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Das Gefühl, noch etwas wert zu sein, noch gebraucht zu werden...

Auftritt 2007 - anlässlich 10 Jahre "Pro Arbeit"
Auch dieses Jahr fand wieder die "PRO Arbeit" im Haus der Wirtschaft in Stuttgart statt. Diesmal hatten wir nicht nur unsere Protestplakate auf der Straße, sondern auch einen Infotisch im Innern des Hauses. Zudem wurde uns ein eigener Workshop angeboten, bei dem wir unsere Sicht der Dinge darlegen konnten. Der "Auftritt" bei PRO Arbeit war eine Gemeinschaftsarbeit vom ver.di-Erwerbslosenausschuss. Im folgenden mein Vortrag:

Sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst einmal vielen Dank, dass Sie unseren Workshop besuchen. Auch den Verantwortlichen dieser Veranstaltung danken wir ausdrücklich, dass wir eine conträre Meinung unserer Ansicht äußern dürfen. Wir weisen auch darauf hin, dass wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit auf die Aussagen in diesem Vortrag erheben. Störend empfinden wir allerdings schon, dass wir gewisse Maßnahmeträger, die wir mit Beispielen benennen müssten, nicht namentlich nennen dürfen. Dass wir nicht unbedingt das Credo dieser Veranstaltung teilen, ersehen sie bestimmt schon aus dem Einlegeblatt, (aus dem Infomaterial unseres Infotisches) und aus unserer Position als Betroffene. Wir haben eine andere Ansicht, besonders aus oftmals eigener Erfahrung.

Wie kommt man aber nun an einen sogenannten Ein-Euro-Job? Da gibt es mindestens uns zwei bekannte Varianten. Da sind die, die diese Beschäftigung freiwillig und aus eigenem Antrieb machen wollen. Auf die Beweggründe dieser Gruppe wollen wir später gern näher eingehen. Dann gibt es diejenigen, denen diese Beschäftigungsart unter Androhung von Leistungskürzungen in Form von Eingliederungsvereinbarungen aufgezwungen werden. Mal im Ernst, wie erfolgreich kann eine Beschäftigung wirklich sein, die unter Druck und unter Angst erpresst wird? Grundlage der Eingliederungsvereinbarung sind oftmals gern vorschnell formulierte Vermittlungshemmnisse. Diese können eine Langzeiterwerbslosigkeit, das Alter oder chronische Erkrankungen sein. Im Extremfall auch alle drei Gründe zusammen. Aber in wieweit, ist dem abhängigen Leistungsempfänger damit auf Dauer wirklich gedient? "Jobcenter haben in Wirklichkeit nicht die Aufgabe, Arbeit zu vermitteln, sondern Arbeitslose zu verwalten. Mit der Vermittlung in 1 Euro Jobs oder prekäre Beschäftigung machen sie sich objektiv zum Handlanger der Industrie und Wirtschaft". In meinem speziellen Fall hat es die Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt sogar gezielt verhindert. Die Klage beim Sozialgericht zieht sich bis heute. Somit sind sie vornehmlich angehalten, deren Wünsche praxisgerecht umzusetzen. Das heißt im Klartext, der Billiglohnsektor muss bedient werden. Mit der Einführung der Agenda 2010 und den Hartz -“Gesetzen wurde diese Handlungsweise fest zementiert. Nunmehr seit einem mittlerweile halben Jahrzehnt. Entstanden ist eine florierende Armutsindustrie an der die Maßnahmeträger sich problemlos bereichern, verdienen tun alle, aber mit Sicherheit nicht die Betroffenen.

Immer wieder gern gefallen sich die Maßnahmeträger als die alleinigen Heilsbringer, als die Retter, für diejenigen, die aus eigener Kraft und aus eigenem Antrieb keinen strukturierten Tagesablauf für sich gewährleisten können. Hier sind wir wieder bei denen, die gern und freiwillig einen Ein-Euro-Job annehmen, weil sie das Gefühl brauchen, noch etwas wert zu sein, noch gebraucht zu werden. In der Gemeinschaft einer arbeitenden Gruppe stärkt es ihnen das Selbstwertgefühl, es nimmt ihnen den Eindruck, dass ihnen sonst die Decke über dem Kopf herunterbricht und sie argumentieren damit, dass sie den Zuverdienst von ca. 150,- Euro gut gebrauchen können. Sie wollen gesellschaftlich nicht geächtet werden, und nicht mit den „Sozialschmarotzern“ in einen Topf geworfen werden. Es sind oftmals auch Menschen, die gesundheitliche Einschränkungen, psychische Probleme und/oder Suchtprobleme haben und somit auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt kaum Vermittlungschancen haben. Langzeitarbeitslosigkeit ist meist ein weiterer Grund.. Dies alles wollen wir dieser Gruppe mit unserer gegenteiligen Meinung absolut nicht streitig machen. Aber wenn sie genauer darüber nachdenken würden, würden sie feststellen, dass sie den Ein-Euro-Job gar nicht nötig hätten, wenn sie eine sozialversicherungspflichtige Arbeit hätten, von der sie ohne staatliche Transferleistungen existieren könnten. Dass es Arbeit genug gibt, ist mittlerweile bekannt, nur bezahlen will sie niemand mehr. Dass es aber auch für sie mehr als nur den Ein-Euro-Job geben muss, daran müssen sie arbeiten, das müssen sie sich erkämpfen und sich nicht immer nur mit anspruchlosem Denken die eigenen Chancen verbauen. Dass die Maßnahmeträger sie in diesem selbständigen Denken nicht gerade fördern, scheint aus Sicht derer verständlich. Ansonsten würden sie ja einen wichtigen Grund für ihre Daseinsberechtigung verlieren. Ein großer Teil der Einnahmen und des Gewinns wird mit dieser Klientel verdient. Mit denen, die sich nicht wehren, die alles machen, was man von ihnen verlangt, ohne zu hinterfragen Sie dringen damit in Arbeitsgebiete ein, die oft Kleingewerbetreibenden und Handwerkern zu einer ernsten Konkurrenz werden. Aber auch andere Arbeitsplätze wie z.B. Gastronomie, Verkauf, Einzelhandel etc. erhalten mit den Angeboten der Maßnahmeträger immer stärkere Konkurrenz. Der Bundesrechnungshof rügte schon 2008, dass, Zitat: "Ein-Euro-Jobs kein geeignetes Mittel seien, Erwerbslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt zurück zubringen. Drei von vier geförderten Hartz IV-Empfängern bringen sie zudem keine messbaren Integrationsfortschritte." Nicht umsonst, sind diejenigen, die zu diesen Tätigkeiten per Eingliederungsverträgen gezwungen werden, selten lange in solchen Beschäftigungsverhältnissen, Durch ihren Unmut über die von ihnen als sinnlos empfunden Maßnahmen und den daraus oftmals folgenden Vorgehensweisen, bekommen sie von den Maßnahmeträgern und als Folge daraus von den Job-Centern Ärger. In der Regel müssen die Menschen dieser Gruppe auch nicht wieder an Arbeit „gewöhnt“ werden, wenn sie nach teilweise 20-30 jähriger beruflicher Tätigkeit nach bereits einem Jahr Erwerbslosigkeit in die Langzeitarbeitslosigkeit fallen. Und Motivation brauchen diese Menschen erst recht nicht, sie sind diejenigen, die sich verstärkt selbstständig um Arbeit bemühen, weil sie wissen, dass sie sich auf das Job-Center mit Sicherheit am wenigsten verlassen können.

Mit den sogenannten Beschäftigungsverhältnissen mit Mehraufwandsentschädigung sollen Langzeiterwerbslose wieder an Arbeit gewöhnt werden. Sie sollen fit für den ersten Arbeitsmarkt gemacht werden. Sie sollen qualifiziert werden, aber wie sehen solche Qualifizierungen aus? Wie viele Ein-Euro-Jobber konnten in den letzten fünf Jahren wirklich in den ersten Arbeitmarkt vermittelt werden? Für die Meisten ist es die Endstation in ihrem Arbeitsleben. Sie kommen von einem Ein-Euro-Job in den nächsten, verharren in einer endlosen Schleife. Von durchschnittlich 100 Ein-Euro-Jobbern schafft in der Regel nach ewig langer Zeit einer den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt. Das entspricht gerade mal 1% . Erfolgreiche Vermittlungspolitik sieht wahrlich anders aus. Der Bundesrechnungshof moniert, die meisten Grundsicherungsstellen gewährten die Mittel nicht für innovative Förderung. Zudem habe die Verwaltung der Agentur für Arbeit darauf verzichtet, bei Lohkostenzuschüssen an Arbeitgeber diese zur Weiterbeschäftigung nach der Fördermaßnahme zu verpflichten. Die oft verbreitete Mähr, dass es in der Vita der Ein-Euro-Jobber besser aussähe, wenn darin stünde, wie viele Tätigkeiten sie in diesem Arbeitsbereich gemacht hätten und es besser wäre, als jahrelang überhaupt nicht gearbeitet zu haben, beeindruckt einen potenziellen Arbeitgeber nicht. Vielmehr ist es so, dass mit der Tätigkeit im Ein-Euro-Job-Bereich, der Betroffene indirekt zugibt, dass er zu mehr nicht taugt. Die Auflistung in einem Lebenslauf ist daher eher eine Disqualifizierung. In einer ZEW-Studie (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung) heißt es zum Thema Ein-Euro-Job ganz klar, Zitat: "Ein Hauptgrund beispielsweise ist, dass bei den Ein-Euro-Jobs vermittelten „Qualifikationen“ an den tatsächlichen Ansprüchen des Arbeitsmarktes vorbei gehen, so die Forscher. Eine weitere Vermutung der Experten ist, dass Ein-Euro-Jobs Hartz IV Bezieher stigmatisiert. Arbeitgeber könnten solche Maßnahmen als ein Anzeichen für „mangelnde Beschäftigungsfähigkeit“ ansehen und deshalb den Bewerber ablehnen." Von den Maßnahmeträgern wird das den Betroffenen so natürlich nie verkauft.

