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Antikriegstag 2024 am 1. September mit rund 200 Veranstaltungen

Das Netzwerk Friedenskooperative ruft zur Teilnahme an den bundesweiten Aktionen anlässlich des Antikriegstags am kommenden Sonntag, dem 1. September, auf. Neben dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen vor 85 Jahren wird auch dem 75. Geburtstag des Grundgesetzes durch die Gewerkschaften gedacht. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erinnert daher in seinem Aufruf, dass sich die Bundesrepublik mit dem Friedensgebot in ihrer Verfassung dazu verpflichtet hat, als gleichberechtigtes Mitglied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen.

Insgesamt finden in ganz Deutschland knapp 200 Veranstaltungen von Gewerkschaften und Friedensgruppen rund um den 1. September statt. Die aktuelle Weltlage ist sehr besorgniserregend, denn 2024 gibt es so viele bewaffnete Konflikte wie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr. „Ein Ende des Ukraine-Krieges auf militärischem Wege ist nicht in Sicht. Was es jetzt dringender denn je braucht, sind Verhandlungen!“ so Kristian Golla vom Netzwerk Friedenskooperative. Auch der Gaza-Krieg hat zu einer schweren humanitären Krise geführt, der seit Oktober 2023 mehr als 35.000 Todesopfer forderte, wovon die überwiegende Mehrheit Zivilist*innen und Kinder waren. „Der Antikriegstag erinnert an die schrecklichen Folgen von Krieg, Gewalt und Faschismus und lädt alle ein, ein Zeichen für Frieden, Diplomatie und ein friedliches Zusammenleben zu setzen.“, erklärt Kristian Golla weiter. Denn viele Menschen beschäftigt neben den weltweiten Kriegen und Konflikten auch die Gefährdung der Demokratie durch das Wiedererstarken von Nationalismus und Rassismus in Deutschland und weltweit.

Infoangebot des Netzwerks Friedenskooperative

Eine Übersicht über alle Termine anlässlich des Antikriegstags 2024 stellt auch in diesem Jahr das Netzwerk Friedenskooperative zur Verfügung.

Aufrufe, Redenbeiträge, Pressesplitter sowie Hintergrundinfos zur Geschichte des Antikriegstags finden sich hier.

Quelle: Pressemitteilung

Alle auf die Straße - gegen die AfD und andere Faschisten - in Ost und West

SharePic zur Kundgebung am 2. September mit dem Text: "Kundgebung 02. September - auf die Straße gegen die AfD und andere Faschisten. Zeit zu handeln!" vor dem Hintergrund einer Antifa Demo und dem Link auf zeitzuhandeln.org
SharePic zur Kundgebung am 2. September
Die AfD wird am 01.09. bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen starke Ergebnisse einfahren. Genauso bei den anderen anstehenden Wahlen in den Ostdeutschen Bundesländern. Das Ergebnis könnte Geschichte schreiben. Die Partei und mit ihr weite Teile der allgemeinen Rechten, wird ihren bisher größten Erfolg feiern, während die gesellschaftliche Linke weiterhin nicht in der Lage ist, dem etwas entgegenzusetzen oder eigene politische Gegenmacht aufzubauen.

Die Ampelkoalition arbeitet, aus parteipolitischen Gründen, durchaus gegen die AfD, die CDU schwört sich, mehr oder wenig konsequent, auf eine Brandmauer gegen „alles rechts von uns“ ein und das Bündnis Sahra Wagenknecht bleibt ohne klares Profil gegen Rechts.

Ob die AfD in Regierungsverantwortung kommt oder die „Brandmauer“ tatsächlich hält bzw. die bürgerlichen Parteien aus eigener Kraft regieren können wird sich erst noch zeigen.

Für uns steht fest: Die bürgerlichen Parteien sind Teil der Rechtsentwicklung. Die Ampel-Regierung setzt einen rechten Kurs um. Sie reagiert mit Abschiebungen, Sozialabbau und Aufrüstung im Inneren und Äußeren auf die aktuellen Krisen. Die CDU hat, all ihren Versprechen von der Brandmauer zum Trotz, längst einen rechten Kurs übernommen und nähert sich der AfD immer weiter an.

Die Stärke der Rechten zeigt sich aber nicht nur an der AfD:
Die faschistische Rechte von Identitärer Bewegung bis zum III. Weg wird zunehmend selbstbewusster und gewinnt an Stärke, ihnen gelingt es ,bis jetzt, gut die allgemeine Krise für sich zu nutzen, sich aufzubauen und „Rechts-sein“ als Gegenkultur zum vermeintlich „linken“ Mainstream zu etablieren. Auch nehmen militante Übergriffe, sowohl organisiert als auch spontan auf politische Feinde und Minderheiten immer mehr zu, so zum Beispiel in Berlin vor einigen Wochen, als eine Gruppe Antifaschist:innen von Faschisten des III. Wegs angegriffen wurden, oder zahlreiche Anfeindungen rund um den CSD in verschiedenen Städten. Besonders hier braucht es einen antifaschistischen Selbstschutz.

Den die Rechtsentwicklung findet auch, wenn nicht sogar hauptsächlich, außerhalb von Wahlkämpfen und Parlamenten statt - das weiß auch die AfD.

Wir wissen nicht, welche Dynamiken der Wahlkampf im Osten mit sich bringen wird. Übergriffe auf echte oder vermeintliche Feinde, von Seiten der Rechten, sind keine Seltenheit mehr und auch rechte Massenbewegung (wenn auch oft sehr kurzlebig) können schnell entstehen. Hier gilt es aufmerksam zu bleiben und sich auch spontan dem Kampf gegen die Faschisten anzuschließen bzw. diesen zu organisieren und durchzuführen.

Auch ist klar: Im Westen hinkt die AfD ihren Kameraden stimmen technisch noch hinterher aber die Rechtsentwicklung ist ein deutschlandweites Phänomen, dem es sich überall entgegenzustellen gilt.

Die Wahlen am ersten September sind für uns der Startschuss für eine Phase, in der wir konkret gegen Rechte vorgehen müssen. Dafür braucht es Entschlossenheit, Organisierung und langfristige Arbeit.

Einen Startschuss für antifaschistische Arbeit hier in der Region, möchten wir am 02.09., dem Tag nach der Wahl, setzen. Wir wollen hier in Stuttgart, in Verbindung und im Anschluss an direkte Proteste in Erfurt am 31.08., auch gegen AfD und Rechtsentwicklung auf die Straße gehen und klarmachen, dass wir weiterhin aktiv sein werden - 365 Tage im Jahr.

Kommt alle am 02.09. um 18.00 Uhr auf den Rotebühlplatz/ Stadtmitte. Lasst uns gemeinsam zeigen, dass wir entschlossen und bereit sind, den Faschisten entgegenzutreten.

Quelle

Kriegsverbrechen in Beer Sheva: Rede zur Demonstration „Free Palestine“ in Wuppertal am 17. August 2024

Guten Tag,

Mein Name ist Sebastian Schröder und ich bin Vertreter in der Bezirksvertretung Elberfeld-West in Wuppertal für die Partei Die Linke.

Laut offiziellen Zahlen wurden mindestens 40.000 Menschen seit Oktober durch die israelische Armee getötet. Wissenschaftliche Artikel gehen von einer weitaus höheren Opferzahlen aus (The Lancet, Juli 2024).

In Deutschland wird jede Kritik an diesem Kriegsverbrechen häufig entweder mit Diffamierung oder mit Totschweigen beantwortet.

Luftbild von Be’er Scheva
Luftbild von Be’er Scheva
Quelle: Chumchum14, Lizenz: CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons
In Wuppertal herrscht Schweigen zu einem konkreten Kriegsverbrechen, verübt von Shimon Tobol. Er war bis zum 7. Oktober stellvertretender Bürgermeister der israelischen Grossstadt Beer Sheva.

