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kritisch-lesen.de Nr. 16: Zeugnisse des Anarchismus

Wie bereits in Ausgabe 11 (Debatten und Praxen des Anarchismus) im November letzten Jahres angekündigt wurde, widmet sich Ausgabe 16 erneut dem Anarchismus. Dieses Mal wird sich den „Zeugnissen des Anarchismus“ zugewendet. Was ist darunter zu verstehen? Mit Zeugnissen meinen wir zum Beispiel (Auto)Biografien, Werkausgaben, Memoiren, Tagebücher, Textsammlungen etc. Dabei handelt es sich in der Regel um Publikationen von oder über Anarchist_innen, die einen gewissen Bekanntheitsgrad in der Bewegung inne haben bzw. zu den so genannten „Klassikern“ zählen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass diese Menschen in Theorie und Praxis Bedeutendes für die anarchistische Bewegung geleistet haben, was Grund genug dafür ist, ihrer Arbeit die zweite Anarchismus-Ausgabe auf kritisch-lesen.de zu widmen.

Den Beginn macht das voluminöseste Werk unter den besprochenen Büchern: Emma Goldmans neu aufgelegte Autobiografie Gelebtes Leben – ein fast 1000-seitiger, großformatiger Hardcover-Ziegel, den Regina Wamper gelesen und besprochen hat. Dem nur ein Jahr nach Goldman geborenen, aber bedeutend früher gestorbenen Gustav Landauer (geb. 1870; 1919 von rechten Freikorps-Soldaten in München ermordet) ist die zweite Rezension gewidmet. Gabriel Kuhn bespricht den siebten Band mit dem Titel Skepsis und Mystik aus Landauers „Ausgewählten Werken“. Beschäftigt man sich mit Gustav Landauer, so dauert es nicht lange bis auch Erich Mühsam, sein Freund und Genosse aus der Münchener Räterepublik, mit ins Spiel kommt. Der 1934 im KZ-Oranienburg ermordete Mühsam hinterließ umfangreiche Tagebuchaufzeichnungen, wovon kürzlich die ersten Bände veröffentlicht wurden. Gabriel Kuhn bespricht jenen, der die Jahre 1910-1911 zum Inhalt hat. Mit Errico Malatesta, dem italienischen Anarchokommunisten, dem es stets zuwider war, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, und der sich daher auch beharrlich weigerte, eine Autobiografie zu verfassen, beschäftigt sich Sebastian Kalicha. Er bespricht Malatestas Ungeschriebene Autobiografie. Philippe Kellermann rezensiert die kommentierte Studienausgabe von Max Stirners Der Einzige und sein Eigentum. Stirner, der gemeinhin als wichtiger Vertreter des Individualanarchismus gilt, musste nicht nur von Marx persönlich, sondern auch von vielen Anarchist_innen nicht immer solidarische Kritik einstecken. Der Rezensent findet hingegen lobende Worte für das Buch und Stirners Philosophie. Die beiden letzten Rezensionen zum Schwerpunkt widmen sich Anarchisten, die, im Gegensatz zu den bislang erwähnten, noch persönlich in die jüngere Vergangenheit einwirken konnten: dem Wobbly Sam Dolgoff und dem Anarchosyndikalisten Augustin Souchy. Eine Rezension über die ins Deutsche übersetzten Memoiren Dolgoffs und den ambivalenten Eindruck, den Sebastian Kalicha davon hatte, sind in Die Geschichte(n) des Sam Dolgoff zu lesen. Sebastian Friedrich hat sich mit der Textsammlung Anarchistischer Sozialismus, in der Beiträge Souchys zu verschiedenen Themen aus unterschiedlichen Epochen zusammengestellt wurden, beschäftigt.

Die weiteren Rezensionen eröffnen wir diesmal mit einem Roman. Heinz-Jürgen Voß widmet sich in So sehr, wie es nur geht der einfühlsam erzählten Geschichte der ineinander verliebten Jungs „Ali und Ramazan“. Im Anschluss wirft Adi Quarti den Blick auf die Kolumnen Jaques Rancières, die jüngst in Buchform zusammengetragen wurden und eine “Chronik der Konsensgesellschaft“ nachzeichnen. Historisch wird es in der letzten Rezension, in der sich Anja Gregor mit Medikalisierung und Herrschaft auf die Suche nach den Spuren der Medizin als patriarchales Herrschaftsinstrument macht.

Übrigens: kritisch-lesen.de ist jetzt seit genau einem Jahr online! Wir bedanken uns an dieser Stelle herzlich bei unseren Leserinnen, Autorinnen und Freundinnen, die uns in diesem anstrengenden, aber sehr motivierenden ersten Jahr unterstützt haben. Wir sind begeistert von dem Anklang, den unser Projekt – nicht nur im Netz – findet. Die Reaktionen und Besucherinnenzahlen gehen weit über das hinaus, was wir erhofft haben. Auch im zweiten Jahr von kritisch-lesen.de werden wir einmal im Monat eine Ausgabe mit einem Schwerpunkt veröffentlichen und darüber hinaus Diskussionen und Buchvorstellungen veranstalten. Geplant sind außerdem ein kleines kritisch-lesen.de-Festival mit Diskussionsveranstaltungen und anschließendem Konzert sowie ein Relaunch unserer Homepage.

Viel Spaß beim kritischen Lesen!

Israel vs. Iran - Wie in 'Des Kaisers neue Kleider': Warum Grass recht hat

Es ist ein wenig wie in dem Märchen Des Kaisers neue Kleider[1], in dem ein Kind das ausspricht, was eigentlich alle wissen, aber aus untertänigem Gehorsam gegenüber dem Monarchen und aus Staatsräson verschweigen: Der Kaiser ist nackt. Was im Märchen das Kind aus infantiler Unbedarftheit tut, macht in unserem Fall der gealterte Schriftsteller. Und so wie Franz Kafkas "Mann vom Lande"[2] nach lebenslangem Warten vor dem Gesetz wieder "kindisch" (=natürlich unbefangen) wird, nachdem er endlich den "Glanz, der unverlöschlich aus der Türe des Gesetzes bricht"[3], gesehen hat und ihm schlussendlich die entscheidende Einsicht gewährt wird, so schreibt Günter Grass mit "letzter Tinte"[4], was offensichtlich ist: Der Iran hat keine Atombombe.