Sicher mag hie und da Einiges wirklich besser geworden sein, und sicher tragen die Maßnahmeträger nicht die alleinige Schuld, die Auftraggeber sitzen an deutlich höherer Stelle, aber eine Wettbewerbsverzerrung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt findet durch die Ein-Euro-Jobs in der Tat statt. Gemeinnützig und zusätzlich sind heute zu Tage sicher nicht mehr alle Angebote. Viele erfüllen den Tatbestand des Subventionsbetruges.

Zum Beispiel ist die kaufmännische Unterstützung eines Meisters in einer Behindertenwerkstatt im Bürobereich, die ihm die Schreibarbeiten und Versandmodalitäten mit Lieferscheinen etc. abnimmt nicht gemeinnützig oder zusätzlich. Sie müssen so oder so gemacht werden. Weshalb dann bitte nicht mit ordentlicher Bezahlung?

Die Wettbewerbsverzerrung auf dem Arbeitsmarkt ist in den letzten fünf Jahren auch eines der zentralen Themen geworden. Beispiele dafür gibt es genügend.

Wir wollen an dieser Stelle einige aufzeigen, um mal zu verdeutlichen, wie unsinnig oder wie wenig daran gedacht wird, die Betroffenen wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Gewinnstreben ist wichtiger geworden als der eigentliche Grundgedanke.

• Verschwendung von Steuergeldern: Unter dem Motto: Zurück in die Arbeit - Der Hartz-IV-Supermarkt" berichtete das ARD-Magazin FAKT am 23.08.2010 über einen fiktiven Supermarkt, in dem nichts echt ist, weder die Ware, noch das Geld. Klargestellt wird gleich, dass es hier nicht um eine Art Ausbildung geht, sondern nur darum, dass die Erwerbslosen wieder an Arbeit gewöhnt werden sollten. Der TÜV-Nord in Hamburg bietet als Träger eine Maßnahme an, die er mit 800.- Euro pro Person der Agentur für Arbeit berechnet. Bezahlt, natürlich aus Steuergeldern. Und die Agentur bezahlt die sechs monatige Maßnahme, um die Arbeitslosenstatistik wieder mal schönen zu können. Zur Zeit sind dort 45 Teilnehmer beschäftigt. Eine gute Nebeneinnahmequelle für den TÜV, der sich eigentlich um die Überprüfung technischer Sicherheiten zu kümmern hat und nicht dem Steuerzahler das Geld für unsinnige Maßnahmen aus der Tasche ziehen sollte.

Fazit: Die Agentur verschleudert Steuergelder, der TÜV verdient und die Betroffenen kommen sich verarscht vor. Klebeeffekt : gleich null.

• Konkurrenz für Handwerksbetriebe: Wettbewerbsverzerrung.

Das ARD-Magazin Monitor berichtete am 20.05.2010 über einen Großauftrag eines Architekten. Der hat den Ausbau mehrerer hochwertiger Lofts für betuchte Kunden ausgeschrieben und mehrer Handwerksbetriebe geben ihre Angebote ab. Darunter auch die NA. Der Architekt kennt die NA gar nicht und weiß auch nicht was die eigentlich so macht. Ihr Angebot ist das günstigste, also bekommt sie den Zuschlag. Auch für einen weiteren Auftrag bekommt die NA den Zuschlag. Dies mal geht es um Möbel des Architekten für ein Szenelokal. Der erste Auftrag ging noch an einen ganz normalen Schreinerbetrieb, den Folgeauftrag verlor er an die NA. Sie kann in ihrem Angebot günstiger sein als die Handwerksbetriebe, die aus rein betriebswirtschaftlichen Überlegungen rechnen müssen. Sie bekommt Fördergelder z.B. über das Programm Jobperspektive in der Holzverarbeitung zu 75% vom Staat bezahlt. Wenn solche Wettbewerbssituationen vermehrt anhalten, ist das für die Betriebe existenzgefährdend. Kann das der Sinn sein ?

• Der Film „die Armutsindustrie“ berichtet: Auch komplett private Firmen bekommen monatlich bis zu 500 € Regiekosten, wenn sie Arbeitslose beschäftigen oder qualifizieren, unter der Bedingung, die Arbeit muss gemeinnützig sein. 2008 haben 1.400 neue Firmen/Träger die Zulassung beantragt und 7 Millionen € Zuschüsse vom Staat kassiert für Lohnkosten.

• Die DEKRA betreibt 60 Toy Companys bundesweit mit 2.600 1-€ Jobber. Hier werden gespendete Spielsachen für arme Kinder aufgearbeitet.

• Bei der DEKRA Braunschweig müssen 1€ Jobber Puzzle legen, um die Vollständigkeit zu prüfen.

• Die Aktion „Hilfe für Neugeborene“ bedeutet ganztägiges Stricken und Häkeln. Die sogenannte Presseabteilung entwickelt eine hausinterne Mitteilung. Ein junger Mann, 27 Jahre der interviewt worden war, wurde von seinem Job- Center für ein halbes Jahr (welch bemerkenswerter Zeitraum) in diese Maßnahme gesteckt um zu beweisen, dass er arbeiten kann. Von 12 Tagen hat er nur 10 Tage etwas zu tun.
Nach dem halben Jahr war er laut seiner PAP nun bereit für den Bildungsgutschein. Fit machen fürs Leben, sei der Sinn der Maßnahme laut seiner PAP. Mehr Ironie geht wohl wirklich nicht mehr!

Soviel dazu, wie diese Maßnahmen verkauft werden, wie Betroffene ausgebeutet werden und wie die Maßnahmeträger daran verdienen. Von barmherziger Großzügigkeit kann wohl nicht die Rede sein. Zusätzlich ?

Das Problem, das dabei aufkommt, sind die Beschäftigungen in den Ein-Euro-Jobs nicht innovativen Förderrichtlinien unterzogen, und vermitteln sie nicht Fertigkeiten und Kenntnisse, werden sie als Verschwendung von Steuergeldern empfunden. Sind sie aber zu sehr an der Realität, verdrängen sie nachweißlich Arbeitsplätze in weitem Umfang.

Wer nun glaubt, es handle sich hier nur um Einzelfälle, der irrt. Es handelt sich um einzelne Fälle, die bekannt wurden, das ist schon ein gewaltiger Unterschied. Im IAB (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) heißt es hierzu, Zitat: In nahezu jedem Jahr beginnen mehr als 750.000 Personen einen Zusatzjob. Bei einem Bestand von rund 2,2 Mio. arbeitslosen, erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (die Bezeichnung alleine ist schon entwürdigend) im Jahr 2009 ist die Intensität der Förderung durch Ein-Euro-Jobs damit recht hoch.

Aber auch in Stuttgart gibt es geradezu eine Vielfalt von solchen Beispielen. Der erste Bürgermeister, Herr Föll, der hier ja meist das Eröffnungsgrußwort hält, wirbt ja immer für den Ausbau eines dritten Arbeitsmarktes. Egal ob es um die Bewirtung eines guten Lokales in Nähe des Neckarparks geht, in dem das Catering ein in Stuttgart ansässiger Maßnameträger übernommen hat. Dort lassen sich Sportler und andere Gäste von den Armen der Gesellschaft bedienen ohne nur den Hauch einer Ahnung zuhaben, wer sie täglich bedient und den Service macht. Der selbe Träger hat ein weites Feld von Angeboten. Er bedient den Handwerkssektor, betreibt die Bonusläden, weitere Lokalitäten, einen Brennholzservice, den Kiosk am Degerlocher Waldheim und sogar ein Hotel. Was ist daran bitte noch gemeinnützig und zusätzlich ? Das Siegel der Gemeinnützigkeit wird nur all zu schnell vergeben, z.B. für die Bonusläden. Sie sind vorwiegend in strukturschwachen Gegenden und Stadtteilen, in denen es sonst kaum Einkaufsmöglichkeiten gibt. Oft ist noch ein Altersheim in der Nähe wie z.B. in S-Vogelsang oder in S-Hoffeld. Aber was ist denn an einem Supermarkt zusätzlich?

