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„Pazifistische Kampagne wird mittels Geheimdiplomatie zerbrochen“

Die seit mehreren Monaten vorgetragene Kritik an der Kampagne „Schulfrei für die Bundeswehr -“ Lernen für den Frieden“ wegen Fortsetzung der völlig aussichtslosen Verhandlungen über „Friedensbildung“ mit einem Kultusminister, der die Privilegierung der Bundeswehr an Schulen vertraglich fortsetzt, ist seit August in ein neues Stadium getreten. Gut begründete kritische Sachfragen zu den Verhandlungen werden weiterhin nicht beantwortet, aber eine empörende Verkehrung von Ursache und Wirkung wird dafür als Begründung angeführt.

Nachdem Christoph Marischka mit seiner IMI-Veröffentlichung unter dem Titel “"Friedensbildung" als Feigenblatt für Jugendoffiziere an Schulen“ am 18. August den Kern der Kritik sachlich zusam­men gefasst hatte, gab es eine Erwiderung von Hagen Battran mit teilweise unverschämten Angriffen. Weder Marischkas Frage nach einer Zitiermöglichkeit für seine IMI-Interessentenliste noch meine Aufforderung, die Battran-Erwiderung seinerseits öffentlich zugänglich zu machen, sind beantwortet worden,

Battran hat meine Veröffentlichungen mit Dokumenten am 31. Juli auf trueten.de und meine diesbezügliche Fortsetzung am 6. August in der Neue Rheinische Zeitung und am 14. August bei stattweb.de für die Geheim­diplomatie verantwortlich gemacht.

Da müssen sich klar denkende SchülerInnen, um deren Friedensbildung es ja gehen soll, unmittelbar an gewisse internationale Debatten erinnert fühlen.

Christoph Marischka hat den Kern der Geheimdiplomatie so formuliert: „Die Hoffnung auf finan­zielle Zuwendungen ist mit einer grundsätzlichen Kritik an der außenpolitischen Ausrichtung der regierenden Parteien schwer zu vereinbaren -“ wohl aber mit der Funktion eines Feigenblattes für die fortgesetzte Zusammenarbeit zwischen Kultusministerium und Bundeswehr.“

Meine am 19. August angekündigte Konsequenz wird hier mit der beigefügten Dokumentation umgesetzt.

Und zu guter Letzt noch etwas Ermutigendes aus einer mir nahe liegenden Hochschule. Der AStA des Karlsruher Instituts für Technologie KIT hat am 29. August folgende Stellungnahme veröffent­licht „Kriege in und um Europa: Zivilklausel am KIT einführen!“

Eine wunderbare Botschaft zum Antikriegstag und ein klares Signal an das KIT-Präsidium.

Karlsruhe: Hiroshima-Tag 2014, „Mayors for Peace“, family Thiel

Download des Readers: Bild anklicken
Das Karlsruher Friedensbündnis kann mit seiner Aktion zum 69. Jahrestag des als kriegsnot­wendig getarnten US-Massenmords in Japan sehr zufrieden sein. Zum Auftakt wurde bei einer Mahn­wache ein informativer Flyer an die Passanten verteilt. Und dann die Kundgebung mit interessanten Reden zur Aufklärung und Erinnerung, aber auch über die Gegenwart mit erneuter Weltkriegsgefahr im Globalen und der Atom-Täterschaft am Karlsruher Institut für Technologie KIT im Regionalen.

Der eindeutige Höhepunkt war die Verlesung des Grußworts von Oberbürger­meister Dr. Frank Mentrup, der auch die Schirmherrschaft übernommen hatte. Seit Mai 2014 ist die Metropole des Rechts und der Technologie auf Initiative des OB dem welt­weiten Friedensnetz­werk „Mayors for Peace“ beigetreten. Der Autor hatte das Vergnügen dieses bedeutende Gruß­wort vorzulesen und ließ es sich nicht nehmen, auf die beharrliche Vorarbeit von Ulli und Sonnhild Thiel hinzuweisen. Diese beiden bekannten PazifistInnen hatten die „Mayors for Peace“-Forde­rung jahrelang an die Adresse des Mentrup-Vorgängers beharrlich vorgetragen und wurden ständig abgewiesen.

