nach Belieben und mit aller Kraft. Aber wie C. feststellte, bedeutete das uneingeschränkte Schießen, dass die Soldaten oft dem großen Risiko des Beschusses durch eigene Truppen ausgesetzt waren - was er als "gefährlicher als die Hamas" bezeichnete. "Bei mehreren Gelegenheiten schossen die IDF-Kräfte in unsere Richtung. Wir haben nicht darauf reagiert, wir haben uns über Funk informiert, und niemand wurde verletzt."

Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts wurden seit Beginn der Bodeninvasion 324 israelische Soldaten im Gazastreifen getötet, davon nach Angaben der Armee mindestens 28 durch eigenen Beschuss. Nach Greens Erfahrung waren solche Vorfälle das "Hauptproblem", das das Leben der Soldaten gefährdete. "Es gab eine ganze Menge [Friendly Fire]; das hat mich verrückt gemacht", sagte er.

Für Green zeugten die Einsatzregeln auch von einer tiefen Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Geiseln. "Sie erzählten mir von der Praxis, Tunnel zu sprengen, und ich dachte mir, wenn Geiseln [darin] wären, würde das sie töten. Nachdem israelische Soldaten im Dezember in Shuja'iyya drei Geiseln töteten, die weiße Fahnen schwenkten, weil sie sie für Palästinenser hielten, sagte Green, er sei wütend, aber man habe ihm gesagt, "wir können nichts tun". "[Die Kommandeure] verschärften die Verfahren und sagten: 'Ihr müsst aufpassen und sensibel sein, aber wir befinden uns in einer Kampfzone und müssen wachsam sein.'"

B. bestätigte, dass auch nach dem Zwischenfall in Shuja'iyya, der als "befehlswidrig" bezeichnet wurde, die Vorschriften für offenes Feuer nicht geändert wurden. "Was die Geiseln betrifft, so hatten wir keine spezielle Anweisung", erinnerte er sich. "[Die Armeeführung] sagte, dass sie nach der Erschießung der Geiseln [die Soldaten vor Ort] unterrichtet hätten. [Aber sie haben nicht mit uns gesprochen." Er und die Soldaten, die bei ihm waren, erfuhren von der Erschießung der Geiseln erst zweieinhalb Wochen nach dem Vorfall, nachdem sie Gaza verlassen hatten.

"Ich habe Aussagen [von anderen Soldaten] gehört, dass die Geiseln tot sind, dass sie keine Chance haben, dass sie aufgegeben werden müssen", so Green. "Das hat mich am meisten gestört ... dass sie immer wieder sagten: 'Wir sind wegen der Geiseln hier', aber es ist klar, dass der Krieg den Geiseln schadet. Das war damals mein Gedanke; heute hat sich das bewahrheitet."

Ein Gebäude stürzt ein, und das Gefühl ist: "Wow, was für ein Spaß".

A., ein Offizier, der in der Operationsdirektion der Armee diente, sagte aus, dass die Operationszentrale seiner Brigade - die die Kämpfe von außerhalb des Gazastreifens koordiniert, Ziele genehmigt und den Beschuss durch eigene Truppen verhindert - keine klaren Befehle für offenes Feuer erhielt, die sie an die Soldaten vor Ort weitergeben konnte. "Von dem Moment an, in dem man den Raum betritt, gibt es zu keinem Zeitpunkt ein Briefing", sagte er. "Wir haben keine Anweisungen von höherer Stelle erhalten, die wir an die Soldaten und Bataillonskommandeure weitergeben konnten.

Er wies darauf hin, dass es Anweisungen gab, nicht entlang der humanitären Routen zu schießen, aber ansonsten "füllt man die Lücken aus, wenn es keine anderen Anweisungen gibt. Das ist der Ansatz: 'Wenn es dort verboten ist, dann ist es hier erlaubt.'"

A. erklärte, dass das Schießen auf "Krankenhäuser, Kliniken, Schulen, religiöse Einrichtungen [und] Gebäude internationaler Organisationen" eine höhere Genehmigung erfordere. Aber in der Praxis "kann ich die Fälle an einer Hand abzählen, in denen uns gesagt wurde, wir dürften nicht schießen. Selbst bei so sensiblen Dingen wie Schulen scheint die Genehmigung nur eine Formalität zu sein".

Im Allgemeinen, so A. weiter, "herrschte in der Einsatzzentrale die Einstellung 'Erst schießen, dann Fragen stellen'. Das war der Konsens ... Niemand wird eine Träne vergießen, wenn wir ein Haus dem Erdboden gleichmachen, obwohl das nicht nötig war, oder wenn wir jemanden erschießen, den wir nicht hätten erschießen müssen."

A. sagte, ihm seien Fälle bekannt, in denen israelische Soldaten auf palästinensische Zivilisten schossen, die ihr Operationsgebiet betraten, was mit einer Untersuchung von Haaretz über "Tötungszonen" in den von der Armee besetzten Gebieten des Gazastreifens übereinstimmt. "Das ist der Standard. Es sollten sich keine Zivilisten in diesem Gebiet aufhalten, das ist die Perspektive. Wir haben jemanden in einem Fenster gesehen, also haben sie geschossen und ihn getötet." A. fügte hinzu, dass aus den Berichten oft nicht klar hervorging, ob die Soldaten Kämpfer oder unbewaffnete Zivilisten erschossen hatten - und "oft hörte es sich so an, als ob jemand in einer Situation gefangen war und wir das Feuer eröffneten".

Aber diese Unklarheit über die Identität der Opfer bedeutete für A., dass man den Berichten des Militärs über die Zahl der getöteten Hamas-Mitglieder nicht trauen konnte. "Das Gefühl im Kriegsraum war, und das ist eine abgeschwächte Version, dass wir jede Person, die wir töteten, als Terrorist zählten", sagte er aus.

"Das Ziel war, zu zählen, wie viele [Terroristen] wir heute getötet haben", so A. weiter. "Jeder [Soldat] will zeigen, dass er der große Mann ist. Die Wahrnehmung war, dass alle Männer Terroristen waren. Manchmal fragte ein Kommandeur plötzlich nach Zahlen, und dann lief der Divisionsoffizier von Brigade zu Brigade und ging die Liste im Computersystem des Militärs durch und zählte."

Die Aussage von A. deckt sich mit einem kürzlich erschienenen Bericht des israelischen Magazins Mako über einen Drohnenangriff einer Brigade, bei dem Palästinenser im Einsatzgebiet einer anderen Brigade getötet wurden. Offiziere beider Brigaden berieten sich darüber, welche der beiden Brigaden die Tötungen registrieren sollte. "Was macht das für einen Unterschied? Registrieren Sie es für uns beide", sagte einer von ihnen dem anderen, so die Veröffentlichung.

In den ersten Wochen nach dem von der Hamas angeführten Anschlag vom 7. Oktober, so erinnert sich A., "fühlten sich die Menschen sehr schuldig, dass dies unter unserer Aufsicht geschah", ein Gefühl, das in der israelischen Öffentlichkeit allgemein geteilt wurde - und sich schnell in den Wunsch nach Vergeltung verwandelte. "Es gab keinen direkten Befehl, Rache zu üben", sagte A., "aber wenn man an Entscheidungspunkte gelangt, haben die Anweisungen, Befehle und Protokolle [in Bezug auf 'sensible' Fälle] nur so viel Einfluss."

Wenn Drohnen Aufnahmen von Angriffen im Gazastreifen live übertrugen, "gab es im Kriegsraum Jubelschreie", so A.. "Hin und wieder stürzt ein Gebäude ein ... und das Gefühl ist: 'Wow, wie verrückt, was für ein Spaß.'"

A. wies auf die Ironie hin, dass ein Teil der Motivation für die israelischen Rufe nach Rache darin bestand, dass die Palästinenser in Gaza sich über den Tod und die Zerstörung am 7. Oktober freuten. Um die Aufhebung der Unterscheidung zwischen Zivilisten und Kämpfern zu rechtfertigen, griffen die Leute zu Aussagen wie "'Sie haben Süßigkeiten verteilt', 'Sie haben nach dem 7. Oktober getanzt' oder 'Sie haben die Hamas gewählt' ... Nicht alle, aber auch nicht wenige, dachten, dass das Kind von heute der Terrorist von morgen ist.

"Auch ich, ein eher linker Soldat, vergesse sehr schnell, dass es sich um echte Häuser [in Gaza] handelt", sagte A. über seine Erfahrungen im Einsatzraum. "Es fühlte sich an wie ein Computerspiel. Erst nach zwei Wochen wurde mir klar, dass es sich um [tatsächliche] Gebäude handelt, die einstürzen: Wenn es [darin] Bewohner gibt, dann stürzen [die Gebäude] auf ihren Köpfen ein, und selbst wenn nicht, dann mit allem, was darin ist."

Ein entsetzlicher Geruch des Todes

Mehrere Soldaten sagten aus, dass die Politik des freien Schießens es israelischen Einheiten ermöglicht hat, palästinensische Zivilisten zu töten, selbst wenn sie vorher als solche identifiziert wurden. D., ein Reservist, sagte, dass seine Brigade neben zwei so genannten "humanitären" Reisekorridoren stationiert war, einem für Hilfsorganisationen und einem für Zivilisten, die vom Norden in den Süden des Streifens flohen. Innerhalb des Einsatzgebiets seiner Brigade wurde eine "rote Linie, grüne Linie" eingeführt, die Zonen abgrenzt, in die Zivilisten nicht eindringen durften.

Laut D. durften Hilfsorganisationen nach vorheriger Absprache in diese Zonen reisen (unser Interview wurde geführt, bevor eine Reihe israelischer Präzisionsschläge sieben Mitarbeiter der World Central Kitchen töteten ), aber für Palästinenser galt etwas anderes. "Jeder, der die grüne Zone überquerte, wurde zu einem potenziellen Ziel", sagte D. und behauptete, dass diese Gebiete für Zivilisten ausgeschildert seien. "Wenn sie die rote Linie überschreiten, meldet man das über Funk und braucht nicht auf eine Erlaubnis zu warten, man kann schießen."