Dort werden Arbeitsangebote mit Entgeldvarianten angeboten, die Löhne beinhalten, die nicht ausreichen um ohne aufstockendes ALG II über die Runden zu kommen. Und das bei einer Vollzeitarbeit. In 2003 startete man mit einem Bonusladen, und mittlerweile sind es bereits über 28. Ähnliches gibt es auch bei den CAP-Märkten. Und da soll es nicht um Gewinn für die Maßnahmeträger gehen? Das ist nicht wirklich zu vermitteln.

In einer Vermittlungsstatistik des Beschäftigungsträgers sind folgende Zahlen notiert:

Adapt PSA

44,00%

Tagwerk

80,00%

Handwerk & soziale Verantwortung

72,00%

Zukunftswerkstatt

37,00%

Arbeitsgelegenheiten

24,00%



Ob es sich dabei um Vermittlungen in die o.g. Bereiche oder in den ersten Arbeitsmarkt bezieht, sagt die Statistik nicht aus.

Auch die Vermittlung in die Industrie mittels eigener Zeitarbeits-beschäftigungsverhältnisse und kommunale Bereiche bedienen diese in Stuttgart ansässigen Maßnahmeträger. So werden Schulessen oft von Ein-Euro-Jobbern ausgeben, Schulsekretariate und Hausmeisterstellen mit solchen Betroffenen besetzt. Der Markt für Maßnahmeträger floriert scheinbar sehr gut, das zeigt alleine schon die Anzahl der in Stuttgart ansässigen Firmen.

Auch die Stadt Stuttgart und andere Gemeinden setzten sehr auf Ein-Euro-Jobs. Egal ob im Grünanlagenpflegebereich, beim Stuttgarter Spielhaus, beim Schulverwaltungsamt oder beim Jugendamt. Die Bereiche der Pflegeberufe nicht zu vergessen. Verlässliche Zahlen gibt es auch hier kaum. So ist nur bekannt, dass etwa beim Jugendamt ca. 7-10 Stellen und beim Schulverwaltungsamt ca. 60 Stellen mit Ein-Euro-Jobbern besetzt sind. Sparen zum Wohl der Allgemeinheit auf dem Rücken der Armen. Die Weltstadt mit Herz macht ihrem Namen alle Ehre. Aber in Zeiten von Stuttgart 21 braucht man das Geld halt.

Manche der Maßnahmeträger äußern sich mittlerweile dahingehend, dass sie die Ein-Euro-Jobs nicht weiterhin für die Ideallösung halten, obwohl sie doch bis dato sehr gut damit gefahren sind. Es ist sicher nicht der Gedanke um das Wohl der Betroffenen, der diesen Gestaltwandel im Denken erzeugt hat. Vielmehr ist es die Sorge um eigenes überleben. Die Job-Center bemühen sich um die Möglichkeiten der Bürgerarbeit. Nachdem die Bundesregierung festgestellt hat, dass die Ein-Eurojobs den Staatshaushalt zu viel Geld kosten würden (Regiekosten für die Maßnahmeträger ) und das bei Millionen von Leistungsabhängigen, ist das Modell der Bürgerarbeit offensichtlich das attraktivere.

Nur die Rolle der Maßnahmeträger wird dabei zunehmens schwächer. Sie werden quasi überflüssig.

Wir laden Sie nun herzlich ein, das Thema mit uns kontrovers zu diskutieren. Sie werden sicher verstehen, dass wir als Außenstehende nicht an Zahlen und Fakten herankommen und somit nur begrenzt antworten können.

Brüderles Gesammeltes im Konzentrat

Brüderle bei Maischberger am Dienstagabend - in all seiner gelassenen Fröhlichkeit. Der des Manns, der sein Lebenlang recht gehabt hat. Des Überlegenen, den nichts erschüttern kann. Auch nicht die  schwach fünf Prozent seiner Partei. Er steht darüber und gibt abwechselnd Saures und Tipps.

Wen er erwischt, der versinkt  in gläubigen Halbschlaf. Hört sich alles so durchgekocht an. Hat man das nicht schon im Religionsunterricht beigebracht bekommen?  Oder spätestens bei den Einweisungsfeiern  zur Übernahme in den Staatsdienst.

Es heißt luchsig aufpassen, wenn man die Weisheiten einzeln zu fassen kriegen will. Durch die Wiederholungen im Computer, kontrollierbar, wenn auch nervenschädigend. So Brüderles Dienstag bei Maischberger.

Es sollte ums Retten gehen. Das Retten von Volkswirtschaften, die sich keinen Brüderle an der Spitze leisten konnten. Aktuell also Griechenland und Irland. Brüderle erklärt das Systemische. "Alles wie 1929- bei der DANAT-Bank". Hätte man die nämlich pleite gehen lassen, wären alle anderen Banken nachgerasselt. Recht verkürzt in der Erinnerung, Herr Brüderle. Wie der damalige Reichskanzler Brüning in seinen Memoiren schreibt, überfiel ihn die Danat Bank mitten in der Nacht (Band 1/ S.327-333). Brüning blechte mürrisch. Nur - ganz gegen Brüderles Kurzfassung - war das erst der Anfang, nicht das Ende der Krise. Bis 1932 waren zum Beispiel  lange Zeit höchstgeachtete Häuser pleite - Deutsche und Dresdner Bank - und mussten sich ganz oder teilweise ins befristete Staatseigentum begeben. Konnten sich erst unter Hitler freikaufen. Vielleicht wäre Einmalpleite doch billiger gekommen.

Wie jetzt nach Griechenland und Irland  Portugal bibbernd auf dem Sprungbrett steht und schon den Tritt von hinten erwartet. Bares ist alleweil auf Wanderschaft und hippelig auf den nächsten Coup.

Brüderle dann weiter- und schildert den griechischen Verfall. Schnell huscht ihm eine dort  angeblich übliche "Pensionierung mit Fünfzig" durchs müde Hirn. "Hätte er das Deutschen zumuten sollen- die mit Fuffzich, wir mit 67?". Natürlich bei allen Vergleichen peinlich die Mitteilung vermieden, was so ein griechischer Polizist und Postbeamter verdient. Auch bei vierzehn Monatsgehältern  kommt er knapp auf 1400 Euro.

Brüderle kann kein Wort verraten über die Höhe der Bürgschaften, die es für Irland setzt. "Ist er vielleicht Chef in all den Kommissionen, die so was festlegen?" Dafür weiß er aber haargenau gegen Schluss der Sendung, dass es das höchste Glück für alle Deutschen war, dass IWF  mehr oder weniger die Gelderrationierung übertragen wurde. "Die wussten doch als einzige, wie man Volkswirtschaften saniert". Als glänzendstes Beispiel soll Lulas Brasilien herhalten. Na ja...

Eine besondere Pointe, allerdings FDP-Gemeinwuchs. "Der Wettbewerb ist das Schönste an der Marktwirtschaft. Passt es mir bei A nicht, geh ich zu B". Genau! Jedermanns Erfahrung: Passt mir mein Elektropreis nicht, geh ich zur nächsten Firma. Bis die angeglichen hat. Kommt mein Zug nicht, warte ich auf den nächsten.

Es ist gar nicht schlimm, wenn man als Liberaler das Monopol nicht lieb hat. Es lieber weg hätte. (Wobei Brüderle sich freilich beim Wünschen noch nie erwischen ließ). Aber das Monopol einfach nicht zur Kenntnis nehmen - das könnte  auch einen Minister  bei der Arbeit behindern.

Hilfreich - gerade im Blick auf Irland - Brüderles Wink. "Die beste Hilfe gegen Wohnungsnot ist Häuserbauen".  Er hat in diesem Augenblick wohl vergessen, dass gerade Irland- wie Griechenland, Portugal, Spanien sich die Küsten wegbetoniert haben. Überall vom Hochhaus zum Bungalow alles  zugepflastert. Und im Vergleich zu anderswo wirklich billig. Nur leider selbst zu diesem Preis von niemand zu kaufen. Weil noch viel mehr Pleite-Eigentum auf den Markt drängt. Wer hätte so was auch gedacht. Sicher niemand im Wirtschaftsministerium.

Dass die Krise in den USA vor inzwischen drei Jahren gerade auf dem Immobilienmarkt begann, muss ein Minister immer noch nicht wissen. Gewissenlose Faulsäcke der unteren Ränge unterrichten den Chef immer noch nicht schnell genug.

