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Die unbekannten Kämpferinnen für Gerechtigkeit

Von Heike Hänsel, entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Die Verbesserung der Situation von Frauen in Afghanistan war eines der Argumente, mit dem die US-amerikanische Militärmission Operation „Enduring Freedom“ und der NATO-Einsatz in Afghanistan begründet wurden. Auch die Bundesregierung hoffte, hierzulande mit den Schlagwörtern „Ziviler Wiederaufbau“ und „Frauenrechte“ der kritischen Öffentlichkeit die deutsche Beteiligung am Militäreinsatz in Afghanistan schmackhaft zu machen. Tatsächlich wurden tausende Projekte für Frauen und Frauenorganisationen gegründet. Seitdem war viel von Fortschritten in den Bereichen Bildung und Frauenrechte die Rede. Doch wie sieht es mit den Frauenrechten nach neun Jahren Afghanistan-Krieg tatsächlich aus?

Die Fakten sprechen eine andere Sprache. Laut einer Studie der Vereinten Nationen von 2008 sind rund 87 Prozent aller Frauen in Afghanistan familiärer Gewalt ausgesetzt. Gewalttätige Angriffe auf Schülerinnen und die Zahl der Selbstverbrennungen von Frauen sind hoch. Laut Welthungerhilfe sind rund 80 Prozent der Frauen und 60 Prozent der Männer Analphabeten. Entsprechend den Daten der Weltbank liegt die Säuglingssterblichkeit bei 199 Kindern pro 1000 Geburten. Sie ist in Afghanistan damit 50-mal so hoch wie in Deutschland. Frauen haben schlechteren Zugang zur Gesundheitsversorgung als Männer, und noch immer gehen Mädchen selten länger als bis zur vierten Klasse zur Schule. Es zeigt sich, dass eine zunehmende Militarisierung, die Eskalation des Krieges und der Fokus der NATO auf militärische und nicht zivile oder politische Konfliktlösungen besonders bei den Frauen Tribut fordern.

Trotz aller Widerstände und Widrigkeiten gibt es herausragende Beispiele von engagierten Frauenrechtsaktivistinnen, die sich für eine bessere Zukunft für die Bevölkerung einsetzen. Schon lange vor der Zeit der Talibanherrschaft (1996 bis 2001) und noch während der sowjetischen Besatzung (1979-1989) kämpften afghanische Frauen für Frauenrechte und Demokratie. Eine der ältesten Frauenorganisationen ist RAWA (Revolutionary Afghan Women-™s Association), die 1977 von mehreren Frauen unter der Leitung von Meena Keshwar Kamal gegründet wurde. Meena wurde 1987 ermordet.

Eine der international bekanntesten Vertreterinnen von RAWA ist Zoya, die 1978 geboren wurde und mit 23 Jahren durch ihre Autobiographie „Mein Schicksal heißt Afghanistan“ öffentliche Aufmerksamkeit erlangte. In ihrer Lebensgeschichte schildert Zoya, wie sie nach der Ermordung ihrer Eltern 1992 als 14-Jährige Afghanistan verließ, um in Pakistan in einer RAWA-Schule erstmals eine Schulbildung zu bekommen. Seitdem arbeitet sie wie ihre Mitstreiterinnen im Untergrund in Flüchtlingslagern, unterrichtet Kinder und Frauen, beteiligt sich an Demonstrationen und schafft auf Auslandsreisen Bewusstsein für die Situation der Frauen und Mädchen in Afghanistan. Zudem dokumentiert sie Menschenrechtsverletzungen wie Exekutionen. Internationale Aufmerksamkeit erfuhr die Organisation RAWA mit den Fotografien von Hinrichtungen von Frauen im Kabuler Fußballstadion durch die Taliban.

Aus Sicherheitsgründen verwenden alle RAWA-Aktivistinnen Pseudonyme. Ihre Gesichter lassen sie nicht fotografieren, denn die meisten standen oder stehen auf Todeslisten von Fundamentalisten. Diese Anonymisierung unterstreicht zugleich den kollektiven Ansatz der Organisation: Es geht nie um Persönlichkeiten, sondern um die Sache der Frauen und der Frauenbewegung in Afghanistan und weltweit.

Die Aktivistinnen von RAWA glauben fest daran, dass Freiheit und Demokratie nicht wie milde Gaben gespendet werden können, sondern es die Aufgabe der Menschen eines Landes selbst ist, für diese Werte zu kämpfen. Für ihre mutige und riskante Arbeit hat RAWA zahlreiche internationale Auszeichnungen erhalten, darunter Preise von amnesty international und anderen Menschenrechtsorganisationen: den Preis „California Legislature Assembly Certificate of Recognition“ (2004), den italienischen Friedenspreis „Certificate of Honour to RAWA from the Region of Lombardia“ (2003), den Ehrendoktortitel der Universität Antwerpen (2002) sowie den ZDF-Mona-Lisa Frauenpreis des Jahres (2001).

Erstveröffentlichung: 25. Januar 2011

Die Fraktion DIE LINKE veranstaltet vom 28. bis 29. Januar 2011 die Konferenz „Das andere Afghanistan“, um diesen Stimmen von der Basis aus Afghanistan in Deutschland Gehör zu verschaffen. Friedensuchende und zivilgesellschaftliche Kräfte bekommen somit auf der Konferenz die Gelegenheit, sich zu vernetzen und wirkliche Friedensperspektiven zu entwickeln. Von der Organisation RAWA wird die Aktivistin Zoya zu Gast sein. Mit dabei sind neben Malalai Joya u. a. auch der langjährige ZDF-Korrespondent Ulrich Tilgner, der britisch-pakistanische Autor Tariq Ali, Mitglieder der afghanischen Solidaritätspartei und der verfolgte Journalist Sayed Yaqub Ibrahimi, der 2010 den Leipziger Medienpreis erhielt.

Bitte heute Persönlichkeit mal nicht schützen. Nichts fürs Militär! Alles gegen militärische Amtsheuchelei.

Der Herr Minister in Kundus
Foto: ISAF Public Affairs / WikiPedia Public cc-by-2.0
Auch hohe Offiziere können den Stuhl unterm Hintern weggezogen bekommen. Das für sich allein sollte niemand erstaunen. Schließlich sind sie freiwllig das Treppchen hochgestiegen, und sollten sich nicht beklagen, wenn ein Oberer ihre Dienste nicht mehr braucht und die Stiege wegkickt. Deshalb nichts Liebes oder Böses über den bisherigen Chef der "Gorch Fock" und seine Führungsmethoden.

Alles aber gegen seinen Chef. Genaugenommen: die wölfisch hervorgestoßenen Verweise Guttenbergs auf Dienst - bzw. Soldatenrecht - zwei Tage nach getaner Tat. Guttenberg betonte, er tue alles - auch - zum Wohl des dienstenthobenen Marinemanns.

Auch "zum Wohl". Zum ersten Mal wurde deutlich, dass es sich nicht um eine Absetzung, sondern um eine "disziplinarische vorläufige Dientsenthebung" handeln sollte, "nach der - bei erwiesener Unschuld- der Mann seine Karriere unter Umständen fortsetzen könne".

Damit nehme ich an, dass es im Militär ähnlich wie im Beamtenverhältnis der nichtmilitärischen Dienstunterworfenen läuft.

Selbst ca. fünf Jahre einem solchen Verfahren unterworfen, glaube ich, mich dazu äußern zu können. Zunächst fällt auf, dass beim Militär nicht wie in einem Disziplinarverfahren üblich und in meinem Fall auch befolgt, eine persönliche Stellungnahme des Betreffenden verlangt wurde, bevor der Chef ihm die Stütze unter den Füßen weg trat. Eine Rückantwort hätte mindestens durch einen eingeflogenen Kommissar oder Stabsfeldwebel oder sonst was Feines eingetrieben werden müssen. Natürlich hätte sie am Willen des obersten Kriegsherrn nichts geändert. Aber gerade in Fällen des Abschießens bei Lebzeiten sollte auf die Formen geachtet werden. (Als Hindukuschverteidiger Struck seinerzeit den KSK-Mann Günzel absetzte, wurde darüber weggesehen, weil es dem Rechten sicher recht geschah. Das war ein Fehler. Die Einhaltung der Formen hat einen gewissen Bremseffekt, und muss auch gegenüber den unbeliebtesten Figuren eingehalten werden. Sonst wird - wie man am vorliegenden Fall sieht - der puren Willkür Tür und Tor geöffnet).

Nun aber zum Schutz der "Person". Verhindert werden soll angeblich oder wirklich, dass diese bei der Rückfahrt des Schiffs sich ihren Ärger anmerken lässt und damit erneut in Konflikt mit Offiziersanwärterinnen und Offiziersanwärtern kommt. Vor allem ist die gemeinte Maßnahme des "Schutzes der Person" bei Beamten und sehr wahrscheinlich auch bei Militärs mit einem absoluten Schweigegebot über das Verfahren verbunden. Streitigkeiten zwischen Staat und beamtetem Staatsbürger werden auch heute noch behandelt, als ginge es um intime Eheprobleme. Die gehen Außenstehende schließlich auch nichts an.