Dennoch sagte D., dass Zivilisten oft in Gebiete kamen, durch die Hilfskonvois fuhren, um nach Resten zu suchen, die von den Lastwagen fallen könnten; dennoch war es die Politik, jeden zu erschießen, der versuchte, einzudringen. "Die Zivilisten sind eindeutig Flüchtlinge, sie sind verzweifelt, sie haben nichts", sagte er. Dennoch gab es in den ersten Monaten des Krieges "jeden Tag zwei oder drei Zwischenfälle mit unschuldigen Menschen oder [Menschen], die im Verdacht standen, von der Hamas als Späher geschickt worden zu sein", die von Soldaten seines Bataillons erschossen wurden.

Die Soldaten sagten aus, dass im gesamten Gazastreifen Leichen von Palästinensern in Zivilkleidung entlang der Straßen und auf offenem Gelände verstreut lagen. "Die ganze Gegend war voller Leichen", sagte S., ein Reservist. "Es gibt auch Hunde, Kühe und Pferde, die die Bombardierungen überlebt haben und nirgendwo mehr hin können. Wir können sie nicht füttern, und wir wollen auch nicht, dass sie zu nahe kommen. So sieht man gelegentlich Hunde mit verrottenden Körperteilen herumlaufen. Es gibt einen schrecklichen Geruch des Todes.

Doch bevor die humanitären Konvois eintreffen, werden die Leichen entfernt. "Ein D-9 [Caterpillar-Bulldozer] fährt mit einem Panzer hinunter und säubert das Gebiet von Leichen, vergräbt sie unter den Trümmern und kippt sie zur Seite, damit die Konvois sie nicht sehen - [damit] die Bilder von Menschen im fortgeschrittenen Stadium der Verwesung nicht an die Öffentlichkeit gelangen", beschreibt er.

"Ich habe eine Menge [palästinensischer] Zivilisten gesehen - Familien, Frauen, Kinder", fuhr S. fort. "Es gibt mehr Todesopfer als gemeldet. Wir waren in einem kleinen Gebiet. Jeden Tag werden mindestens ein oder zwei [Zivilisten] getötet, [weil] sie in eine verbotene Zone gegangen sind. Ich weiß nicht, wer ein Terrorist ist und wer nicht, aber die meisten von ihnen trugen keine Waffen."

Green sagte, als er Ende Dezember in Khan Younis ankam, "sahen wir eine undeutliche Masse vor einem Haus. Wir erkannten, dass es eine Leiche war; wir sahen ein Bein. In der Nacht fraßen es Katzen. Dann kam jemand und brachte sie weg.

Eine nicht-militärische Quelle, die mit +972 und Local Call sprach, nachdem sie den nördlichen Gazastreifen besucht hatte, berichtete ebenfalls von Leichen, die in dem Gebiet verstreut waren. "In der Nähe des Armeegeländes zwischen dem nördlichen und dem südlichen Gazastreifen sahen wir etwa 10 Leichen, denen in den Kopf geschossen wurde, offenbar von einem Scharfschützen, als sie versuchten, in den Norden zurückzukehren", sagte er. "Die Leichen waren verwest, und es waren Hunde und Katzen um sie herum".

"Sie kümmern sich nicht um die Leichen", sagte B. über die israelischen Soldaten in Gaza. "Wenn sie im Weg sind, werden sie zur Seite geschoben. Es gibt keine Beerdigung der Toten. Die Soldaten sind aus Versehen auf die Leichen getreten."

Letzten Monat sagte Guy Zaken, ein Soldat, der D-9 Bulldozer in Gaza bediente, vor einem Knessetausschuss aus, dass er und seine Mannschaft "Hunderte von Terroristen überfahren haben, tot und lebendig". Ein anderer Soldat, mit dem er zusammen diente, beging anschließend Selbstmord.


Bevor du gehst, brennst du das Haus nieder

Zwei der für diesen Artikel befragten Soldaten schilderten auch, wie das Niederbrennen palästinensischer Häuser unter israelischen Soldaten zur gängigen Praxis geworden ist, worüber Haaretz im Januar erstmals ausführlich berichtete. Green hat zwei solcher Fälle persönlich miterlebt - der erste war eine eigenständige Initiative eines Soldaten, der zweite ein Befehl der Kommandeure - und seine Frustration über diese Politik ist einer der Gründe, die ihn schließlich dazu brachten, den weiteren Militärdienst zu verweigern.

Wenn Soldaten Häuser besetzten, so sagte er aus, galt der Grundsatz: "Wenn du dich bewegst, musst du das Haus niederbrennen". Für Green machte dies jedoch keinen Sinn: In "keinem Szenario" konnte die Mitte des Flüchtlingslagers Teil einer israelischen Sicherheitszone sein, die eine solche Zerstörung rechtfertigen würde. "Wir sind in diesen Häusern nicht, weil sie Hamas-Aktivisten gehören, sondern weil sie uns operativ dienen", stellte er fest. "Es ist ein Haus für zwei oder drei Familien - es zu zerstören bedeutet, dass sie obdachlos werden.

"Ich fragte den Kommandanten der Kompanie, der sagte, dass keine militärische Ausrüstung zurückgelassen werden dürfe und dass wir nicht wollten, dass der Feind unsere Kampfmethoden sehe", so Green weiter. "Ich sagte, ich würde eine Durchsuchung vornehmen, um sicher zu gehen, dass keine Kampfmethoden zurückgelassen wurden. [Der Kompaniechef] gab mir Erklärungen aus der Welt der Rache. Er sagte, sie würden sie verbrennen, weil es keine D-9s oder IEDs von einer Ingenieursgruppe gäbe [die das Haus mit anderen Mitteln zerstören könnten]. Er hat einen Befehl erhalten und es hat ihn nicht gestört."

"Bevor du gehst, brennst du das Haus nieder - jedes Haus", wiederholte B.. "Das wird auf der Ebene der Bataillonskommandeure unterstützt. Es ist so, dass [Palästinenser] nicht zurückkehren können, und wenn wir Munition oder Lebensmittel zurückgelassen haben, können die Terroristen sie nicht benutzen."
Bevor sie abzogen, stapelten die Soldaten Matratzen, Möbel und Decken auf, und "mit etwas Brennstoff oder Gasflaschen", so B., "brennt das Haus leicht ab, es ist wie ein Ofen." Zu Beginn der Bodeninvasion besetzte seine Kompanie einige Tage lang Häuser und zog dann weiter; laut B. brannten sie "Hunderte von Häusern nieder". Es gab Fälle, in denen Soldaten ein Stockwerk in Brand setzten und andere Soldaten in einem höheren Stockwerk waren und durch die Flammen auf der Treppe fliehen mussten oder am Rauch erstickten."

Green sagte, die Zerstörung, die das Militär in Gaza hinterlassen hat, sei "unvorstellbar". Zu Beginn der Kämpfe, so berichtete er, rückten sie zwischen Häusern vor, die 50 Meter voneinander entfernt waren, und viele Soldaten "behandelten die Häuser wie einen Souvenirladen" und plünderten alles, was die Bewohner nicht mitnehmen konnten.

"Am Ende stirbt man vor Langeweile, wenn man dort tagelang wartet", sagte Green. "Man malt an den Wänden, macht grobe Sachen. Man spielt mit Kleidern, findet Passfotos, die sie zurückgelassen haben, hängt ein Bild von jemandem auf, weil es lustig ist. Wir haben alles benutzt, was wir gefunden haben: Matratzen, Essen, einer hat einen 100-NIS-Schein [etwa 27 Dollar] gefunden und ihn mitgenommen."

"Wir haben alles zerstört, was wir wollten", sagte Green aus. "Das geschah nicht aus dem Wunsch heraus, zu zerstören, sondern aus völliger Gleichgültigkeit gegenüber allem, was [den Palästinensern] gehört. Jeden Tag reißt eine D-9 Häuser ab. Ich habe keine Vorher-Nachher-Fotos gemacht, aber ich werde nie vergessen, wie eine Nachbarschaft, die wirklich schön war ... auf Sand reduziert wird."

Der IDF-Sprecher antwortete auf unsere Bitte um einen Kommentar mit folgender Erklärung: "Alle IDF-Soldaten, die im Gazastreifen und an den Grenzen kämpfen, haben beim Eintritt in den Kampf die Anweisung erhalten, offen zu schießen. Diese Anweisungen spiegeln das internationale Recht wider, an das die IDF gebunden ist. Die Anweisungen für den offenen Beschuss werden regelmäßig überprüft und angesichts der sich ändernden operativen und nachrichtendienstlichen Situation aktualisiert und von den ranghöchsten Beamten der IDF genehmigt.

"Die Anweisungen für den offenen Beschuss bieten eine angemessene Reaktion auf alle operativen Situationen und die Möglichkeit, in jedem Fall, in dem unsere Streitkräfte gefährdet sind, die volle operative Handlungsfreiheit zur Beseitigung von Bedrohungen zu nutzen. Gleichzeitig werden den Streitkräften Instrumente an die Hand gegeben, um mit komplexen Situationen in Anwesenheit der Zivilbevölkerung umzugehen, und es wird Wert darauf gelegt, dass Menschen, die nicht als Feinde identifiziert werden oder die keine Gefahr für ihr Leben darstellen, nicht zu Schaden kommen. Allgemeine Anweisungen für den Einsatz von offenem Feuer, wie sie in der Anfrage beschrieben werden, sind nicht bekannt und stehen, sofern sie gegeben wurden, im Widerspruch zu den Befehlen der Armee.

"Die IDF untersucht ihre Aktivitäten und zieht Lehren aus operativen Ereignissen, einschließlich des tragischen Ereignisses der versehentlichen Tötung von Yotam Haim, Alon Shamriz und Samer Talalka. Die aus der Untersuchung des Vorfalls gezogenen Lehren wurden an die Kampftruppen vor Ort weitergegeben, um zu verhindern, dass sich ein derartiger Vorfall in Zukunft wiederholt.

"Im Rahmen der Zerstörung der militärischen Fähigkeiten der Hamas ergibt sich unter anderem die operative Notwendigkeit, Gebäude zu zerstören oder anzugreifen, in denen die Terrororganisation ihre Kampfinfrastruktur untergebracht hat. Dazu gehören auch Gebäude, die die Hamas regelmäßig für Kampfhandlungen umbaut. Inzwischen nutzt die Hamas systematisch öffentliche Gebäude, die eigentlich für zivile Zwecke genutzt werden sollten, militärisch. Die Befehle der Armee regeln das Genehmigungsverfahren, so dass die Beschädigung sensibler Stätten von hochrangigen Befehlshabern genehmigt werden muss, die die Auswirkungen der Beschädigung des Gebäudes auf die Zivilbevölkerung berücksichtigen, und dies angesichts der militärischen Notwendigkeit, das Gebäude anzugreifen oder abzureißen. Die Entscheidungsfindung dieser höheren Befehlshaber erfolgt in geordneter und ausgewogener Weise.