Beer Sheva ist seit 1977 israelische Partnerstadt von Wuppertal. Es war die erste Städtepartnerschaft zwischen der Bundesrepublik und Israel.

Der israelische Botschafter Ron Prosper hat am 24. Mai 2024 Wuppertal besucht. Dieser Besuch fand ohne Ankündigung statt.

Wenige Tage zuvor hat die israelische Zeitung Haaretz und im Anschluss weitere Medien über die Verbrechen von Shimon Tobol berichtet, dem ehemaligen stellvertretenden Bürgermeister von Beer Sheva.

E hat als Soldat in Hebron und Umgebung von Oktober 2023 bis Januar 2024 menschenverachtende Fotos und Kommentare auf der Internetplatform X gepostet. Auf einigen Fotos zeigt sich Tobol mit Gefangenen, die verbundene Augen haben und gefesselt sind. Tobol selbst dokumentiert die Erniedrigung gefangener palästinensischer Männer durch Zurschaustellung und äussert rassistische Beschimpfungen.

Tobol rühmt sich am 9. November (!) 2023 der Beteiligung am Tod von Anas Nasser Muhammad Abu Atwan aus Dura. Es folgt seine Drohung, auch die Familie von Abu Atwan zu töten.

Tobol ist Mitglied eines Ablegers der Partei „Degel HaTorah“, einer ultraorthodoxen Partei aus dem konservativen Spektrum.

Er äussert in seinen Posts Vernichtungsphantasien, die er religiös begründet: Zur Rechtfertigung seines Verhaltens beruft er sich auf eine zentrale Geschichte in der hebräischen Bibel, auf „Amalek“ (vgl. Deborah Feldman: Judenfetisch, München 2023, 2-. Auflage, S. 154).

Die Geschichte ruft zur Vernichtung der Amalekiner auf, um das jüdische Volk vor diesen „Todfeinden“ zu retten. Nethanjahu hat in einer TV-Ansprache Ende Oktober darauf Bezug genommen und so bewusst einen Zusammenhang zwischen den Amalekinern und den palästinensischen Menschen in Gaza hergestellt. Diese Äusserung wurde in der Völkermord-Klage von Südafrika vor dem Internationalen Gerichtshof als Beispiel für genozidale Hassrede gegen die palästinensische Bevölkerung genannt.

Das zeigt: Dies ist kein Einzelfall, es sind unzählige Verbrechen der israelischen Armee vor und seit dem 7. Oktober dokumentiert, in Gaza und im Westjordanland.

Btselem hat ausführlich über das Lager Sde Teiman berichtet, über Todesfälle und systematische Folter. Tausende palästinensische Menschen befinden sich in unbefristeter Haft ohne Rechtsgrundlage. Diese sogenannte „Administrativhaft“ gibt es nur für palästinensische Menschen, nicht für Israelis.

Die Stadtverwaltung Beer Sheva schreibt auf Nachfrage von Haaretz zum Fall Tobol lediglich, dass Shimon Tobol zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Fotos nicht mehr für sie tätig war.

Die israelische Armee weist lediglich darauf hin, dass es aus Sicherheitsgründen verboten ist, Fotos von Gefangenen zu veröffentlichen. Seit Januar 2024 postet Shimon Tobol nicht mehr, aber was macht er heute?

Ist er immer noch Soldat in der israelischen Armee?

Droht er weiter mit Folter?

Verübt er weiter Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen?

Was ist aus den verhafteten Männern geworden?

Wo sind sie eingesperrt?

Gibt es gegen sie rechtstaatliche Verfahren oder sind sie in der rassistischen Administrativhaft?

Werden sie gefoltert?

Leben sie?

Wie geht es ihren Familien?

Wir fragen die lokalen Medien: Warum wurde in Wuppertal bisher nicht über den weltweit beachteten Fall Tobol berichtet ?!

Wir fragen die politischen Parteien hier in Wuppertal: Wie stehen sie dazu, dass ein hochrangiger Lokalpolitiker einer verpartnerten Stadt stolz seine Verbrechen gegen die Menschlichkeit in aller Öffentlichkeit präsentiert ?!

Wir fragen die antifaschistische Zivilgesellschaft hier in Wuppertal: Wie könnt Ihr in Deutschland gegen die Rechten kämpfen und über die Gräueltaten der Rechten in Israel schweigen ?!

Wir verurteilen Euer Schweigen und Eure Doppelmoral!

Warum ich den Industrial Workers of the World beigetreten bin

Damals, 2004, vielleicht 2005, arbeitete ich in Portland, Oregon, als Landschaftsgärtner. Es war ein kleines Team, nur drei von uns und unser Chef. Unser Chef war im Großen und Ganzen ziemlich cool. Er hat uns nicht bis auf die Knochen geschuftet. Er war flexibel, was freie Tage anging. Er nannte mich sogar Magpie. Er bezahlte uns unter dem Tisch. Manchmal ließ er die Arbeit sausen, um surfen zu gehen. So ein Typ.

Tatsächlich sagte ich ihm nach meiner ersten Arbeitswoche: "Hey, ich werde für etwa einen Monat weggehen, um Straßen in Süd-Oregon zu blockieren, um den Verkauf von Altholz zu stoppen, und vielleicht ein bisschen Baumsitting zu betreiben. Wenn ich zurückkomme, kann ich dann meinen Job wiederhaben?", und er sagte ja, und so ging ich für einen Monat weg, und dann kam ich zurück und bekam meinen Job wieder. Eines Morgens rief er mich vor der Arbeit an und sagte: "Hey, du brauchst heute nicht zur Arbeit zu kommen, wenn du nicht willst, wir werden einen Baum fällen." Ich sagte ihm, dass ich ein Problem mit der Abholzung von altem Baumbestand habe, nicht mit dem Fällen von Bäumen, aber ich wusste seine Sorge zu schätzen.

Doch eines Tages entdeckten wir ein Problem. Wir waren zu dritt in seinem Team. Ich war noch nicht als Transsexueller unterwegs, also war ich ein Junge, ein anderer Junge und ein Mädchen. Das Mädchen war die Größte und Stärkste von uns dreien. Wir fanden heraus, dass sie 25 Cent weniger pro Stunde bekam als ich. Das würde nicht reichen. Da wir alle drei Anarchisten waren, marschierten wir zum Red & Black Cafe, wo wir einige Wobblies trafen... einige Leute von der Industrial Workers of the World. "Die anarchistische Gewerkschaft", so stand es da, obwohl das nur halb stimmt. "Die anarchistenfreundliche, auf direkte Aktionen ausgerichtete Gewerkschaft, die vor hundert Jahren von einer Kombination aus Anarchisten und Sozialisten gegründet wurde", wäre eine genauere, wenn auch wortreiche, Beschreibung.

Wir marschierten dorthin, gingen zu den Wobblies und sagten: "Wir sind 100 % unseres Arbeitsplatzes und wir sind bereit, morgen in den Streik zu treten, um gleichen Lohn für Frauen und Männer zu fordern."

Die Wobblies sahen uns an, und einer von ihnen sagte: "Ja, cool, wir haben unsere offenen Treffen für neue Mitglieder am ersten Sonntag jedes zweiten Monats, und das letzte war nächste Woche, also kommt in sieben Wochen wieder und wir werden euch anmelden."

An diesem Tag wurde ich also nicht zu einem Wackelkandidaten.

Stattdessen meldeten wir drei uns am nächsten Morgen bei der Arbeit und sagten unserem Chef: "Sie haben die Wahl. Entweder du zahlst ihr dasselbe wie Magpie, oder du hast keine Angestellten mehr."

Also bekam sie eine Gehaltserhöhung, und ich grub wieder Löcher für 10 Dollar die Stunde, und ich lernte etwas Einfaches und allgemein Wahres: Eine Gewerkschaft hat Macht.