Kriegslüge auf Vorrat

Vor einigen Wochen schrieb das Online-Satire-Magazin Der Postillion: "Iran feiert, seit 20 Jahren kurz vor Fertigstellung von Atombombe[n] zu stehen."[5] Der Artikel des Satire-Magazins, das in diesem Fall durch den Nachweis entsprechender Medienmeldungen ungewollt seriös war, traf exakt ins Schwarze, was das Topos "Iran und Atombombe" anbelangt. Dabei wird seit zwei Jahrzehnten seitens der Konzernpresse mit folgenden Setzungen gearbeitet: Erstens, der Iran sei generell eine zutiefst vitale Gefahr für den Frieden in der Region. Zweitens, der Iran stelle insbesondere durch Unterstützung von Terroristen eine Gefahr für den Weltfrieden dar. Und schließlich drittens, der Iran strebe die Vernichtung Israels an. Dabei fußt die letzte Behauptung auf einer falsch übersetzten Rede des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad, die eigentlich längst von den Öffentlich-Rechtlichen Sendern zurückgenommen und zum Beispiel von der Süddeutschen Zeitung wie folgt richtiggestellt wurde. "Die Vernichtungsphantasien, die Iran unterstellt werden, gehen auf einen einzigen Satz zurück: 'Israel must be wiped off the map.' […] Ahmadinedschad sagte jedoch wörtlich: 'in rezhim-e eshghalgar bayad az safhe-ye ruzgar mahv shavad.' Das bedeutet: 'Dieses Besatzerregime muss von den Seiten der Geschichte (wörtlich: Zeiten) verschwinden.' Oder, weniger blumig ausgedrückt: 'Das Besatzerregime muss Geschichte werden.' Das ist keine Aufforderung zum Vernichtungskrieg, sondern die Aufforderung, die Besatzung Jerusalems zu beenden."[6] Doch wie die Mär von der angeblichen iranischen Atombombe hält sich auch diese Behauptung, die letztlich als bewusste Verleumdung fungiert, um zukünftig einen Waffengang zu rechtfertigen – gleichsam eine Kriegslüge auf Vorrat.

Einmal davon abgesehen, dass der Iran seit Jahrhunderten kein anderes Land überfallen oder einen Krieg begonnen hat, was man vom wichtigsten Verbündeten des Westens in dieser Region oder von den NATO-Ländern selbst nicht behaupten kann, erstaunt dann doch die Hartnäckigkeit, mit der sich diese Propagandalüge seit zwei Jahrzehnten hält. Das Politikmagazin FOCUS behauptete zum Beispiel bereits 1993: der "Iran hat die Atombombe"[7]. Es musste erst ein gealterter Schriftsteller und kurz zuvor ein Satire-Magazin kommen, um darauf hinzuweisen, wie lange schon mit entsprechenden Setzungen gearbeitet wird …

CIA: Keine Beweise für iranische Atombombe

Eigentlich weiß alle Welt, dass im Iran die Existenz nicht einer einzigen Atombombe nachgewiesen ist. Die US-Geheimdienste meldeten bereits 2007, der Iran habe 2003 sein militärisches Atomprogramm eingestellt. So schrieb DER SPIEGEL: "Die US-Geheimdienste haben ein neues Dossier zum Iran-Konflikt veröffentlicht: Das Atomprogramm wurde demnach schon 2003 gestoppt, die Bedrohung ist geringer als gedacht. Für die Regierung Bush ein heikler Bericht - sie wies prompt zurück, die Gefahr aufgebauscht zu haben."[8] Abermals wurde diese Einschätzung vor einigen Wochen erneuert, als sich alle US-Dienste in einer gemeinsamen Analyse darauf verständigten, dass der Iran nicht nur keine Atombombe habe, sondern außerdem gar nicht nach dieser strebe. Die New York Times[9] sowie verschiedene Medien hierzulande berichteten darüber, wie etwa der FOCUS: "Atomwaffen aus Teheran: Iran baut nach US-Berichten nicht an Atombombe."[10] Natürlich kam dies dem israelischen Premierminister Netanjahu, der kurz danach zu AIPAC[11] und Präsident Obama in die USA reiste, um für den kommenden Krieg die Trommeln zu rühren und von Obama den Persilschein für einen "Militärschlag" zu bekommen, so gar nicht zu pass. In offiziellen Verlautbarungen wurde die Geheimdienst-Analyse weitgehend übergangen, denn diese widerstrebt selbstverständlich dem Konzept der gezielten Eskalation des Konflikts.

Doppelte Standards des Westens

Aktuell geht es nicht primär um die Menschenrechtssituation im Nahen und Mittleren Osten, um die vermutete Berechenbarkeit politischer Akteure oder um die innenpolitischen Verhältnisse, dazu, wie prekär diese sind, gibt es eine Menge an Studien und Verlautbarungen. Vielmehr geht es Grass darum, vor der akuten Kriegsgefahr zu warnen, angesichts derer die Frage von Menschenrechtsverletzungen wegen des Risikos einer atomaren Verstrahlung bei Bombardierungen von Atomanlagen bzw. beim Einsatz von Atomwaffen zwangsläufig in den Hintergrund tritt. Denn wenn die atomare Verstrahlung bzw. Vernichtung einer ganzen Region droht, sind Fragen von sexueller Selbstbestimmung und demokratischer Mitbestimmung zwangsläufig sekundär. Nur so viel: Wenn man etwa das politische System der beiden größten Akteure der Region - Saudi-Arabien und Iran - miteinander vergleicht, so kann man das eine System als feudal-absolutistische Monarchie und das andere als semidemokratische Theokratie bezeichnen. Zwar wurde rund ein Drittel der Kandidaten bei den Parlamentswahlen Anfang März im Iran vom sog. Wächterrat nicht zugelassen, gleichwohl bewarben sich für 290 Parlamentssitze weit über 3000 Kandidaten – der Iran ist also mitnichten eine monolithische Mullah-Diktatur, sondern kann am ehesten mit halbdemokratisch charakterisiert werden. In Saudi-Arabien hingegen (wie auch in fast allen Golfstaaten) finden überhaupt keine Wahlen statt. Dass Iran und Saudi-Arabien laut Amnesty International die Menschen- und Frauenrechte verletzten, ist evident, in beiden Staaten existiert übrigens auch die Todesstrafe. Im Iran wird sie allerdings (gemessen an der Bevölkerungszahl) in den vergangenen Jahren leider wieder häufiger verhängt. Laut den aktuellen Jahresberichten von Amnesty International sitzen übrigens auch in den USA rund 3200 Menschen nach entsprechenden Urteilen in sog. Todeszellen, während erst in 16 von 50 Bundesstaaten die Todesstrafe abgeschafft wurde. Nur in den USA und in vier kleineren Ländern in ganz Nord-, Mittel- und Südamerika wird die Todesstrafe überhaupt noch verhängt. Woran misst sich eigentlich zivilisatorischer Fortschritt und warum stellen die Politiker der Allparteienkoalition von CSU bis GRÜNE etwa vor einigen Tagen im Bundestag die Todesstrafe in Weißrussland an den Pranger und schweigen zu den USA? Aus eben demselben Grund heraus, aus dem sie eine rein fiktive Atombombe des Iran dramatisieren, die ca. 100-200 realen Atombomben Israels ignorieren und sogar mit der Lieferung von deutschen U-Booten deren Einsatz erst ermöglichen: Doppelte Standards zur Durchsetzung machtpolitischer Interessen.