"Das Verbrennen von Gebäuden, die nicht für operative Zwecke notwendig sind, verstößt gegen die Befehle der Armee und die Werte der IDF.

"Im Rahmen der Kampfhandlungen und auf Befehl der Armee ist es möglich, feindliches Eigentum für wichtige militärische Zwecke zu nutzen sowie Eigentum terroristischer Organisationen auf Befehl als Kriegsbeute zu nehmen. Gleichzeitig stellt die Entnahme von Eigentum für private Zwecke eine Plünderung dar und ist nach dem Gesetz über die Militärgerichtsbarkeit verboten. Vorfälle, in denen die Streitkräfte nicht in Übereinstimmung mit den Befehlen und dem Gesetz gehandelt haben, werden untersucht.

Oren Ziv ist Fotojournalist, Reporter für Local Call und Gründungsmitglied des Fotokollektivs Activestills.

Quelle: +972mag, 8. Juli 2024

Übersetzung [Nicht authorisiert]: Thomas Trueten


#Stuttgart: „Rheinmetall entwaffnen!“ Camp – Mobilisierungsvortrag, Spieleabend und Grillen am 28.7.24

Kriegsregime, Ausbeutung und Unterdrückung
SharePic zur Kampagne von „Rheinmetall entwaffnen!“ Während unsere Welt im Krieg zu versinken droht und Deutschland Teil dieses global eskalierenden Kriegsregimes ist, verbreiten in Kiel produzierte Kriegstechnik und Waffen unsägliches Leid. Das massenhafte Morden an den Kriegsfronten in der Ukraine, der zehntausendfache Tod und die Vertreibung in Gaza, das Leid in Kurdistan sind nur wenige Beispiele für die Folgen der globalen Aufrüstung des kapitalistisch patriarchalen Systems. Und selbst dort, wo kein "heißer" Krieg ausgefochten wird, wird offensichtlich alles dafür getan, um ihn herbeizuführen, durch eine beispiellose Militarisierung, flankiert von erstarkendem Nationalismus und den Profitinteressen riesiger Konzerne.

Auch in Deutschland ist diese Dynamik ganz eindeutig: das 100 Milliarden Euro schwere Aufrüstungspaket der Ampelregierung wird finanziert durch soziale Kürzungen; Protest gegen Krieg mit der Aufrüstung der Polizei und der Einschränkungen der Versammlungsfreiheit beantwortet.

Obwohl sexualisierte Gewalt auch in den nicht-kriegerischen Normalzustand kapitalistischer Gesellschaften eingelassen ist, wird ganz besonders in Kriegsgebieten deutlich, wie sexualisierte Gewalt gegen Frauen und weitere unterdrückte Geschlechter als Waffe benutzt und grausamer Alltag wird. Die Unterwerfung von Frauen gilt als Symbol des Sieges über den Gegner. Wir verurteilen diese patriarchale Gewalt und gleichzeitig ihre heuchlerische Instrumentalisierung durch die westlichen Staaten.

Gemeinsam die Welt verändern
Wir werden zusammen mit unterschiedlichen Gruppen und Bewegungen für eine solidarische Welt kämpfen, uns internationalistisch vernetzen und die Kriegsindustrie konkret stören. Dabei werden wir, das antimilitaristische Bündnis "Rheinmetall Entwaffnen", an Kämpfe hier und weltweit anknüpfen. Wir stehen an der Seite aller Unterdrückten und wollen die Spaltung zwischen Gesellschaften, Geschlechtern, Religionen und Regionen überwinden. Nur gemeinsam können wir eine andere Welt erschaffen.

Deshalb: War starts here - let‘s stop it here
Kiel ist der passende Ort für unser Vorhaben: Nur in wenigen Gegenden in Deutschland finden sich so viele Orte von Bundeswehr, Marine und Rüstungsindustrie. Gleichzeitig ist Kiel ein Ort des Widerstands, mit beeindruckender revolutionärer Geschichte wie dem Matrosenaufstand von 1918. Und auch heute gibt es zahlreiche Widerstandsbewegungen und Verbündete vor Ort.

Um mehr über das „Rheinmetall entwaffnen!“ Camp, Rüstungsindustrie und Antimilitarismus zu erfahren, kommt am Sonntag 28.07.24 17:00 Uhr in das Linke Zentrum Lilo Herrmann mit anschließendem gemeinsamen Grillen und antimilitaristischen Spieleabend.

Quelle: Offenes Treffen gegen Krieg und Militarisierung Stuttgart (OTKM)

90. Jahrestag der Ermordung von Erich Mühsam: Fanal

Erich Mühsam (Fotografie aus dem Jahr 1928, kurz vor seinem 50. Geburtstag)

Erich Mühsam war einer der bedeutendsten politischen Journalisten und Schriftsteller in der Weimarer Republik. Seine Teilnahme an der Münchner Räterepublik brachte ihm fünfzehn Jahre Festungshaft. Er blieb trotz der Haft ungebrochen und setzte seine journalistische Arbeit fort. In der Weimarer Republik setzte er sich in der Roten Hilfe für die Freilassung politischer Gefangener ein. In der Nacht vom 9. zum 10. Juli 1934 wurde der Dichter, Bohemian und Anarchist im Konzentrationslager Oranienburg von der SS ermordet.

Fanal

Ihr treibt das Rad, ihr wirkt die Zeit,
das Feuer flammt: Jetzt! und Hier!
Euch mahnt das Feuer, macht euch bereit!
Erkennt eure Kraft! Seid Ihr!

Euch flammt das Feuer! Euch blüht das Land!
Erkennt! Seht! Hört! und Wißt!
Doch ihr verdingt euer Hirn, eure Hand –
und zweifelt, was Euer ist.

Kein Fragen, kein Rechnen befreit den Geist.
Das Feuer flammt: Tat ist Pflicht!
Wenn ihr eure Ketten nicht zerreißt, –
von selber brechen sie nicht!


Gegen rechte Hetze und Hass, für Demokratie, Menschlichkeit und Vielfalt!

Resolution der VII 04 Sitzung des Gewerkschaftsrates vom 26. bis 27. Juni 2024 in Berlin

Das Bild zeigt die Vorschau der Resolution von ver.di
Klick auf die Vorschau öffnet das Originaldokument als PDF
Angesichts des anstehenden Bundesparteitags der AFD vom 28. bis 30. Juni 2024 in Essen und aus tiefster gewerkschaftlicher Überzeugung bekräftigt der Gewerkschaftsrat der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft die bereits bei den letzten Bundeskongressen beschlossene Haltung, dass es einen unauflösbaren Widerspruch zwischen unserer gelebten gewerkschaftlichen Solidarität sowie dem entschlossenen Kampf für gute Arbeit auf der einen Seite und dem rechtspopulistischem und rechtsextremistischem Weltbild, wie es insbesondere von der AFD verkörpert wird, auf der anderen Seite gibt.

Ob Lohnsteigerungen, Tarifbindung, bezahlbarer Wohnraum, armutsfeste Renten, soziale Sicherheit, gute Bildung oder Arbeitnehmer*innenrechte - die AfD bietet keine Lösungen an. Im Gegenteil, sie vertritt in arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Belangen eine neoliberale Politik sowie ein reaktionäres Frauen- und Familienbild. Beschäftigte, Azubis, Studierende, Erwerblose, Frauen oder Rentner*innen können von der AFD keine Verbesserungen erwarten. Vielmehr ist zu befürchten, dass es einen
massiven Angriff auf den Sozialstaat gibt. Die AfD setzt auf Steuersenkungen, u.a. für Spitzenverdienende und Erben; bei den Sozialleistungen möchte sie stärkere Einschnitte vornehmen und einem späteren Renteneintritt steht sie offen gegenüber.

Außerdem spricht sie sich gegen einen höheren Mindestlohn und mehr Mieterschutz aus.

Der Antifaschismus gehört zum Gründungsgedanken der Gewerkschaften. Ihn aufzuweichen, würde uns zerreißen und macht Platz für antidemokratische und rassistische Kräfte.

Wir stehen für Demokratie ein und werben auf allen Ebenen für sie.
Wir stellen uns rechter Hetze und Hass konsequent entgegen.
Wir treten für Menschlichkeit und Vielfalt ein.

Im Kampf für eine offene, demokratische und vielfältige Gesellschaft kommt uns als Gewerkschaft eine wichtige Rolle zu:
Jede Gliederung der ver.di kann und muss AfD-Mitgliedern und Sympathisanten gegenüber klar zum Ausdruck bringen, dass wir für gänzlich andere Werte stehen. Unsere Aufgabe als Gewerkschaft ist es, aktiv auf Beschäftigte zuzugehen, die sich die Argumentation rechter Parolen zu eigen machen, um sie aufzuklären. Aber auch Mitglieder, die sich nachweislich in Wort, Schrift oder Tat rechtsextrem, rassistisch, menschenverachtend, demokratiefeindlich oder gewerkschaftsfeindlich äußern, für entsprechende Organisationen werben oder darin Mandate bekleiden, im Rahmen der satzungsrechtlichen Möglichkeiten von gewerkschaftlichen Funktionen, der Wählbarkeit in gewerkschaftliche Funktionen oder von der Mitgliedschaft auszuschließen.

Quelle: ver.di-Bundesverwaltung, Büro des Gewerkschaftsrates, Paula-Thiede-Ufer 10; 10179 Berlin, gewerkschaftsrat@verdi.de

Ein weiterer Gedenkstein für Lilo Herrmann in Stuttgart

Das Foto zeigt die Enthüllung des SteinesBeim gestrigen Fest aus Anlass des 115. Geburtstages der Stuttgarter Antifaschistin und Kommunistin Liselotte Herrmann im nach ihr benannten Linken Zentrum Lilo Herrmann wurde eine Gedenktafel enthüllt. Sie wurde von den Nazis als erste Frau und Mutter hingerichtet. Der Stein wurde 1991 von einem (inzwischen unbekannten) Genossen in der ex. DDR entdeckt und vor dem Schottern gerettet, und geriet dann auf dem Gelände des Wohn& Arbeitsprojektes Mühle in Renchen in Vergessenheit, bis er dann vor ein paar Jahren wieder gefunden und dem Lilo überreicht wurde. Er wurde jetzt etwas erleichtert, damit er vom Gewicht her an die Fassade des Linken Zentrum passt und wird bald noch um eine Infotafel zu Liselotte ergänzt.