Im geschichtsträchtigen Jahr 2014 wurde dieses Anliegen nun Wirklichkeit. Alle Ereignisse am 6. August in Karlsruhe, der Bildbericht in den Badischen Neuesten Nachrichten und weitere in der WebDoku der Initiative gegen Militärforschung an Universitäten veröffentlichte Dokumente sind vom Autor in einem Reader zusammen gefasst worden.

Ausstieg aus Mitmachfalle Friedensbildung Schulen

„Kooperation Schule/Bundeswehr“ in Baden-Württemberg

• Kultusminister Stoch (SPD) setzt CDU-Vereinbarung von 2009 mit neuem Etikett unbeachtet der vielfältigen Proteste fort
• Grüne Landtagsabgeordnete und Grüne Basis schweigen - einem gegenteiligen Beschluss des Landesparteitags zum Trotz
• Kampagne „Schulfrei für die Bundes­wehr“ hat sich vom Kultus­ministerium in eine Mitmachfalle zur Thematik „Bildungsplan und Friedensbildung an Schule“ manövrieren lassen. Schluss damit!

Ausgerechnet am 1. August 2014, dem 100. Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkriegs, will die Kampagne mit dem Kultusministerium (KM) über eine „Gemeinsame Erklärung zur Stärkung der Friedensbildung in den baden-württembergischen Schulen“ verhan­deln. Dabei hätte dem Kampagnenrat (KR) spätestens nach dem ersten Verhandlungstag am 5. Juni die Augen aufgehen müssen. Denn kurz danach wurde bekannt, dass die Kooperations­vereinbarung von 2009 unter neuem Etikett fortgesetzt wird und eine solche „Gemeinsame Vereinbarung“ keinen anderen Zweck haben kann, als die Friedensbewegung nach dem Motto "Bundeswehr und Pazifisten an Schulen auf Augenhöhe" einzuwickeln. Das hatte die Presse am 11. Juni im KM-Stil genüsslich genau so propagiert.

In der Gewerkschaft GEW hatte es einen jahrelangen Streit darüber gegeben, ob diese Sorte von „Gleichberechtigung“ akzeptiert werden kann. Er wurde entschieden zugunsten der Forderung nach ersatzloser Kündigung der „Kooperationsvereinbarung Schule/Bundeswehr“ und Beendigung des privilegierten Einsatzes von Jugendoffizieren an Schulen. Es sei die Aufgabe der LehrerInnen, den SchülerInnen die widersprüchlichen Positionen zur Friedenspolitik zu vermitteln. Die Jugend­offiziere hingegen haben keine andere Aufgabe, als die offizielle Kriegspolitik als Sicherheitspolitik und Friedenssiche­rung zu verkaufen.

Genau solche an Orwell erinnernden Formulierungen sind im KM-Entwurf der „Gemeinsamen Erklärung“ enthalten. Im KR ist nach wie vor die Illusion verbreitet, dass es gelingen könnte, KM und die Landesregierung mit geschickten Formulierungen zu einer ernsthaften Initiative für eine Friedenserziehung für die Schulen umzupolen.

Immerhin drei Mitstreiter der Kampagne haben sich angesichts der geschilderten Verhältnisse nicht in ihrer Kritik beirren lassen und eine Absage des morgigen Termins gefordert. Die wortreichen und teilweise vorwurfsvollen Einlassungen der KR-Macher gegen begründete Kritik werden mit einem öffentlichen Verschweigen der strittigen Verhandlungsgrundlagen verbunden.

Friedenspolitik bedeutet Mobilisierung der LehrerInnen und SchülerInnen und der friedens­bewegten Öffentlichkeit für die Zukunftsvision einer Welt, in der alle Konflikte mit nicht­militärischen Mitteln gelöst werden.

Aus diesem Grund ist eine Handreichung mit wichtigen Dokumenten zu dem geschilderten Sachverhalt erstellt worden. Bitte studieren Sie diese hier und bilden sich ein eigenes Urteil.

Karlsruhe, 31. Juli 2014
Dietrich Schulze
Gewerkschaftler, Publizist und
unverbesserlicher Friedenshetzer

Schulfrei für die Bundeswehr und Semesterferien im ganzen Jahr! Rettungsfond für die Bildung statt Rüstungsmilliarden für den Krieg!