Der Amis Liebling: Saudi-Arabien

Während dem Iran gegenüber durch die USA und Israel offen mit Krieg bzw. sog. Militärschlägen gedroht wird, erfreut sich Saudi-Arabien einer tiefen Zuneigung westlicher Regierungen. Diese äußert sich zuletzt darin, dass die USA gleich 84 Kampfjets im Wert von 30 Mrd. US-Dollar an Saudi-Arabien liefern werden[12]. Schlagzeilen machten im letzten Sommer ferner die geplante Lieferung von 200 deutschen Panzern nach Saudi-Arabien, wobei die Bundesregierung nach wie vor die Auskunft darüber verweigert, wann der Deal erfolgen soll bzw. sollte[13]. Des Weiteren bilden Bundespolizisten saudi-arabische Grenzschützer aus, beziehen dafür weiterhin aus Steuergeldern ihre Grundgehälter und bekommen zusätzlich vom Rüstungskonzern EADS sog. Trainingshonorare für ihren Auslandseinsatz.[14] Wohlgemerkt geschieht all dies in einem Land, das so sehr hochgerüstet ist, wie kein anderes am Persischen Golf, das von einem Despoten beherrscht wird, der nicht nur im eigenen Land, sondern auch in Bahrain Demokratiebewegungen blutig unterdrückt und zu dessen kulturellen Gepflogenheiten es gehört, am Freitag nach dem Moscheebesuch den öffentlichen Enthauptungen beizuwohnen.

Die "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost"

Zu den unterstellten Vernichtungsabsichten des Iran gegenüber Israel schreibt Die Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost e.V. in ihrer bemerkenswerten Stellungnahme zum Grass-Gedicht: "Der Wunsch der im Iran Herrschenden, dass das 'zionistische Regime' verschwinden möge, hat seine genaue Entsprechung im Wunsch der USA und Israels, dass das 'islamistische Mullah-Regime' verschwinden möge. Unsere Medien und Politiker verteufeln das eine als "Vernichtungsdrohung gegen die Bevölkerung' und spielen das andere als 'berechtigte Forderung' herunter."[15] Tatsächlich wird bis heute die falsche Übersetzung des Zitats von Ahmadinedschad, den man sicher als "politisch pathologisch" bezeichnen kann, als Rechtfertigung für einen geplanten Militärschlag oder Krieg gegen den Iran verwandt. Das Verdikt Irr- und Wahnsinn könnte man mit einiger Berechtigung auch auf George W. Bush (z.B. wegen des Irak-Krieges mit der Lüge der Massenvernichtungswaffen) oder auf Richard Nixon (geplanter Atombomben-Einsatz in Vietnam) und eine Vielzahl anderer Politiker anwenden. Nur die schiere Unterstellung, dass jemand etwas tun könnte, zu dem er wie im Falle des iranischen Präsidenten weder die Instrumente, noch laut US-Geheimdiensten den ernsthaften Vorsatz hat, stellt weder im Strafrecht noch im Völkerrecht einen Grund dar, jemanden sozusagen prophylaktisch ("präemptiv") aus dem Amt zu bomben.

Völkerrecht vs. Angriffsdrohungen

Heike Hänsel, Bundestagsabgeordnete der LINKEN, auf einer Demonstration gegen die sog. "Münchener Sicherheitskonferenz"
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Der Iran hat im Gegensatz zu Israel den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet, was ihm die zivile Nutzung der Atomenergie ausdrücklich erlaubt. Man mag zur Atomtechnologie stehen wie man will und - wie ich selbst - sowohl deren militärische als auch sog. zivile Nutzung ablehnen. Aber dagegen, dass der Iran im September vorletzten Jahres in Bushehr ein Atomkraftwerk in Betrieb nahm, ist nach dem Atomwaffensperrvertrag nichts einzuwenden. Sehr wohl jedoch stellt es einen Bruch des Völkerrechts dar, wenn Israel allein deshalb einen Luftangriff androht[16], denn auch die Androhung militärischer Mittel ist durch die UN-Charta geahndet. DIE LINKE hingegen bezieht sich in ihrem neuen Programm positiv auf das Völkerrecht: "Die LINKE erachtet als internationalistische Partei das Völkerrecht und die Vereinten Nation als wichtigste Institutionen für die friedliche Verständigung zwischen den Staaten und Gesellschaften der Erde."[17] Daher unterstützt DIE LINKE ausdrücklich Günter Grass, wenn er vor der Gefährdung des Weltfriedens warnt, wie es Wolfgang Gehrcke, außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE, gegenüber der Tageschau zum Ausdruck gebracht hat. Ein gerechter Frieden in Nahost kann nur durch einen Interessensausgleich stattfinden, den alle Akteure auf einer Augenhöhe aushandeln und nicht durch eine atomare Hegemonie einer Seite, die alle anderen Akteure bedroht. Daher ist an dieser Stelle sogar Guido Westerwelle beizupflichten, der in der aktuellen Diskussion tatsächlich doch meinte: "Eine atomwaffenfreie Zone im Nahen und mittleren Osten ist und bleibt das Ziel der Bundesregierung."[18] Ein Forschritt wäre es sicherlich, wenn die Bundesregierung ihre Nahostpolitik nach dieser Prämisse auch wirklich ausrichten würde ...

Anmerkungen

[1] Hans Christian Andersen: Märchen von Hans Christian Andersen. München 1938. S. 89-93 (Online im Projekt Gutenberg)

[2] Franz Kafka: Gesammelte Werke. Bd. Der Prozeß. Frankfurt am Main 1983. S. 182ff. Vgl. dazu auch: Das Gesetz Kafkas - Zu "Vor dem Gesetz" - Die Türhüter-Legende als Schlüssel zum Kafka-Verständnis;

[3] Ebd..