Ein Aufruf gegen Waffen

Das Foto von R. Namov zeigt verbrannte russische Ausrüstung bei Chornobaivka
Foto: © R Naumov - Eigenes Werk, CC BY 4.0, Link
Systemische Kriegstreiber und eine autonome, antikapitalistische Antikriegsposition

 1. VORBEMERKUNGEN

  1. Die Angriffe der Houthis auf Frachtschiffe, die Angriffe der USA und Großbritanniens auf den Jemen, die Stationierung der Marineflotte der USA und der EU im Roten Meer, der Angriff des ISIS auf die Crocus City Hall 1 und die Raketenangriffe des Iran und Israels 2 sind neue Ausdrucksformen der sich abzeichnenden globalen Realität: konkurrierende Gruppen/Blöcke von Kapitalisten haben den Weg des Krieges gewählt, um sich in den Hierarchien einer globalisierten Wirtschaft, die sich in der Stagnation befindet und auch mit der Erschöpfung der natürlichen Ressourcen zu kämpfen hat, besser zu positionieren. Diese neue multipolare Welt, die sich gerade formiert, wurde nach der russischen Invasion in der Ukraine offensichtlich, aber die Anzeichen waren schon seit der Annexion der Krim durch die Russische Föderation (Februar 2014), dem Stellvertreterkrieg in Syrien (September 2015 - ...) und dem neuen Kampf um Afrika (Kriege im Sudan, in der C.A.R., in Mali) vorhanden.

  2. Da die Weltwirtschaft immer tiefer in die Krise gerät, wird der Krieg zur letzten Lösung des Kapitalismus, um den Weg für Wachstum freizumachen. Wenn wir also die von der IDF in Gaza begangenen Gräueltaten als bloße Fortsetzung der 75-jährigen Besatzung verstehen, wenn wir die Angriffe der Hamas als bloße Fortsetzung des palästinensischen Widerstands verstehen, werden wir ihren Zusammenhang mit der aktuellen Abwärtsspirale des globalen Kapitalismus in Richtung Krieg nicht erkennen.

  3. In den ersten Wochen der Militärkampagne in Gaza protestierten die Menschen massiv auf den Straßen und forderten einen Waffenstillstand, insbesondere als die Brutalität der IDF-Angriffe bekannt wurde. Empathie ist wichtig, spontaner Widerstand gegen den Krieg und den militaristischen Horror ist entscheidend. Aber wenn die Menschen diese Politik des Todes nicht mit den Bedingungen des Kapitalismus als globales System in Verbindung bringen (und nur über das "kolonialistische und mörderische Israel" sprechen), können sie nicht verstehen, dass es notwendig ist, gegen kapitalistische Kriege in ihrem eigenen Interesse zu kämpfen. Die romantisierte Darstellung des palästinensischen Kampfes und die Dehumanisierung der Palästinenser durch den Mainstream sind zwei Seiten derselben Medaille. Und solange die Reaktionen auf Sentimentalität beruhen, können sie zu einer massenhaften Banalisierung des Todes führen: Da die Menschen der Gewalt und dem ständigen Massaker zu sehr ausgesetzt sind, gewöhnen sie sich daran, ohne sich jemals über die Ursachen und die Funktion des Krieges klar zu werden. Sie sehen auch nicht die Notwendigkeit, Kriege zu führen, nicht Kriege.

  4. Wer auch immer hier oder dort gewinnt oder verliert, Krieg ist für den Kapitalismus als globales System notwendig. Neben den Vorteilen für die Rüstungsindustrie setzt er Profite frei und ermöglicht die Schaffung von Mehrwert durch Zerstörung, er diszipliniert die Gesellschaften in den kapitalistischen Zentren und verwaltet überschüssige Bevölkerungen, die vom Kapital nicht profitabel ausgebeutet werden können.

  5. Krieg ist die endgültige Lösung für die Widersprüche des Kapitalismus als globales System. Aber eine neue Gesellschaft wird aus diesem Bündel von Widersprüchen nicht entstehen. Das kann nur die antikapitalistische soziale Bewegung erreichen. Solange wir passiv bleiben oder Positionen zugunsten der einen oder anderen kriegsführenden Seite einnehmen, schaufeln wir unser Grab mit unseren eigenen Händen.

  6. Deshalb ist es dringender denn je, klare Positionen zu beziehen und gemeinsam an der Schaffung einer globalen sozialen Bewegung gegen die kapitalistische Maschine des Todes und der Verzweiflung zu arbeiten.

2. WARUM GESCHEHEN ALL DIESE DINGE?

"Die Dividenden steigen und die Proletarier fallen."

(Rosa Luxemburg, Die "Junius" Broschüre, 1915)

Wir müssen nicht auf romantisierte und naturalisierte Vorstellungen von Geschichte und kultureller Differenz zurückgreifen. Die Geschichte des Kapitalismus ist mit Blut und Feuer geschrieben. Krieg, Krisen, Zerstörung, Enteignung, Plünderung, Kolonialismus waren schon immer das (nicht so) verborgene Gesicht des kapitalistischen Fortschritts und der Entwicklung nach dem Zeitalter der Entdeckungen. Neben dem Wettbewerb um Ressourcen und Einflusszonen als Triebfedern für bewaffnete Auseinandersetzungen kann der Krieg die Proletarier disziplinieren, die Akkumulation durch Enteignung beschleunigen, die Überschussbevölkerung verwalten und das kapitalistische System als Ganzes wiederbeleben: Wenn die Rentabilität blockiert ist, können Krieg und Zerstörung die (Nachkriegs-)Chance für neue Wertschöpfungs- und Wachstumsrunden eröffnen. Konkurrierende kapitalistische Blöcke kämpfen gegeneinander um die Vorherrschaft im Handel, im Finanzwesen und im Militär. In diesem Wettbewerb sind es die Menschen, die Proletarier, wenn Sie so wollen, die garantiert verlieren werden. Einige Kapitalisten mögen viel gewinnen, andere mögen etwas verlieren, und einige mögen sogar alles verlieren. Aber Geld kennt keinen Meister - das kapitalistische System als Ganzes wird garantiert gewinnen. Insbesondere im Kontext einer globalisierten Wirtschaft kann das Schlafen mit dem Feind (Handel zwischen Gegnern in Kriegszeiten) zur Norm und nicht zur Ausnahme werden, was die Rentabilität für die herrschenden Eliten aller kriegführenden Seiten erhöht. Selbst wenn die wirtschaftliche Logik eines bestimmten Krieges nicht sofort ersichtlich ist oder in diesem Moment gar nicht existiert, tragen Kriege immer zu Formen der Macht bei, wie z. B. zu Nationalstaaten oder bestimmten Führern und Regimen, die letztlich dem Kapitalismus als Ganzem zugute kommen. Was diejenigen betrifft, die glauben, dass eine multipolare Welt für die soziale Gerechtigkeit günstiger sein wird: Wie könnte ein neues Machtgleichgewicht, das auf Kosten der Gesellschaften geschaffen wird (da die soziale Bewegung unter dem Gewicht der Geopolitik begraben oder auf einen Unterstützer autoritärer Regime und/oder staatlicher Politik reduziert wird), irgendjemandem nützen?

Die Machtzentren des Kapitalismus als Weltsystem haben sich in der Vergangenheit oft verändert. Diese Veränderungen haben nie dazu geführt, dass der Kapitalismus (oder die Ausbeutung) weniger brutal wurde. Damit diese für den Kapitalismus so nützlichen Kriege stattfinden können, gibt es zwei Voraussetzungen: (a) Waffen, die produziert werden müssen, und (b) Köpfe, die für den gleichen Zweck geformt werden müssen. Die Rüstungsindustrie ist immer bereit, die Mittel zur Zerstörung zu liefern. Die Rüstungsindustrie ist schließlich eine Industrie wie alle anderen auch, eine Industrie, die mehr Produkte verkaufen, die "Kauffrequenz" erhöhen, für Produkte werben muss, indem sie sie potenziellen Kunden unter realen Bedingungen und in vivo vorführt, neue Produkte entwickeln, Lagerbestände abbauen, neue Märkte schaffen usw.3
Das Gleiche gilt für die Gegenseite. Die russische und die chinesische Rüstungsindustrie haben seit Jahren auf dem Weltmarkt zu kämpfen, da ihre Systeme noch nicht kampferprobt sind 4.

3. UNMITTELBARE FOLGEN DES/DER KRIEGES/KRIEGE ÜBER DEN SCHRECKEN DER SCHLACHTFELDER HINAUS

a. Die Umwelt als Kriegsopfer

Die jüngsten Kriege haben Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise zunichte gemacht, während der Bedarf der globalen Kriegsmaschinerie an fossilen Brennstoffen ein weiterer Parameter für die zunehmenden Konfrontationen ist.

"Das Ziel der Dekarbonisierung der Energiesysteme, das in politischen Kreisen vor dem Krieg oft genannt wurde, ist zugunsten der Energiesicherheit und der Bezahlbarkeit von Energie in den Hintergrund getreten. Der Schwerpunkt liegt jetzt auf der Energieunabhängigkeit, wobei das Ziel darin besteht, genügend einheimische Energiequellen zu sichern, um nicht auf Importe angewiesen zu sein, unabhängig davon, wie kohlenstoffintensiv diese Quellen sein mögen. Dies hat dazu geführt, dass der Ausstieg aus schmutzigeren Energieformen ins Stocken geraten ist. Einige Länder haben begonnen, mehr Kohle zu verbrennen, mehr Terminals für verflüssigtes Erdgas (LNG) zu bauen und die Gaspipelines zu erweitern. Überall auf der Welt bauen Länder Kohlekraftwerke im eigenen Land oder nehmen sie wieder in Betrieb, während sie im Ausland in die Erschließung von Öl- und Gasvorkommen investieren"5.