Dann sparte ich erfolgreich genug Geld für ein Flugticket in die Niederlande, kündigte meinen Job und flog über den Ozean, um in einem besetzten Haus zu leben und zu versuchen, mich zu verlieben, was nicht gelang.

Die Geschichte der Gewerkschaften im 19. Jahrhundert in den Vereinigten Staaten ist, offen gesagt, erschreckend. Wie so oft fungierten die Gewerkschaften eher als Organisationen der weißen Vorherrschaft denn als Instrumente zur Förderung der Interessen der Arbeiterklasse. Wenn man eine Gewerkschaft hat, die nicht-weiße Arbeiter ausschließt, was bei den meisten Gewerkschaften der Fall war, dann hat man eine Organisation, deren Zweck es ist, die Machtstruktur der weißen Vorherrschaft zu erhalten. So einfach ist das.

Natürlich gab es Ausnahmen von diesem expliziten Rassismus, aber insgesamt sahen die ersten Gewerkschaften in den USA nicht gut aus.

Das Bild zeigt das Cover der Broschüre
One Big Union - Eine große Gewerkschaft, Grundlagentext zum Konzept der IWW

Erschienen: Erste Publikation im Jahre 1911.
Überarbeitet und mit einem neuen Nachwort versehen.

Klick auf das Bild führt zur Webseite der Wobblies und der Downloadmöglichkeit der Einführung in die Theorie und Praxis der IWW und ihrer Grundprinzipien als PDF Datei.
Dann, 1905, traf sich eine Gruppe von Sozialisten und Anarchisten in Chicago und gründete die Industrial Workers of the World, eine syndikalistische, antirassistische und antisexistische Gewerkschaft. Sie verbreitete sich wie ein Lauffeuer und organisierte Menschen, die von den traditionellen Gewerkschaften abgelehnt oder ignoriert worden waren - Wanderarbeiter, Landstreicher und eingewanderte Arbeiter aus den "schlechten" Teilen Europas, wie Italien und Osteuropa, sowie Menschen aus China und Mexiko.

Als ich das erste Mal von den IWW hörte, verwirrte mich der Name. Ich hatte angenommen, dass sie Arbeiter organisierten, die "industrielle" Arbeit verrichteten. Leute, die, ich weiß nicht, Metall in Öfen schmelzen oder mit Hämmern auf Dinge einschlagen. Leute, die Nitzer Ebb und Nine Inch Nails hörten, vielleicht, oder zumindest die Leute, die Nägel herstellten.
Das ist überhaupt nicht die Idee hinter der Industriegewerkschaft. "Industriell" bedeutet in diesem Zusammenhang "ganze Industrien". Dies wird mit "Trade Unionism" verglichen. In der Handelsgewerkschaft gibt es vielleicht eine Bremsergewerkschaft, eine Schaffnergewerkschaft und eine Gewerkschaft der Gleisbauer, die alle voneinander getrennt sind. In der Industriegewerkschaft ist jeder, der bei der Bahn arbeitet, in derselben großen Gewerkschaft.
Damit entfällt eines der wichtigsten Mittel, mit denen die Chefs die Gewerkschaft brechen können. Sie können nicht mehr getrennt mit den Schaffnern verhandeln und somit deren Interessen gegen die der Bremser ausspielen.

Der Antirassismus und Antisexismus der IWW diente dazu, eine andere Art der Spaltung der Arbeiterklasse zu verhindern: Die Vorherrschaft der Weißen war lange Zeit eines der wirksamsten Mittel des Kapitalismus gegen die Arbeiterklasse, und immer wenn weiße Arbeiter streikten, holten die Bosse schwarze (oder chinesische oder mexikanische, je nach Region des Landes) Streikbrecher und schürten einen kleinen Ethnienkrieg.
Infolge der Organisierung durch die IWW gab es Orte wie die Docks in Philadelphia, wo sich in den 1910er Jahren schwarze und weiße Langarbeiter gemeinsam organisierten. Alle, die auf den Docks arbeiteten, organisierten sich gemeinsam, von denen, die auf den Tiefseedocks arbeiteten (die früher am besten bezahlt wurden) bis hin zu den Feuerwehrleuten des Docks, alle in Local 8 der IWW. Sie waren demokratisch, scheuten sich nicht vor direkten Aktionen und verbesserten ihr eigenes Leben durch die gemeinsame Arbeit erheblich.

Die Geschichte der Gewerkschaftsbewegung des 19. Jahrhunderts in Amerika ist peinlich, weil die Gewerkschaften in erster Linie als Vertreter der weißen Vorherrschaft fungierten. Die Gewerkschaftsbewegung in der Mitte des 20. Jahrhunderts hat keinen viel besseren Ruf, weil die Gewerkschaften, sobald sie sich etabliert hatten, zu einer eigenen Machtstruktur wurden, die für ihre eigene Korruption anfällig war. Ihre Verbindungen zum organisierten Verbrechen wurden immer enger, und einige machten sogar gemeinsame Sache mit den Bossen. Trotz der Korruption war ein gewerkschaftlich organisierter Arbeitsplatz immer besser für den Arbeitnehmer als ein nicht gewerkschaftlich organisierter Arbeitsplatz, und viele der großen Gewerkschaften haben schließlich ihre eigene Korruption ausgemerzt. Dennoch hebt sich die Arbeit der IWW zu Beginn des 20. Jahrhunderts leuchtend von der Mehrheit der gewerkschaftlichen Organisierung ab, die davor und danach stattfand.

Die Wobblies waren und sind Menschen, die kein Interesse am Aufbau korrumpierbarer Strukturen hatten, die keine Angst vor dem eigentlichen Kampf hatten und haben.
Bei meinen Recherchen für meinen Geschichtspodcast kamen die IWW immer wieder zur Sprache. Einiges davon war mir bekannt, wie z. B. die Kämpfe um die Meinungsfreiheit im Westen, wo Landstreicher zu Hunderten und Tausenden auftauchten, um verhaftet zu werden, weil sie sich in Boomtowns organisierten und ins Gefängnis geworfen wurden, bis die Stadt sie schließlich alle freilassen und die Meinungsfreiheit wieder zulassen musste. Bei diesen Kämpfen starben Menschen, weil sie in den Gefängnissen misshandelt wurden. Andere wurden von rechtsgerichteten Mobs angegriffen und gefoltert. Aber sie gewannen.

Ein anderes Mal tauchten die IWW bei meinen Recherchen an Stellen auf, an denen ich sie überhaupt nicht erwartet hatte. Zum Beispiel, wie einflussreich sie in der mexikanischen Revolution waren: Kurz vor der mexikanischen Revolution inszenierte eine massive anarchistische Fraktion, die sich ironischerweise "Liberale Partei" nannte und zum Teil von einem indigenen Anarchisten namens Ricardo Flores Magón angeführt wurde, bewaffnete Aufstände im ganzen Land. Am Ende brachen diese Aufstände zusammen, aber sie ebneten innerhalb weniger Jahre den Weg für eine liberalere Revolution. Ein großer Teil der Organisation dieser Revolutionen fand in den USA jenseits der Grenze statt und wurde von den multirassischen, internationalen IWW geleistet, die sich damals stark für die Organisierung von eingewanderten und mexikanischen Minenarbeitern engagierten. Das bedeutet, dass deutsche Anarchisten mit dem Gewehr in der Hand neben ihren mexikanischen Kollegen stehen und für die Befreiung Mexikos von der Unterdrückung kämpfen, was ein cooles Bild ist.

Manchmal reichten die Fäden, die zu den IWW zurückführten, länger. Die Gründung der IWW hat den Lauf der Geschichte in der ganzen Welt entscheidend verändert. Ihre Ideen waren revolutionär, und zwar nicht nur, weil sie für die Revolution eintraten, sondern weil sie revolutionierten, was Gewerkschaftsarbeit sein konnte. Sie brachten die Ideen des Syndikalismus in den Vordergrund, und überall auf der Welt begannen die Menschen, sich entlang der Linien von Industriegewerkschaftern und Syndikalisten - oft Anarchosyndikalisten - zu organisieren.