Brüderles letzter Schlag -für dieses Mal. Teilnahme an der Zerlegung des Begriffs der Gerechtigkeit in kleinere Teilbereiche. An sich ein Beitrag von GRÜN. "Generationengerecht" "Geschlechtergerecht" usw. So unser Minister -"Chancengerechtigkeit" ja - Ergebnisgerechtigkeit - unmöglich.

Begründung, ganz paulinisch: "Viele begeben sich auf die Rennbahn, nur einer kann gewinnen". Dass die Chancen nie frei gewählt sind- das muss einen Minister nicht kümmern. Dass man frei wählen kann, Läufer zu werden oder nicht, ist wahr. Wer ein Sondergebiet zur Bewährung wählt, muss die dort geltenden Regeln akzeptieren. Darf das aber auf das ganze Leben ohne Wahlmöglichkeit ausgedehnt werden? Dann läuft es einfach hinaus auf ein "Hat sich halt schlecht troffe.  So ein Pech aber auch..."

Brüderle meint es recht. Und verschafft ein warmes Gefühl in der Magengrube im Morgenmagazin. Wahrscheinlich ist es unverschämt, mehr zu verlangen.

Wem dieser Trost nicht genügt, der muss eben vorlieb nehmen mit Beispielen aus früheren Tagen. Als Oxenstierna, der Feldherr Gustav Adolfs, im Sterben lag, gab er seinem Sohn eine Frage mit "Mi fili, ignorasne qua minima ratione mundus regitur" - "Sohn, hast du immer noch nicht begriffen, mit wie wenig Vernunft die Welt regiert wird?". Das nach den Verheerungen des dreißigjährigen Krieges. Der doch immerhin mit dem westfälischen Frieden einen Abschluss fand. Haben wir wirklich Anspruch auf mehr?

Für eine andere Welt

Anlässlich der heutigen Sozialproteste zeigen wir die "arte" Dokumentation: "Für eine andere Welt". Aus der Beschreibung:

"Griechenland, Frankreich, Dänemark, Brasilien oder China - überall auf der Welt regt sich entschiedener Widerstand. Hier der Zorn der Jugendlichen, dort die Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen, der Aufstand der vom System Ausgeschlossenen.

Nie zuvor war der Geist der Revolte so stark und so verbreitet. Allein im Jahr 2009 wurden weltweit 524 Aufstände gezählt, und fast ein Drittel davon fand in Europa statt. Alle Proteste werden von jungen Menschen getragen, die ihrem Unmut über die Globalisierung Luft machen wollen."








Sozialproteste müssen nach der Großdemonstration am 13.11. weiter gehen!

Am 13. November sollen bundesweit Proteste gegen die Kahlschlagspolitik der Bundesregierung, die in diesen Tagen im Bundestag über das sogenannte "Sparpaket" beraten lässt, stattfinden. Dazu dokumentieren wir in loser Folge diverse Aufrufe. Nach dem Flyer "Aktiv für eine solidarische Gesellschaft"und dem Flyer der "Gewerkschafter gegen Stuttgart 21" folgt heute ein Aufruf des Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften zu einer Diskussionsveranstaltung über die Frage, wie es nach dem 13. November weitergehen muss:

Sozialproteste müssen nach der Großdemonstration am 13.11. weiter gehen!

Es ist eine positive Entwicklung, dass die Gewerkschaften gegen die wachsende soziale Schieflage wieder auf die Straße gehen. Es ist auch zu begrüßen, dass in den letzten Wochen die Themen Rente mit 67, Gesundheitsreform, unsoziale Sparpolitik, Leiharbeit und Kommunalfinanzen in die Betriebe getragen wurden. In zahlreichen Betrieben wurden Kundgebungen und vielfältige Aktionen organisiert.

Aber es gibt bisher noch kein Konzept, wie es nach dem 13.11. weiter gehen soll. Was machen die Gewerkschaften, wenn die Bundesregierung am 26.11. das Sparpaket durch den Bundestag winkt, was zu erwarten ist? Finden wir uns damit ab und probieren dann einen erneuten Anlauf, wenn die Gesundheitsreform durchs Parlament gepeitscht wird?

Mehr als zwei Drittel der Bundesbürger sind gegen die Rente mit 67, ebenso viele für einen gesetzlichen Mindestlohn und noch mehr sind der Auffassung, dass es in Deutschland nicht gerecht zugeht. Wir müssen uns die Frage stellen, warum sich diese Haltung nicht in massenhaften Protest umsetzt. Eine weitere Frage ist in diesem Zusammenhang: Trauen die Menschen den Gewerkschaften zu, Vorhaben der Regierung zu Fall zu bringen oder gar einen grundsätzlichen Kurswechsel durchzusetzen? Proteste werden auf Dauer nur an Dynamik gewinnen, wenn die Menschen das Gefühl haben, damit was zu erreichen. Das setzt aber auch eine Konzentration auf eine oder zwei zentrale Forderungen voraus, bei denen man wirklich ernst macht.

Das ist auch der Unterschied zu Frankreich. Dort gehen Millionen auf die Straße, weil sie die Rente mit 62 tatsächlich kippen wollen und die Akteure auch die dafür erforderliche Entschlossenheit zum Ausdruck bringen. Bei uns ist durchaus nicht klar, ob die Gewerkschaften etwas zu Fall bringen oder lieber mit der Regierung verhandeln wollen.

Dazu kommt, dass die letzten 20 Jahre neoliberaler Politik viele Rückschläge oder auch Niederlagen mit sich gebracht haben. Deshalb wäre es fatal, wenn die Proteste nach dem 13. November nicht mit einer klaren Perspektive, Regierungsvorhaben zu Fall zu bringen, weiter entwickelt werden. Die Gewerkschaftslinke will und muss hierzu ernsthafte Vorschläge machen.

Wir diskutieren mit
Tom Adler, Betriebsrat Daimler Untertürkheim
Bernd Riexinger, ver.di Bezirksgeschäftsführer Stuttgart
am Donnerstag, 25. November 2010 um 18:00 Uhr
im DGB-Haus Raum 245
Willi-Bleicher-Straße 20

Mit kollegialen Grüßen vom Vorbereitungskreis:
Tom Adler, Brigitte Aigner, Gerd Aldinger, Sylvia Bayram, Theodor Bergmann, Luigi Colosi, Christoph Ehrensperger, Matthias Fritz, Cuno Hägele, Reiner Hofmann, Christa Hourani, Heinz Hummler, Manfred Jansen, Klaus-Peter Löwen, Gertrud Moll, Manfred Molz, Hüseyn Oncü, Herbert Rehm, Bernd Riexinger, Selahattin Sari, Gottfried Schapeler, Sybille Stamm, Philipp Vollrath

Unsere Veranstaltungen sind im Labournet zu finden unter: http://www.labournet.de/termine/

Anfragen bitte richten an: webmasterzufo@yahoo.de (z. B. Zusenden von Einladungen)

Wir zahlen nicht für die Krise des Kapitals - auch nicht für das Projekt Stuttgart 21!

Am 13. November sollen bundesweit Proteste gegen die Kahlschlagspolitik der Bundesregierung, die in diesen Tagen im Bundestag über das sogenannte "Sparpaket" beraten lässt, stattfinden. Dazu dokumentieren wir in loser Folge diverse Aufrufe. Nach dem Flyer "Aktiv für eine solidarische Gesellschaft" folgt heute der Flyer der "Gewerkschafter gegen Stuttgart 21":

Vorderseite - Anklicken zum Download des Flyers
Stuttgart 21: Wofür wird hier eigentlich geknüppelt?

Entsetzt sind viele KollegInnen über die Härte, mit der gegen die Kopfbahnhof-Befürworter (K21) vorgegangen wird. Ob für oder gegen K21 -“ was hier Mappus, Rech und Schuster angeordnet haben, geht den meisten zu weit. Woher kommt diese Härte? Es geht um 10-20 Milliarden Euro sichere Aufträge in den nächsten 20 Jahren für die Immobilien- und Baubranche. Hinter dem Projekt Stuttgart 21 steht auch eine Verkehrsstrategie: Konzentration auf Hochgeschwindigkeitszüge zwischen den Metropolen und Flughäfen, Rückbau des Schienen- Nahverkehrs, Verlagerung des Güterverkehrs von der Schiene auf die Straße. Diesen Umbau betreiben die Auto- und Luftfahrtkonzerne. Seit Anfang der 90er Jahre dirigieren drei ehemalige Manager des Daimler- Konzerns, die Herren Dürr, Mehdorn und Grube, als Bahnchefs den Umbau der Bahn. Für die Durchsetzung dieser Strategie und den Profit wird nun gelogen und geprügelt. Dafür werden demokratische Rechte außer Kraft gesetzt. Was am 30.09. im Schlosspark passierte, ist ein Angriff auf die Versammlungsfreiheit. Ein herber Schlag gegen demokratische und ureigene gewerkschaftliche Rechte.