Während der COP28 sagten die USA nur 17,5 Mio. USD für den "Loss and Damage Fund" (Fonds zur Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Bewältigung der Auswirkungen des Klimawandels) zu - ein Tropfen auf den heißen Stein im Vergleich zu ihren gigantischen Militärausgaben von 876,94 Mrd. USD im Jahr 2022. Auf demselben Treffen betonten die Teilnehmer "ihr Engagement für die Bewältigung der Klimakrise und erneute Investitionen in erneuerbare Energien".

Viele der für erneuerbare und kohlenstoffarme Technologien wichtigen Mineralvorkommen - Kobalt, Lithium 6, Mangan, Graphit und Nickel - befinden sich jedoch in Afrika. Die Abkehr von fossilen Brennstoffen bedeutet also, dass man sich auf ein neues Feld der Konfrontation begibt.

Andererseits sind fossile Brennstoffe für das Militär unverzichtbar. "Der Energieverbrauch des US-Militärs treibt den gesamten Energieverbrauch der US-Regierung an" 7
"Wären die Streitkräfte der Welt eine einzige Nation, so läge sie nach unserer Schätzung an vierter Stelle - hinter China, den USA und Indien, aber vor Russland und Japan" 8.

Zwischen 2013 und 2021 gaben die reichsten Länder 9,45 Billionen Dollar für das Militär aus, was 56,3 % der gesamten weltweiten Militärausgaben (16,8 Billionen Dollar) entspricht. Die Militärausgaben sind seit 2013 um 21,3 % gestiegen.9

b. Militarismus, Männlichkeit und geschlechtsspezifische Gewalt

Obwohl sowohl in der Ukraine als auch in Israel Massenmedien und Behörden den Kampf von Queers für Krieg und nationalistische Propaganda instrumentalisieren, ist der Krieg selbst die Definition von Männlichkeit, Patriarchat und dem romantisierten Bild des Helden, der "das Mutterland beschützt" und "das Vaterland ehrt". Kriege und Militarismus verstärken das Patriarchat und patriarchalische Gesellschaften, verstärken eine Kultur, in der Gewalt gegen Frauen und LGBTQIA-Personen normalisiert wird. Neben dem patriarchalischen Charakter des Krieges tragen bewaffnete Auseinandersetzungen direkt zur Zunahme geschlechtsspezifischer Gewalt bei und führen zu finanzieller Unsicherheit, wirtschaftlicher Not und Ernährungsunsicherheit. Die rassistische Dynamik überschneidet sich mit der geschlechtsspezifischen Gewalt und schafft eine Hölle für Frauen und LGBTQIA-Personen of Colour. So wurden im Jahr 2022 weltweit fast 89.000 Frauen und Mädchen vorsätzlich getötet. Dies ist die höchste jährliche Zahl, die in den letzten zwei Jahrzehnten verzeichnet wurde. Eine beträchtliche Anzahl von Femizidopfern (etwa 40 Prozent) bleibt im UN-Bericht unberücksichtigt, da sie nicht als geschlechtsspezifische Tötungen kategorisiert werden" 10.

Dieses Argument gilt selbst angesichts einer "queer-freundlichen Militarisierung", wie sie in Israel und der Ukraine zu beobachten ist. Die Inklusion von LGBTQIA in Kriegseinsätzen ist kein Zeichen von Fortschritt. Im Gegenteil, sie deradikalisiert, entpolitisiert und neutralisiert diese Ungleichheiten, indem sie in die nationalistische, kapitalistische Kriegsmaschinerie integriert werden.

c. Der Krieg gegen Migranten

Während Kriege immer mehr Flüchtlinge und Migranten hervorbringen, haben wir in den letzten 10 Jahren eine Militarisierung der (Anti-)Migrationspolitik in einem solchen Ausmaß erlebt, dass wir den Begriff "Krieg gegen Migranten" verwenden müssen.

  • Kürzlich wurden unter dem Vorwand des Massakers in Gaza Änderungen an der (Anti-)Migrationspolitik vieler EU-Länder eingeführt.

  • Der US-Kongress musste die Bewilligung von mehr Mitteln für Waffenlieferungen an die Ukraine mit dem Versprechen kompensieren, dass auch neue Mittel für den Bau der Mauer in Mexiko und die Blockade von Migranten bereitgestellt werden.

  • Militarisierung und Brutalität haben ihren Höhepunkt im Mittelmeer erreicht (z. B. der staatliche Massenmord in Pylos, wo 600 Migranten bei einem Zwischenfall ums Leben kamen, an dem die griechische Küstenwache beteiligt war, aber niemand zur Verantwortung gezogen wurde) und an den Grenzen zwischen Mexiko und den USA (z. B. hat Texas eine schwimmende Barriere mit Kettensägen installiert, um Migranten zu verletzen).

d. Die Reichen werden reicher und die Armen werden ärmer

"Während Millionen von Menschen auf der ganzen Welt in bitterer Armut leben, ohne sauberes Trinkwasser, angemessene Gesundheitsfürsorge, angemessenen Wohnraum oder Bildung für ihre Kinder, haben die Milliardäre der Welt ihren Reichtum allein in den letzten drei Jahren um mehr als 3 Billionen US-Dollar gesteigert." "Im Gegensatz dazu liegen die Länder mit niedrigem Einkommen immer noch über den Armutsquoten vor der Einführung der COVID und sind nicht dabei, die Lücke zu schließen, da die Armut in diesen Ländern zwischen 2022 und 2023 geringfügig zunimmt." "Die Milliardäre sind heute um 3,3 Billionen US-Dollar (oder 34 %) reicher als zu Beginn des Krisenjahrzehnts, wobei ihr Vermögen dreimal so schnell wächst wie die Inflationsrate.Die größten Unternehmen verzeichneten zwischen 2021 und 2022 einen Gewinnsprung von 89 %, während die Gewinne von 14 Öl- und Gasunternehmen 2023 um 278 % über dem Durchschnitt von 2018-21 lagen." "Seit 2020 haben die fünf reichsten Männer der Welt ihr Vermögen verdoppelt." 11

e. Der Krieg nährt neue Kriege - Krieg wird als Mittel zur Bewältigung aller Arten von Krisen normalisiert

  • Der von der türkischen Armee geführte Krieg gegen das kurdische Volk wird immer härter, mit Beschuss durch Drohnen und Kampfflugzeuge im Oktober 2023, Januar 2024 und März 2024 (inzwischen unterhält der türkische Staat enge wirtschaftliche Beziehungen zum israelischen Staat, auch wenn das Erdogan-Regime die Hamas unterstützt).

  • Am 17. und 18. Januar 2024 griffen Iran und Pakistan über ihre Grenzen hinweg Zivilisten in der Region Belutschistan an. Am 17. März 2014 startete Pakistan Luftangriffe innerhalb Afghanistans "gegen pakistanische Taliban".

  • Die Zentralafrikanische Republik ist bereit, einen russischen Stützpunkt für bis zu 10.000 Soldaten aufzunehmen. (Zentralafrikanische Republik will russischen Stützpunkt beherbergen - offiziell. 16. Januar / TASS). In Burkina Faso gewinnt der russische "Antiimperialismus" seit der Machtübernahme durch das Militär in zwei aufeinanderfolgenden Putschen im Jahr 2022 an Boden (z. B. Burkina Faso dankt Russland für ein "unbezahlbares Geschenk" von Weizen, BBC News, 27. Januar 2024).

  • Am 16. März 2024 verkündete der Sprecher der nigrischen Militärregierung, dass "Niger die militärische Zusammenarbeit mit Washington aussetzen wird" (Niger's junta says US military presence is no longer justified, Associated Press News, 17. März 2024).

  • Neben den oben erwähnten jüngsten Entwicklungen sind auch die laufenden Kriege im Sudan, in Somalia und in Äthiopien zu beachten.

  • Mögliche Gebiete für künftige bewaffnete Konfrontationen sind China/Taiwan und das Esequiba-Gebiet in Guyana (am 3. Dezember 2023 fand in Venezuela ein Referendum statt, bei dem es um die Frage ging, ob das Gebiet in die Landkarte Venezuelas aufgenommen werden sollte).

  • In Lateinamerika (Mexiko, Ecuador, Kolumbien usw.) wird der Krieg gegen die Bevölkerung durch die Narcos geführt, die genauso agieren wie die paramilitärischen Gruppen in den 70er und 80er Jahren.

  • Wir haben bereits den "Krieg gegen Migranten" erwähnt, die Militarisierung der Reaktionen auf COVID-19 ist ein weiteres Beispiel für die Normalisierung des Krieges als Mittel zur Bewältigung aller Arten von Krisen.

Parenthese: Notizen von den Fronten des Krieges

Russland/Ukraine

Genossinnen und Genossen aus der Region informieren uns darüber: Menschen aus Zentralasien werden zur russischen Armee geschickt, wofür ihnen die russische Staatsbürgerschaft versprochen wird; wenn sie in ihre Länder zurückkehren, werden sie verhaftet, weil es verboten ist, in die Armee eines anderen Landes einzutreten. Die russische Wirtschaft ist durch den Krieg schwer geschädigt, macht aber auch Gewinne durch den Krieg. Die Stimmung in der Ukraine ist im Umbruch. Viele Arbeiter verstecken sich. Wenn sie erwischt werden, schickt man sie einfach zur Armee. Es gibt immer mehr Geschichten von Verwundeten, die sich in der EU, vor allem in den baltischen Ländern, ins Krankenhaus begeben, um dem neuen Mobilisierungsgesetz in der Ukraine zu entgehen. "Estland ist, wenn nötig, bereit, die Flüchtlinge, die der Mobilmachung unterliegen, an die Ukraine auszuliefern", sagte Innenminister Lauri Läänemets (22. Dezember 2023). Im Moment gibt es keine Anzeichen für Initiativen, die den Krieg in der Ukraine beenden wollen oder können.