Ich kann zum Beispiel eine direkte Linie von der schwarzen und indigenen Anarchistin Lucy Parsons, einer der Gründerinnen der IWW, zu der Art und Weise ziehen, wie die Anarchosyndikalisten in den 1920er Jahren in Deutschland Hunderte oder Tausende von unterirdischen Abtreibungskliniken errichteten, in denen Millionen von Abtreibungen vorgenommen wurden. Ich kann eine Linie von Lucy Parsons zu dem deutschen Anarcho-Syndikalisten Rudolph Rocker ziehen, der in den 1910er Jahren für einige Jahre nach England ging und dort irische und jüdische Arbeitsmigranten zusammenbrachte. Da die irischen Hafenarbeiter gestreikt hatten, schickten sie ihre Kinder zu den jüdischen Schneidern, um sie zu ernähren. Als die britischen Faschisten in den 1930er Jahren versuchten, die Iren gegen die Juden aufzuhetzen, wollten die Iren nichts davon wissen, und gemeinsam schlugen die Juden und die Iren die Faschisten in der Schlacht in der CableStreet vernichtend, was der faschistischen Organisation auf der Straße im England der 1930er Jahre den Todesstoß versetzte. Ich kann mir das ansehen und sagen: "Das geschah, weil eine Frau namens Lucy Parsons in den Vereinigten Staaten in die Sklaverei hineingeboren wurde und nach ihrer Befreiung ihr Leben der Entwicklung von Strategien widmete, mit denen wir alle nicht nur von der Sklaverei, sondern auch vom Kapitalismus befreit werden können."

Ich fand mehr und mehr dieser Themen. Die IWW tauchten immer wieder an den unwahrscheinlichsten Orten auf.
Vor ein paar Wochen, als ich über die Gewerkschaft Local 8 in Philadelphia recherchierte, beschloss ich, dass ich ein Heuchler wäre, wenn ich nicht beitreten würde, und ich trat den IWW bei.

Die erste Blütezeit der IWW brach während der ersten Roten Panik 1917 oder so zusammen, als Anarchisten und Wobblies massenweise verhaftet oder deportiert wurden. Die Gewerkschaft hielt sich wacker, aber die politische Landschaft Amerikas wurde für immer verändert. Einer der Kerngedanken der IWW war es, die Arbeiter auch entlang linker ideologischer Linien zu vereinen, aber nach dem russischen Bürgerkrieg, als die Bolschewiki ihre linken Mitstreiter zerschlugen, wurde die Vorstellung, was es bedeutet, ein Linker, Kommunist oder Sozialist zu sein, ebenfalls für immer verändert. Die Bolschewiki hielten nicht viel von den IWW, da sie zu demokratisch und zu schwer zu beeinflussen waren, und unterstützten stattdessen die liberaleren Gewerkschaften, da diese leichter zu kontrollieren waren.

Der Stern der IWW ging unter. Die liberaleren Gewerkschaften beanspruchten einen größeren Anteil der Arbeiterklasse für sich. Mit der Zeit wurden diese Gewerkschaften natürlich auch rassenübergreifend, und es war immer noch besser, einen gewerkschaftlichen Arbeitsplatz zu haben als einen nicht gewerkschaftlichen Arbeitsplatz.

Die IWW sind jedoch nie verschwunden. Ich weiß weniger über ihr Wiederaufleben, aber ich weiß, dass sie stattgefunden hat, und seit Jahrzehnten beobachte ich, wie die IWW Dinge erreichen, die ich nie für möglich gehalten hätte. Die vielleicht beeindruckendste Errungenschaft der IWW ist das IWOC, das "Incarcerated Workers Organizing Committee". Die IWW organisieren die Gefängnisarbeit. Und das ist keine Sache von oben nach unten... die Gefangenen selbst organisieren sich drinnen, während die Organisatoren draußen ihre Unterstützung anbieten.

Ich bin ein Freiberufler ohne eine traditionelle Belegschaft, aber die FJU, die Gewerkschaft der freien Journalisten, vertritt, nun ja, freie Journalisten. Sie kämpft, oft erfolgreich, für die Auszahlung nicht gezahlter Löhne. Sie arbeitet an der Festlegung von Standards für Medien, die Freiberufler veröffentlichen.

Um ehrlich zu sein, brauche ich selbst keine Gewerkschaft. Meine Kunden sind in der Regel selbst ziemlich radikal und bezahlen mich pünktlich und so gut sie können. Es ist immer schön, wenn Menschen hinter einem stehen, und ich bin froh, dass ich jetzt diese große, horizontale Organisation an meiner Seite habe, aber ich bin den IWW nicht wegen mir beigetreten. Ich bin beigetreten, weil ich an ihre Mission glaube - die Arbeiterklasse zu organisieren, um ihre eigenen Bedingungen zu verbessern und schließlich die Lohnarbeit ganz abzuschaffen. Ich bin beigetreten, weil ich an die Arbeit glaube, die sie leisten, indem sie traditionelle und nicht-traditionelle Arbeitsplätze gleichermaßen organisieren.

Und ja, es war immer noch ärgerlich, dass vor 20 Jahren die ersten Wobblies, die ich kennenlernte, nicht gerade auf der Höhe der Zeit waren. Ich bin froh, dass ich gelernt habe, dass direkte Aktionen wichtiger sind als institutioneller Rückhalt. Aber was wäre, wenn unser Chef gesagt hätte: "Gut, ihr seid alle gefeuert." Was dann? Hätten wir drei dann die nötige Erfahrung gehabt, um eine Beschwerde einzureichen, oder den nötigen Rückhalt, um Druck auf ihn auszuüben, damit er uns unseren nicht gezahlten Lohn auszahlt? (Die Antwort auf beide Fragen ist nein.)

Die IWW scheint eine unvollkommene Organisation zu sein, und sie ist derzeit nicht auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Aber sie erlebt ein Wiederaufleben, und sie ist notwendiger denn je. Immer mehr Menschen arbeiten an nicht-traditionellen Arbeitsplätzen, und es braucht eine flexible, kämpferische Gewerkschaft, um die Menschen zu organisieren, die von den traditionellen Gewerkschaften ignoriert werden.

Also bin ich den Wobblies beigetreten. Das kannst du auch. Wenn du dich anmeldest und deinen Beitrag bezahlst (der je nach Einkommen gestaffelt ist), wird sich jemand mit dir in Verbindung setzen, um mit dir darüber zu sprechen, was auf lokaler Ebene passiert und wie du dich engagieren kannst.

Die Präambel der IWW-Satzung wurde von Thomas Hagerty verfasst, einem katholischen Wanderprediger, der wegen seiner politischen Aktivitäten aus der Kirche geworfen wurde und als Mystiker auf den Straßen Chicagos landete. Wie könnte ich es nicht lieben?

"Die Arbeiterklasse und die Klasse der Ausbeuter haben nichts gemeinsam.

Es kann keinen Frieden geben, solange Hunger und Not unter Millionen von Arbeitern herrschen und die wenigen, die die Ausbeuterklasse bilden, über alle Güter des Lebens verfügen.

Zwischen diesen beiden Klassen muss ein Kampf geführt werden, bis sich die Arbeiter der Welt als Klasse organisieren, die Produktionsmittel in Besitz nehmen, das Lohnsystem abschaffen und in Harmonie mit der Erde leben.

Wir stellen fest, dass die Zentralisierung der Verwaltung der Industrien in immer weniger Händen die Gewerkschaften unfähig macht, mit der immer größer werdenden Macht der Ausbeuterklasse fertig zu werden.

Die Gewerkschaften fördern einen Zustand, der es ermöglicht, eine Gruppe von Arbeitnehmern gegen eine andere Gruppe von Arbeitnehmern in derselben Branche auszuspielen und so dazu beizutragen, sich gegenseitig in Lohnkriegen zu besiegen.