Ich rühre nicht gern im Grundschlamm der Jahre des eigenen Lebens. Um die Folgen zu verstehen, muss es aber sein. Ausnahmsweise. Der Grundvorwurf gegen Fritz Güde als Beamten bestand darin, die nicht verbotene "Kommunistische Volkszeitung" an der Hauptpost in Karlsruhe zum Kauf angeboten und verkauft zu haben.

Diese erste Sünde spielte in den folgenden Schreiben des Oberschulamts schon fast keine Rolle mehr. Sie wurde überdeckt - einmal das Alphabet lang - von immer der gleichen Verfehlung, die jeweils darin bestand, von meinem Verfahren öffentlich zu erzählen in Versammlungen, die mich eingeladen hatten. Jedes Mal als neue Tat und Anzeichen von Verstocktheit gewertet. Natürlich war viel TAMTAM dabei. Schließlich passierte mir als immer noch privilegiertem Beamten ja nur das, was jedem Angestellten und Arbeiter jeden Tag passieren kann: Gekündigt zu werden. Andererseits wurden die wildesten Gerüchte über mich verbreitet: Niemand wollte glauben, dass wegen Zeitungsverkauf gleich die Republik vor dem Ende stünde. Also musste ich noch viel mehr Geheimgehaltenes begangen haben. Hätte ich das alles schweigend über mich hinabrieseln lassen sollen?

Genau das passiert jetzt dem Chef der "Gorch Fock". Die gesamte mehr oder weniger bildfrohe Presse ergeht sich in Ausmalungen der Greuel, die es auf dem Schiff gegeben hat. Warum redet der Angegriffene nicht darüber? Er darf nicht, wenn er seine Lage nach Beamtenrecht nicht sofort verschlimmern will. Also ist er - entgegen den Trostpflästerchen Guttenbergs - lang schon vorverurteilt, bis es endlich zu einem Verfahren kommt.

Auch soll niemand glauben, dass selbst ein gequälter Freispruch, falls der denkbar wäre, ihn die Karriereleiter weiter klettern lassen würde. Nicht nur, dass die Regeln der Disziplinarrechtsprechung butterweich sind im Vergleich zu den harten Regularien des Strafprozesses. Die Verhandlung findet geheim statt. Ohne das Korrektiv der Öffentlichkeit. Die Richter sind normalerweise selbst Mitglieder des Militärs, also der Behörde, deren Chef sein Urteil schon lange gefällt hat.

Wie lange die düstere Aura auch einen "Begnadigten" noch verfolgt, lässt sich jetzt am Fall des ehemals suspendierten, jetzt wiedereingestellten Assessors Michael Csaszkóczy in Baden - Württemberg verfolgen.

Der Spitzel, der zugegebenermaßen in Heidelberg gegen die Studenten eingesetzt wurde, scheint besonders begeistert und aufmerksam die Heidelberger ANTIFA beglückt zu haben. Eben die Gruppe, zu der der erwähnte Assessor in näherer oder fernerer Beziehung gestanden hatte. Laut Innenminister stimmt das nicht: der Spion sei eingesetzt worden, um ganz bestimmten verdächtigen einzelnen Personen nachzuspähen. Welche das sind, wird nicht verraten. Staatliche Maßnahmen wären gefährdet.

Tut mir leid, dass ich dem Minister kein Wort glaube. Ist wahrscheinlich schlechter Einfluss durch dauernde Lektüre von indymedia. Ich denke mir frech und bisher ohne Beweise: Beamtenrechtlich haben sie den Michael Csaszkóczy nicht zur Strecke gebracht. Probieren sie es jetzt eben kriminalistisch. Vergessen wird beim Staat niemals. Vielleicht übergangsweise mal vergeben...

Ja, so traurig steht es mit mir.

Nach all den Erfahrungen mit der Geheimjustiz des Diszipnarwesens und seinen Schweigegeboten nur für eine Seite, verlange ich bescheiden: Guttenberg, heute mal gar nicht mehr schützen. Heraus mit der Sprache offen vor aller Welt - mit dem Recht auf Gegenrede für Opposition und jeden Untertan!

Gesamtkunstwerk ARD: Tatort und Anne Will - eine Kampffront

Tatort: Herauszubekommen war für die Kommissare in Wirklichkeit nichts. Vier Soldaten kamen traumatisiert aus Afghanistan zurück. Eine junge Frau war aus vierhundert Meter Entfernung erschossen worden. Nach dem Gesamt-Brüll-Zustand war fast gleich, wer von den Veteranen es gewesen war. War auch gleich! Jeder hatte Scharfschützenausbildung. Jeder röstete anfallsweise herum.

Falsche Mischung aus schlechtem Gewissen der kriegsunwilligen Zuschauer und gefordertem Durchhaltewillen. Die Soldaten, die es erwischt hat - "unsere" Opfer? Aber wir haben doch keinen hingeschickt. Der Gedanke, dass alle Leiden hätten vermieden werden können, hätten sich Regierung und leider auch Volk 2001 nicht zum Krieg entschlossen, kam nirgends auf. Es blieb beim Gebrüll.

Nach dem ersten und zweiten Weltkrieg tat sich die Bürokratie damit hervor, dass all die "Zitterer" und sonst Angeschlagenen ihre Leiden von allem möglichen her hätten, nur nicht vom Krieg. Schon Freud hatte sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Ein paar Beispiele von altgeschulter "Desensibilisierung" der Bürokratie wurden bei Anne Will noch vorgeführt. Nur möglichst wenig Kriegsrente rausrücken!

Dieses Mal ganz anders. Woher aber das Gejammer über die Gleichgültigkeit der Deutschen gegenüber den Soldaten dieses Mal? Dabei wurde und wird in jeder Bundestagssitzung gedankt und gedankt jedem einzelnen Muschkoten, der dort draußen verreckt. Natürlich auch damit die Zeit schneller vergeht. Die Anforderung zum Pflichtmitleid wächst. Offenbar, um das Militär überhaupt noch halbwegs ehrenvoll in die Medien zu bekommen. Als Bombenwerfer und Raketenschlächter - das geht nicht mehr bei verbreitetem Widerwillen gegen das Gewerbe. Bleibt nur die Tränendrüse. Sekundenlang versteht sich - und folgenlos. Danach sollen die selber sehen, wie sie weiterkommen.

Bei "Anne Will" dann flugs weiter. Angeblich die Folgerungen gezogen!

Eine Ärztin erzählte nachvollziehbar, wie es ihr nach dem Kriegseinsatz gegangen war. Es wurde lang über Krankenversorgung gesprochen. Das für sich genommen war interessant. Nur eines beklemmte: Dass sie nicht auf die eine Lösung kam: Raus aus Afghanistan!

Den vorhandenen aktiven Kriegsgegnern hielt Frau Will immer wieder vor oder entgegen: Wenn schon gegen den Krieg - warum auch gegen die Krieger? Die richtige Antwort: Den Soldaten, wie nach Stalingrad 1943, kann niemand ihre Wunden, ihr Sterben nachträglich abnehmen. Trotzdem haben die Überlebenden eine Möglichkeit: sich selbst und vor allem anderen zu sagen: Wir müssen die Letzten gewesen sein! Es darf nicht so weiter gehen.

Niebel war Niebel. Wie schon im Bundestag. Ein Bimsstein zum Ausmerzen jeder Erdenspur. Alles an Unwissenheit und protzender Niedrigkeit überbot Matussek (SPIEGEL). Er als einziger lallte immer noch Struck und Co nach: die kleinen Mädchen an Soldatenhand! Und die Brunnen! Und unsere knusprigen WERTE!! Am Ende fragte dieser Literaturpapst: Warum gerade jetzt die Veteranen als Thema von Film und Romanen? Ja, ja - Matussek - warum gerade jetzt? Er weiß tatsächlich nicht, dass gleich nach den napoleonischen Kriegen eine traurige Heerschar von Nostalgikern durch Gedichte und Romane zog. Nach dem ersten Weltkrieg zum Beispiel "Hinkemann" von Toller. Nach dem zweiten? Ach Gott.....

Wenn ein Gedanke aufkam, konnte der nur lauten: Raus! Raus aus Afghanistan. Schon mal aus dem einfachen Grund: weil man von Anfang an verloren hatte. Dann wegen etwas, das daraus folgt: Es wurde in den zehn Jahren immer schlimmer. Muss es wie in Vietnam so enden, dass die letzten Flüchtigen an den Hubschraubern hängen - um ausgeflogen zu werden? Wenn die Wahnidee aus den Köpfen verschwunden sein wird, dass die einheitliche Benennung mit Taliban gleichartige Wesen aus Millionen verschiedener Menschen macht, wird es auch möglich sein, wie Heike Hänsel und andere es immer vorgeschlagen haben, mit Gruppen von Taliban Vereinbarungen zu treffen über Krankenhäuser, Mädchenschulen und Ackerbaugenossenschaften.

Es muss so etwas doch schon einmal gegeben haben.