[4] Günter Grass: Was gesagt werden muss, 04.04.2012 (Süddeutsche Zeitung)

[5] Iran feiert, seit 20 Jahren kurz vor Fertigstellung von Atombombe zu stehen, 30.01.2012 (Der Postillion)

[6] Umstrittenes Zitat von Ahmadinedschad - Der iranische Schlüsselsatz, 26.03.2008 (Süddeutsche Zeitung)

[7] Der Iran hat die Atombombe, 25.01.1993 (FOCUS Nr. 4/1993)

[8] US-Geheimdienste relativieren Gefahr durch Iran, 03.12.2007 (SPIEGEL Online)

[9] U.S. Agencies See No Move by Iran to Build a Bomb, 24.02.2012 (New York Times)

[10] Atomwaffen aus Teheran - Iran baut nach US-Berichten nicht an Atombombe, 25.02.2012 (FOCUS Online)

[11] Klartext: AIPAC – die Pro-Israel-Lobby der USA, 08.03.2012, (junge Welt)

[12] USA liefern 84 Kampfjets an Saudi-Arabien, 29.12.2011 (Tageschau)

[13] Kampagne: Saudi-Panzer stoppen, 01.12.2011, (Blog Direkte Aktion)

[14] Bundespolizei in Saudi-Arabien: Hart an der Grenze, 14.07.2011 (Süddeutsche Zeitung)

[15] Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.: Stellungnahme zum Gedicht von Günter Grass, 05.04.2012 (Homepage)

[16] 'Israel has days to strike Bushehr', 17.08.2010, (Jerusalem Post)

[17] Programm der Partei DIE LINKE, Beschluss der 2. Tagung des 2. Parteitages der Partei DIE LINKE am 21. Bis 23. Oktober 2011, Erfurt S. 47.

[18] Westerwelle zitiert in: Günter Grass liegt daneben, 05.04.2012 (Welt Online)



Erstveröffentlichung 7.4.2012 bei Uwe-Jürgen Ness: Israel vs. Iran. Wie in 'Des Kaisers neue Kleider': Warum Grass recht hat

Vor 20 Jahren Bosnienkrieg! Die NATO bombte Frieden nicht herbei

Verteilung der ethnischen Gruppen in Bosnien 1991 lt. WikiPedia
Vor zwanzig Jahren begannen die blutigen Kämpfe in Bosnien. Die drei Volksgruppen der Muslime, der Kroaten und der Serben fielen übereinander her. Wegen der natürlichen Verschiedenheiten ihres Seins, wie einige orakelten. Weil Jugoslawien ohnedies ein Völkergefängnis war, wie in der FAZ erkannt wurde. Weil die Serben den Schlüssel zum Knast nicht herausrücken wollten. In einem waren sich die führenden Leute bei Schwarz, Rot und immer mehr auch bei Grün aber nachträglich alle einig: dass nur die Bomben der NATO den Greueln hatten ein Ende setzen können. Seither der unerschrockene Ruf nach einem Eingreifen der NATO, überall, wo es Schwierigkeiten gibt. Libyen liefert das letzte glorreiche Beispiel, wie solche Eingriffe mit Notwendigkeit ausfallen.

Zum zwanzigsten Jahrestag hat der FREITAG dankenswerterweise eine ganz andere Vorgeschichte in Erinnerung gerufen. Norbert Mappes-Niediek, durch lange Jahre Berichterstatter aus dem ehemaligen Jugoslawien, entwickelt sehr glaubhaft die Voraussetzungen des Bosnienkrieges. Leider ist sein Beitrag im Internet nicht aufzufinden. Wir geben deshalb stark gekürzt den Beitrag des Journalisten aus der Nachschrift wieder.

"Zwei Drittel der Bevölkerung (Bosniens) - die Muslime und die Kroaten - wollten die Unabhängigkeit von Jugoslawien, das nach dem Auszug Kroatiens und Serbiens nunmehr serbisch dominiert war. Die Konsequenz aber, einen unabhängigen Staat, wollten weder Serben noch Kroaten - er blieb das Projekt der Muslime, die weniger als die Hälfte der Bevölkerung stellten....

Die Serben begannen 1992 damit, Muslime und Kroaten aus ihren Mehrheitsgebieten zu vertreiben - sie wollten einen Staat unter muslimisch-kroatischer Dominanz verhindern. Sarajewo wurde bombardiert, um die Muslime in Schach zu halten; die Einnahme der Stadt war nicht das Ziel. Ein halbes Jahr später zogen die Kroaten nach, vertrieben ihrerseits die Muslime und halfen den Serben bei der Belagerung der bosnischen Hauptstadt. Es wurde ein Krieg ohne Feldzüge,ohne Vormärsche, ohne eine einzige Schlacht....Eine UN-Blauhelmmission sorgte dafür, dass die Versorgung nicht zusammenbrach und die Menschen in den entstandenen "Enklaven" nicht verhungerten.Gleichzeitig hielt sie den Armeen die Nachschubwege frei.

1994 beschloss die neue US-Administration unter dem Demokraten Bill Clinton, dem Treiben ein Ende zu setzen. Unter amerikanischem Druck entstand ein Plan, drei ethnisch definierte Territorien zu schaffen und den gemeinsamen Staat als loses Dach zu erhalten. Mit dem stillen Einverständnis Belgrads marschierte die von den USA unterstützte kroatische Armee kontrolliert vor und vertrieb die Serben aus dem Westen Bosniens. Umgekehrt hatten die Serben freie Hand, die muslimischen Enklaven in Ostbosnien zu räumen. Alle drei Armeen sollten als Instrument zur Durchsetzung des Friedensplans. Ihre Aufgabe war, die je andere Bevölkerungsgruppe dort, wo sie künftig nicht mehr leben sollte, in die Flucht zu schlagen. Wie von unsichtbarer Hand wurde die tatsächliche ethnische Landkarte Bosniens der auf dem Reißbrett des Friedensplans immer ähnlicher.

Es war eine fein ausgedachte Intrige, die wie alle ihre historischen Vorbilder misslang. Man instrumentalisiert nicht ungestraft eine fremde Armee. So hielt sich der bosnisch-serbische General Ratco Mladic nicht an das stille Agreement - statt die Einwohner der Enklave Srebrenica nur zu vertreiben, brachte er alle Männer um. Das Massaker hatte den Sinn, den geplanten gemeinsamen Staat für alle Zeiten unmöglich zu machen. Erst jetzt intervenierte die NATO und auch das nur zum Schein. Wieder zogen die Serben sich kampflos zurück....

Bis heute hält sich die irrige Meinung,es sei die NATO gewesen, die mit ihren Bomben den Krieg beendet hätte. Die Bellizisten durften glauben,sie hätten recht behalten....

An der ehrlichen Aufarbeitung des Geschehens hat auch nach 20 Jahren niemand ein Interesse. Der US-Stratege und Diplomat Richard Holbrooke wachte bis zu seinem Tode 2010 eifersüchtig darüber, dass niemand seine Legende von der friedensstiftenden NATO-Intervention in Frage stellte. Bosnien gilt auch heute noch als Beweis, dass man ein noch schlimmeres Blutvergießen nur mit Bomben verhindern kann."

Die Lehre ist klar. Alle Schreie nach NATO - ob sie nun gerade von der Türkei ausgestoßen werden - oder von der kriegerischen Journalistenschar im kriegssüchtigen Medienverband bieten große Aussichten, die Lage so zu verschlimmern, wie es in Libyen geschehen ist - und auch im Irak. Obwohl dort nicht die ganze NATO, sondern nur die "Willigen" der Einladung zum Gemetzel folgten.