Darüber hinaus helfen die Gewerkschaften der Ausbeuterklasse, die Arbeiter in dem Glauben zu lassen, dass die Arbeiterklasse gemeinsame Interessen mit ihren Ausbeutern hat.

Diese Verhältnisse können nur durch eine Organisation geändert und die Interessen der Arbeiterklasse gewahrt werden, die so beschaffen ist, dass alle ihre Mitglieder in einem Industriezweig oder, falls erforderlich, in allen Industriezweigen die Arbeit niederlegen, wenn in irgendeiner Abteilung ein Streik oder eine Aussperrung stattfindet, so dass die Schädigung eines Einzelnen eine Schädigung aller ist.

Anstelle des konservativen Mottos "Gerechter Tageslohn für gerechte Arbeit" müssen wir die revolutionäre Losung auf unsere Fahne schreiben: "Abschaffung des Lohnsystems".

Es ist die historische Aufgabe der Arbeiterklasse, den Kapitalismus abzuschaffen.

Die Armee der Produktion muss organisiert werden, nicht nur für den täglichen Kampf mit den Kapitalisten, sondern auch um die Produktion fortzuführen, wenn der Kapitalismus gestürzt ist.

Indem wir uns industriell organisieren, bilden wir die Struktur der neuen Gesellschaft innerhalb der Schale der alten."

Margaret Killjoy, Birds Before the Storm, 14. August 2024

Übersetzung mit freundlicher Genehmigung: Thomas Trueten

Links:

Industrial Workers of the World (IWW) im deutschsprachigen Raum

"Wir haben alles verloren, und wofür?": Die Wut der Palästinenser auf die Hamas wächst, während sich der Krieg hinzieht

Die Palästinenser in Gaza sind bereit, einen Preis für ihre Befreiung zu zahlen, aber viele stellen die Gründe und die mangelnde Voraussicht hinter dem Angriff der Hamas am 7. Oktober in Frage.

Ein Junge sitzt weinend neben einer toten Person, die eingehüllt in ein Leichentuch neben im auf dem Boden liegt.
Im Nasser-Krankenhaus trauern Palästinenser um ihre Angehörigen, die zuvor bei einem israelischen Luftangriff in Khan Yunis getötet wurden

Khan Yunis, 9. November 2023
Foto: © / Mohammed Zaanoun / ActiveStills Collective
Zehn lange und zermürbende Monate lang wurden die Palästinenser im Gazastreifen mit einem Völkermord allein gelassen. Wir Bewohner des Gazastreifens mussten die Folgen von Entscheidungen ertragen, die wir nicht zu verantworten hatten, und haben schwere Entbehrungen auf uns genommen, an die sich die Welt gewöhnt hat und die sie weitgehend vergessen hat.

Zweifellos ist die Hauptursache für unser Elend Israel - ein Besatzer- und Apartheidstaat, dessen Soldaten mit brutaler Gleichgültigkeit töten und der seit 1948 versucht, die Palästinenser auszulöschen. Aber wir müssen auch die Rolle berücksichtigen, die palästinensische Gruppierungen bei unserem anhaltenden Leiden spielen.

In den letzten zehn Monaten ist deutlich geworden, dass die palästinensische Führung - sowohl die Fatah als auch die Hamas - die Bevölkerung ohne jegliche Voraussicht oder einen kohärenten Plan im Stich gelassen hat. Während die Bewohner des Gazastreifens unter unerbittlichem israelischem Bombardement stehen und keinen sicheren Ort haben, an den sie sich wenden können, entzieht sich die Hamas ihrer Verantwortung, die Bevölkerung zu schützen, und die Fatah ist nirgendwo zu finden.

Je länger sich der Krieg hinzieht, desto mehr Palästinenser in Gaza lehnen die Hamas öffentlich ab oder kritisieren sie. Viele werfen der Hamas vor, die Heftigkeit der israelischen Reaktion auf die Angriffe vom 7. Oktober nicht vorhergesehen zu haben, und machen die Gruppe mitverantwortlich für die schlimmen Folgen, die sie nun zu tragen hat.

Für den palästinensischen Journalisten Ahmed Hadi (dessen Name aus Sicherheitsgründen geändert wurde, ebenso wie der aller in diesem Artikel Befragten) war der 7. Oktober "eine verrückte Entscheidung für uns als Gazaner". Der Angriff und insbesondere "die Tötung und Gefangennahme von Israelis, von denen einige Zivilisten und keine Soldaten waren, hatte leider eine kontraproduktive Wirkung auf uns. Er verschaffte Israel weltweite Sympathie und lieferte ihm eine Rechtfertigung, einen brutalen Krieg gegen den Gazastreifen zu führen".

Die Hamas, so Hadi, "hat nicht bedacht, welche Auswirkungen Israels Reaktion auf die palästinensische Zivilbevölkerung haben würde. Sie trat in den Krieg ein, ohne Nahrung, Wasser oder das Lebensnotwendige zu sichern. Einen Monat nach Kriegsbeginn begannen wir bereits zu hungern und krank zu werden".

Trotz der weit verbreiteten Wut auf die Hamas-Führung machen die Menschen im Gazastreifen nicht die jungen Widerstandskämpfer selbst verantwortlich, sondern erkennen an, dass auch sie Teil der Bevölkerung sind, die in den Krieg gezwungen wurde. "Wir sind stolz auf den Widerstand und seine Opfer, aber für mich ist der Widerstand Teil des Volkes - sie sind die gleichen, die leiden und in diesen Krieg gezwungen wurden", sagte Hadi. "Wir können nicht schweigen [und müssen] unsere Führer wie Sinwar kritisieren, aber wir können auch nicht zulassen, dass die israelischen Streitkräfte uns einfach umbringen."

Kann denn niemand diesen Wahnsinn stoppen?

In der weit verbreiteten, aber schwindenden Medienberichterstattung über den israelischen Angriff wurden die Palästinenser im Gazastreifen oft auf zwei Arten dargestellt. In der ersten werden die Bewohner des Gazastreifens so dargestellt, als ob sie alle irgendwie mit der Hamas verbunden wären oder zumindest teilweise für die Angriffe vom 7. Oktober und den Ausbruch des derzeitigen Krieges verantwortlich gemacht würden. Dabei wird verkannt, dass die Palästinenser sowohl im Gazastreifen als auch im Westjordanland nicht das Recht haben, ihre Regierung zu wählen, und dass die Entscheidungen, die ihr Leben betreffen, von einer palästinensischen Führung diktiert werden, die von der Realität des Krieges in Gaza abgekoppelt ist, und von einer israelischen Regierung, die die palästinensische Existenz auslöschen will.

Die zweite Perspektive verurteilt Israel zu Recht für seine brutale Militärkampagne, stellt die Palästinenser jedoch als unerschöpflich widerstandsfähig dar. Auch diese Sichtweise verkennt unsere Menschlichkeit und stellt uns als Menschen dar, die unendliches Leid ertragen können und bereit sind, für die palästinensische Sache jedes erdenkliche Opfer zu bringen.

Adel Sultan ist 62 Jahre alt und stammt aus dem Viertel Sheikh Radwan in Gaza-Stadt. Mit dem Magazin +972 sprach er über seinen verzweifelten Wunsch nach einem Ende des Krieges. "Retten Sie diejenigen von uns, die noch leben, beenden Sie den Krieg und geben Sie uns eine Chance, uns zu erholen", rief er aus. "Wir erkennen uns selbst nicht mehr, unsere Gesichter haben sich durch den Krieg, der uns verzehrt, verändert."

Sultan brachte seine Frustration über die palästinensische Führung zum Ausdruck und forderte sie auf, mit der israelischen Regierung von Benjamin Netanjahu dringend einen Waffenstillstand zu vereinbaren. "Diejenigen, die ihn begonnen haben, sollten ihn beenden. Wo sind unsere Führer? Sie sollen sich mit der Besatzungsregierung zusammensetzen und den Krieg beenden, bevor er uns beendet, wie Netanjahu es will."