Niebels Tanz ums eigene Grab - von Heike Hänsel hart unterbrochen

Niebel im Bundestag- dieses eine Mal ohne das kokette Militärkäppchen und die augenversteckende Brille. Anständig im Anzug. Niebel hatte - als seltener Gast am Hindukusch - eine Erschütterung wegbekommen. Die Jungs liefen -wieder- den Drachen nach. Leser des Buchs "Drachenläufer" wissen freilich, dass sie das immer tun. Und da alle Bestandteile des Drachens selber zusammengesucht werden müssen, ist auch kein Grund einzusehen, damit bloß wegen Taliban aufzuhören.

Immerhin schön, dass der Minister diese Tröstung erhielt. Sonst sieht er sich in Afghanistan von Feinden umgeben, die die eigentümlichsten Ziele im Auge haben. "Die Aufständischen töten wahllos. Sie zielen auf Zivilisten und Menschenrechte, auf Völkerrecht und Wiederaufbau." Rechts und links ein totgeschossenes Menschenrecht - da heißt es Obacht geben.

Niebel erhob - wie das inzwischen üblich geworden ist- den Glauben zur Pflicht. Glauben, dass alles besser wird- wer das nicht hinbekommt, der ist nicht wert,  Deutscher zu heißen. Deshalb: Um Gottes Willen - nichts schwarzreden!

Und weitermachen! Dass Militär auch nach Ende dieses Jahres aufpassen muss auf den Wiederaufbau, daran durfte gar kein Zweifel erhoben werden. Und das bisherige Brunnengraben und Mädchen an der Hand in die Schule führen gibt es nur, wo vorher unser Soldat die Wege geebnet und die Panzerstraße eingerichtet hat.

Nicht so deutlich führte der Entwicklungsminister aus, dass allen Projekten das Geld entzogen wird, die die Priorität  des Pamuerschutzes und des Bombenabwurfs nicht anerkennen.
Dass er das Lied bis ans Ende seines Daseins weitersingen müsste vom braven Grenadier, der am Wachtfeuer "nur von Dir, Deutschland" träumt, ist dem übersinnlich Berauschten im Augenblick nicht klar.

Aber - wenn Militär unabdingbare Voraussetzung des Zivilen ist, wie könnte das Militärische dann je aufhören. (So intensiv die SPD sich vorlügt, sie würde Ende des Jahres 2011 mehr als ein Dutzend Muschkoten abrücken sehen). Es dudelte sich der Freudenigel sein Totenlied. Wenn nur die zu erwartenden drei Prozent Front-Zulage und Wahl-Ertrag nicht vorher dem Plustermund die Luft rausließen...

Damit wir aber doch nicht so lange warten müssen, griff Heike Hänsel, Tübingen, von der LINKEN ein.  Sie bewies mit wenigen Zahlen, dass  Niebels Weg keineswegs, wie er trällerte, auf Höhen verlief,
sondern zwischen Schutt, Leichen und  Steppengras.

Niebels  Grundirrtum: Man könne auf dem Humus des Krieges den Frieden züchten. Gerade umgekehrt, warf Hänsel dem Taumelprinzen den Stock zwischen die Beine: "Ich möchte für unsere Fraktion festhalten: Auch Krieg ist Terror, und wir müssen dieses Mittel der Politik abschaffen"

Von dieser Voraussetzung her führte sie aus: wo Afghaninnen und Afghanen das Militär als Schutzdach erblicken, scheuen sie mit Recht die angebotenen unteren Räume, auch wenn die recht nett zusammendrapiert wurden.

"Wie zivile Aufbauhilfe, Entwicklungsprojekte und Militär miteinander verknüpft sind, haben wir während einer Delegationsreise in Afghanistan erfahren müssen. Dort konnten wir beobachten, wie schlecht diese Zusammenarbeit funktioniert und wie gefährlich sie ist. Die Schule, die wir dort besuchen wollten, mussten wir uns nämlich in einem ISAF-Konvoi, schwer bewacht von ISAF-Soldaten, anschauen. Ich kann nur sagen: Es ist absurd, in welch martialischem Aufmarsch wir zu dieser Schule kamen. Die Aufbauhelfer haben uns danach gesagt, dass solche militarisierten Besuche ihre Projekte gefährden, weil sie dadurch in der Region zu Anschlagszielen werden. Genau deswegen kritisieren wir die zivilmilitärische Zusammenarbeit und lehnen sie grundsätzlich ab."


PACARE  nannten schon die Römer ihre Eroberungszüge. "Befrieden". Und richtig ist, es fielen immer ein paar gute Straßen, Bewässerungsanlagen und dreistöckige Kasernen bei dem Geschäft ab.Als Nebenerscheinung. Nur lieber gewannen all die Gallier und Germanen ihre Eroberer deshalb nicht. Wieso sollte es gerade einem Einmarschierer namens Niebel anders gehen?

"Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit wird von Ihnen weiterhin in vielerlei Hinsicht instrumentalisiert. Militäreinsätze sollen zivil flankiert werden; das haben Sie selbst gesagt. Laut der neuen Rohstoffstrategie der Bundesregierung soll durch die Entwicklungszusammenarbeit in Entwicklungsländern aber auch ein investitionsfreundliches Klima geschaffen werden. Was „investitionsfreundliches Klima“ konkret heißt, konnten wir vor kurzem in Bolivien erleben: Wer nicht Ihren Vorstellungen von Marktwirtschaft, Privateigentum und Investitionsschutz entspricht, wer also, wie die bolivianische Regierung, einen eigenständigen Weg der Entwicklung gehen will, der wird abgestraft."

Und Hänsel weiter - um das grundsätzlich Verfehlte einer Politik zu kennzeichnen, die Entwicklung sagt, aber Selbstmästung und Eigennutz meint:  "Abschließend möchte ich sagen: Wir sind der Auffassung, dass Sie auf große Katastrophen wie die in Haiti und Pakistan völlig unzureichend reagieren. Sie leisten lediglich Einmalzahlungen. Wir hingegen fordern Sondertitel über mehrere Jahre hinweg, um diesen Katastrophen nachhaltig zu begegnen. Diese Initiativen sind wichtig. Wir dürfen nicht nach dem Motto verfahren: In den Medien wird über diese Katastrophen nicht mehr berichtet, also sind diese Probleme für uns nicht mehr vorhanden. -“ Wir müssen anders reagieren. Deswegen haben wir Sondertitel gefordert. Ich kann nur sagen: Mit diesem Haushalt haben Sie sich faktisch -“ darauf ist schon eingegangen worden -“ von dem 0,7-Prozent-Ziel für 2015 verabschiedet. Ihre Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit freut sicherlich den BDI, den Bundesverband der Deutschen Industrie, aber nicht die Menschen in den Ländern des Südens."

Kaum hatte Haensel geendet, schlossen sich die staatstragenden Parteien gegen sie zusammen. So viele kleine Einwände sie auch gegen Niebel gehabt hatten - in SPD-Kreisen bestand man vor allem am Anteil ihrer Partei an der herrlichen Entfaltung und den Flugdrachen - niemand versäumte, etwas Gift auf den Linkenglauben zu schütten, es gäbe Entwicklung ohne vorgeordnetes Militär.

Als Heike eine GRÜNE mit geplusterten Siegesbacken über eine Zwischenfrage an Kosovo und Bosnien erinnern wollte, wo auch die militärisch-zivile Zusammenarbeit sich so herrlich bewährt hatte, bekam sie gleich eins drauf vom Bundestagspräsidenten, der sie seit dem zu Unrecht gezeigten T-Shirt nicht mehr richtig liebgewonnen hatte.

Ende: Alle vier Parteien, die sich nacheinander an den Verbrechen in Afghanistan beteiligt hatten, wollten bis zum bitteren Ende  eine von Anfang verlorene Sache immer noch nicht verloren geben. Mal schauen, wie stolz sie gucken werden, wenn Wahrmachtsminister  Guttenberg am Ende des Jahres ein Dutzend  Feldgraue freigibt und  das kleine Helferlein wieder Drachen zählen kommt. Die LINKE aber tut Recht daran, am absoluten Friedenswillen festzuhalten, auch gegen Schwachknies und Leisetreter in den eigenen Reihen.

Alle Zitate entnommen dem vorläufigen Bundestagsprotokoll vom 21.1.2011

Heraus gegen die NATO-Sicherheitskonferenz in München!

Am ersten Februarwochenende treffen sich im Hotel Bayerischer Hof in München wieder die Regierungsvertreter, Militärs, Kriegsstrategen und Rüstungslobbyisten überwiegend aus Nato- und EU-Staaten zur so genannten Sicherheitskonferenz. Gegen dieses Treffen der Kriegstreiber werden auch dieses Jahr Proteste organisiert. Wir rufen dazu auf, sich an der Mobilisierung zu beteiligen und zur Demonstration nach München zu fahren. Hier sei der Aufruf des "Offenen Treffen gegen Krieg und Militarisierung Stuttgart" dokumentiert:

Aktiv werden gegen die NATO-Kriegspolitik!
Nein zur Mandatsverlängerung der Bundeswehr in Afghanistan!!
Raus zur Demonstration gegen die Kriegstreiber am 05. Februar 2011 in München!!!