Freitag 12.4.2012 Mappes-Niediek: 1992 Der große Irrtum (Print S.12)

Solidarität mit den angeklagten AntimilitaristInnen aus Stuttgart!

Prozessbeobachtung am Donnerstag, den 19.04.2012, 10 Uhr!
Solidarität mit den angeklagten AntimilitaristInnen aus Stuttgart!
Bundeswehr raus aus Bildungsmessen!

Am 24.02.2011 hatte die Bundeswehr auf der Bildungsmesse DIDACTA in Stuttgart einen Kriegspropagandastand, welcher durch antimilitaristische Aktionen gestört wurde. In diesem Zusammenhang wurden zwei AntimilitaristInnen in Gewahrsam genommen und nun für einen scheinbar entstanden Sachschaden von 100,- € verantwortlich gemacht.

Die Bundeswehr drängt immer weiter in den öffentlichen Raum, um einerseits Rekruten zu gewinnen und andererseits um sich den, für die Kriege der BRD nötigen Rückhalt in der Bevölkerung zusichern. Dafür tritt sie bei Stadtfesten, Bildungsmessen, an Schulen, Job Centern, im Internet, Radio und Fernsehen auf.

Dem gilt es sich entgegen zu stellen! Was am 24.02.2011 auch erfolgreich geschah. Mehrere AntimilitaristInnen besuchten die Bundeswehr an ihrem Messestand und verdeutlichten mit verschiedenen kreativen Aktionen für was die Bundeswehr steht und für was sie wirbt.

Dass die Bundeswehr sich durch derartige Besuche angegriffen fühlt und Aktionen wie diese den gewünschten Effekt des Imageverlusts der Bundeswehr zumindest teilweise erzielen, zeigt sich an der vehementen und schon fast lächerlich erscheinenden Verfolgung und Kriminalisierung von AntimilitaristInnen.

Zum Hintergrund:

Zwei AntimilitaristInnen aus Stuttgart, wird nun vorgeworfen im Rahmen der gelungenen Aktion auf der DIDACTA, „gemeinschaftliche Sachbeschädigung in drei tateinheitlichen Fällen“ begangen zu haben. Konkret sollen sie mit Ketchup einen Teppich der Messehalle und die Uniformen des Bundeswehr Hauptfeldwebels Plehn und des Hauptmanns Muckenheim beschädigt haben, so dass „ein Gesamtschaden in Höhe von ca. 100,- €“ entstand!

Nachdem der Antrag eines Strafbefehls der Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen Geringfügigkeit vom Amtsgericht Stuttgart abgelehnt wurde, beschwerte sich die Staatsanwaltschaft Stuttgart beim Landgericht. Woraufhin dieses den Beschluss des Amtsgerichts aufhob und das Amtsgericht nun einen öffentlichen Prozess gegen die AntimilitaristInnen führt.

Unsere Solidarität gegen die Stuttgarter Justiz:

Der Verfolgungswille, welchen die Staatsanwaltschaft Stuttgart hier aufzeigt, lässt sich sicher auch auf die kontinuierliche und zunehmende antimilitaristische Arbeit in Stuttgart zurückführen. Auf jeden Fall verdeutlicht sich hier wieder einmal die politische Linie, welche die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen jegliche linke Aktivitäten fährt. In diesem Zusammenhang sind die über 1000 Verfahren, welche gegen Stuttgart 21 GegnerInnen geführt werden, sowie die Prozesse und die Inhaftierungen von den Antifaschisten Chris und Smily, zu nennen.

Zeigt eure Solidarität und kommt zu dem Prozess, um die AntimilitaristInnen zu unterstützen. Sie werden wegen einer Lappalie kriminalisiert und angeklagt, während Mörder in Uniform ungestraft für ihre Verbrechen in der Öffentlichkeit werben. Was sind 100,- € Sachschaden, der durch Ketchup entstanden sein soll - gegen die Verbrechen der Bundeswehr, wie z.B. das Massaker in Kunduz am 04.09.2011, bei welchem auf Befehl des Bundeswehroberst Klein mehr als 140 ZivilistInnen ermordet wurden!

Antimilitarismus war, ist und bleibt notwendig!
Hoch die internationale Solidarität!

Donnerstag, den 19.04.2012 | 10 Uhr
Amtsgericht Stuttgart | Hauffstr. 5
U-Bahn Haltestelle Neckartor

Quelle und mehr Informationen: Offenes Treffen gegen Krieg und Militarisierung Stuttgart

"Liebknecht entsorgt" - Frankfurt a.O. reinigt sich mit der Wurzelbürste

Karl Liebknecht, ca. 1911

Die "Junge Freiheit" hat einen schönen Erfolg eingeerntet für ihr Geschichtsbild. Als die Schule darüber diskutierte, ob der Namen Karl Liebknechts gestrichen werden sollte und eine Mehrheit sich zur Zustimmung breitschlagen ließ, hing ein Artikel des bekannten Blatts am Schwarzen Brett.

Was aber war die Begründung für die Beseitigung des Namensgebers aus der Schulbezeichnung? "Seit Beginn dieses Schuljahres hatte es an dem Gymnasium eine lebhafte Debatte über die Benennung gegeben. Ehemalige Schüler nahmen Anstoß an Karl Liebknecht, weil dieser mit Waffengewalt gegen die erste deutsche Demokratie, die Weimarer Republik, geputscht hatte." (Ronald Berthold s.o.)

Arme Schüler, die den Entschluss mitzutragen hatten! Was für Erzählungen müssen ihnen im Unterricht vorgetragen worden sein, um die Auseinandersetzungen 1914-1918 richtig ans Herz zu bekommen. Wir andern im verdooften Westdeutschland kannten 1918 im Augenblick der Erklärungen Liebknechts auf der einen Seite und der Konkurrenz auf der anderen Seite nur zwei konkurrierende Parteifraktionen, aber gar keine Republik, gegen die man hätte "putschen" können.

Entsprechend wird die Abstimmung beim Gründungsparteitag der KPD interpretiert: man hätte die Abstimmung verhindern wollen, weil die KPD bei dieser zu geringe Chancen gehabt hätte. Es ist nicht jedem bekannt - bei der "Junge Freiheit" offenbar keinem - dass zumindest Rosa Luxemburg ursprünglich für Teilnahme an der Abstimmung gewesen war, nur keine Mehrheit dafür bekam. (Was Liebknecht dazu meinte, ist mir nicht bekannt.)