Unter diesem Leitgedanken wird es im Januar auf Einladung der Kampagne „Schulfrei für die Bundeswehr“ eine Aktionskonferenz geben, in der eine landesweite Protestaktion beraten werden soll. Wichtigster Grund ist die fortgesetzte Verschleppung der versprochenen Kündigung der Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr durch die Grün-Rote Landesregierung.

In der Tagung „Lernen für den Frieden“ am gestrigen Samstag im Bonhoeffer-Haus Karlsruhe wurde bekannt gemacht, dass die seit 4. Dezember 2009 bestehende Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr mit kosmetischen Korrekturen durch eine neue ersetzt und den Friedensorga­nisa­tionen ebenfalls eine Kooperationsvereinbarung angeboten werden soll.

Das wurde von den TagungsteilnehmerInnen einhellig zurück gewiesen. Um zu dieser Zurück­weisung ein öffentliches Zeichen zu setzen, wird in Anknüpfung an die Demonstration am 20. Oktober 2012 in Stuttgart und an Aktionstage „Militärfreie Schulen und Hochschulen“ an eine weitere demonstrative Aktion in der Landeshauptstadt gedacht.

Die Tagung war der gemeinsamen Überzeugung, dass dabei die Mitwirkung der Gewerkschaften und der Kirchen von großer Bedeutung ist. Zum Glück hatten an der Tagung in Karlsruhe eine Reihe von VertreterInnen der Gewerkschaften und der Kirchen teilgenommen, die das direkt mit den entsprechenden Gremien kommuniziere können.

Der Tagung lag ein Reader des Autors mit einem ausführlich begründeten Antrag für eine Demo für Anfang 2014 vor, verbunden mit aktuellen Informa­tionen zur Zivilklausel an Hochschulen und zum DGB-Workshop an 30. Oktober in Berlin.

Über den Antrag wurde ausführlich in der Arbeitsgruppe c (Lena Sachs/Roland Blach: Lernen für den Frieden und militärfreie Schulen. Ein langer Weg beginnt mit dem ersten Schritt) und im Tagungsplenum diskutiert mit dem eingangs genannten Ergebnis.

Es ist davon auszugehen, dass der IMI-Kongress am 15./16. November in Tübingen die geplante Aktionskonferenz und die demonstrative Aktion unterstützen wird.
Mehr Informationen zur Tagung in der heutigen Presseerklärung „“Kooperationsvereinbarung ist ein roter Teppich für die Bundeswehr“ - Bildungssystem muss zivil ausgerichtet sein“ der DFG-VK Baden-Württemberg.

Kontakt: Dietrich Schulze dietrich.schulze@gmx.de 0160 9911 3131

Reinwaschung des kriegsbereiten Honorarprofessors der Uni Tübingen: Zivilklausel-Bewegung als Hemmschuh der Hochschul-Militarisierung

"Antimilitaristen machen mobil gegen die Bundeswehr - In Berlin wird ein Minister niedergebrüllt, die Bundeswehr bekommt Hausverbote."

Diese Original-Schlagzeile und der Einführungstext der "Welt" vom 18. Mai 2013 wurden offenbar von Rüstungsfreunden als missverständlich kritisiert. Deswegen die Änderung in der Internetfassung wie hier im Korrekturmodus dokumentiert. Bei dieser Gelegenheit wurden noch Bilder aus der Druckfassung (hier weggelassen) und Zwischenüberschriften eingefügt.

Bemerkenswert auch die Korrektur des wohl von Militärexperten monierten Geheimhaltungsstatus der Verhandlungen zum Dayton-Abkommen. Die korrigierte Meldung wurde schleunigst von „Bundeswehr News“ und „Seefahrer Blog“ übernommen.

Was sagt uns dieser umfängliche Versuch einer Reinwaschung des Kriegstrommlers Ischinger? Zweierlei.

Erstens: Die seit vier Jahren intensiv geführte Auseinandersetzung an den Hochschulen gegen die Vereinnahmung für Bundeswehr, Kriegspolitik und Rüstungsindustrie, für eine verantwortungsbewusste Wissenschaft und für die Bindung dafür mittels Zivilklauseln zeitigt immer mehr Wirkung auf die herrschende Politik und ihre medialen Helfer. Früher konnte das als selbstverständlicher Gang der Dinge ignoriert werden. Heute müssen ellenlange Rechtfertigungs-Artikel für das Militärische geschrieben werden.