Am ersten Februarwochenende treffen sich im Hotel „Bayerischer Hof“ die Regierungsvertreter, Militärs, Kriegsstrategen und Rüstungslobbyisten aus NATO und EU-Staaten, um über die weltweite Sicherheits-, Kriegs- und Interessenpolitik zu beratschlagen. Wir aber wollen unsere Sicherheit nicht Politikern und Militärstrategen überlassen, an deren Händen Blut klebt: Das Blut der Opfer aus den Kriegen in Afghanistan, Irak und Jugoslawien. Es geht ihnen vor allem darum, die Wirtschafts- und Vorherrschaftsinteressen der USA und der EU-Staaten zu sichern. Mit Waffenexporten leisten sie Beihilfe zum weltweiten Morden..

Gastgeber dieses Treffens ist seit Mai 2008 der „Generalbevollmächtigte für Regierungsbeziehungen“ der Allianz AG in München Wolfgang Ischinger. Davor war er von 2001 bis 2006 deutscher Botschafter in den USA. Schon seine Biografie zeigt die Verknüpfung von Wirtschaft, Politik und Militär auf, die bei der NATO-„Sicherheitskonferenz“ die zentrale Rolle spielt. Kein Wunder also, dass Mappus ihm 2010 den Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg übergab.

Die „Sicherheitskonferenz“ war und ist eine private Veranstaltung im Dienste der Interessen der herrschenden kapitalistischen Wirtschaft und Politik. Die Öffentlichkeit hat draußen zu bleiben, wofür alljährlich nicht zuletzt Polizeihundertschaften und -hubschrauber sowie Scharfschützen der Bundeswehr sorgen. Während sie über die Spielregeln ihrer Weltordnung beraten, werden wir auf die Straße gehen und demonstrieren!

Gegen die Militarisierung der Gesellschaft -“ Bundeswehr raus aus den Schulen und sonstigen öffentlichen Räumen!


Die Werbung für Krieg und Aufrüstung dringt immer weiter in den zivilen Sektor und die Öffentlichkeit ein. Die Bundeswehr ist heute sowohl in Jugendzeitschriften, im Radio, als auch im Internet -“ dort z.B. in einem eigenen youtube Kanal -“ massiv vertreten. In Schulen gestaltet die Bundeswehr mit Hilfe von Materialien und direkten Unterrichtseinheiten den Lehrplan mit. Um dies effektiver zu gestalten wurden sogar in einzelnen Bundesländern -“ so auch in Baden-Württemberg -“ Kooperationsvereinbarungen zwischen den Kultusministerien und der Bundeswehr abgeschlossen.

Obwohl Soldaten zum Töten ausgebildet werden, wird die militärische Laufbahn als „normale“ berufliche Karriere beworben und ist dieA Bundeswehr auf fast allen Bildungsmessen vertreten. Dazu kommen noch Sport- und Reservistenveranstaltungen, Auftritte von Militärkapellen, öffentliche Gelöbnisse und vieles mehr was die Bundeswehr in die Gesellschaft integrieren und deren Kriegen mehr Akzeptanz verleihen soll.

Kriege für Frieden und Demokratie?


Seit 2001 findet bereits der Krieg gegen Afghanistan statt. Dabei wird immer deutlicher, dass dieser Krieg nicht für Menschenrechte und Frieden geführt wird, denn auch faktisch zeigt sich, dass  sich die Situation für die dortige Bevölkerung dramatisch verschlechtert hat. Die immer offensichtlichere Ausweitung des Nato Einsatzes auf das Nachbarland Pakistan verdeutlicht die geostrategischen wie auch wirtschaftlichen Interessen gegenüber dem Nahen Osten, Russland und China, die bei diesem Krieg eine wichtige Rolle spielen.

Die Lebensbedingungen der AfghanInnen hingegen haben sich seit dem Krieg verschlechtert: Mindestens 40%A der Bevölkerung sind arbeitslos, 61% sind chronisch unterernährt, lediglich 13% verfügen über einen gesicherten Zugang zu Trinkwasser und die Lebenserwartung beträgt aktuell 43,1 Jahre.

Es wirkt dabei umso verachtender gegenüber der afghanischen Bevölkerung, dass der für das Massaker von Kunduz verantwortliche Oberst Klein von der Bundeswehr befördert wurde.

Die Bundeswehrreform -“ ein Schritt zur Entmilitarisierung?


Mitte Dezember 2010 beschloss das Bundeskabinett die Aussetzung der Wehrpflicht. Dies bedeutet jedoch keineswegs einen Schritt hin zur Entmilitarisierung.Denn trotz der Reduzierung der Truppenstärke von 250.000 auf 185.000, wird die Anzahl der im Ausland eingesetzten Soldaten steigen: Ziel der Bundeswehr ist es bald an die 15.000 Soldaten zeitgleich im Ausland einzusetzen, was bedeutet, dass die Zahl derer die militärisch deutsche Interessen durchsetzen, sich verdoppeln kann.

Obwohl der „Verteidigungs“minister Karl-Theodor zu Guttenberg vorgibt, die Bundeswehr müsse sparen, wird der Etat des Kriegsministeriums auf rund 31,45 Mrd. Euro angehoben, das heißt dass diesem nun rund 400 Mio. Euro mehr zur Verfügung stehen als im Jahr zuvor!

Dies alles zeigt, dass die Reform letztlich nur darauf zielt, die Bundeswehr weiter in eine immer effektivere global einsatzfähige Interventionsarmee umzuwandeln, die Handelswege und Rohstoffquellen „sichert“ und deutsche Kapitalinteressen militärisch durchzusetzen vermag. Dies gibt nun auch zu Guttenberg offen zu und erklärt, dass es bei der sogenannten „Wehrreform“ darum gehe, „flexible und effiziente Streitkräfte“ zu schaffen, die „das ganze Spektrum von weichen bis hin zu harten Faktoren der Macht“ beherrschen müssten.

Lasst uns gemeinsam die Kriegstreiber mit einer antimilitaristischen Praxis stören und ihnen kein ruhiges Hinterland bieten! Lasst uns der Militarisierung der Gesellschaft entgegentreten und gemeinsam gegen Kriege und Aufrüstung aktiv werden!

Samstag, 22. Januar Kundgebung gegen die Mandatsverlängerung des Afghanistaneinsatzes der Bundeswehr!

Ab 14 Uhr Stellwandausstellung auf dem Schlossplatz in Stuttgart zu den Themen Afghanistankrieg, Sicherheitskonferenz in München und Bundeswehr im Inneren! Um 15 Uhr Kundgebung mit Redebeiträgen!

Samstag, 05. Februar auf zur Demonstration gegen die SIKO nach München!


Demobeginn in München: 13 Uhr, Marienplatz



Busfahrkarten für die Fahrt am 05. Februar von Stuttgart nach München zur SIKO gibt es im Linken Zentrum Lilo Herrmann (Böblingerstr. 105, 70199 Stuttgart) oder per e-Mail an: ot-gegenkrieg@gmx.de

Offenes Treffen gegen Krieg und Militarisierung Stuttgart


Aktiv werden gegen die NATO-Kriegspolitik!
Nein zur Mandatsverlängerung der Bundeswehr in Afghanistan!!
Raus zur Demonstration gegen die Kriegstreiber am 05. Februar 2011 in München!!!

Balingen: Angriff auf das Versammlungsrecht bei Protest gegen das Bundeswehr Musikfestival „BW-Musix“

Am Samstag, 23. Oktober 2010 wurde eine Demonstration gegen das Bundeswehr Musikfestival „BW-Musix“ in Balingen veranstaltet.

Der Anmelder der Demonstration bekam von der Stadt Balingen 96,- Euro Verwaltungsgebühr in Rechnung gestellt. Die Stadt begründete dies mit notwendigen Auflagen und dem dadurch entstandenen Verwaltungsaufwand.

Dieser Vorgang ist inakzeptabel! Die Verwaltung begründet die Auflagen mit Vorkommnissen bei einer ähnlichen Veranstaltung und mit Farbbeutelanschlägen, die von Unbekannten durchgeführt wurden. Sie stellt einen an den Haaren herbeigezogenen und unzulässigen Zusammenhang zur angemeldeten Versammlung her. Zum Versuch der Stadt Pforzheim in einem ähnlich gelagerten Fall urteilte das Verwaltungsgericht Karlsruhe bereits im Jahre 2007:

„[...] aus einer solchen Gebührenpflicht resultiere die Gefahr, dass die Bürger auf die Ausübung ihres Grundrechts verzichten [...]“.

(Quelle: http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20071025_1bvr094302.html)

Das Vorgehen der Balinger Behörde entspricht dem gegenwärtigen Verhalten einer Reihe von Städten, das von der baden-württembergischen Landesregierung seit 2008 geplante, verschärfte Versammlungsgesetz bzw. Teile davon einfach vorwegzunehmen.

Dieses Verhalten erschwert Versammlungen und hat einschüchternde Wirkung auf Anmelder demokratischer Proteste!

Dagegen protestiert unser aus 120 Organisationen und zahlreichen Einzelpersonen bestehendes Bündnis, da es unserer Auffassung nach um die willkürliche Steuerung bzw. Einschüchterung von missliebigen Protesten geht.

Die von der Balinger Behörde erhobenen Auflagen verstoßen zumindest in Teilen gegen das in Baden-Württemberg gültige Bundesversammlungsgesetz.