Insgesamt müssen wir also korrekterweise ein vorgeschriebenes Geschichtsbild annehmen, nach welchem zwar Ebert vorbildlich gehandelt hat, weil er ja schließlich vom letzten kaiserlich genehmigten Kanzler -Großherzog von Baden- die Regierung übernommen hatte. Also legitim verfuhr, als er "seine" Republik als Nachfolge-Organisation des Reiches gründete. Liebknecht und Co. machten sich durch anderweitige Zielsetzungen automatisch zu Demokratiefeinden.

Eine weitere Richtigstellung des bewährten Organs: "Dabei gerät in Vergessenheit, daß das Wirken zu Lebzeiten entscheidend für eine Ehrung sein sollte. „Eine Ermordung durch die Nationalsozialisten reicht nicht aus, um jemanden direkt in den Heldenstand zu erheben“, hatte der Historiker Klaus Schroeder vom Forschungsverband SED-Staat mit Bezug auf Straßen, die nach Kommunisten benannt sind, gesagt." (Roland Berthold s.o.)

Demnach hätte die ohnedies schuldbeladene DDR bei der Namensverleihung ausschließlich auf die Todesumstände gesetzt, nicht aber auf die Taten im Leben. Wieso gab es dann aber nirgends zum Beispiel eine Jogiches - Schule? Er wurde genauso umgelegt wie Luxemburg und Liebknecht. Tatsächlich wurden in der DDR gerade Liebknechts antimilitaristische Schriften immer wieder aufgelegt und gelesen. Ebenso die gegen die wilhelminische Klassenjustiz - mit Anwendungen für die Gegenwart.

Sehr originell der vom Autor offenbar gebilligte Alternativ-Namen: Heinrich v. Kleist. Dass dieser Ehrungen verdient hätte, steht außer Zweifel. Nur bedenklich für Demokratie-Theoretiker. Ist der Autor der "Hermanns-Schlacht" wirklich ein gemütsnaher Freund der Sofa-Demokraten? Sinnspruch aus Kleists Drama immerhin" Schlagt ihn tot! Das Weltgericht - fragt euch nach den Gründen nicht". Ist Kleist gewaltfrei genug?

Die Schulversammlung des Gymnasiums in Frankfurt mag ihren Namenspatron wechseln, wie sie will. Weitgehend ihr Privatvergnügen. Die Erinnerung an den großen Vorkämpfer Liebknecht wird sie nicht löschen können.

Grass' einzige Erkenntnis: Reichsschrifttumskammer funktioniert auch ohne Oberbefehl

Das erste, was einem auffällt bei dem Text von Grass zum Konflikt Israel-Iran: Was er zum Gedicht erklärt, ist einfach eine Ansprache. Wie beleidigend für Erich Fried, Grass ihm gleichstellen zu wollen. Das Nicht-Gedichtete bei Grass erweist sich in der ungebrochenen Übernahme gängiger Termini und Floskeln in das,was ein "Gedicht" sein sollte. "Antisemitismus" etwa. Erich Fried bemühte sich immer, gerade auch in den Gedichten, die sich unmittelbar und drohend an die damalige Führung des Staates Israel richteten, den verborgenen Doppelsinn der gängigen Fügungen aufzudecken. So bei der Verwendung des Wortes "Feind"- einst gegen die Juden gerichtet, heute von den Zionisten in Israel verwendet.

Der nächste berechtigte Einwand gegen den Text von Grass, wenn wir ihn nur als Leitartikel mit falsch gesetzten Umbrüchen nehmen: ein Teil der vorgebrachten Vorwürfe gegen Israel folgt gerade den von dort ausgehenden Unklarheiten, bleibt aber trotzdem falsch. Antideutsche fragen oft provozierend: "Soll ein ganzes Volk sich wehrlos wegatomisieren lassen?" - und suggerieren damit, der Besitz einer oder mehrerer Atombomben in Feindeshand bedeute automatisch deren sofortigen Einsatz. Nach Hiroshima und Nagasaki hat keiner der Staaten, die über Nuklearwaffen verfügten, sie eingesetzt. Grass korrigierte sich im nachgelieferten Interview bei der ARD, er hätte wirklich nur an konventionelle Bomben gedacht, die die israelische Luftwaffe einsetzen könnte gegen die unterirdischen Bomben-Bau-Anlagen der Iraner. Nur hätte er das in seinem veröffentlichten Text deutlicher zum Ausdruck bringen sollen. Dass auch ein gemütliches Zwischenbombardement der Israelis die ganze Region einem zumindest regionalen Krieg aussetzen würde,bleibt von dieser Unterscheidung völlig unberührt.

Zur Erkenntnis im vom Dichter angestrebten Sinn trägt sein Text nur dieses Geringe bei. Aber - ungewollt - hat er eine ganz andere Behauptung stringent bewiesen: Es gibt eine Reichs-Schrifttums-Kammer, die ganz ohne äußeren Zwang einheitlich zuschlägt, wenn jemand sich gegen ihre Gewissheiten vergehen möchte.

Dazu gehört vor allem: Iran will die Atombombe, um Israel von der Erde zu tilgen. Und: Israel zu verteidigen, gehört zu unserer "Staatsraison". Das Wort so falsch verwendet, wie Merkel das tut.

Die Gegenangriffe folgten so schrapnellartig, dass man sich fragen konnte, ob alle den angegriffenen Text schon ganz gelesen hatten. Broder in der WELT als erster. Es gibt Gerüchte, man habe ihm das Schriftstück zugespielt, bevor es in der "SÜDDEUTSCHEN" überhaupt zu lesen war. Für sein Urteil: Grass = Antisemit - war freilich vorherige Lektüre auch gar nicht notwendig. Er hätte das auf jeden Fall - wie bei allen anderen Verdächtigten - mühelos herausbekommen.

Dass über Iran und Israel ab jetzt anders diskutiert wird als vorher, ist kaum anzunehmen. Aber vielleicht wenigstens darüber, dass wir unbestreitbar unter einer Meinungsdiktatur leben. Ein aufgeklärter Goebbels hätte sich das nicht anders wünschen können: ohne direkte Aufsicht mit ihrem Gezeter und ihrer Mühe einfach die nötigen Reflexe einbauen.Beziehungsweise ihr erwartungsgemäßes Funktionieren zur Voraussetzung einer bestandenen Schriftleiter-Prüfung machen.

Der Zustand scheint erreicht.

Jusos Berlin: Beitrag zum Ostermarsch: Auf zum Präventivkrieg gegen den Iran!

Der nächste drohende Krieg - könnte er ein anderer sein als einer Israels und - vielleicht - der USA gegen den Iran. Undeutlich gedacht im Sinn der Erfindung der "responsability to protect", wie sie zu Fischers Zeiten ausgedacht wurde. Israel schützen vor einem - später - bevorstehenden Atombombenangriff!