Techno-Theatopolitik im Gazastreifen

Viel ist über die Militärkampagne der IDF als Rache an der Bevölkerung des Gazastreifens für die Hamas-Angriffe vom 7. Oktober und als Vorstoß in Richtung der nationalen Säuberungsträume der Netanjahu-Regierung geschrieben worden 12. Ein Aspekt, der nicht genug betont wurde, ist das Beispiel der Politik des Todes und des Managements der überschüssigen Bevölkerung, das dieser Krieg auf eine äußerst raffinierte Art und Weise setzt, die als Techno-Theatopolitik bezeichnet werden kann: "Die israelische Armee verfügt über Dateien zu den meisten potenziellen Zielen in Gaza - einschließlich Häusern -, in denen die Anzahl der Zivilisten festgelegt ist, die bei einem Angriff auf ein bestimmtes Ziel wahrscheinlich getötet werden. Diese Zahl wird berechnet und ist den Nachrichtendiensten der Armee im Voraus bekannt, die auch kurz vor einem Angriff ungefähr wissen, wie viele Zivilisten mit Sicherheit getötet werden" 13.

Es gibt keinen Ausweg aus der Situation in Gaza/Palästina/Israel, wenn es keine internationalistische und antikapitalistische Mobilisierung gibt. Es besteht dringender Bedarf an einem Ansatz, der in der Lage ist, die Wurzeln des Konflikts, die jeweiligen Interessen und, was noch wichtiger ist, die sozialen Kräfte innerhalb der israelischen und palästinensischen Gesellschaften anzusprechen, die in der Lage und willens sind, eine andere Lösung als den totalen Krieg und die Vernichtung zu unterstützen (die von der IDF derzeit brutal praktiziert und von verschiedenen Versionen des politischen Islams für die Zukunft angestrebt wird). Dies bedeutet, dass wir palästinensische und israelische fortschrittliche und oppositionelle Stimmen gegen die Netanjahu-Regierung und die Hamas-Regierung erfassen, unterstützen und zusammenführen müssen.

f. Die Angst vor dem Krieg befeuert die Kriegspolitik: Die Angst vor der Ausbreitung des Krieges führt dazu, dass die Menschen den Krieg unterstützen

Wie kann man eine Perspektive gegen den Krieg schaffen in einer Situation, in der der größte Teil der Gesellschaft Angst vor dem Krieg hat? Wie kann man erklären, dass Antikriegspolitik nützlicher ist als die Politik der NATO oder der eurasischen Militarisierung?

Diese sehr realen Fragen werden in den letzten zwei Jahren in allen Nachbarländern der Ukraine gestellt. Die Kriegsherren des westlichen Kapitalismus wollen sie auf ihr gesamtes Herrschaftsgebiet ausweiten: "Die EU sollte sich bis zum Ende des Jahrzehnts auf einen Krieg vorbereiten, warnt der deutsche Verteidigungsminister" (18. Dezember 2023), "Die Zeit der Friedensdividende ist vorbei. Und jetzt müssen wir, genau wie unsere Feinde, für eine Ära der Konfrontation planen und investieren..." (Großbritanniens Verteidigungsminister, Montag, 15. Januar 2024), "Das Militär der NATO ist bereit, aber auch die Zivilbevölkerung muss sich auf den Krieg vorbereiten" (NATO-Militärkommandeur Admiral Rob Bauer, 18. Januar 2024). "Französische Truppen sind bereit für "die härtesten Einsätze" (NATO-Verbündeter könnte 60.000 Mann in der Ukraine befehligen, Newsweek, 20. März 2024). Abgesehen davon, dass dies ein klarer Fall ist, in dem das Heilmittel die Krankheit nährt, kann es keine persönliche Antwort (außer auf ethischer Basis) auf die oben genannten Fragen geben, die Antwort wird entweder von einer transnationalen sozialen Bewegung gegen Militarismus und Krieg oder von der grausamen Realität des Krieges selbst kommen.

g. Die Angst verschiebt das gesamte politische Spektrum nach (ganz) rechts

Die Unterstützung für mehr oder weniger offene Faschisten (Geert Wilders, Javier Milei, Giorgia Meloni, Marine Le Pen usw.) ist die Antwort der freien Welt auf die despotischen Regime des/der konkurrierenden kapitalistischen Blocks.

Auch am anderen Ende des politischen Spektrums vollzieht sich ein Rechtsruck: Während sich autoritäre und unterdrückerische Regime als Anführer einer entstehenden "multipolaren" Welt präsentieren, treten Teile der Linken dafür ein, dass tyrannische, autoritäre und reaktionäre Kräfte und Regime einen progressiven Widerstand gegen den "westlichen Imperialismus" darstellen.

Menschen, die noch vor einem Jahr "Frau, Leben, Freiheit" riefen, unterstützen jetzt die so genannte "Achse des Widerstands". Wir sind entschieden dagegen, dass Menschen aufgrund ihrer Nationalität unterdrückt werden. Das ist klar. Aber wir dürfen nie vergessen, dass alle Nationalismen - auch die der derzeit unterdrückten Gruppen - ebenfalls ausgrenzend und unterdrückend sind. Das Gleiche gilt für Theokratie und religiösen Obskurantismus. Außerdem ist der politische Islam kein Konkurrent des Kapitalismus, sondern ein Werkzeug in den Händen verschiedener kapitalistischer Gruppierungen, er ist eine Alternative zur Marke des westlichen Kapitalismus, nicht zum Kapitalismus selbst. Er wird seit vielen Jahrzehnten von globalen und regionalen kapitalistischen Mächten eingesetzt: in der Vergangenheit von den USA gegen den säkularen arabischen Nationalismus und die Sowjetunion, in jüngerer Zeit vom israelischen Staat gegen den säkularen palästinensischen Widerstand, von der NATO gegen das Bashar al-Assad-Regime in Syrien, von den Golfmonarchien und der Islamischen Republik Iran, um ihre eigenen Interessen in der weiteren Region zu fördern, vom Erdogan-Regime für das neo-osmanische Narrativ der AKP, selbst die streng christlich-orthodoxe Russische Föderation hat die Karte des Putin-freundlichen politischen Islams in Tschetschenien gespielt, um die neue Konfrontation in Palästina anzugehen.

"Wir wissen, dass der Weg zur kollektiven Befreiung nicht über die Wahl zwischen falschen Dichotomien wie "globaler Imperialismus/Islamische Republikregierung" oder "israelische Kolonialherrschaft/Hamas reaktionäre Kraft" führt. (...) Stattdessen geht es darum, diese Binaritäten und Vereinfachungen insgesamt abzubauen. Jahrelang hat man uns weisgemacht, dass wir nur die Wahl zwischen dem "Schlechten und dem Schlimmeren" haben. Heute sagen wir laut und deutlich "Nein" zu den falschen Binaritäten, die uns präsentiert werden, und stellen uns gegen Unterdrückung und Repression in all ihren Formen." (Jin Jiyan Azadî wie in Freies Palästina, Text unterzeichnet von 250+ iranischen Feministinnen, November 2023) 14.
Selbst Solidaritätsbewegungen neigen dazu, diese Dichotomien als Erklärungsrahmen für diese Konflikte zu interpretieren. Diese Dichotomien scheinen einen einfachen Zugang zu moralisierenden politischen Bewertungen zu bieten, die politische Subjekte dazu bringen können, die eine oder andere Seite zu unterstützen oder die Situation zu vereinfachen. Da solche Dichotomien jedoch auf kapitalistischen, etatistischen Erzählungen über Weltfrieden durch Krieg oder über eine multipolare Welt beruhen, reproduzieren sie in Wirklichkeit den Effekt, den sie abschwächen wollen. In einem konfliktgeladenen, kapitalistischen, hyperkomplexen Stellvertreterkrieg kommt es zu einer endlosen Vermehrung solcher Dichotomien.

Es gibt auch die visuelle Darstellung des Antiimperialismus der 1960er und 1970er Jahre, die als Avatar wiederkehrt. Obwohl es keine Staatsmacht gibt, die sich als antikapitalistisch ausgibt, phantasieren die Anhänger des Antiimperialismus rivalisierende kapitalistische Blöcke als Gegenmittel zum westlichen Kapitalismus. Es genügt, eine sowjetische Flagge auf einem russischen Panzer oder die PDFLP-Flagge neben der der Hamas zu sehen, um das Gefühl zu bekommen, dass eine Ideologie wiederbelebt wird, die sich bereits in der Vergangenheit als falsch erwiesen hat, als antikolonialistische Kämpfe gezwungen waren, sich entweder mit der einen oder anderen Version des Staatskapitalismus (UdSSR oder China) zu verbünden oder durch Industrialisierung, primitive Akkumulation und den Aufbau von Nationalstaaten "ihren eigenen Weg zu finden". Selbst wenn die lokalen Revolutionäre wohlmeinend waren und die besten Träume und Absichten hatten, waren sie, als sie Bündnisse mit den bestehenden Machtstrukturen und den aufstrebenden herrschenden Klassen in den kürzlich entkolonialisierten Ländern schmiedeten, gestrandet und gefangen zwischen staatlicher Politik, der Außenpolitik der damaligen Großmächte und der internationalen Diplomatie. Wenn sie nicht direkt von der Militärmaschinerie des Westens überrollt wurden, reichten all diese Sackgassen und entfremdenden Mittel des Kampfes aus, um die Menschen völlig zu entmachten und ihnen jede Perspektive und Hoffnung auf Emanzipation zu nehmen. In den 1990er Jahren setzten der korporative Neokolonialismus, die "Strukturanpassungsprogramme", die "humanitären Kriege" und dann der "Krieg gegen den Terror" eine neue Art von Kolonialherrschaft durch, deren Alternative nun die Bühne betritt: der politische Islam und die "multipolare" BRICS-"Perspektive".

4. VERKNÜPFUNG DER LAUFENDEN SOZIALEN KÄMPFE MIT DEM WIDERSTAND GEGEN MILITARISMUS UND KRIEG

Anstatt von einer Rückkehr zu etwas zu fantasieren, das sich von Anfang an als falsch erwiesen hat, sollten wir versuchen, den Widerstand gegen die kapitalistische Todesmaschinerie mit den laufenden sozialen Kämpfen zu verbinden. Überall finden bereits Mobilisierungen zu verschiedenen Themen statt, mit Forderungen, die sich der Logik des Krieges durch ihre bloße Existenz entziehen: Feministische Kämpfe, wie die großen Demonstrationen am 25. November 2023 in Italien gegen patriarchale Gewalt 15, oder die Proteste in Frankreich gegen das neue und sehr rassistische Einwanderungsgesetz, oder der Marsch von MigrantInnen zu den US-Grenzen 16, Kämpfe gegen Privatisierungen, wie der Kampf der Studierenden gegen die Privatisierung der griechischen Universitäten, Kämpfe gegen Extraktivismus und kapitalistische Megaprojekte, die in vielen Teilen Lateinamerikas, aber auch in Frankreich, Serbien und anderswo in Europa stattfinden.