Beispielsweise sieht das hier gültige Versammlungsgesetz nicht vor, dass Namen und persönliche Daten von Ordnern und Fahrzeugführern zur Weitergabe an die Polizei zu erfassen sind.

In Zusammenhang mit der Verwendung von Megafonen oder einer Lautsprecheranlage ist auch eine diffuse Angabe zur "Freizeitlärmrichtlinie" für "seltene Ereignisse" fragwürdig und dehnbar.

Wie Veranstalter das Mitführen von Getränken nur in Tetrapacks durchsetzen sollen, bleibt ebenso unergründlich und ohne versammlungsrechtliche Grundlage wie das Verbot von Hunden.

Diese Auflagen wurden weder von den Anmeldern/innen der öffentlichen Versammlung gefordert noch sind sie Bestandteil der Verantwortung die der Anmelder/innen aufbringen muss. Eine Demonstration ist immer eine Angelegenheit im Interesse der Allgemeinheit oder Interessensgruppe und nicht nur für den Anmelder/in.

Desweiteren darf nicht zwischen finanziell besser und schlechter gestellten Anmeldern unterschieden werden!

Das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit erklärt sich solidarisch mit den Veranstaltern und fordert die Stadtverwaltung Balingen auf, sowohl von den Verwaltungsgebühren abzusehen als auch auf die undemokratischen Auflagen zu verzichten. Stattdessen muss demokratisches und antifaschistisches Engagement gefördert und die Bevölkerung dazu ermuntert werden, dieses wahrzunehmen.

Wir werden die Öffentlichkeit über den weiteren Verlauf der Auseinandersetzung auf dem Laufenden halten.

Quelle: Solidaritätserklärung und Pressemitteilung des Stuttgarter Bündnisses für Versammlungsfreiheit vom 18.01.2010, siehe auch die ausführliche Berichte auf Indymedia linksunten zu finden: Hier und hier sowie den beim "Offenen Treffen gegen Krieg und Militarisierung" dokumentierten Bündnisaufruf.

Die Monkey Wrench Gang

Buchcover
2010 wurde der Kultklassiker "Die Monkey Wrench Gang" von Edward Abbey - illustriert mit 50 Zeichnungen von Robert Crumb - im Verlag Walde-Graf neu aufgelegt. In Zeiten, in denen die diversen Bestsellerlisten von esoterischen Ratgebern, allerlei Lehrbüchern zur Frage, wie man am stilvollsten Menschen umbringt oder Sachbüchern abgehalfteter Bundesbankvorstandsmitglieder überquellen, liest sich der subversive Roman eher ungewohnt. Die unterhaltsame Lektüre in Sachen "Ziviler Ungehorsam" hat zwar schon 36 Jahre auf dem Buckel und die Mentalität seiner Protagonisten entspricht einem scheinbar längst untergegangenen Menschenschlag - trotzdem: Eine lesenswerte und inspirierende Anleitung dafür, wie man im wahrsten Sinne des Wortes Sand ins Getriebe streuen kann.

Die Kernhandlung spinnt sich um 4 grundverschiedene Öko-Saboteure, einen Staudamm, der den Colorado River aufstaut und von verschiedenen Brücken. Und von ihrem verwegenen Plan, der Natur wieder zu ihrem Recht zu verhelfen.

Der Finanzier des Quartetts, Doc Sarvis und seine praxisorientierte Lebensgefährtin Bonnie Abbzug fackeln nicht lange. Insbesondere bei Werbeplakattafeln, die regelmäßig in Flammen aufgehen, wenn die beiden in der Nähe sind. Der recht abgewrackt herumlaufende Vietnam-Veteran George Washington Hayduke III., träumt permanent von "Dynamit, Dynamit, Dynamit". Am besten von DuPont. Dann wäre da noch der von seinen drei Frauen selten gesehene Mormone Joseph Fielding "Seldom Seen" Smith. Er organisiert Bootstouren auf dem Colorado River. Bei einer solchen lernen sich die vier kennen.

Die netten Saboteure üben sich zunehmend professioneller in der endgültigen Außerbetriebsetzung von Baugerätschaften aller Art, allen voran den bekannten Baggern und Erdräummaschinen der Firma Caterpillar, bekanntlich der weltgrößte Hersteller von Baumaschinen mit Hauptsitz in Peoria, Illinois (USA). Die Maschinen der auch heute noch unbeliebten Firma zeigen sich unerwartet empfindlich gegen Ablassen von Motoren- und Hydrauliköl, gegen Sand oder Melasse im Tank ebenso wie gegen brennbare Flüssigkeiten. Nach eingehender Behandlung mit dem namengebenden "Monkey Wrench" - dem schweren Schraubenschlüssel - widersteht keines der auf üblichen Großbaustellen verwendeten Fahrzeuge und anderen Gerätschaften. Aber auch ganz ohne Werkzeug lassen sich Vermessungspfähle durchaus kreativ neu anordnen.

Unwissende LeserInnen erfahren durch die Lektüre, welche Tricks und Werkzeuge dazu nötig sind, und was man anstellen muss, um ein derartiges Fahrzeug zu starten. Überhaupt hat das Buch zahlreiche Tipps für zukünftige Saboteure auf Lager, die fernab von Northface oder Jack Wolfskin Lifestyle Trekking ein Überleben und Agieren unter schwierigen Bedingungen ermöglichen, vom Anlegen von Depots für Nahrungsmittel und Werkzeug, der Geldbeschaffung bis hin zum Fahrzeug- und Kennzeichenwechsel. Das Buch stand lange Zeit wegen dieser konkret dargestellten Sabotageakte in einigen US-Bundesstaaten auf dem Index und diente als Quelle der Inspiration für die 1979 gegründete radikale Umweltschutzorganisation Earth First!.

Der Gegenseite entgeht dieses anarchistische Treiben natürlich nicht. So entsteht aus einer zufälligen Begegnung mit einer selbsternannten Bürgerwehr - unter der Führung eines Mormonenbischofs der "Seldom Seen" Smith seit langem auf dem Kieker hat - die Jagd auf die Truppe. Während sich die Schlinge immer enger zieht, bleiben weltanschauliche Auseinandersetzungen nicht aus. Bei der Planung der Sabotage einer Eisenbahnbrücke entspinnt sich eine Diskussion, wie weit "Gewalt gegen Sachen" gehen darf.

"Die Massen"
spielen in dem Roman keine Rolle. Bedauerlich einerseits, erklärt sich das Handeln der Vier jedoch aus der offenkundigen Tatsache heraus, dass die Phase der Massenproteste bereits erledigt oder nicht wahrnehmbar ist. Wobei sich die Frage stellt: Wie denn auch in der dünn besiedelten Gegend im Grenzgebiet zwischen Arizona, Colorado, New Mexico und Utah, in der die Handlung angesiedelt ist? Und darin liegt einer der wesentlichen Unterschiede zu den gegenwärtigen Protesten hierzulande, seien es die Aktivitäten gegen Castortransporte, die gegen das Zwischenlager in Gorleben oder gegen Stuttgart 21. Nicht nur, dass hier es kaum einen Quadratkilometer ohne Wachtmeister gibt - auch die Möglichkeiten zur Vorbereitung, Durchführung und zur anschließenden Flucht unterscheiden sich doch zu sehr, als dass die Konzepte des Teams als Schema übernommen werden könnten. Trotzdem gab und gibt es mehr oder weniger erfolgreiche Versuche, die Erfahrungen der radikalen Umweltbewegung auch hierzulande in direkte Aktionen umzusetzen von Blockaden und "Schottern". Ein Teil dieser spiegelt sich in der Geschichte der Startbahnbewegung der 80er Jahre wider.

Eindeutiger Vorteil des Quartetts ist denn auch die Weitläufigkeit der Landsschaft und die Abgeschiedenheit vieler der Ziele. Die Nutzung der geografischen Lage ist spätestens seit Clausewitz' Hinweisen im sechsten und vor allem siebenten Buch seines Werkes "Vom Kriege" - auch außerhalb des militärischen Kontextes - eine der Grundvoraussetzungen, die bei Protesten zu berücksichtigen sind.

Die personelle Unterlegenheit gegenüber dem Macht- und Staatsapparat kann durch kleine, flexible Einheiten überwunden werden - bewegte Menschen können trotz taktischer Unterlegenheit diese scheinbare Schwäche in Stärke verwandeln. Man muss den eigenen Kopf gebrauchen und das ist eine Stärke jedes einzelnen der Charaktere, die trotz mitunter aufkommender Zweifel an dem Bestreben festhalten, Bedenken den Bedenkenträger überlassen und konsequent handeln. Ein Prinzip, bei dem die vier auch diverse fleischliche und geistige Genüsse nicht zu kurz kommen lassen.

Das sehr ansprechend gestaltete und hergestellte Buch gehört daher - wenn auch nicht als konkrete Anleitung sondern vielmehr als äußerst unterhaltsamer Denkeinstieg - in die Hand jedes politisch aktiven Menschen.