Juso Berlin hat sich in einem - mit welcher Mehrheit? - beschlossenen Grundsatzbeschluss zu einem Angriff Israels auf den Iran als letztem Mittel der Abwehr dieser Gefahr bekannt. Er hat damit die Angleichung der SPD an die Politik der CDU weiter vorangetrieben.

Merkel war es schließlich gewesen, die das Existenzrecht Israels zur Staatsraison der Bundesrepublik erklärt hatte.

Genau so schreiben die Verfasser der JUSO-Resolution "Israel ist sowohl für Deutschland, als auch für uns, als Teil der gesellschaftlichen Linken, kein Staat wie jeder andere, sondern ein verantwortungsvoller Partner, vor dem die Bundesrepublik Verantwortung zeigen muss". So heißt es in der Resolution wörtlich.

Staatsraison war einmal ein furchterregender, aber gerechtfertigter Gedanke. Staaten müssten - unabhängig von Überzeugungen und Gefühlen der gerade Herrschenden - sich so verhalten, dass ihre eigenen Interessen durchgesetzt würden. Als man dem König Franz I. Vorwürfe machte, weil er mit den gottlosen Türken gegen Karl V. kooperierte, antwortete er sinngemäß "Der Staat ist ein Heide!". Der Herrschende abstrahiert von seinen persönlichen Vorlieben. Selbst von seinem Christentum, seiner Moral.

So gesehen verkehrt Merkel den Begriff aufs äußerste. Die Staatsraison des eigenen Landes kann gar nicht veräußert und verpfändet werden zugunsten der Unterstützung der Politik eines anderen, von der man nicht weiß, wie sie sich entwickeln wird.

Richtig verstandene Staatsraison setzt demnach Selbstbeschränkung voraus. Wir müssen Israel und Iran gerade als Staaten - "wie alle anderen" betrachten, mit aller Brutalität, wie sie Staaten auszeichnet. Die Angriffe Israels in Gaza und gegen den Libanon waren hinzunehmen in diesem Rahmen. Weil tatsächlich Erstangriffe der Gegner vorlagen. Genau so die Maßnahmen des Iran gegen den Irak im damaligen Krieg. Sie dienten schließlich den eigenen Staatsinteressen.

Gerade die moralischen Einmischungen, die provozierten Wallungen und Entrüstungen machen Kriege verbissener und unbarmherziger. Ein Beispiel aus der sittlichen Polemik gegen den Iran: Von Zeit zu Zeit entdeckt ein Gelehrter, dass es im Islam eine Erlaubnis gebe, den Feind zu belügen. Religiös gebilligt! Nur vergessen diese Sittenprediger, dass seit vielen Jahrhunderten ganz ohne Gottes Zuspruch die gleiche Sitte sämtliche westliche Verhandlungen genau so beherrscht. Talleyrand, Meister dieses Verfahrens, kommentiert eiskalt: Die Sprache ist dem Menschen gegeben, um seine Gedanken zu verbergen.

Peinigende Erkenntnis: Wir können wenig tun, um die Kriegsgefahr zu verringern. Das Wichtigste dafür immerhin: sich sämtlicher Rühmungen und Verfluchungen des "Wesens" anderer Nationalitäten zu enthalten.

Gerade das Hochmoralische, womit ein Broder in seiner "Achse des Friedens" paradiert, erhöht die Kriegsgefahr durch moralische Zuschüsse. Wenn Broder neuerdings den Auschwitztourismus verurteilt, mag er nicht ganz im Unrecht sein. Wenn er aber argumentiert, man weine den toten Juden nach, verteidige aber nicht die lebenden, wird er gedankenlos. Der Krieg, zu dem er und seine Leutchen mehr oder weniger ermuntern, würde in Tel Aviv und Jerusalem Tote fordern - nur für das gehobene moralische Gefühl. Wer hätte etwas davon?

Macchiavell als angeblicher Erfinder des Prinzips der Staatsraison wurde jahrhundertelang kritisiert. Am unehrlichsten von Friedrich v. Hohenzollern, am aufrichtigsten von Kant. Trotzdem! So herzlos es klingt: Die Einmischung von Moral in staatliche Politik stellt heute die größte Gefahr dar. Vielleicht fällt das auch den Jusos in Berlin noch rechtzeitig ein.

Ein schlechtes Gewissen wird durch die edelste Resolution nicht sauberer.

Ostermarsch 2012: Hände weg vom Krieg! Atomwaffen ächten! Abrüsten!

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"Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen." (Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 26, Satz1)
Raus aus Afghanistan. Jetzt!

Fast 11 Jahre schon dauern Krieg und Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Angeblich ging es darum,die Hintermänner des 11.9. zu fassen. Doch statt Polizei schickte man Bomben und Soldaten, keinerkam je vor Gericht. Dann hieß es, man wolle das Land wiederaufbauen und demokratisieren sowiedie Rechte der Frauen stärken. Doch auch dieser Krieg führte vorhersehbar zur Katastrophe für dieMenschen. Die Lebensverhältnisse sind schlechter als zuvor. Nichts ist gut in Afghanistan.

Vor 9 Jahren begannen die USA und ihre Verbündeten ihren Krieg gegen den Irak. Angeblich ging esum die Vernichtung von Massenvernichtungswaffen. Sie wurden nicht gefunden. Dann sollte es darumgehen, Demokratie herzustellen. Demokratische Verhältnisse sind nicht in Sicht. Auch dieser Kriegführte in die Katastrophe. Der Lebenstandard im Ölland Irak sackte auf das Niveau der ärmsten Länder ab.

Im letzten Jahr führte die Nato Krieg gegen Libyen. Angeblich ging es darum, eine Flugverbotszonezum Schutz der Menschen herzustellen. Niemand wurde geschützt. Laut der neuen Führung starben50000 Menschen, viele davon unter den Bomben der Nato. Auch dieser Krieg wurde zurKatastrophe. Hilfsorganisationen berichten heute wieder von Massenmorden und Folter. Statt gegenGaddafi demonstrieren die Menschen heute gegen die mit Hilfe der Nato an die Macht gelangtenneuen Machthaber für demokratische Verhältnisse.

Stoppt die Kriegsvorbereitungen gegen Iran und Syrien!


Heute, heißt es, müsse das Kernenergieprogramm des Iran gestoppt werden, um ihn am Bau vonAtombomben zu hindern. Für ein iranisches Atomwaffenprogramm gibt es keine belastbarenBeweise. Die USA aber, Hauptankläger gegenüber dem Iran, planen, ihr Atomwaffenarsenal mit 8 Milliarden Dollar zu “modernisieren-. Statt ernsthaft über Sicherheiten für beide Seiten zu verhandeln,setzen die Atomstaaten auf eine völkerrechtswidrige Drohkulisse. Nahezu offen wird ein neuer Kriegvorbereitet. Zur “Ausschaltung- iranischer Atomanlagen stehen Atomraketen bereit.