Anfang November wurde Sultan am Bein verletzt, als ein israelischer Luftangriff das Haus seines Nachbarn traf. Da er im Al-Shifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt nicht behandelt werden konnte, das nach dem israelischen Angriff bereits seinen Betrieb einstellen musste, nutzte Sultan die Gelegenheit der einwöchigen Waffenruhe Ende des Monats, um in den Süden zu fliehen. Es gelang ihm, das Krankenhaus der Märtyrer von Al-Aqsa im Flüchtlingslager Al-Maghazi im Zentrum des Gazastreifens zu erreichen.

Sultan hoffte, dass die vorübergehende Waffenruhe zu einem vollständigen Waffenstillstand führen würde, so dass er wieder mit seiner Familie vereint werden könnte: Seine Frau und ein Sohn saßen in der Türkei fest, wohin sie vor dem Krieg zur medizinischen Behandlung gereist waren, während sein anderer Sohn mit seiner Familie im nördlichen Gazastreifen geblieben war. Doch Sultan ist immer noch von seiner Familie getrennt und zieht allein von einem Ort zum anderen, ständig bedroht vom Tod. Zurzeit lebt er in einem Zelt im Westen Rafahs.

"Ich bin erschöpft. Ich habe nichts mehr, woran ich mich festhalten kann, kein Zuhause, in das ich zurückkehren kann", sagte er +972 mit Tränen in den Augen. "Jede Nacht werde ich fast verrückt. Warum ist das passiert? Was war das Ergebnis der Hamas-Aktionen am 7. Oktober? Warum wurden wir allein gelassen? Wo sind die arabischen und muslimischen Nationen? Ist es logisch, unser Leben einer Evakuierungsaufforderung zu überlassen? Wohin sollen wir gehen, und an wen sollen wir uns wenden? Kann denn niemand diesen Wahnsinn stoppen?"

Ich habe das Recht zu sprechen. Oder sollen wir schweigend sterben?

Palästinenser eilen zur Rettung von Verletzten unmittelbar nach einem israelischen Luftangriff auf das Haus der Familie Salah im Gebiet Al-Batn Al-Thameen in Khan Yunis, südlicher Gazastreifen, 7. Dezember 2023.
Palästinenser eilen zur Rettung von Verletzten unmittelbar nach einem israelischen Luftangriff auf das Haus der Familie Salah im Gebiet Al-Batn Al-Thameen in Khan Yunis, südlicher Gazastreifen, 7. Dezember 2023.

Foto: © / Mohammed Zaanoun / ActiveStills Collective
Viele Palästinenser in Gaza verstehen den von der Hamas angeführten Angriff vom 7. Oktober als Ergebnis der jahrzehntelangen israelischen Besatzung und der anhaltenden Belagerung des Streifens. Sie haben volles Verständnis für das Konzept des persönlichen Opfers für das Ziel der nationalen Befreiung. Dennoch werfen sie der Hamas mangelnde Vorbereitung auf den Angriff vor und lehnen es ab, ohne erkennbaren Nutzen zu leiden.

Neben der mangelnden Vorbereitung auf die israelische Reaktion kritisieren die Gazaner die Hamas-Führung auch für das Fehlen einer klaren Nachkriegsvision für die Zukunft des Streifens. "Wir wollen, dass einer der palästinensischen Führer uns sagt, wohin wir gehen", sagte Dana Khalid, ein 19-jähriger Universitätsstudent, der in einem Zelt in Az-Zawayda in der Nähe der zentralen Stadt Deir el-Balah untergebracht ist, gegenüber +972. "Gibt es noch eine Zukunft für uns? Was will [der Führer der Hamas in Gaza, Yahya] Sinwar erreichen? Wo ist er?"

"Warum ist der 7. Oktober passiert?", fragte Mohammed Adnan, ein 27-jähriger Palästinenser, dessen Schreinerei im Februar zerstört wurde, als israelische Truppen in das Zeitoun-Viertel von Gaza-Stadt eindrangen. "Natürlich gibt es keine Rechtfertigung für das, was Israel tut, und wir sind alle gegen Israel. Wir alle unterstützen die Entscheidung, für Befreiung und Freiheit zu kämpfen, aber es muss eine gut durchdachte Entscheidung sein.

"Wenn ich meine Meinung äußere, halten mich die Leute für einen Verräter, dem die Opfer meines Volkes egal sind", so Adnan, der jetzt im Viertel Al-Rimal in Gaza-Stadt lebt. "Ich gehöre zu dem Volk, das leidet; ich gehöre zu den vielen Hungernden, die im Norden übrig geblieben sind. Ich habe das Recht zu sprechen. Oder sollen wir schweigend sterben?

"Wenn das Ergebnis des Krieges die vollständige Freiheit der Palästinenser ist, sind mir mein Leben und mein Zuhause egal. Aber wenn es weniger als das ist, dann ist die Entscheidung, in den Krieg zu ziehen, absurd.

Diese Ansichten spiegeln sich in einer aktuellen Umfrage des Institute for Social and Economic Progress, einer unabhängigen palästinensischen Forschungsorganisation, wider. Der Studie zufolge wollen weniger als 5 Prozent der Palästinenser in Gaza, dass die Hamas in einer Übergangsregierung nach dem Krieg regiert, und eine Mehrheit erwartet, dass die von der Fatah kontrollierte Palästinensische Autonomiebehörde den Streifen übernimmt. Fast 85 Prozent der Bewohner des Gazastreifens sind gegen Sinwar, und nur etwas weniger sind gegen den politischen Führer der Hamas, Ismail Haniyeh, der letzte Woche in Teheran von Israel ermordet wurde.

Angesichts dieser wachsenden Unbeliebtheit hat die Hamas versucht, ihre Kritiker zum Schweigen zu bringen, wobei Berichte über Angriffe und Schläge die öffentliche Unzufriedenheit nur noch weiter angeheizt haben. Am 8. Juli griff eine Gruppe maskierter Männer, die behaupteten, zu den Sicherheitskräften der Hamas zu gehören, Amin Abed an, einen palästinensischen Aktivisten und bekannten Kritiker der Hamas, der die Anschläge vom 7. Oktober offen abgelehnt hat.

Abed berichtete den Medien, dass er aus seiner Wohnung in ein teilweise zerstörtes Gebäude gebracht und dort geschlagen wurde. Der Führer der Gruppe wies Abeds Angreifer an, ihm die Finger zu brechen, um ihn daran zu hindern, weiterhin öffentlich gegen die Hamas zu schreiben. Während die Fatah den "eklatanten Angriff" auf Abed verurteilte, hat die Hamas noch nicht auf diese Anschuldigungen reagiert.

Mangel an Optionen bedeutet nicht Unverwüstlichkeit

Die Hamas und ihre Anhänger haben lange Zeit behauptet, dass die Gruppe den Rückhalt der palästinensischen Bevölkerung im Kampf gegen Israel hat. Dies ist jedoch eine Verzerrung der Realität und eine Ausflucht vor ihrer moralischen und nationalen Verantwortung gegenüber ihrem Volk.

Das Foto zeigt eine weinende Frau, die die Hände vor das Gesicht  hält
Khan Yunis, 28. Juli 2024
Foto: © / Wahaj Bani Moufleh / ActiveStills Collective
Wie Adnan, der Schreiner, gegenüber +972 sagte: "Alle haben uns in Ruhe gelassen; alle wollen, dass wir als Helden erscheinen, die nicht müde werden und nicht hungern. Aber niemand weiß, dass ich Hunger habe, dass ich mich nach sauberem Wasser sehne. Echte Resilienz bedeutet, Menschen vor dem Tod zu bewahren, den Zusammenbruch der inneren Ordnung und der Institutionen zu verhindern und das Schlachtfeld nicht der kriminellen israelischen Armee zu überlassen.