Trotz dem maßlos überzogenen Einsatz der Polizei, ist es bewundernswert mit welcher Zähigkeit und Mut, Menschen allen Alters und aus allen Schichten in Stuttgart kämpfen


Die Proteste gegen Stuttgart 21 und unsere gewerkschaftlichen Anliegen gehören zusammen! Es geht um sinnlose Ausgaben zu Lasten der Sozialetats und die Umverteilung der Gelder von uns allen an ein paar wenige Profiteure. Wir zahlen nicht für die Krise des Kapitals -“ auch nicht für das Projekt Stuttgart 21! Kanzlerin Merkel selbst hat den Zusammenhang hergestellt, in dem sie sinngemäß sagte, der Widerstand gegen Stuttgart 21 müsse gebrochen werden, weil sonst auch Proteste gegen Sozialabbau wie in Griechenland nicht mehr beherrschbar wären.

Es sind die gleichen Leute in Politik und Wirtschaft mit ihren Lobbyisten:

  • welche nicht gewillt sind den zügellosen Finanzmarkt zu regulieren,
  • welche, die gesetzlichen Grundlagen umkehrbar machen für eine, für die gesamte Bevölkerung gefährliche, Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke,
  • welche ein irrsinniges Sparpaket zu Lasten der Beschäftigten, Geringverdienern und der Erwerbslosen beschlossen haben, so wie die Rente mit 67.
Wir sagen STOPP zu dieser Politik:
Es geht um unsere Zukunft. Für gesellschaftliche Teilhabe und soziale Gerechtigkeit. Deshalb beteiligt euch an dem Aufruf der IG Metall und des DGB zur Demo gegen Sozialabbau in Stuttgart am 13. November 2010 Auftakt 10:30 Uhr in der Lautenschlagerstraße beim Hbf 12:00 Uhr Kundgebung am Schlossplatz


Wer hilft ihnen beim Geld scheffeln? Schwäbischer Filz in bester Qualität!

  • Lothar Späth, ehemaliger Ministerpräsident, ist Aufsichtsratsvorsitzender des Tunnelbohrers Herrenknecht.
  • Ca. 150 km Tunnel (inkl. Albaufstieg) versprechen Superprofite.
  • Stefan Mappus, amtierender Ministerpräsident, ist Angestellter von Siemens, das Arbeitsverhältnis ruht nur zur Zeit. Siemens stellt die ICE-Hochgeschwindigkeitszüge her.
  • Stuttgarts OB Schuster ist Vorsitzender der Trägerversammlung der Landesbank Baden Württemberg LBBW. Nicht zufällig bekam er 2009 den Preis als hervorragende Führungskraft der Immobilienindustrie wegen seines Einsatzes für S21 verliehen.
  • Die LBBW ist dick im Immobilien- und Kreditgeschäft drin.
  • Stuttgarts Finanzbürgermeister Michael Föll war bis vor kurzem Mitglied des Beirats von Wolff+Müller.
  • Umweltministerin Tanja Gönner und der Stuttgarter OB Schuster waren bis vor kurzem im Stiftungsrat „Lebendige Stadt“ des Immobilienhaies ECE, der für Hunderte Millionen bei S21 mitbaut. Dem Vorstand dieser Stiftung gehört die Lebensgefährtin des ehemaligen Ministerpräsident Öttinger an.
  • Die Stuttgarter Medien mit ihren Berichterstattungen über S21 stehen mit 300 Mio. Schulden bei der LBBW in der Haftung.

Wer profitiert von Stuttgart 21
?
Die Deutsche Bahn kassierte 459 Millionen Steuergelder 2002 von der Stadt Stuttgart für künftige Baugrundstücke. Durch hohe Verzinsung Superprofit für die DB: bis heute ca. 770 Millionen.

Baukonzerne wie Wolff+Müller, Bilfinger&Berger. Die Kreditgeber und Großimmobilieninstitute wie die Deutsche Bank, die Landeskreditbank Baden-Württemberg, die Baden-Württembergische Bank, die Landesbank Baden-Württemberg. Firmen wie die Herrenknecht AG, europäischer Marktführer für Tunnelbohrmaschinen, die Firma Siemens, deren Hochgeschwindigkeitszüge über die Magistrale Paris - Bratislava brettern sollen. Die Autokonzerne, die sich vom Rückbau des Bahnnahverkehrs und der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Straße einen höheren Absatz erhoffen.

Wer zahlt für S21? Wir!
Finanziert wird das Projekt nahezu vollständig aus Steuergeldern. Wem dafür in die Taschen gelangt wird, ist seit dem Sparpaket von Schwarz-Gelb klar: uns, den Arbeitern, Angestellten, Geringverdienern, Erwerbslosen. Auch die Region Stuttgart zahlt in den nächsten 10 Jahren 100 Millionen Euro an Steuergelder.

Kolleginnen und Kollegen,
wehren wir uns gegen diese Politik mit mehr Beteiligung aus den Betrieben! Überlegt euch, wie ein Beitrag von euch dazu aussehen könnte. Beteiligen wir uns zum Beispiel mit Betriebstransparenten an den K21-Demonstrationen. Demonstrieren wir bei den gewerkschaftlichen Aktionen gegen das Sparpaket der Bundesregierung gemeinsam mit den K21-Befürwortern!
Für einen Volksentscheid zu Stuttgart 21.

In vielen gewerkschaftlichen Gliederungen gibt es klare Beschlusslagen gegen Stuttgart 21. Die Bezirkskonferenz des DGB Baden-Württemberg hat dies mit großer Mehrheit am 30. Januar 2010 beschlossen. Dieser Beschluss muss nun auch von den Einzelgewerkschaften in die Tat umgesetzt werden.

Weitere Informationen finden Sie unter:
www.kopfbahnhof-21.de
www.parkschuetzer.de
www.bei-abriss-aufstand.de

www.gewerkschaftergegens21.de


Alle 4 - 5 Jahre ein Kreuz machen und dann den Mund bis zur nächsten Wahl halten - das akzeptieren wir nicht mehr! Die Parlamentsentscheidungen wurden mit Betrug an den Parlamenten und den Bürgern erschlichen, die Lobbyisten haben ganze Arbeit geleistet. Alles was wir seit Jahren kritisieren, falsche Zahlen über die Kosten, den eisenbahntechnischen Fehlplanungen, die Umweltfeindlichkeit, hat sich nach und nach als richtig herausgestellt. Sie waren aber nie Grundlage der Beschlüsse.

Kirsten Heisig anti-muslimisch? Nein. Aber unterwegs zur universellen Schulüberwachung

Buchcover
Kirsten Heisig wandelt zwar im Denkgefolge Sarrazins, macht allerdings  keinerlei Aussagen zum Islam an sich. Dafür plädiert sie für ein umfassendes Überwachungssystem in "gefährdeten Bezirken" nach dem Vorbild der USA.

Kirsten Heisig war an die zwei Jahrzehnte Jugendrichterin in Berlin-Neukölln und berichtet in ihrem einzigen hinterlassenen Buch  von dort erlebten  Problemfällen. (Dass sie wenige Monate nach Fertigstellung des Werks freiwillig aus dem Leben ging, gab zu Spekulationen Anlass, zu denen wir uns jeder Stellungnahme enthalten).

Kirsten Heisig wird nach ihrem Tod von manchen Schnell-Lesern einfach als Bestätigerin von Sarrazin gewertet. Das ist entschieden falsch. Im Gegensatz zum Breitsensenschnitt des Vordenkers kennt Kirsten Heisig  auch deutsche jugendliche Straftäter in beachtlicher Zahl und findet keine erheblichen Unterschiede zu den Kollegen mit "Migranten-Hintergrund". Auch spricht sie kaum vom Islam an sich als möglichem Grund von Untaten, sondern unterscheidet sehr genau zwischen der türkischen und der "arabischen" Einfluss-Sphäre. ("arabisch" - wie dem Buch  zu entnehmen ist - als Sammelbegriff für libanesisch- kurdisch-palästinensisch verwendet). Hier spricht sie, immer noch nachvollziehbar, das System der Großfamilien an, in denen der einzelne Jugendliche nach einer Straftat Schutz findet, unter Umständen auch von Schule zu Schule, von Wohnort zu Wohnort weitergeschoben werden kann, um Unannehmlichkeiten zu entgehen. Dafür bringt sie  überprüfbare Beispiele an.

Auffällig allerdings der Blickwinkel, aus dem alle Schäden gesehen werden und daraufhin geheilt werden sollen. Es ist der der ausgepichten eingefleischten Fachjuristin, die alle Gesetze gewogen hat und ein jedes für gleichgewichtig nimmt, handelt es sich nun um Schwarzfahren oder um Angriffe mit dem Hockeyschläger.