Heute heißt es auch, in Syrien müsse ein Regimewechsel erfolgen. Bereits jetzt werden die syrischenAufständischen offen militärisch von der Türkei und anderen unterstützt. Auch in Syrien muss einneuer Interventionskrieg nach dem Muster Libyens befürchtet werden. Tatsächlich geht es bei Syrien weder um Menschenrechte noch um Demokratie -“ grundlegend für Demokratie ist zu verhandeln statt konsequent alle Verhandlungsvorschläge abzuschlagen -“ sondern um das Vorfeld zum Schlag gegen den Iran.

Warum scheinen sich die Regierungen der NATO-Staaten zu weigern, Lehren aus den Katastrophender jüngsten Kriege zu ziehen? Weil es beim Krieg führen eben nicht um die Menschen geht, sondernum handfeste Interessen: Den Zugriff auf Öl und Rohstoffe und ihre Transportwege. Dazu werdenunbequeme Regimes durch den Einsatz von militärischen Mitteln gewaltsam gestürzt. Regierende wieMedien entdecken Diktaturen immer nur dort, wo sie nicht oder unzureichend kooperieren. Niemalsdort, wo sie wie z.B. Saudi Arabien und andere Golfstaaten, den westlichen Interessen entgegenkommen.

Mit dieser neokolonialistischen Politik, die sich die Rohstoffe mit Waffengewalt aneignet und dieMenschen zu Opfern von Kriegen und ihren desaströsen Folgen macht, muss endlich Schluss sein!

Atomwaffen verschrotten!


Eine solche Politik trägt letztlich auch die steigende Gefahr des Einsatzes von Atomwaffen durch die atomwaffenbesitzenden Staaten in sich. Mit dem Aufbau eines sogenannten „Raketenabwehrschildes“ in Europa, dessen Zentrale im rheinland-pfälzischen Ramstein errichtet werden soll, wird die Schwelle zum Einsatz atomarer Waffen abgesenkt.

Weltweit lagern 20.000 Atomsprengköpfe, die die Menschheit mehrfach vernichten können. Auch in Deutschland sind weiterhin Atomwaffen stationiert.

Die Ostermärsche stehen in der Tradition des Kampfes gegen die Atomkriegsgefahr.

Auch zum diesjährigen Ostermarsch fordern wir ein Ende aller Kriege, ein Ende aller militärischenDrohungen und politischen Optionen, ein Ende der Atomkriegsgefahr!

Hände weg vom Krieg gegen Iran oder Syrien. Raus aus Afghanistan! Atomwaffen abrüsten!


Auch deutsche Außenpolitik darf sich keine militärischen Optionen vorbehalten. Das verlangt dasGrundgesetz schon als unabweisbare Lehre aus der eigenen Geschichte.

Dennoch sind Aufrüstung, Kriegsvorbereitung und eine zunehmende Militarisierung deutlich zu beobachten -

Die Bundeswehr wird zur “Armee im Einsatz- umgerüstet. Statt bisher 7.000 Soldaten sollen demnächst 15.000 gleichzeitig in Kriegseinsätze geschickt werden. Der Umbauprozess und die Aussetzung der Wehrpflicht dienen nicht dem Frieden, sondern sollen die Bundeswehr für den weltweiten Einsatz rüsten.

Die Bundeswehr wirbt in aller Öffentlichkeit um Nachwuchs für ihr neues Konzept bei feierlichen Gelöbnissen, bei Messen und Stadtfesten, in Arbeitsagenturen und auch an Schulen. Auch das Kultusministerium Baden-Württemberg hat mit der Bundeswehr eine Kooperationsvereinbarung geschlossen, die der Bundeswehr einen bevorzugten Zugang zu den Schulen verschafft.

Mit Krieg und Rüstung wird Geld verdient: Deutschland hat sich Platz 3 der Rüstungsexportnationen gesichert. Auch in Baden-Württemberg sitzen die Profiteure des Krieges, allen voran Europas drittgrößter Rüstungsproduzent EADS. Über ein Dutzend Firmen im Bodenseeraum produzieren schwere Waffen. In Oberndorf widmet sich Heckler & Koch dem tödlichen Geschäft mit der Rüstung. Die dort produzierten Handwaffen, sind in nahezu jedem kriegerischen Konflikt auf dieser Erde im tödlichen Einsatz.

Kein weiterer Umbau der Bundeswehr zur Interventionsarmee.
Kein Werben fürs Sterben und fürs Töten an Schulen, Jobzentren, Messen und Volksfesten!
Umstellung der Rüstungsproduktion auf zivile Produkte. Stopp aller Rüstungsexporte!
Keine Rüstungsforschung! Zivilklausel für Hochschulen und Forschungseinrichtungen!
Statt einer Politik der militärischen Optionen brauchen wir eine Politik des gleichberechtigtenAustausches von Gütern und Ideen, der Zusammenarbeit zwischen den Staaten und Menschen, derBekämpfung von Hunger, Krankheit und Armut.

Kurz: Vernunft muss her, statt Militär.

München 1972: Von den ungeschickten Lügen zu den umfassend geplanten

Das ZDF malte das Bild einer ahnungslosen Welt von Olympia ins schöne Deutschland der siebziger Jahre, in welcher angeblich niemand von den Kriegen in Nah-Ost beunruhigt worden war. Bis die Attentäter sich mitten in der Olympia-Stadt breitmachten. Erst seitdem - so der Tenor des Films - wären wir aufgewacht und hätten alles mitbekommen.

Dass das nur für ganz Ahnungslose gelten kann, war jedem klar. Insofern marschierte der Film mit in der allgemeinen Verklärungs-Kompanie. Und zeigte nichts Unbekanntes.

Aufklärend immerhin die Geschichte der Lügen, die damals ungeschickt und zuletzt kontraproduktiv verbreitet wurden. Sie waren wirklich improvisiert und so widersprüchlich, dass sie immer eine Sekunde nach ihrer Verlautbarung aufflogen.
In dem Punkt hat die militärisch-politische Führung der BRD wirklich dazugelernt.Schon Mogadischu zeigte mit seinem total freiwilligen Stillhalte-Zwang für die Medien, wie vorherige Friedhofsruhe die beste Vorbereitung bietet für die nachfolgende Auferstehungsarie des Triumphs.

Der Artikel aus "german-foreign-policy" weist nach ein inzwischen zur Pflicht erhobenes universelles Bewusstsein, im neuen Weltkrieg zu stehen. Es hat Medien und sogar Schulen zu durchdringen.

Das ist auch die Lehre aus dem Film-Nachtrag im ZDF: Krieg gegen den Krieg auf dem Erdenrund ist sinnlos. Es kann nur darum gehen, im nächsten Bedrohungsfall besser vorbereitet zu sein.
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