Ende Juni postete Motaz Azaizeh, ein einflussreicher 24-jähriger palästinensischer Journalist, der den Gazastreifen nach 108 Tagen der Berichterstattung über den Krieg verlassen hat, auf Facebook: "Mangel an Optionen bedeutet nicht Widerstandsfähigkeit". Seine direkte Darstellung der harten Realität im Gazastreifen, ohne die Opfer und den Schmerz zu verherrlichen, rief bei einigen Kritik hervor - viele von ihnen waren außerhalb des Gazastreifens und haben nie das Leben in einem Zelt erlebt oder die Angst und Sorge einer Zwangsevakuierung und der Trennung von geliebten Menschen durchlebt. Aber Azaizeh hat Recht: Die Menschen im Gazastreifen sitzen in der Falle und ertragen das Elend, weil sie keine andere Wahl haben.

In einem weiteren Beitrag, der Ende Juli veröffentlicht wurde, kritisierte Azaizeh die palästinensische Führung. "Was ich bei jedem Politiker sehe, ist, dass er zuerst für sich selbst wirbt und dann über Gaza spricht", schrieb er. "Selbst nach der Vernichtung des Gazastreifens und seiner Bewohner wurden mehr als 40.000 Menschen getötet, und fast 100.000 Menschen verließen den Streifen während des Krieges und noch mehr davor! Sie stellen zuerst ihre Interessen dar, dann reden sie über uns, und damit meine ich nicht eine Partei oder eine Gruppe, sondern alle.

Jeder kümmert sich um die Regierungsführung und den "Tag danach" für Gaza, aber sie reden nicht viel über das Blut, das jetzt, gestern und morgen vergossen wird", so Azaizeh weiter. "Unsere Sache steht am Abgrund. Wir brauchen niemanden, der die Interessen seiner Partei und sich selbst an die erste Stelle setzt und dann an sein Volk denkt. Dies ist meine persönliche Meinung, es liegt an Ihnen, ihr zuzustimmen oder sie abzulehnen; alle, die jetzt vor Ort sind, können ihre Interessen nicht aufgeben, um das Blutvergießen zu beenden. Dieser Krieg ist kein Befreiungskrieg, wie manche glauben."

Selbst diejenigen, die dem Krieg entkommen sind, sind draußen nicht sicher. Mahmoud Nazmi, 38, gab sein gesamtes Geld aus , um mit seiner Familie aus dem Gazastreifen zu fliehen und so zu überleben. "Warum müssen wir immer lügen?", fragte er. "Warum müssen wir ein Bild präsentieren, das der palästinensischen Führung gefällt, und das auf Kosten unseres Todes und unseres monatelangen Leidens ohne Gnade? Es macht keinen Sinn zu sagen, wir seien widerstandsfähig, während wir unter dem erdrückenden Absatz der israelischen Hybris stehen. Wir haben alles verloren, und wozu?"

Ende Juli unterzeichneten die palästinensischen Fraktionen, darunter die Hamas und die Fatah, unter chinesischer Vermittlung ein Abkommen über die Bildung einer Regierung der "nationalen Einheit" für den Gazastreifen nach Beendigung des Krieges. Zuvor hatte es seit dem Bürgerkrieg im Gazastreifen 2007 mehrere Versuche gegeben, die Kluft zwischen Hamas und Fatah zu überbrücken, ohne dass eine Einigung erzielt werden konnte.

Doch selbst diese scheinbar positive Entwicklung hat die Frustration der Bewohner nur noch vergrößert. Viele Bewohner des Gazastreifens sehen in der Fokussierung auf die Regierungsführung nach dem Krieg eine Missachtung ihres unmittelbaren Leids und eine verpasste Gelegenheit, der Beendigung des Krieges Vorrang einzuräumen - womit einmal mehr die Interessen der Führer über die der Bevölkerung gestellt werden.

Wir Palästinenser müssen über all das nachdenken, was wir in den letzten 10 Monaten durchgemacht haben. Wir müssen uns ehrlich fragen: Was wollen die palästinensischen Führer wirklich? Und was sind wir bereit zu opfern?

Die Menschen im Gazastreifen verdienen es, in Würde und Sicherheit zu leben und eine strahlende Zukunft ohne Krieg und Zerstörung zu sehen. Wir brauchen klare Antworten von unseren palästinensischen Unterhändlern. Sie müssen der Beendigung des Krieges Vorrang vor allem anderen einräumen, um der Mütter, Väter und Kinder willen - einer ganzen Generation, die am Rande der Vernichtung steht.

+972 hat Taher al-Nono, einen Medienberater der Hamas, der sich derzeit in Katar aufhält, gebeten, auf die Kritik der Gaza-Bewohner an der Kriegsführung der Hamas und an der Entscheidung für den Angriff vom 7. Oktober zu reagieren, aber er hat auf unsere Anfrage nicht geantwortet.

Von Mahmoud Mushtaha 6. August 2024

Mahmoud Mushtaha ist ein freiberuflicher Journalist und Menschenrechtsaktivist aus Gaza, der derzeit in Kairo lebt.

Quelle: +972magazine

Übersetzung [nicht authorisiert]: Thomas Trueten

Blogkino: La Grande Illusion (1937)

Heute zeigen wir im Blogkino den Spielfilm "La Grande Illusion" von Jean Renoir mit Jean Gabin und Erich von Stroheim in den Hauptrollen. "Erster Weltkrieg: Der französische Jagdflieger Maréchal und der Stabsoffizier de Boeldieu werden auf einem Aufklärungsflug von dem deutschen Jagdflieger Rittmeister von Rauffenstein abgeschossen und geraten in Kriegsgefangenschaft auf dessen Fliegerhorst. Im ersten Gefangenenlager beteiligen sie sich am heimlichen Bau eines unterirdischen Tunnels. Dabei lernen sie Rosenthal kennen, der die Gruppe mit köstlichen Konserven versorgt, die seine wohlhabenden Verwandten ihm schicken. Sie üben eine Farce im Boulevardstil ein; als während der Aufführung die Nachricht eintrifft, Fort Douaumont sei zurückerobert worden, stimmt Maréchal die Marseillaise an und wird dafür mit Einzelhaft bestraft. Die Isolation in der Zelle lässt ihn fast den Verstand verlieren.

Boeldieu, Maréchal und Rosenthal werden verlegt, bevor sie den Tunnel nutzen können. Nach etlichen weiteren Lagern und Fluchtversuchen werden sie und weitere Gefangene in eine als ausbruchssicher geltende süddeutsche Festung verbracht. Rauffenstein, der inzwischen selbst abgeschossen und schwer verwundet wurde, fungiert als Kommandant des Gefangenenlagers - was der alte Kämpfer als Demütigung empfindet. Zwischen Boeldieu und Rauffenstein entwickelt sich eine ungewöhnliche Freundschaft. In ausgedehnten Gesprächen beklagt Rauffenstein das Ende der alten, von ihm als glanzvoll verklärten Zeiten, während Boeldieu sich auf die Zukunft einzustellen versucht.