Liebevoll werden gleich bei den Fallbeschreibungen am Anfang des Buches  die Schwarzfahrten aufgezählt, die sich den anderen Delikten der jugendlichen Täterinnen und Täter an die Seite stellten. Bei der Schilderung eines Dienstvormittags  bekommen die Nur-Schwarzfahrenden noch mal eine ganze Stunde Verhandlungszeit zugebilligt. Nirgends taucht der einfache und bescheiden sozialreformerische Gedanke auf, solche Jugendlichen aus den entsprechenden Kreisen mit einem Freifahrschein zu versehen. Das Parlament hat nun einmal die Ahndung des Schwarzfahrens beschlossen: Also muss das auch durchgesetzt werden.

Entsprechend verläuft der Gedankengang im ganzen Werk.  Der junge Delinquent - es kommen fast nur Berichte über Jungs vor - wird mit liebevoller Strenge als bloßes Objekt gesehen. Es kommt darauf an, ihn mit allen Mitteln so zu überwachen, dass er dann später zu Lehrstelle und einfacher pünktlicher  Dienstleistung fähig ist.

Dazu - und das ist Heisigs Vorschlag - müssen alle staatlichen Stellen zusammenarbeiten, um eine lückenlose Überwachung zu erreichen.

Dem Datenschutz für Jugendliche wird bedenkenlos freigegeben.Er hat vielleicht anderswo seine Berechtigung, aber nicht bei Leutchen zwischen 14 und 21 Jahren. Schutzinteressen darf es nicht geben, wenn - an erster Stelle - die Polizei, dann das Jugendamt,die Schulen, die Jugendvereine - zusammenarbeiten, um möglichst schon präventiv einschreiten zu können. So spielt der unerbittliche Kampf gegen die "Schulabstinenz" die allerwichtigste Rolle. "Schulabstinenz" - ein Neologismus für das bekannte Schulschwänzertum.  Strafen gegen säumige Eltern helfen da vielleicht weiter. Und wenn jemand einwendet, solche hätten oft nur Hartz IV, muss wieder der Gesetzgeber herhalten: der hat doch sicher gewusst, dass diese Strafen vor allem die "sozial Benachteiligten" treffen. Also ist gegen Bußgelder in  diesen Kreisen nichts einzuwenden.

In der Schule wieder ein besonders zu beachtender Punkt: Schimpfwörter gegenüber Lehrerinnen und Lehrer sofort anzeigen und ohne zeitlichen Verzug ahnden. (Früher hat man die hinterhergerufenen "Arschpauker" am besten überhört. Jedesmal schon deshalb zum Richter rennen - du lieber Himmel).

Die Schulen haben in den Sekundärtugenden zu trimmen. So früh wie möglich  ist mit der Berufsberatung zu beginnen, damit Schüler Jörgi  sich rechtzeitig darauf einstellt, was ihn als Azubi Jörgi erwartet.
Mit Recht wird der Lehrermangel beklagt. Worüber Kirsten Heisig aber kein Wort verliert, das ist  was man in den Schulen sonst noch treiben könnte, was selbst einen Straßen-Rowdy noch interessieren möchte.

In das Internat der Lietz -Schule, in dem ich zehn Jahre verbrachte, wurden in finanziell besseren Zeiten immer wieder von Jugendämtern Kinder geschickt, die zumindest nahe an Bestrafungen vorbeigerutscht waren. Tatsächlich erwiesen sie sich nicht gerade als universell lernbegeistert. Aber es  gab doch kaum einen, der Interesse für nichts gezeigt hätte. Wenn man nur fähig war, genügend Aufmerksamkeit auf ihn zu verwenden. Was wieder  mit der relativ großen Anzahl von Lehrerinnen und Lehrern zu tun hatte, bezogen auf  die Schülerzahl.

Ich erinnere mich an einen, den ich zum Jugendgericht als sein "Familienvater" begleitete. Er war beschuldigt, weil er nach dem Erntedank in eine Kirche eingestiegen war und dort sich an den Gaben auf dem Altar gütlich getan hatte. Die Richterin war sehr freundlich. Nur - wie fuhr sie auf, als der Delinquent in aller Unschuld erzählte: "Ja, und wie ich dann drin war, habe ich erst mal gemütlich  gevespert".
"Wie - gevespert nennen Sie das? Vom Tisch des Herrn...."
Und um ein Haar  wäre aus dem Mundraub Einbruch mit Raub in einem schweren Fall geworden plus Anatz zur Gotteslästerung. Und war doch nur unbedachte Wahrheitsliebe aus kirchenfernem Mund gewesen. Es ließ sich dann alles noch beibiegen - aber mir wurde bei der Gelegenheit klar, wie - bei berechtigtem oder unberechtigtem richterlichen Zorn - sich Pyramiden des Verwerflichen auftürmen lassen.

Kirsten Heisig hat auch Studienfahrten in andere Großstädte unternommen und stellte dort befriedigt fest, dass vor allem die Polizei noch etwas mehr in Erfahrung bringt und schneller vorbeugt als bei uns
Sie hat sicher einen ungeheuren Arbeitseinsatz erbracht und mehr getan als viele andere im Jugendgericht Beschäftigte. Nur eins ist ihr nie in den Sinn gekommen: dass es in entsprechenden Brennpunkten der USA das alles schon gibt. Geben muss, wenn man einer Serie Glauben schenkt, die in VOX lange Zeit lief. "Public Boston". Da wird eine Schule ausführlich und liebevoll vorgeführt, stark auch aus der Sicht der Lehrer. Zum gewöhnlichen Unterricht kommt man dort freilich fast nie. Es gibt immer neue Disziplin- und Kriminalvorkommnisse. Der von Kirsten Heisig nicht einmal gewünschte Haus-Kriminalkommissar mit Waffe ist dort der wichtigste Mann. Lehrer werden wegen kleiner Misshelligkeiten ohne weiteres suspendiert oder gleich gefeuert. Das wichtigste am Unterricht muss - wenn man der Serie glauben darf - der morgendliche Namensappell sein. Bedeutungsvolle Fragen immer neu: Wer war dabei ? Wer hatte die Aufsicht? Was sagen die weiteren Behörden? An welcher  Stelle im alljährlichen Leistungsvergleich werden wir uns wiederfinden? Informationen über alle: Lehrer wie Schüler liegen beim ersten Computerclick vor. Verkehrsunfälle? Liebschaften? Cliquenzugehörigkeit? Besondere Vorkommnisse im Stadtviertel? Eltern? Deren Beruf und Vorleben? usw.

Dass Sarrazin mit seinen Statistiken und Schlussfolgerungen  ein Luftikus war, wird sich in spätestens einem Jahr herausstellen. Dann wird man ihn gnadenhalber einreihen unter all die Rassenforscher in den USA, die immer neu herausbekamen, dass ein kleiner schwarzer Junge aus den Slums kein Einstein werden konnte, was angeblich bisher von Scharen geglaubt worden sein soll.

Viel gefährlicher - trotz und wegen ihrer Verdienste als Fachfrau-muss dagegen Kirsten Heisig wirken. Weil sie wirkliche Leiden in Elendszentren benennt - und weil sie - ganz ohne Rassismus - die lückenlose Überwachung bestimmter Menschengruppen vorschlägt.

Weil sie damit eine ganze Sorte Menschen zum bloßen Objekt der Bearbeitung erklärt, im Interesse einer anderen Menschengruppe, die sich mit möglichst geringen Kosten zu ihrer Ausbeutung bereithält.
Weil sie damit - ohne es vielleicht gewollt zu haben - den aufgeklärten zupackenden Klassenkampf von oben unterstützt.

Kirsten Heisig: Das Ende der Geduld: Konsequent gegen jugendliche Gewalttäter

Parlamentarier stören! Parlamente - weg!

Szene aus dem Bundestag. Foto: Wikipedia
Wie man seit Dienstag Abend zu vernehmen hatte, sind im Ausschuss für "Umwelt" und so weiter Greuel unerhörter Art vorgefallen. Nach Meinung der Regierungsparteien wurde Dauerklamauk verübt, eines Kindergartens würdig, wie Herr v. Essen dem Bundestag betrübt mitteilen musste. Die Opposition verwies darauf, dass eine Stunde zur Beratung eines Gesetzes im Ausschuss etwas karg bemessen war, wenn man bedenkt, dass damit für das nächste halbe Jahrhundert die Gesamtenergieversorgung des Landes geregelt werden sollte. Unbestreitbar bestand der "Klamauk" der Opposition darin, eines der bisher unbestrittenen Rechte des Bundestags wahrzunehmen: Änderungsanträge zu stellen.