Zweitens: Die anfänglichen Proteste in Tübingen sind abgeflaut. Deswegen kann in der Zwischenüberschrift mit Genugtuung verkündet werden „Ischinger bleibt Honorarprofessor“.

Hier ist die Friedens- und Zivilklausel-Bewegung vor Ort und darüber hinaus dringend aufgerufen, an ihren früheren Protest anzuknüpfen und diesen energisch fortzuführen.

Mehr Informationen, siehe auch: Dokumentation "Zivilklausel oder Militärforschung"

“Freiheit der Wissenschaft„ und Kriegsforschung

Seit mehr als vier Jahren gibt es eine stetig intensiver werdende Auseinandersetzung an den Hochschulen um die bewusst vorangetriebene Militarisierung durch Indienstnahme für Rüstungsforschung und Kriegswissenschaft. Studierende, Gewerkschaften und Friedensorganisationen streiten mehr oder weniger erfolgreich für die Befreiung der Alma Mater aus dem Griff von Wirtschaft und Militär.

Als probates Mittel, das die Verantwortung der Wissenschaften für eine Welt ohne Krieg, für ausschließliche Gewaltfreiheit für alle Arten von Konfliktlösungen, für die Rettung des Planeten durch nachhaltigen Umweltschutz und für die Bekämpfung von weltweiter Armut und Ungerechtigkeit gut zusammenfasst, hat sich die Forderung nach Selbstverpflichtung der Hochschulen durch Zivilklauseln herausgestellt.

Die erste große Auseinandersetzung um die Zivilklausel (keine Forschung und Lehre für militärische Zwecke) in jüngerer Zeit hat sich ausgerechnet an zwei äußerst konservativen Bildungs- und Forschungsinstitutionen entzündet,

  • an der Universität Karlsruhe, die seit 40 Jahren kontinuierlich und meist verdeckt Rüstungsforschung betrieben hat und weiter betreibt und
  • am Forschungszentrum Karlsruhe, das vom damaligen Bundesminister für Atomfragen Franz-Josef Strauß 1956 als Kernreaktorbau- und Betriebsgesellschaft gegründet wurde und nicht zufällig als personelle Erstausstattung vier mit strammer Nazi-Vergangenheit belastete Führungskader (Greifeld, Schnurr, Ritter, Brandl) erhalten hatte. Gleichzeitig aber musste die völkerrechtlich unumgängliche Eintrittskarte für deutsche Atomforschung in Form der Satzungsbestimmung "Die Gesellschaft verfolgt nur friedliche Zwecke." (Zivilklausel) akzeptiert werden. Die wäre bei erstbester Gelegenheit mit dem damals propagierten Erwerb eigener Atomwaffen ad acta gelegt worden.


Ironie der Geschichte

Warum Karlsruhe? Das muss wie eine Ironie der Geschichte erscheinen. Seit 2007 ist der Zusammenschluss beider Institutionen zum Karlsruher Institut für Technologie (KIT) organisiert worden, der 2009 mit einem eigenen Landesgesetz und einer Grundsatzung gemäß Grundordnung einer Universität besiegelt wurde. Die Komplettierung des KIT als zivilmilitärischer Forschungskomplex durch Einbeziehung aller regionalen Fraunhofer-Institute (FhG, einige mit z.T. erheblichen Anteilen an Rüstungsaufträgen) ist wegen zu großer Komplexität (vorerst) zurückgestellt worden. Die Integration wird in einem Fall des Frauenhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (FhG IOSB) durch Personalunion von Uni- und FhG-Institutsleitung praktiziert.

Worin bestand der Konflikt bei der Fusion nun genau? Das Forschungszentrum (jetzt KIT Campus Nord) hatte eine Zivilklausel, die Universität (jetzt KIT Campus Süd) nicht. Für die angestrebte komplette Verschmelzung konnte es demnach nur zwei Alternativen geben: Einfügung der Zivilklausel in die Grundsatzung oder ihre komplette Abschaffung. Das letztere wagte nicht einmal die Bundesregierung unter Schavan, die seit Amtsantritt die bewusste Vermengung von zivilen und militärischen Zwecken betreibt. Für die vom Campus Nord betriebene sog. Großforschung, darunter die trotz Ausstiegsbeschluss massiv fortgesetzte Atomreaktorforschung, gilt die Zivilklausel als Teilklausel weiter. Diese wurde von der früheren SPD-Landtagsopposition mit Recht als Witz bezeichnet. Gegen die Einführung der Zivilklausel in die Grundsatzung widersetzten sich die KIT-Leitung und die damals schwarz-gelbe Landesregierung Baden-Württemberg Arm in Arm von Beginn an.