Obwohl Krieg oft von den Machthabern als Mittel gegen die wachsende allgemeine Unzufriedenheit eingesetzt wird, verdrängt die Stärkung des sozialen/klassischen Krieges in einer Weise, die es dem (universellen) Proletariat ermöglicht, seine eigene neue Form der Macht zu verkörpern, indem es zur Klasse des Bewusstseins wird, immer die Aussicht auf Krieg. Dies erfordert internationalistische Organisationsinitiativen, wie die Aktionswoche und den Antikriegskongress in Prag. Leider hat es in den mehr als zwei Jahren, die seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine vergangen sind, nicht so viele ähnliche Initiativen gegeben. Wir können nur die folgenden nennen:

  • Der zapatistische Aufruf "zu Protesten und Mobilisierungen gegen ALLE KAPITALISTISCHEN KRIEGE" am 13. März 2022.

  • Der Aufruf der Ständigen Versammlung gegen den Krieg zum "Streik gegen den Krieg" am 1. Mai. 2022.

  • Antikriegsplakat mit der Aufschrift "Überall auf der Welt, vom Balkan bis nach Palästina und Israel, Russland und der Ukraine, ist der Feind das Kapital und der Staat - über die Mauern des Nationalismus und des Krieges hinweg, Solidarität und Widerstand aufbauen!"Der internationalistische, antikapitalistische und Antikriegs-Protest, der am 8. Juli 2023 in Ljubljana im Rahmen der Balkan Anarchist Bookfair stattfand.

  • Die "Weltweiten Aktionstage gegen jeglichen Krieg und Militarismus", die auf dem Internationalen Anarchistentreffen in Saint-Imier (Juli 2023) vorgeschlagen wurden und Ende November 2023 stattfinden sollen. Am 18. November fand in Turin eine von der Assemblea Antimilitarista organisierte antimilitaristische Demonstration "gegen die Stadt der Waffen und den NATO-Innovationsbeschleuniger in Turin anlässlich der Kriegsmesse der Luft- und Raumfahrtindustrie (Aerospace and Defense Meeting)" statt. Am 29. November fand ein Protest gegen die Berliner Sicherheitskonferenz (ein internationales Treffen von Rüstungsindustriellen, NATO-Beamten und europäischen Politikern) unter dem Motto "Keine Kriegskonferenz in unserer Stadt" statt, während Genossen in Ljubljana Anti-Kriegs-Transparente vor den Gebäuden von drei Rüstungsunternehmen aufhängten. In denselben Tagen wurde ein Antikriegsplakat mit der Aufschrift "Überall auf der Welt, vom Balkan bis nach Palästina und Israel, Russland und der Ukraine, ist der Feind das Kapital und der Staat - über die Mauern des Nationalismus und des Krieges hinweg, Solidarität und Widerstand aufbauen!" produziert - dieses Plakat wurde auf der Generalversammlung der 15. balkanischen anarchistischen Buchmesse (Ljubljana, Juni 2023) 17 beschlossen.

Eine weitere internationale (aber nicht unbedingt internationalistische) Initiative fand am 10. November 2023 statt, als auf verschiedenen Kontinenten Demonstrationen und Streiks gegen Waffenlieferungen an die israelische Armee stattfanden. In Kent, England, wurde eine Waffenfabrik durch eine Blockade gestoppt, während Hafenarbeiter in Oakland, Seattle, Barcelona und Sydney zur gleichen Zeit Aktionen organisierten. Im Hafen von Genua, Italien, organisierten die Arbeiter eine Blockade der Hafentore, begleitet von einer Demonstration gegen den Krieg und die Militärlogistik. Die Aktionen in Genua wurden von der CALP (Autonomes Kollektiv der Hafenarbeiter) organisiert. Hafenarbeiter in Genua hatten am 31. März 2022 einen ähnlichen Protest mit einem Transparent mit der Aufschrift "Kein Penny, kein Gewehr, kein Soldat für den Krieg" durchgeführt.

Es gab den Vorschlag, die Proteste der Feministinnen am 8. März 2024 mit dem Widerstand gegen Krieg und Kapitalismus zu verbinden, doch scheint dies vor allem in Italien tatsächlich geschehen zu sein. Im Gegenteil, in Deutschland fanden separate pro-israelische und pro-palästinensische feministische Proteste statt.

Die Notwendigkeit, Deserteure und Kriegsverweigerer in den betroffenen Gebieten zu unterstützen, wurde häufig angesprochen.

  • In Israel wurden Sofia Or und Tal Mitnick (Mesarvot-Netzwerk) wegen ihrer Weigerung, in die Armee einzutreten, vor Gericht gestellt und inhaftiert.

  • In der Ukraine werden sogar christliche Kriegsdienstverweigerer (wie Vitaly Alekseenko) inhaftiert, während Pazifisten wie Yurii Sheliazhenko von der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung ständig schikaniert werden.

  • Es gibt Netze zur gegenseitigen Unterstützung von ukrainischen Staatsangehörigen, die in EU-Länder geflohen sind, um nicht für den Krieg rekrutiert zu werden, aber (mit sehr wenigen Ausnahmen) fühlen sie sich nicht sicher, wenn sie an die Öffentlichkeit gehen.

  • Viele Menschen, die aus Russland geflohen sind, befinden sich jetzt in Serbien, da sie für die Einreise in EU-Länder ein Visum benötigen, was bei der Einreise nach Serbien nicht erforderlich war. Gleichzeitig werden sie in Serbien selbst ständig von FSB-Agenten überwacht.

  • In Russland gibt es viele Gefangene, die wegen direkter Aktionen gegen den Krieg verurteilt wurden. Hier sind die Kontaktadressen von antikriegerischen, anarchistischen und antifaschistischen Gefangenen in Russland (Information, von Anarchist Black Cross Moskau, Update vom 20. Februar 2024): Currently imprisoned in Russia


Wir sollten nicht vergessen:

a. Eine Bewegung, die sich gegen die systemischen Triebkräfte von Kriegen richtet, kann entstehen, bevor ein Krieg ausbricht. Wenn der Krieg ausbricht, ist es zu spät.

b. Im Westen wird der "Krieg" immer noch in den Köpfen und Herzen der Menschen ausgetragen.

Nach dem Ende des Kalten Krieges haben die Realität des Krieges und seine Wahrnehmung in der Öffentlichkeit verschiedene Stadien durchlaufen:

  • Morbide Neugier und Exotik/Spektakel (Irak 1990) / Live-Übertragung eines Krieges / "Der Himmel über Bagdad wird erleuchtet".

  • Victimization/Charity, während der Krieg noch "weit weg" war (Syrien) und Gleichgültigkeit (in der Vergangenheit haben wir von einigen der tödlichsten Massaker nicht einmal etwas mitbekommen: der Maya-Völkermord in Guatemala, der zweite Kongo-Krieg, auch bekannt als Afrikas Weltkrieg. Zurzeit gibt es Kriege - Sudan, Äthiopien - die niemanden interessieren.)

  • Je näher der Krieg rückte (der Krieg in der Ukraine wurde als "erster Krieg auf europäischem Boden nach dem 2. Weltkrieg" bezeichnet, eine Beschreibung, die die Jugoslawienkriege bequemerweise vergisst), desto weiter reichte das allgemeine Gefühlsspektrum von Angst bis zur Banalisierung des Todes.

  • Die Überbetonung von Gewalt und Tod während des andauernden Massakers in Gaza hat die Thanatopolitik auf eine neue Ebene gehoben.


Wir brauchen unsere eigene Politik des Lebens.

Wir müssen verstehen, dass die Antikriegspolitik den Aufbau von Realitäten beinhalten muss, die die Wurzeln des Krieges bekämpfen.

An verschiedenen Orten auf der Welt versuchen Bewegungen und Menschen, Alternativen zum Kapitalismus, dem Staat und seiner Kriegsmaschinerie zu schaffen: Die zapatistische Autonomie in Chiapas, der kurdische demokratische Konföderalismus in Rojava, die Selbstorganisation der Mapuche (Chile/Argentinien), der Nasa und der Misak (Kolumbien) sowie von Dutzenden von Völkern im Amazonasgebiet, die Bewegung der Hüttenbewohner Abahlali baseMjondolo in Südafrika, die MST in Brasilien und die internationale Bewegung Via Campesina. Schauen wir uns auch die Bewegungen innerhalb der kapitalistischen Kernländer an (Hausbesetzungen, soziale Zentren, Solidaritätsnetzwerke, selbstorganisierte Projekte und Initiativen in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Lebensmittelverteilung und Gegeninformation, Initiativen der Arbeiterselbstverwaltung, landwirtschaftliche Kollektive usw.).

Wir müssen verstehen, dass die Antikriegspolitik den Aufbau anderer Realitäten beinhalten muss, Realitäten, die den Wurzeln des Krieges widerstehen. Mit anderen Worten, wir können uns der Thanatopolitik nicht widersetzen, wenn wir nicht unsere eigene Politik des Lebens praktizieren: Die Freude am Widerstand und an der Revolution gegen den Kult des Todes und des Märtyrertums; Fürsorge und Solidarität anstelle des wachsenden Militarismus und der Intoleranz (die aus dem Elend und der Verzweiflung herrühren); Selbstverwaltung und soziale Verantwortlichkeit anstelle der vom Kapitalismus geförderten allgemeinen Verantwortungslosigkeit; kollektive Freiheit anstelle der individualistischen Inhaltslosigkeit.

Zusammen mit Klassenkampforganisationen und sozialen Bewegungen gegen Rassismus, Patriarchat, Umweltzerstörung, Militarismus und zur Verteidigung der Gemeingüter, zusammen mit Kriegsverweigerern und Deserteuren von den verschiedenen Kriegsfronten, zusammen mit Feministinnen, Migranten, prekär Beschäftigten und Umweltaktivisten werden wir eine autonome Antikriegsbewegung gegen die kapitalistische Maschine des Todes und der Verzweiflung schaffen.