Das konnten die Mehrheitsvertreter nicht zulassen. Mit einfacher Mehrheit wurde beschlossen, dass das ab jetzt nicht mehr zulässig sein sollte. Klar: Merkel und ihr Apportierdackel haben nur noch wenig Zeit. Nach den nächsten Landtagswahlen wird sich peinlich herausstellen, dass es für die FDP nirgends mehr reicht. Dann muss - rechtzeitig - Merkel für Nachschub sorgen. Wer darf dann den Zustimmungskläffer machen? Im selben Augenblick wird die FDP im Verzweiflungsstrudel strampeln - und muss außer Verkehr gesetzt werden. Bis dahin aber wird die Merkel-Gefolgschaft mit vollem Zug den Kelch der Noch-Mehrheit ausschlürfen. Bis dahin: alles mal durchdrücken, was noch geht. Ist ein Gesetz mal durch, dauert es lang, bis das Verfassungsgericht in seiner Langmut es für die nächste und übernächste Wahlperiode zur Korrektur anmeldet. Was man hat, das hat man. Ein elementares Gesetz der schwäbischen Hausfrau.

Das Verfahren der Entmachtung des eigenen Parlaments ist natürlich nicht von Merkel erfunden. Schröder ging entschlossen voran. In den Nachbarländern unter Sarkozy und Berlusconi ist so etwas schon gewohnter. Merkel arbeitet nach.

Dass der Bundesrat bei der jetzigen Gesetzesänderung ausgespart werden soll, gehört genau in die Richtung der Abschaffung und Behinderung der parlamentarischen Balance-Rechte, die derzeit betrieben wird. Das Argument der Regierung - zunächst überzeugend: unter Schröder wurde das doch genau so gemacht. Kennzeichnend, dass der vorige Parlamentsfeind -doch immerhin nominell von der Oppositionspartei - in diesem einen Fall als Autorität herhalten darf. Inhaltlich steckt eine zusätzliche Unverschämtheit in der Begründung. Wie wenn ein Mafiahäuptling sich rechtfertigen wollte: Mein Vorgänger hat beim Skalpieren auch niemand gefragt. Wieso soll ich jetzt bei der Schädeldachabdeckung Umstände machen?

Ergebnis: Die klassische Konzeption des Parlaments als eines Systems von Gewicht und Gegengewicht hat in Deutschland spätestens seit Schröder ausgedient. In fast allen großen Ländern Europas tendiert das Regierungsgeschäft zur Diktatur. Verstärkt durch das rechtsstaatliche Gesetzesverständnis,welches das einmal Geregelte privat- und staatsrechtlich privilegiert. Um ein idiotisches Beispiel heranzuziehen: Unsere Sektsteuer verdanken wir der vor dem ersten Weltkrieg vom deutschen Kaiser und seinen Untertanen tief empfundenen Notwendigkeit, die Aufrüstung unserer Kriegsflotte zu sichern. Wir haben schon eine Zeitlang keinen Kaiser mehr, auch angeblich keine Kriegsflotte - aber die Steuer hat unangegriffen ein Jahrhundert überlebt. Leider gilt genau das gleiche auch für viel einschneidendere Maßnahmen der jeweiligen Geschäftsführer des gemeinsamen Büros, auch Regierung geheißen, von welchem Karl Marx einst sprach.

Das Parlament hampelt und humpelt. Um so wichtiger die Organisation von breiten Massenbewegungen - wie derzeit in Stuttgart, aber auch bei der Bekämpfung der Castor-Züge - um dem Übermut der jeweiligen Amtsinhaber überhaupt etwas engegenzusetzen.

Das LINKE am Sturm gegen Stuttgart 21

Protestdemo gegen den drohenden Abriss des Nordflügels am 19.08.2010
Catrin Dinger, strenge Richterin aus "Jungle Word" hat herausgefunden, dass die Gesamtbewegung in und um Stuttgart nur zur deutsch-nationalen Knollenbildung reichte. Und wie flugs die das bewies! Ihre Methode: Zerlegung. Sie sieht die Leute, die Bäume retten wollen. Gleich legt sie uns die alten Germanen - sinngemäß -nahe, die um die Eichen tanzten. Gegen die was Sankt Bonifatius noch ein Aufklärer mit seinem Hackebeilchen. Oder die Verehrung für das Bauwerk eines Architekten, der aus dem nationalen Monumentalismus auch nie herausfand. Am verdächtigsten die teilnehmenden Personen: die wollten ihr Grün und ihre Ruhe! Manche wurden erwischt, die in der Eile "Lebensraum" sagten. Was an dem Ganzen soll da "links" sein?

Was fehlt bei der Kritik der Griesgramin? Anwort: Der Zusammenhang.

Von niemand bestritten wird, dass viele von denen, die sich heute einmütig gegen "Stuttgart 21" wenden, unter anderen Umständen gegeneinander stellen würden. Wenn es etwa um höhere Erbschaftssteuer ginge.

Die Kritikerin hält an einer allzu engen Fassung des "Linken" fest. Links - das sollte nach ihr wohl die Bewegung der Arbeiterinnen und Arbeiter innnerhalb der Fabriken sein. Zunächst um den Lohn, später vielleicht um das ganze System der Lohnarbeit.

Gestehe ich es offen, dass im Kommunistischen Bund Westdeutschland selig, dem ich mit Kretschmann zusammen einst angehören durfte, ähnliche Vorstellungen umgingen. Eigentlicher Klassenkampf gehörte nach dieser Vorstellung in den Betrieb. Die Tatsache, dass die erbitterten Auseinandersetzungen um Wyhl, um Wackersdorf, um Startbahn West,in Brockdorf samt und sonders außerhalb der Fabrik stattfanden, sollte uns nicht irremachen. Hilfsweise wurde der Begriff der "Volkskämpfe" herangezogen, die sozusagen als Wolke um die "eigentlichen" Klassenkämpfe zu wogen hatten. Nicht, als hätten die Leute vom KBW und "Roter Fahne" sich nicht als entschlossenste auch an die Spitze dieser Kämpfe gesetzt. Nur reichte das als Salbe gegen das schlechte Gewissen nie ganz: was war mit dem Aufstand in den Fabriken?

Bis dem einen oder anderen unter uns auffiel, dass der Ansatz falsch war. Produktion selbst war zu eng gesehen. Wir richteten den Blick auf den Mann, die Frau am Fließband, an der Werkbank, als verbrächten sie dort das ganze Leben. Als wäre Produktion überhaupt noch einschließbar in irgendwelche Hallen. Was war mit den Produktionsgelegenheiten - und Möglichkeiten zwischen einem Arbeitsort und dem weiterverarbeitenden nächsten? Was mit dem An-und Abtransport der Leute, die sich erst einmal in den Hallen einzufinden hatten. Was mit der Gegend um die Wohnungen der Arbeitenden herum?

Was mit den Schlaf- und Bewegungsmöglichkeiten um Flörsheim oder Offenbach, welche die Startbahn West schmatzend wegfraß? Das gleiche gilt nach den Erfahrungen von Tschernobyl aber mit dem Leben selbst der Arbeitenden - wie aller übrigen- und den Gesundheitsbeeinträchtigungen.

Versuchsweise lässt sich also formulieren, dass es heutzutage im Klassenkampf nicht um die Herrschaft in der Fabrik allein gehen kann, sondern dass er darüber hinaus Verfügung über den gesamten Bewegungsraum anzielen muss - damit Bestreitung des Zugriffs der großen Monopole und ihrer Planungs-und Enteignungskompanie.

Hinzu kommt eines: Gramsci hatte sehr gut auseinandergesetzt in den zwanziger und dreißiger Jahren, als er im Knast Mussolinis saß, dass es im Zusammenhang mit dem Klassenkampf um Hegemonie geht.. Hegemonie - gemeint als die Meinungsführerschaft, die gegenwärtig Merkel und Seehofer als "Lufthoheit über den Stammtischen" beanspruchen. Hegemonie - gemeint als Kraft, gewisse Gesichtspunkte, Meinungen und Handlungsanweisungen als unumgänglich alllen anderen aufzuzwingen, die im Gespräch ernst genommen werden wollen. Aus der Hegemonie heraus würden sich demokratische Mehrheitsentscheidungen ergeben.

Warum hat das Rezept Gramscis bisher so selten hingehauen?

Weil es bisher sehr oft einer Mehrzahl gelungen ist, sich einfach uninteressiert zu geben. Nicht betroffen. Was die da oben beschlossen haben, wird schon seine Ordnung haben. Sind doch mit den Mappussen und Rechs immer gut gefahren. Damit konnten sich die Vielen aus dem Streit heraushalten.

Das ist im Fall des Protests gegen "Stuttgart 21" kaum noch möglich. Wie selbst die Apostel der Bahn zugeben, wird der Bau zehn Jahre lang dazu bringen, in Schlammstiefeln die Innenstadt zu durchqueren. Dieser Situation gegenüber ist faule Neutralität kaum noch möglich. Man muss Stellung nehmen und gerät damit in den Sog der hegemonialen Ausrichtung.