KIT-Gesetz und kein Ende

Weil diese Auseinandersetzung viele typische Elemente enthält, die auch an anderen Hochschulen zur Geltung gekommen sind, sollen die Vorgänge am KIT und in Baden-Württemberg etwas genauer nachgezeichnet werden.

Wir beginnen mit der guten Nachricht. Nachdem die Gewerkschaft ver.di bereits im Herbst 2008 eine einheitliche Zivilklausel gefordert hatte, votierten die Studierenden der Universität im Januar 2009 in einer bundesweit erstmaligen Urabstimmung zu einer Fragestellung mit derartiger gesellschaftspolitischer Tragweite für die KIT-einheitliche Zivilklausel "KIT verfolgt nur friedliche Zwecke" mit 63% JA-Stimmen. Das war ein selbst von Optimisten nicht erwarteter Paukenschlag für eine gesetzliche Friedensbindung. Kurz davor war aufgrund einer Bundestagsanfrage der LINKEN unter Mithilfe der Informationsstelle Militarisierung (IMI e.V.) Tübingen aufgedeckt worden, dass das Nachrichtentechnische Institut an der Uni an einem Breitband-Datenübertragungssystem für die Bundeswehr forscht, das besonders für multinationale Auslandseinsätze gebraucht wird. Die Zivilklausel war demzufolge für Uni und KIT keine möglicherweise überflüssige oder symbolische Vorsichtsmaßnahme, sondern hatte vor dem Hintergrund dieser Enthüllung direkte praktische Bedeutung. Der Erfolg ist von den Studierenden hart erkämpft worden. Dazu gab es Aufklärungsveranstaltungen, Flyer, Werbezettel, Infotafeln und vor allem eine massive Unterschriftenkampagne für die beiden Abstimmungsfragen: "Zustimmung zur Zivilklausel? Bei Auslegungsstreitigkeiten einstimmiger Senatsbeschluss erforderlich?" Listen wurden nach kurzen Einführungsworten von AktivistInnen in den großen Grundlagenvorlesungen in Umlauf gegeben. Eine integrierende und mobilisierende Rolle bezüglich der unterstützenden Hochschulgruppen spielte die Gewerkschaftliche Studierendengruppe Karlsruhe (GSKa).

Und jetzt die schlechte Nachricht. Geschlagene vier Jahre nach diesem Erfolg gibt es trotz Regierungswechsel und Wahlversprechen von GRÜNEN und SPD keinerlei Fortschritte. Im Gegenteil: Mit Rückendeckung der Grün-Roten Landesregierung (Ministerpräsident Kretschmann, Wissenschaftsministerin Bauer) vertuscht die KIT-Leitung reale Rüstungsforschung unter einem Dach mit Atomreaktorforschung (was zuvor als Tabu galt), verkauft die beschlossenen Ethik-Leitlinien in lächerlicher Weise als Ersatz für die heftig abgelehnte Zivilklausel und propagiert jetzt Arm in Arm mit der Grün-Roten Landesregierung die ›Freiheit der Wissenschaft.‹ Da kann sich KIT-Aufsichtsratsmitglied Zetsche (Daimler Benz) nur die Hände reiben. Viel besser konnte es in der 58-jährigen CDU-Herrschaft auch nicht laufen. Dass Aufmucken z.B. an der grünen Basis unverzüglich und unmissverständlich in die Schranken gewiesen wird, dafür sorgt nun der olivgrün gewendete Landesvater.

Zivilklausel-Bewegung wächst

Dennoch gibt es ein positives Pfund, das bei allem berechtigten Frust über die neue alte Landespolitik und die kriegsfördernde Bundespolitik nicht unterschätzt werden darf. Die Bereitschaft, für Frieden und Gerechtigkeit zu streiten, breitet sich aus in Karlsruhe, in Baden-Württemberg, bundesweit und sogar international. Die Zivilklausel ("civil clause") ist zum Inbegriff für verantwortliches Handeln an den Hochschulen geworden. Es ist ein bundesweites Bündnis "Hochschulen für den Frieden - Ja zur Zivilklausel" entstanden, das sich etwa vierteljährlich zwecks Erfahrungsaustausch und Organisierung von Kongressen und Aktionen trifft. Es hat weitere Urabstimmungen pro Zivilklausel an den Unis Köln und Frankfurt a.M. sowie an der FU Berlin gegeben. An etwa 40 Hochschulen gibt es Arbeitskreise pro Zivilklausel.