"Die Monkey Wrench Gang"
Verlag Walde und Graf, Zürich 2010
ISBN-10 3037740159
ISBN-13 9783037740156
Gebunden, 472 Seiten, 24,95 EUR

Enzensberger: Vom "fliegenden Robert" zum fuchtelnden "Wüterich"

Arno Widmann hat in der "Frankfurter Rundschau" vom 5.1.2011 in tückisches Lob eingekleidet an die größte Erniedrigung, die tiefste Schande des ehemaligen Dichters Enzensberger erinnert. Enzensberger hat in einem leichtfertig "Meine Lieblings-Flops" genannten Buch an Fehltritte seines Schriftstellerlebens erinnert. Sehr schelmisch. Den größten hat er vergessen: Keinen Flop, sondern ein Verbrechen. Mit Recht beendet Widmann seine Besprechung so:

"Angesichts dieses heiteren Räderwerks einer unablässig kluge, fassliche Sätze produzierenden Schule der Geläufigkeit, erinnert sich der Leser an einen der Texte, mit denen Enzensberger die Position des fliegenden Robert aufgab und sein Publikum moralisch unter Druck setzte.
Die Pathos-Maschine angeworfen
Es war im Februar 1991, als er über Saddam Hussein schrieb: „Er kämpft nicht gegen den einen oder anderen innen- oder außenpolitischen Gegner; sein Feind ist die Welt. Die Entschlossenheit zur Aggression ist der primäre Antrieb; Objekte, Anlässe, Gründe werden gesucht, wo sie sich finden. Wer bei der Vernichtung zuerst an die Reihe kommt, ob Iraner oder Kurden, Saudis oder Palästinenser, Kuweitis oder Israelis, hängt nur von den Gelegenheiten ab, die sich bieten. Auch dem eigenen Volk ist dabei keine Sonderstellung zugedacht; seine Vernichtung ist nur der letzte Akt der Mission, zu der sich Saddam berufen fühlt. Der Todeswunsch ist sein Motiv, sein Modus der Herrschaft ist der Untergang. Diesem Ziel dienen alle seine Handlungen. Der Rest ist Planung und Organisation. Er selbst wünscht sich nur das Privileg, als letzter zu sterben.“ Hier hat Enzensberger die Pathos-Maschine angeworfen. Man sieht, wie er von Satz zu Satz ein immer größeres Rad immer schneller dreht. Es gibt an Saddam Husseins Herrschaft nichts zu beschönigen, aber sehr wohl an diesen Sätzen. Woher kommt dieser Wagnerklang?
Diesen Flop hätte man gerne erklärt. Vom Meister selbst"


Doppeltes Verbrechen Enzensbergers: Am eigenen Intellekt und an der Erkenntnisfähigkeit seiner Leserinnen und Leser. In besseren Tagen wusste er sehr genau, dass Faschismus als herrschendes System nicht auf eine einzelne Person und ihren Einfluss zurückgeführt werden konnte. Wenn er jetzt seinen Auswurf im "SPIEGEL" betitelte mit "Saddam- Hitlers Widergänger" verriet er jede bessere Erkenntnis.

Die Schilderung des Regierungs-Systems von Saddat selbst weicht nur gering ab vom BILD-Niveau: Der Irre von Bagdad. Das Schlimme nur: der angesehene Namen Enzensbergers verführte Heerscharen von bisher nur etwas weichbirnigen Studienräten- vor allem peinlicherweise auch solche mit dem Fach Politik oder Geschichte- zum unterwürfigen Nachlallen. Mit seinem Text hat sich Enzensberger zum gedankenlosen Propagandisten eines kriminellen Kriegs gemacht.

Dass Enzensbergers Verfall schon damals eine lange Vorgeschichte hatte, kann der Aufsatz von Olga Tescho aus dem untergegangenen "stattweb" in Erinnerung rufen.

Tescho, Olga:
Der Hass des Aufklärers auf die Massen - zum 80. von Enzensberger 12.November 2009
Wer achtzig wird, muss leiden. Von WELT, FAZ und SPIEGEL gnadenlos gepriesen. In jungen Jahren hatte Enzensberger sie alle angegriffen. Jetzt nahmen sie Rache. Allesamt lobten sie eines an ihm: dass er vom Abitur weg ein Luftikus gewesen sei. Ein Gedankenspieler. Niemals hätte er was ernst gemeint. Damit wäre er inzwischen wirklich der “Harlekin-, als den ihn Habermas nach dem Anschlag auf Dutschke in der bekannten Ansprache in der besetzten UNI Frankfurt hingestellt hatte. Dabei war er in jungen Jahren mit vollem Hass gegen die zugebunkerte Nachkriegs-BRD vorgegangen. Ganz im Sinne der von ihm Bewunderten - d-™ Alembert und Diderot, den Meistern der Aufklärung.

Seine Vorschläge für Atomwaffen-Gegner aus dem Jahr 1958 wirken heute fast rührend: Anzeigen in Zeitungen aufgeben! Versammlungen von Atomfreaks verstören durch schlaue Einwände! usw. Als hätte es auch damals noch viele gegeben, die nichts vom Atom gewusst hätten. Dass trotz alledem so wenige sich durch die Erkenntnis aufschrecken ließen, übersah Enzensberger im Eifer. Solange der Eifer ihn obenhielt und trug. Bei den Demos der 68er war er noch voll dabei. Nach Kuba zweigte er ab - von einer Vortragsgastreise in den USA. Selbst seine Enttäuschung angesichts der dortigen Verhältnisse führte noch nicht zu dem inneren Gebrochensein, das ihm heute manche nachsagen. Die Gesänge “Der Untergang der TITANIC-, die er danach verfasste, enthalten noch in der Wut, im Impuls der Abstoßung, dem verstörten “NEIN- ein festhaltendes “JA- - an der Hoffnung, der eigenen, gehabten und der einstigen der Menschen in Kuba.

Inzwischen muss aber der Zorn des Aufklärers sich in ihm gesammelt haben: der auf die Gleichgültigkeit der Massen. Mehr und mehr ergab sich Enzensberger den üblichen massenpsychologischen Hass-Ergüssen in SPIEGEL-Artikeln “Sie denken nicht! Sie denken nicht!- wie der König Peter aufschreit in Büchners “Leonce und Lena-. Aus dem Willen zur gemeinsamen Erkenntnis “mit allen- wird die immer dicker kochende Wut auf die Reglosigkeit der Vielen.

Nur aus der Erbitterung gegen die, die die Samenkörner des Aufklärers steinig verweigern, lässt sich Enzensbergers tiefster und verächtlichster Fall erklären. Verächtlich nicht etwa nur die Gutheißung der Verbrechen von Bush Senior! Geistiger Selbstmord dabei die Schnapsidee, Saddam, einer der gewöhnlichsten Militärdiktatoren, sei Hitlers Widergänger. Enzensberger beliebte das Bad in der Jauche - mit den entsetzlichsten Wesen tummelte er sich als Kriegshetzer. Man muss erlebt haben, wie in jedem gymnasialen Lehrerzimmer ein ergrauter Kollege den SPIEGEL mit - dieses Mal begeistertem! - Rotstift markierte und mehr und mehr vergaß, wie der Erzschleimschütter selbst, was beide jemals über Entstehung und Fortbestand von Faschismus gehört hatten. Man war wieder in die sechziger Jahre zurückgesunken. Faschist war einfach ein anderes Wort für “Arschloch- geworden. Zwanzig Jahre Analyse dahin...

Seither ging es mit Enzensberger bergab. Wenn er gerade mal Geld brauchte, setzte er beim SPIEGEL was Verzerrtes ab - “voller Hass gegen die Niedrigen-. Was hat er - der wirklich große Geist - falsch gemacht, dass er jetzt das volle Lob all derer über die Ohren geschüttet bekommt, die er einst angriff?

Vermutung: Er nahm Aufklärung zeitlebens als Flug des Wissenden - über die Köpfe der Unwissenden weg. Er weigerte sich am Ende, sich auch am Irrtum der Massen zu beteiligen, aus dem vielleicht Stücke von Mehrwissen, ein wenig genauerer Erkenntnis sich entwickeln. Seine Stelle wurde die des “Fliegenden Robert-, des ewigen Drüberfliegers

-Drun sollt ihr Menschen nicht in Zorn verfallen/ Denn jede Kreatur braucht Mitleid von uns allen- - frei nach Villon. Die Leiden aller Kreatur auch an sich selber zu entdecken - dazu war er zu unberührbar. Auch zu eitel. Und versank im Massenhass in dem Schlamm, aus dem ihn die Anbeter jetzt ausgegraben und aufgebahrt haben.

Quellen: Enzensberger: Verhör von Havana (1970) / Enzensberger: Untergang der Titanic (1978)

Angelika Ebbinghaus: Aufspürerin einer anderen Vergangenheit

Freya von Moltke, 2007
Foto: HopsonRoad / WikiPedia
Creative Commons Lizenz 3.0"
Für Freya v. Moltke. Zum Jahrestag ihres Todes am 1.1.2010 und zum hundertsten Geburtsag im März 2011

Hinzuweisen wäre hier zunächst auf ein wichtiges Buch. Eine Art Festschrift zum 65. Geburtstag von Angelika Ebbinghaus. Die ungeheuer vielfältige und weitreichende Tätigkeit dieser Frau wird hier in heraufgerufen. Ebbinghaus wird in den sie ehrenden Erinnerungen von mitkämpfenden Frauen zwar auch "Feministin" genannt - falls der Begriff damals schon so geläufig war wie heute. Ihre Untersuchungen gehen aber weit über das hinaus, was mit dem Begriff gemeinhin gefasst werden soll.