Geissler hat in einer der hundert Diskussionssendungen mit Recht darauf hingewiesen, dass in seinen Runden endlich einmal die Verträge offengelegt werden müssen, die Bahn, Stuttgart und Regierung untereinander abgeschlossen haben, als seien das Abmachungen zwischen ein paar privaten Besitzern. Nur reicht diese Offenlegung bloß für den ersten Schritt. Für eine Annäherung an die entscheidende Frage: Wer wen? Wenn nämlich erst einmal die zu erwartenden Kosten feststehen - wohlgemerkt die im gegenwärtigen Augenblick - kann - und muss - sinnvoll gefragt werden:

Wem soll das hier zu Bezahlende zukommen? Dem Monopol und dem ihm zuarbeitenden Staatsapparat - oder denjenigen, die endlich volle Verfügung über den eigenen Bewegungsraum verlangen. Und zu erkämpfen haben.

Ein weiteres Ergebnis der bisherigen Bewegung: wer sich einmal auf die Hinterbeine gestellt hat, auf die eigenen, wohlgemerkt, um seine Stadtmitte, seinen Baumbestand, seine Kontakte zu verteidigen, der kommt schrittweise ab vom kindischen Vertrauen, die Oberen- insbesondere die Parteien- würden im Endeffekt die Sache schon regeln. Entweder CDU und FDP. die uns so lange trefflich geführet - oder die neuen, die im Augenblcik manche Interessen der Kämpfenden vertreten. Es wird hoffentlich nur wenige geben, die über dem gegenwärtigen löblichen Einsatz der GRÜNEN die Schamlosigkeiten vergessen, die unter Fischer - und nicht nur unter ihm - begangen wurden. Vom Wackelpudding selbst, der SPD voller Wehmut und Gebetshaltung, gar nicht zu reden. Es kann sich empfehlen, bei allem Misstrauen gegen den Rest der Parteien Mappus abzuwählen. Das wird ohne ein Ja zu LINKEN, GRÜNEN und voller Nachsicht für die Verjauchten der SPD nicht gehen. Wichtig aber, nach der Wahl die Maßnahmen schärfster Aufsicht nicht zu vergessen. Nie mehr darf eine Regierung, einmal gewählt, sich vergnügt im Faulbett wälzen, in der genüsslichen Illusion: Ab jetzt sei alles erlaubt. Mindestens eine Wahlperiode lang. Auch ein Kretschmer oder ein anderer grüner Sendbote muss Tritte in den Hintern fürchten - die ganze Regierungszeit lang.

Ergebnis also: Der Proteststurm gegen Stuttgart 21 ist nicht einfach links, wie ein Ding, das man gefällig angemalt hätte. Aber dieser Sturm eröffnet die Möglichkeit für viele, links zu werden - dann nämlich, wenn sie über die dabei gemachten Erfahrungen lernen, sich - unabhängig von allen angeblich vorgegebenen Instanzen - auf die eigenen Beine zu stellen und die eigenen Interessen zu vertreten - gegen den Raubzugriff der Monopole und des ihnen dienstbaren Staates.

Gedenkt der verprügelten Werte!

Auf jedem Zeitungsblatt, in jeder Fernsehsendung muss man sich mehr anstrengen, um die handelnden Figuren auseinanderzuhalten. Da treten ja keineswegs nur Merkel und Mappus auf - die kennt man soweit. Immer öfter treten mehr oder weniger hoheitsvoll Wesen auf wie das "Lohnabstandsgebot". Oder stolz und entschieden rauscht unsere "christlich-jüdische" Vergangenheit vorbei. Die "Zivilgesellschaft" lässt sich von keinem Tisch vertreiben. Sie alle unangefochten und raumgreifend. Hinter diesen aber oft eine Gruppe, nie isoliert auftretend, immer eng aneinandergedrängt. So ungefähr wie ein paar Apostel nach Christi Verschwinden. "UNSERE WERTE". Richtige Wunden sieht man ihnen nicht an, aber sie schauen dauernd so verängstigt um sich, als kämen gleich ein paar um die Ecke, mit Dachlatten und schweren Schmiedehämmern. Um ihnen ein frühes Dämmerlein zu bescheren. Wer sind die bloß - die Werte, unsere Werte, und ihre oft benannten Feinde?

Wert - auf keinen Fall etwas plump Vorhandenes, wie ein Ziegelstein oder ein Kraut am Wegesrand. Zusammenschlagen kann man sie nicht wie einen Brocken Erde.

Am ehesten könnte man die Werte wohl als Wollungen ansehen. Als von allen Maßgeblichen angeforderte Willensanstrengungen oder wenigstens- Willensäußerungen. Als etwas, das von jedem verlangt werden kann, der sich unter uns breitmachen will. Also nicht nur Wollungen, sondern auch Sollungen.

In ihrer Gestalt als wohlanständige Forderungen laufen die Werte nirgends Gefahr. "Edel sei der Mensch, hilfreich und gut". Welcher Buddhist, Muselman, Atheist und Christ der verschiedensten Ausrichtungen möchte da nicht zustimmen? Wenn es bei solcher angenehmen Allgemeinheit bleibt.

Geht es also bei den Gefährdungen der "WERTE" um die Erfüllung der Forderungen, die wir als "unsere Werte" an andere stellen. Bescheiden manchmal auch an uns selbst. Dass die Forderungen regelmäßig unerfüllt bleiben, ist mit der Fragestellung schon vorausgesetzt.

Werden Wesen anderer "Kulturkreise" (Seehofer) oder gar genetisch anfällige - Sarrazin - beschuldigt, unsere Werte zu schänden, so meinen die Ankläger offenbar, dass Muslime oder zusammenklumpende Russen die Forderungen der Werte undurchführbar machen. Während wir - die Eingeborenen unserer Kultur und Erben sie recht und schlecht erfüllen?

Wenn das nur kein Irrtum ist. So fordert etwa einer unserer "Werte" von uns, erst Kenntnisse über andere zu erwerben, bevor wir sie verurteilen. Zugleich reden wir mit geschwollenen und schöngeschwungenen Lippen - unangekränkelt von jedem Zweifel - vom "Islam" an sich. Tun dabei so, als wüssten wir nicht, dass zu dieser Glaubensrichtung außer Sunniten und Schiiten auch die Sufis gerechnet werden - oder die Alewiten. Die Sufis haben seit langer Zeit von den kriegerischen Traditioen anderer Gruppen sich entschieden abgewendet. Die Alewiten, die in unserer Gegend ein großes Zentrum in Offenburg unterhalten, haben sich die letzten zwanzig Jahre regelmäßig als Unterstützer linker Demonstrationen hervorgetan. Es gab in Offenburg 1. Mai's, die wären ohne Rede- und Tanzbeiträge der Alewiten endgültig im treuherzig Hergebrachten ersoffen.

Oder die "Scharia". Wenn wir Frau Schwarzer unvorsichtig lange zuhören, stellt die Scharia ein Hexeneinmaleins für eingefleischte Übeltäter dar. Vergessen wird bei solchen Gesamtverfluchungen, dass etwa auch die Regelungen des Zinsverbots Teil der Scharia sind. Kunstvoll umgehen Banken, die diesem Gebot folgen, die Abnahme eines Zinses. Dafür wird dann eine Form der Gewinnbeteiligung an gemeinsamen Geschäften eingesetzt. Das ändert natürlich den Kapitalismus kein bißchen - und es gibt sicher inzwischen Tabellen, mit denen man in DAX oder DOW JONES umrechnen kann. Nur - weh tun kann man mit dieser Methode auch nicht mehr als durch die - betont westliche - kapitalistische Gewinnsucht ohnedies geschieht. Dass Steinigen als Strafe für Ehebruch verurteilt gehört, versteht sich von selbst. Hat aber mit der Scharia nur wenig zu tun. Beweis dafür? Sie wird keineswegs in allen islamischen Ländern gefordert und vollzogen.

Fazit: Werte bekommen vor allem dadurch Beulen und Schrunden, dass - wir - ihre Bekenner sie selbst nicht befolgen. Dafür aber andere verdächtigen, dass sie bei Tag und Nacht an nichts denken, als "unsere" Werte zu würgen. Damit stünde allen Seehofers, Schwarzers und Sarrazins ein einfacher Tip zur Werterettung zur Verfügung: Kehre jeder vor seiner eigenen Tür.

Nichts frisst unsere "Werte" mehr an als die schleichende Heuchelei ihrer Verteidiger.

Absage einer Bankenblockade - die Idee muss überleben

Mit der Aussetzung des Aktionskonzeptes bleiben viele Fragen offen, die mit der gemeinsamen Erklärung des Koordinierungskreises nicht beantwortet wurden. Wie ist die große Kluft zwischen Zustimmung und praktischer Beteiligung zu erklären? War der Gegner, der Banken- und Finanzsektor zu groß, blieb er zu abstrakt?



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Wir sind nicht eure Geldautomaten (Teil 1)
Grundsätzliche Fragen

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