„Wie immer friert der Krieg, wenn er nicht zivil ist, den Prozess der sozialen Revolution nur ein. In Nordvietnam hat er dazu geführt, dass die Bauernschaft die Bürokratie, die sie ausbeutet, in nie gekanntem Maße unterstützt. In Israel hat sie jede Opposition gegen den Zionismus für lange Zeit ausgelöscht, und in den arabischen Ländern stärkt sie die reaktionärsten Schichten. Revolutionäre Strömungen können sich dort in keiner Weise mit ihr identifizieren. Ihre Aufgabe liegt am anderen Pol der gegenwärtigen Bewegung, da sie deren absolute Negation sein muss.“

(Mustapha Khayati, Zwei lokale Kriege, Situationistische Internationale #11, Oktober 1967; übersetzt von Ken Knabb)

Antipolitika, Mai 2024.


Fußnoten:
1 Wir sollten uns den islamistischen Bewegungen nicht anhand der Ideen nähern, die sie artikulieren, sondern vielmehr anhand ihres sozialen Inhalts. Der Islamische Staat entstand nach dem katastrophalen Krieg im Irak und wuchs nach der Niederlage des Arabischen Frühlings im Umfeld des wachsenden Gewichts des Golfkapitals sowohl im Nahen Osten als auch auf globaler Ebene. Sie wurde durch die Internetpornografie ihrer Gewalt weltweit bekannt. Während des Stellvertreterkriegs in Syrien haben westliche Regierungen Gruppen, die mit ISIS in Verbindung stehen, mit Waffen und Geldern unterstützt. Über die aktuelle Organisationsform ist nichts bekannt. Vielerorts beanspruchen Gruppen, dazuzugehören, und es ist unklar, welche spezifischen Faktoren jede vom Islamischen Staat beanspruchte Aktion bestimmen (der Anschlag auf das Krokus-Rathaus von ISIS-K könnte mit der unverhältnismäßigen Zwangsrekrutierung von Muslimen in die russische Armee in der Ukraine oder den brutalen Kriegen in Itschkeria, Inguschetien usw. zusammenhängen). In dem komplexen globalen Umfeld von heute könnten viele Faktoren gleichzeitig eine Rolle spielen, sogar mit widersprüchlichen langfristigen Interessen. Doch anstatt sich in Verschwörungstheorien zu ergehen, sollten wir den Islamischen Staat im Rahmen der globalen sozialen Beziehungen und Bedingungen untersuchen: Niederlage und Demütigung sind zu alltäglichen Erfahrungen geworden, und es sind keine plausiblen Alternativen der politischen und wirtschaftlichen Organisation in Sicht; das Kapital bewegt sich auf der Suche nach Profit ständig über nationale Grenzen hinweg, während die Thanatopolitik den Alltag beherrscht und einen ideologischen Rahmen bietet, der ganze Gruppen von Menschen in den Status von Untermenschen degradiert; der Islamische Staat könnte als ein transnationales Netzwerk verstanden werden, das das System widerspiegelt, gegen das er sich stellt.

2 "Die jüdische Apartheid und die schiitische Apartheid brauchen den Krieg: Die Angleichung des islamischen Regimes an die Ziele der Ausweitung des Krieges von Netanjahu und der israelischen Rechten ist genau auf die Angleichung an die Ergebnisse und Auswirkungen dieses zerstörerischen Krieges bei der Unterdrückung der zivilen und revolutionären Bewegung des Volkes im Iran zurückzuführen. In diesem Ziel sind die beiden Apartheidregime vereint und gleichgeschaltet. (...) Wir rufen alle freiheitsliebenden und nach Gleichheit strebenden Kräfte, alle gewissenhaften und besorgten Individuen auf, die Friedensbewegung von ganzem Herzen zu verjüngen; alle ihre Ressourcen zu nutzen, um die Bemühungen der Kriegstreiber von allen Seiten zu entlarven. O.R.W.I. - Organisation der Revolutionären Arbeiter des Iran (Rahe Kargar)". Voices of Dissent: Iranische Linksparteien verurteilen Militarismus und Imperialismus3 Siehe zum Beispiel: Sophia Goodfriend, "Gaza war offers the ultimate marketing tool for Israeli arms companies", +972 Magazine, 17. Januar 2024.


5 Brown O., Froggatt A., Gozak N., et al. The impact of Russia's war against Ukraine on climate security and climate action. OSZE; 2023.

6 Es gibt auch große Lithiumreserven in den USA, in Mittel- und Westeuropa und kleine in Serbien. Raten Sie mal, wo in Europa die Unternehmen zuerst graben wollen? In Serbien, denn der Abbau ist furchtbar umweltschädlich! Es ist nicht immer nur so, dass bestimmte Reserven nicht verfügbar sind, aber es ist einfacher, Gewalt gegen die Bevölkerung in einem afrikanischen Land oder in Serbien zu delegieren als in einem westeuropäischen Land.

7 "Das DOD (United States Department of Defense) ist der größte Einzelverbraucher von Energie in den USA und in der Tat der größte institutionelle Einzelverbraucher von Erdöl in der Welt. ... wenn das US-Militär eine Nation wäre, würde es zu den 50 größten Treibhausgasemittenten der Welt gehören und damit noch vor Schweden oder Dänemark liegen". Neta C. Crawford, Pentagon Fuel Use, Climate Change, and the Costs of War, Boston University, November 2019.

8 "Unsere Schätzung hat eine ziemlich große Unsicherheit - wir haben zwischen 3,3 % und 7,0 % [der globalen Emissionen] berechnet - aber es ist auch wichtig zu beachten, dass diese Zahlen die weiteren Auswirkungen des Krieges nicht berücksichtigen. Zu diesen Auswirkungen gehören: Brände in Lagern für fossile Brennstoffe und in Gebäuden, Brände und andere Schäden an Wäldern, Ernten und anderen biologischen Kohlenstoffspeichern, Flüchtlingsströme, die medizinische Versorgung der Überlebenden und der Wiederaufbau nach Konflikten. In unserer Schätzung ist auch die Erwärmung des Klimas durch die Auswirkungen der militärischen Flugzeugemissionen in der Stratosphäre nicht berücksichtigt". Dr. Stuart Parkinson, "Wie groß sind die globalen militärischen Kohlenstoffemissionen?" Responsible Science Journal Nr.5; Juli 2023.



11 Oxfam-Bericht "Inequality Inc", Januar 2024.

12 Es gibt eine Diskussion darüber, wie man das, was in Gaza geschieht, bezeichnen soll: Massaker, ethnische Säuberung, Völkermord...? In der Tat gibt es kein "richtiges" Wort, keine angemessene Terminologie, keine Worte, um das Grauen zu beschreiben. Aus antikapitalistischer Sicht wäre es vielleicht nützlich, daran zu erinnern, dass diese Art von "Bestrafung" mit einem Verhältnis von 1:30 zu 1:100 (30-100 getötete "Untermenschen" für jeden getöteten Europäer) seit langem und bis vor kurzem das Standardverfahren des europäischen/westlichen Kolonialismus war: Das Massaker von Sétif und Guelma (Algerien) im Jahr 1945, das Massaker von Mỹ Trạch (Vietnam) im Jahr 1947 und die Massenerschießungen, Folterungen, Kriegsvergewaltigungen, das Abfackeln ganzer Dörfer, kollektive Bestrafungen und andere Gräueltaten, die während des madagassischen Aufstands (Madagaskar, 1947-1949) begangen wurden - massive Gräueltaten, die denen der britischen Armee in nichts nachstanden - werden die Französische Republik immer stigmatisieren: die Kopfjagd auf Rebellen bei der Niederschlagung des Aufstands in Malaya (1948-1960), die "fragwürdigen Methoden" bei der Niederschlagung des irakischen Aufstands 1920, das Massaker von Jallianwala Bagh (Indien) 1919 oder die so genannte "Strafexpedition nach Benin" (1897). Dann das Massaker von Shar al-Shatt (Libyen) 1911 durch italienische Truppen, die chemischen Waffen, die General Franco einsetzte, um den Aufstand der Berber gegen die Kolonialherrschaft in der Rif-Region (1921) niederzuschlagen, ganz zu schweigen von dem Völkermord an den Herrero und Nama 1904-1908 durch das Deutsche Reich, die Millionen von Kongolesen, die in den Kautschukplantagen des von König Leopold II. von Belgien gegründeten "Kongo-Freistaats" (1885-1908) starben, oder den Aphorismus von General Sheridan "Der einzige gute Indianer ist ein toter Indianer" ("Indianerkriege", 1866-1869).



15 Hunderttausende Menschen haben am Samstag, den 25. November 2023 (Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen), in ganz Italien an Protesten teilgenommen, inmitten einer weit verbreiteten öffentlichen Wut und Bestürzung über den Mord an der 22-jährigen Giulia Cecchettin durch ihren Ex-Freund Filippo Turetta. Es gab eine Debatte, weil einige jüdische Feministinnen und Mitglieder der jüdischen Gemeinde behaupteten, Non una di meno kümmere sich nicht um die von der Hamas am 7. Oktober vergewaltigten Frauen. Diese Art von Kritik wurde vom rechten Flügel benutzt, um den feministischen Kampf gegen patriarchale Gewalt zu disqualifizieren. Dies ist ein Beispiel dafür, wie der Krieg ein Mittel ist, um die Räume des Kampfes zu schließen und zu untergraben.

16 Etwa 7.500 Menschen aus 24 verschiedenen Ländern nahmen an einer Protestkarawane teil, die sich vom mexikanischen Bundesstaat Chiapas aus nach Norden in Richtung der Grenzen zu den USA bewegte. Die meisten Migranten stammten aus Mittelamerika, Kuba, Venezuela und Haiti, aber einige kamen auch aus der Türkei, dem Iran, Syrien und Kamerun.

17 Obwohl es im Internet kursierte, wurde es wahrscheinlich nur an die Wände mehrerer Städte im griechischen Staat geklebt: Chania, Patras, Larissa, Ioannina, Thessaloniki und Athen.


Quelle: Antipolitika - anarchist journal from the balkans, 24. Mai 2024
Übersetzung [Nicht authorisiert]: Thomas Trueten
Updates:
23. Juni 2024: Links ergänzt, kleinere Korrenturen.
24. Juni 2024: Zitate hervorgehoben.

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