Es ist unmöglich, hier gleich mit einer Rezension aufzuwarten über all ihre Schriften. Womit hat sie sich beschäftigt oder nicht beschäftigt die lange Zeit ihres wissenschaftlichen Arbeitens! (Dazu vielleicht einmal später mehr)

Hier soll nur herausgegriffen werden das, was sie mit Karl Heinz Roth zusammen herausbekommen hat über die verschiedenen Ausprägungen des deutschen Widerstands gegen das Nazi-Regime. Im vorliegenden Band findet sich dazu S.149 ff. eine ganze Reihe von mails, die sie ausgetauscht hat mit Freya v. Moltke, die damals in den USA lebte und so lange über den Tod von James Moltke hinweg ausgehalten hat. In diesem mail-Wechsel finden sich die Vorarbeiten des Buchs über die "Kapellen" des Widerstands in der Zeit des deutschen Faschismus.

("Kapelle" ist - wie man weiß - ein Gestapo-Ausdruck. Nachdem einzelne Funker dort "Klavierspieler" genannt wurden, hieß das Zusammenwirken von mehreren dann konsequent "Kapelle" - auch in Fällen wie dem Kreis um die Moltkes in Kreisau, die es nicht nötig hatten zu funken, weil sie seit 1940/41 höchst persönlich zusammenkamen).

Angelika Ebbinghaus und Karlheinz Roth entdeckten gerade in der Gruppierung um Kreisau die fruchtbarsten und weitestreichenden Überlegungen zur Schaffung einer Zeit nach dem Krieg, die gründlich aufräumen sollte nicht nur mit dem Nazismus selbst, sondern auch mit allem, was diesen in Deutschland möglich gemacht hatte. Insofern wurde der Anschluss an sozialistische Gedanken ausdrücklich gesucht. Ein Umstand, den die schon wieder staatstragende Historikerzunft um Ritter und Fest unerbittlich zu verschweigen beabsichtigte.

Insofern war das Buch über die "Kapellen" nur gegen den starrköpfigen Widerstand der etablierten Geschichtsinhaber herauszubringen.

Der Kreisauer Kreis

Roth und Ebbinghaus gehen im Buch über die "Kapellen" ausdrücklich nur am Rande auf den Widerstand von unten ein, der schon oft behandelt wurde, auch von den beiden selbst. Roth hatte sich vorgenommen, für dieses Mal gerade die Konzeptionen der militärischen und bürgerlichen Gruppen zu untersuchen über das “danach-. Wie und mit wem sollte es weitergehen nach dem - als geglückt vorausgesetzten Attentat?

Joachim Fest beanspruchte seinerzeit das Monopol der finalen Deutung deutscher Geschichte. Nach „Hitler“ und vor „Untergang“ hat er im "Staatsstreich" den 20. Juli endgültig eingereiht und abgefertigt. Sein Buch endet zustimmend mit dem Zitat: „Ich glaube, es war gut, dass es gemacht wurde, und vielleicht auch gut, dass es misslang" (Staatsstreich S. 346). Fest und viele staatstreue Nachbeter heften sich an Tresckows letzte Meldung: „Das Attentat muss gemacht werden, coÃ"te que coÃ"te“. Die Handlung aufs äußerste ausgedünnt, aufs Zeichen reduziert. Die Gräte statt des Fischs. Als hätten die Verschwörer alles nur getan, damit wir dem Ausland einen Gedenktag zum Feiern vorzeigen können. Gerade umgekehrt gehen Karl-Heinz Roth und Angelika Ebbinghaus vor. Sie versuchen den Vorgang, der zum 20 Juli führte, nicht zu verarmen, sondern zu bereichern.

Was hatten nicht nur die Offiziere, nicht nur der Goerdelerkreis, sondern auch die Gruppe um Graf Moltke für Vorstellungen? Was sollte nach dem Schluss der NS-Diktatur kommen? Was davon hätte Eingang finden können in die Diskussionen unmittelbar nach Kriegsende? Dabei arbeitet vor allem Karl Heinz Roth die scharfen Gegensätze heraus, die die Verschwörer nur mühsam überbrücken konnten. Goerdeler, ehemals Bürgermeister von Leipzig, Sparkommissar in der Weimarer Republik und auch noch in den ersten Jahren der Naziherrschaft, war stark vom Ordo-Liberalismus geprägt. Im Überlebensfall hätte er ohne weiteres den Ludwig Erhardt geben könnten. Er suchte eine Sanierung des Staatshaushalts durch Steuererhöhung, unbezahlte Mehrarbeit und einen rigiden Sparkurs. (Der gegebene Mann für heute). Wie die meisten seines Kreises wollte er keineswegs zurück zu einem Parlamentarismus irgendeiner Art. Er schwärmte dem Präsidialsystem Hindenburgs und Brünings am Ende der Republik nach. In der Durchführungsplanung des Aufstandes führte das dazu, dass ängstlich jede breite Volksbeteiligung, auch Streiks, ausgeschlossen wurden. Die Massen als Gefahr - ein Gedanke,der sich bis in die verfassunggebende Versammlung 1949 durchfraß. Ebenso wurde kein Gedanke an die Beteiligung einfacher Soldaten verschwendet. Brutal gesagt: Gerade die angstvolle Erinnerung an die Soldatenräte von 1918 beschleunigte den Willen zu einer Einigung mit den Kriegsgegnern. Um Gottes Willen, nicht noch einmal die wilde Rotte, die Offizieren die Achselklappen herunterriss.

So wundert es nicht, dass sowohl Stauffenberg und die Offiziere um ihn den als Reichskanzler vorgesehenen Goerdeler nur als „Kerenskilösung“ ansahen. Kerenski: das war derjenige, der in der ersten Zeit der russischen Revolution unbedingt den Krieg fortführen wollte, bis die Bolschewiki ihn stürzten. Die Überlegung war: 1918 haben sich die Sozialisten in Deutschland vor allem verhasst gemacht, weil sie den Kapitulationsvertrag unterzeichnet hatten. Dafür sollte Goerdeler herhalten: Danach: Adieu... Es gibt einen witzigen kleinen Roman Christian v. Ditfurths, in dem er davon ausgeht, das Attentat sei geglückt. Allerdings: die SS erwiese sich am 21. Juli als Mitinhaber der Macht. Schließlich gäbe es 1953 vielleicht einen Bundeskanzler Himmler... (Der 21. Juli. Roman. Droemer, München 2001, ISBN 3-426-27199-0; Knaur, München 2003, ISBN 3-426-62415-X)

Der Roman bohrt sadistisch in der Unentschlossenheit des Goerdelerkreises. Diese Gruppe wollte Reich ohne Hitler. Nur dass ohne stärkste Volksbeteiligung eine erfolgreiche Umwälzung sich nicht einmal denken lässt. Notwendig blieben alte Machtblöcke dabei ungestürzt. Herausgearbeitet wird von Ebbinghaus und Roth, dass zum Beispiel Offiziere, die selbst in der Partisanenabwehr tätig waren, und die aktiv den Sturz Hitlers betrieben, trotzdem niemals auch nur den Gedanken fassten, etwa mit Partisanen zusammen einen gesamteuropäischen Aufstand zu planen. Gerade darin zeigt sich der Unterschied zum Widerstand von unten, dem im Buch zwar ein zusammenfassendes Kapitel gewidmet ist, der dieses Mal für die Verfasser aber nicht im Mittelpunkt steht. Zu erinnern wäre zum Kontrast an den halbjüdischen Peter Brückner, dem es gelungen war, in der Armee unterzukommen. Kaum war er zur Bewachung eines Gefangenenlagers abgeordnet, knüpfte er Kontakte sowohl zu russischen Gefangenen wie auch zu Mitgliedern der im Untergrund immer noch tätigen Kommunistischen Partei Österreich. Ebenso berichtet Angelika Ebbinghaus vom Bruder der Freya von Moltke. Er benutzte die Gelegenheit, als er in Italien als hoher Funktionär Arbeitskräfte für Bauten im Reich anwerben musste, selbst sich der Partisanengruppe „Giustizia e Libertà“ anzuschließen.

Stark heben Roth und Ebbinghaus die Rolle des Moltkekreises hervor - nach dem Gut der Familie: Kreisauer Kreis genannt. Sie, in der offiziellen Literatur immer etwas geringschätzig als bloßer Diskutierclub behandelt, verzichteten bewusst auf gewaltsamen Sturz der Diktatur. Sie sahen die Notwendigkeit der Kapitulation voraus und beschäftigten sich mit den Möglichkeiten eines Neuanfangs. Dabei setzte Moltke selbst vor allem auf „kleine Einheiten“ unten, die sich fast räteartig selbst verwalten sollten. Als zusammenfassendes Element sollte hinzutreten ein wirklich geeintes Europa, an dem deutsche Teilstaaten gleichberechtigt teilnehmen sollten. Ein Auseinandertreten des Blocks "Großdeutschland" in einzelne selbständige Staaten wurde also willentlich angestrebt. Um alle neuen Großmachtgestikulationen zu blockieren, wie sie heute wieder auftreten. Vergeblich...