Ein erneuter Ausbruchsversuch erfolgt arbeitsteilig: Maréchal und Rosenthal sollen sich abseilen, während Boeldieu, auf einer Piccoloflöte spielend und in den Felsen umherkletternd, die Wachmannschaften und Rauffenstein ablenkt. Rauffenstein, der Boeldieus Verhalten als Fluchtversuch fehlinterpretiert, zielt auf dessen Knie, trifft ihn aber im Bauch. Als er von der Flucht der beiden Franzosen erfährt, versteht er Boeldieus Verhalten. Dieser stirbt kurz darauf, betrauert von seinem ritterlichen Freund, der sich den Todesschuss nicht verzeihen kann. Maréchal und Rosenthal gelingt die Flucht, und sie finden Unterschlupf bei einer deutschen Bäuerin, deren Mann im Krieg gefallen ist. Die beiden erholen sich bei der Bäuerin und ihrer kleinen Tochter von den Strapazen der Flucht. Maréchal und die Bäuerin verlieben sich ineinander. Maréchal verspricht ihr, nach dem Krieg zurückzukommen und sie zu sich nach Frankreich zu holen. Eine Grenzpatrouille spürt die beiden erst auf, als sie über die Grenze in die sichere Schweiz entkommen sind. Eine einzige abgefeuerte Salve trifft sie nicht, weil die Grenzsoldaten absichtlich danebenschießen. (...)"
(WikiPedia)


"Joseph Goebbels sorgte dafür, dass die Kopie des Films zu den ersten Dingen gehörte, die die Deutschen bei der Besetzung Frankreichs beschlagnahmten. Er bezeichnete Renoir als "cinematischen Staatsfeind Nummer 1". Lange Zeit ging man davon aus, dass der Film 1942 bei einem alliierten Luftangriff zerstört worden war. Tatsächlich aber hatte ein deutscher Filmarchivar namens Frank Hansel, damals Nazi-Offizier in Paris, den Film nach Berlin zurückgeschmuggelt. Als die Russen 1945 in Berlin einmarschierten, fand der Film seinen Weg in ein Archiv in Moskau. Als Renoir in den 1960er Jahren seinen Film restaurieren wollte, wusste er nichts von Hansels Erwerb und arbeitete mit einer alten, matschigen Kopie. Rein zufällig tauschte das russische Archiv zur gleichen Zeit Material mit einem Archiv in Toulouse aus. Zu diesem Tausch gehörte auch der Originalnegativabzug. Da zu dieser Zeit jedoch so viele Kopien des Films existierten, sollte es noch 30 Jahre dauern, bis jemand erkannte, dass die Version in Toulouse tatsächlich das Originalnegativ war." (IMDb)


79. Jahrestag - Hiroshima mahnt

Heute ist der 79. Jahrestag des Atombombenabwurfes auf Hiroshima. Eine besondere Bedeutung erfährt dieser Tag durch die aktuellen Bestrebungen, ab 2026 weitreichende Waffensysteme wie Raketen des Typs Standard Missile 6 (SM-6), nuklear bestückbare Marschflugkörper des Typs Tomahawk sowie hypersonischen Waffen in Deutschland durch die US- und Bundesregierung. Das Netzwerk Friedenskooperative stellt eine umfangreiche Übersicht zu den Aktivitäten rund um die Gedenktage zur Verfügung. Aktuell finden sich in dem Terminkalender mehr als 80 Veranstaltungen bundesweit. Beteilige dich an den Aktionen! Hier findest du alle Infos und Termine:

Es waren nur wenige Wochen zwischen dem ersten Atomtest im US-Bundesstaat New Mexico und dem ersten Praxistest in Hiroshima. Am 16. Juli 1945 war die im Manhattan-Projekt entwickelte Atombombe auf dem Testgelände bei Alamogoro gezündet worden; ihre Sprengkraft betrug 21 Kilotonnen TNT. Die Explosion war erfolgreich, aber über die tödliche Wirkung konnte der Test nichts Definitives aussagen. 20 Tage später detonierte die 12,5-Kilotonnen-Bombe mit dem niedlichen Namen "Little boy" in Hiroshima, drei Tage später eine weitere Bombe namens "Fat Man" über Nagasaki. Die Wirkung der Bomben war kolossal: Zwischen 90.000 und 200.000 Menschen starben unmittelbar. Weitere 130.000 Menschen starben bis Jahresende. Bis 1950 war die Zahl der Spätopfer in beiden Städten auf insgesamt 230.000 gestiegen. Strahlenopfer sind auch heute noch in der dritten Generation zu beklagen.

„Der obige Befehl ergeht an Sie auf Anweisung und mit Zustimmung des Kriegsministers und des Generalstabschefs der amerikanischen Streitkräfte.“

(Befehl an den General Carl Spaatz, Oberkommandierender der amerikanischen strategischen Luftwaffe für den Abwurf der Atombombe auf Hiroshima)

„Ich habe nie bereut und mich nie geschämt, denn ich glaubte damals, dass ich meine patriotische Pflicht tat, als ich den Befehlen folgte, die man mir gab.“

(Oberst Paul W. Tibbets, der die Atombombe über Hiroshima ausklinkte)

Der Atompilz über Hiroshima fotografiert aus dem Heck der Enola Gay

Bildquelle: WikiPedia

Obwohl Japan zum damaligen Zeitpunkt militärisch bereits am Ende war, nahm die U.S. Militärführung unter der Führung von US-Präsident Truman zehntausende von Opfern in Kauf: 140.000 starben bis Ende 1945 an den Folgen des Abwurfs.

Der zweite Atombombenabwurf auf Nagasaki geschah drei Tage später, am 9. August 1945. Die Opfer steigerten sich dadurch auf über 250.000.

Opfer des Atombombenabwurfs in Hiroshima

Bildquelle: WikiPedia

Lesetipps zum Thema vom Lebenshaus Alb:
"Der Fluss war voll von toten Menschen und ich konnte die Wasseroberfläche überhaupt nicht mehr sehen"
"Ich fühlte, dass die Stadt Hiroshima auf einen Schlag verschwunden war"
Was den Menschen von Hiroshima und Nagasaki Grauenhaftes widerfahren ist
Nacht der 100.000 Kerzen zum Hiroshimatag - “Verhängnisvollste Erfindung der Menschheitsgeschichte-

Siehe auch:
"Erklärung der Weltkonferenz gegen Atomwaffen 2010", dokumentiert bei der "jungen Welt"
Democracy Now! Archive zu Hiroshima und Nagasaki
• Die Geschichte von Shin's Dreirad


93 Jahre Ignaz Wrobel Zitat

Kurt Tucholsky in Paris, 1928 (Foto: Sonja Thomassen / WikiMedia)
"Da gab es vier Jahre lang ganze Quadratmeilen Landes, auf denen war der Mord obligatorisch, während er eine halbe Stunde davon entfernt ebenso streng verboten war. Sagte ich: Mord? Natürlich Mord. Soldaten sind Mörder."

Ignaz Wrobel alias Kurt Tucholsky, 4. August 1931 in "Der bewachte Kriegsschauplatz", Glosse der Zeitschrift'Weltbühne.

Vor 80 Jahren: Beginn des Warschauer Aufstandes

"Am 1. August 1944 begann in Warschau der Aufstand polnischer Partisanen gegen die deutsche Besatzung. Dabei handelte es sich um keine Konfrontation nur zweier Parteien. Zwar wurden die Kämpfe hauptsächlich zwischen den faschistischen Truppen und der stärksten Gruppe der Untergrundkämpfer ausgefochten, nämlich der nationalistischen Armia Krajowa, der Heimatarmee, die der polnischen Exilregierung in London unterstellt war. Wichtiger Faktor war jedoch auch die Sowjetunion, deren Truppen begonnen hatten, Polen von der Besatzung zu befreien. In deren Lager gehörten auch das am 22. Juli unter maßgeblicher kommunistischer Beteiligung gegründete Lubliner Komitee, das auf ein sozialistisches Nachkriegspolen hinarbeitete, und als sein militärischer Arm die Armia Ludowa, die Volksarmee. Zu nennen sind ferner die Westalliierten USA und Großbritannien, ideologisch der Exilregierung verbunden, doch durch den deutschen Faschismus in ein Bündnis mit der Sowjetunion gezwungen, das sie trotz aller Gegensätze noch halten wollten. (...)" Quelle: junge Welt, 1. August 2024

Wir zeigen aus dem Anlass den Film "Kanal" von Andrzej Wajda aus dem Jahr 1957. Er wurde im Jahr seines Erscheinens mit dem Spezialpreis der Jury beim Filmfestival in Cannes ausgezeichnet.


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