Gerade der Kreisauer Kreis nahm am ehesten sozialistische Elemente in sein Denken auf. Zwar rühmte Moltke sich im Abschiedsbrief, dass Freisler im Volksgerichtshof ihn wegen bloßen Denkens verurteilt hatte. Also war Denken als solches im Dritten Reich schon ein Verbrechen. Das könnte den Vorwurf gegen den blassen Nur-Denker bestärken. Nur dass Moltke bei „denkendem Begreifen“ stets ans Eingreifen dachte - wie es im Wort Begriff ja selber steckt: Wer so denkt, ist in Gedanken immer schon beim künftigen Zugriff.

Zur Roten Kapelle wusste Fest im Jahre 94 nur zu sagen: “Die Gesinnungsbedürfnisse dieses vorwiegend intellektuellen Zirkels, dessen Mitglieder der einen Ideologie den Vorzug vor der anderen gaben... waren nur auf Unverständnis gestoßen“ (ebendan S. 237). Das, nachdem die „Ästhetik des Widerstandes“ von Peter Weiss ein Jahrzehnt lang vorlag, in deren drittem Band die Tätigkeit der Roten Kapelle ausführlichst gewürdigt wurde. Stefan Roloff im vorliegenden Band räumt mit diesen Gönnerhaftigkeiten auf. Er weist nach, dass über hundert Personen in engerem und weiterem Zusammenhang mit der Gruppe standen. Vor allem geht er gegen das gängige Klischee vor, die von der Gestapo so genannte Rote Kapelle hätte ihre Haupttätigkeit im Funken für die Rote Armee gefunden. Die Tatsache, dass sie über einen erstmaligen Funkkontakt mit einem neuen Gerät aufgespürt wurden, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier ein wesentlich linker Zusammenschluss sich organisatorisch und gedanklich für die kommende Zeit vorbereitete.

Inzwischen ist es bei allen Gedenkfeiern so weit gekommen, dass vor allem Goerdeler gepriesen wird als vorausschauender Geist.

Den Kreisauern wird, wenn überhaupt, mürrisch ein anerkennendes Wort nachgesandt. Um so wichtiger, dass Historikerinnen wie Angelika Ebbinghaus gerade noch rechtzeitig auftraten, um Geschichte in ihrem wahren Wert und wirklichen Verlauf gegen allen hochnäsigen Widerspruch zu retten.

Insgesamt ein Buch über Kreisau im Rahmen des Gesamtwiderstands, das im Jahr 2011 sein Gewicht immer noch finden sollte, wenn -“ hoffentlich -“ auch darüber diskutiert werden wird, was an Vorarbeiten vorlag, woran anzuknüpfen war, als endlich im Frühjahr 45 die Bunker sich öffneten.

Bibliographische Angaben:
• Karl Heinz Roth / Angelika Ebbinghaus (Hrsg.): Rote Kapellen - Kreisauer Kreise - Schwarze Kapellen: Neue Sichtweisen auf den Widerstand gegen die NS-Diktatur 1938-1945 ISBN 3-89965-087-5 VSA-Verlag Hamburg 2004

• Angelika Ebbinghaus: Ein anderer Kompass: Soziale Bewegungen und Geschichtsschreibung. Texte 1969-2009 Hamburg 2010 Assoziation A

Somalier in den Niederlanden gefasst- im Dienst der Innenminister Gesamteuropas

Fernsehen vor Weihnachten: Helle Aufregung in Ländern, die ziemlich weit weg liegen von den Niederlanden. Gleich zwölf Terroristen gefasst. Und dann noch solche aus Somalia. Somalia, man weiß, wo sie im Grunde gar keine Regierung mehr haben. Und sicher zu jedem Attentat bereit stehen. Wenn auch aus Farbgründen beim Anschleichen etwas auffällig. Vor Weihnachten hörte sich alles so an, als sei das Dutzend frisch und tatenfroh in Holland eingefahren.

Am Montag kam heraus, aber nur für Internetforscher, dass von den zwölfen gleich mal fünf am Sonntagabend hatten freigelassen werden müssen. Weil selbst nach den verdachtsfreudigen Prinzipien der Dienste nichts gegen sie vorlag. Kein deutscher Sender berichtete am Montagmorgen über die Freigelassenen. Die Hauptsache war schließlich erledigt. Aufheizung kollektiver Angst. Forderung nach mehr Polizei.

Wie eine angesehene Zeitung - FAZ- auf Resten von Solidität beharrend - den Fall nachträglich darstellt, ist aufschlussreich für die Propagandapflicht auch in den oberen Etagen des Formierungsbetriebs. Der Artikel ist der FAZ-online vom Montag 27.12.10 entnommen und nicht namentlich signiert. Wir bieten zur Illustration einige Auszüge.

"Die Niederlande sind Weihnachten möglicherweise nur knapp einem Anschlag islamistischer Terroristen entgangen."


Also doch! Aber dann gleich halbherzig die Entwarnung:

"Doch bei der Festnahme von zwölf verdächtigen Somaliern wurden weder Sprengstoff noch Waffen gefunden. Und bei fünf von ihnen bestätigte sich der Verdacht nicht!"


Jetzt wahrheitsgemäß Details über das demonstrativ brutale Vorgehen der Polizei:

"Zersplitterte Scheiben, zerstörte Rollläden. Geklingelt oder angeklopft haben die Männer vom „Dienst Speciale Interventies“ - der niederländischen Anti-Terror-Spezialeinheit DSI - nicht, als sie Heiligabend den Internetshop „Banadir“ in Rotterdam stürmten. Kein Wunder, denn der Geheimdienst AIVD hatte Alarm geschlagen: „Eine Anzahl Somalier will in Kürze einen terroristischen Anschlag in den Niederlanden verüben.“


Hierauf sanfte Zweifel an der Bedrohung des ganzen niederländischen Volkes:

"Der Großeinsatz, bei dem zwölf Somalier unter Terrorismusverdacht festgenommen wurden, riss Holland aus der Weihnachtsruhe. Doch wie ernst war die Bedrohung wirklich? „Ich habe noch gesagt: Hier habt ihr den Schlüssel“, erzählte der Somalier Nuur am ersten Weihnachtstag Reportern vor dem demolierten Internetshop in der Rotterdamer Middellandstraat. „Aber die wollten sie nicht, sie traten lieber die Türen ein“, sagte der 36-jährige, der als Teenager nach Holland kam und bestens Niederländisch spricht."

Vorsichtige Absetzung von den schlimmsten Hetzern in den Niederlanden. Ohne aber dieser Hetze offen entgegenzutreten.

"Geert Wilders, der Rechtspopulist, der immer wieder Muslime mit islamfeindlichen Ausfällen zur Weißglut bringt, macht sich einmal mehr zum Sprachrohr der „schweigenden Mehrheit“. Gleich nach den Razzien in der Hafenstadt twittert der Chef der Partei für die Freiheit (PVV): „Die zwölf festgenommenen somalischen Terrorverdächtigen haben meiner Ansicht nach in den NL nicht gerade nach dem gesucht, was uns verbindet.“"

"Doch die Terrorismusbekämpfer haben bei ihnen weder Waffen noch Sprengstoff gefunden - Nach der halben Distanzierung die volle Rechtfertigung von Polizei und Geheimdienst:
Zweifellos sind die Niederländer nervös. Mit Anschlägen wird schon lange gerechnet. Der AIVD hatte 2009 gewarnt, von Extremisten in Somalia gingen Gefahren aus. Im September wurden die Holländer durch Aufrufe eines Hasspredigers geschockt, Wilders zu enthaupten. Die Festnahmen an Heiligabend erklärte dieser nun, zeigten die „Verwundbarkeit des freien Westens“ durch den Terrorismus. „Dagegen müssen wir mit allen Mitteln knallhart vorgehen.“"


"Hassprediger" stammen immer aus dem Islam. Auf den wirklichen Vernichtungs-Schnauber Wilders passt so eine Vokabel nicht.

"Der Chef der rechtspopulistischen Partei für Freiheit (PVV), die als Mehrheitsbeschafferin indirekt an der Regierung in Den Haag beteiligt ist, hat immer wieder Muslime in aller Welt provoziert. Mehrfach verglich er den Koran öffentlich mit Hitlers „Mein Kampf“, beschimpfte den Islam als „faschistische Ideologie“ und dessen Propheten als „Barbaren, Massenmörder und Pädophilen“. Rund 27.000 Somalier leben in den Niederlanden. Die meisten kamen als Asylbewerber."

Islam und Islamismus gleich: Faschismus. Alle, die bei uns in der Bundesrepublik von "Islamofaschismus" faseln und träumen, dürfen sich unterstützt fühlen und weiter demonstrieren.

Soviel aus der Berichterstattung eines der angesehensten Blätter Deutschlands. Vom Staatstragen nur ganz leicht verkrümmt.
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