Allein in den letzten beiden Jahren sind sieben Zivilklauseln an Hochschulen zu den früheren fünf hinzugekommen, Ende Januar für die Goethe-Universität Frankfurt (Stiftungsuniversität!). In Bremen, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Berlin/Brandenburg, Bayern und anderswo werden derzeit gesetzliche Regelungen mit Zivilklauseln für Landeshochschulgesetze gefordert. Niedersachsen hatte in den 90er Jahren schon mal eine. Im neuen DGB-"Programm für eine demokratische und soziale Hochschule" wird in Ziff. 10 "Kooperation, Verantwortung und Transparenz in der Forschung" u.a. eine Zivilklausel für ein Bundeshochschulgesetz gefordert.

Vor und nach der Wahl

Allesamt verfassungswidrige Beschlüsse bzw. Bestrebungen gegen die Freiheit der Wissenschaft, wenn man der heutigen Auslegung von Ministerin Bauer folgt. Frau Bauer hatte 2010 zusammen mit Herrn Kretschmann für die GRÜNEN in der Opposition die Zivilklausel für das KIT-Gesetz beantragt. Auf Nachfrage in einer Versammlung in der Uni Karlsruhe, dass sie demnach gegen die Verfassung gehandelt hat, erklärte sie das als "Jugendsünde". Eine durchaus beachtliche Leistung, diese "Jugendsünde" im Alter von 45 Jahren. Da fragt man sich unwillkürlich, wann Frau Bauer erwachsen werden wird.

Kabarettreif hatte Bauers Amtsvorgänger Minister Frankenberg (CDU) im Juli 2009 im Landtag zum KIT-Gesetz erklärt: "Über die Zivilklausel haben wir uns ausgetauscht. Sie bleibt beim Forschungsteil. Ich persönlich - das betone ich auch hier noch einmal - bin der festen Überzeugung, dass unsere Hochschulen eigentlich für die Armee eines demokratischen Staates und die beste Ausrüstung ihrer Soldaten auch forschen dürfen. Ich halte dies übrigens auch für eine Zivilklausel. Denn wir haben eine zivile Armee, für die man forschen können soll. Insofern akzeptiere ich die Zivilklausel für den Forschungsteil. Ich akzeptiere aber im Prinzip die Idee der Zivilklausel für unsere Bundeswehr nicht."

Am Rande ihres Antrittsbesuchs an der Universität Tübingen hatte sich die jetzige Wissenschaftsministerin Bauer wie folgt geäußert: "Ich begrüße und unterstütze es, wenn Hochschulen in ihren Grundordnungen klarstellen, dass Forschung und Lehre friedlichen Zwecken dienen". Laut Schwäbischem Tagblatt (05.11.11) betonte sie aber zugleich, dass sie eine gesetzliche Beschränkung von Forschungsaktivitäten ablehne. Dem fügte sie hinzu, dass sie persönlich es für "legitim und richtig" ansehe, wenn Hochschulen "Forschung zu sicherheitsrelevanten Fragen betreiben, die sich im Rahmen demokratisch legitimierter Bundeswehreinsätze stellen."

Ähnlich MP Kretschmann bei einem Bürgerempfang im Karlsruher Rathaus kurz darauf. Eine KIT-Studentin erinnerte ihn an die grüne Position vor der Wahl und fragte, warum die Zivilklausel nicht ins KIT-Gesetz geschrieben wurde. Die knappe MP-Antwort: "Forschung und Lehre sind nach dem Grundgesetz frei." Nach Verweis der Studentin darauf, dass MP das doch vor der Wahl gewusst habe, sowie auf die Praxis des Forschungszentrums und die Tübinger und Bremer Zivilklausel, wechselte der MP die Pferde. Es gehe gar nicht um verfassungsrechtliche Bedenken, sondern darum, dass die Institute das selber entscheiden sollen. Außerdem müsse beachtet werden, dass wir eine Bundeswehr haben, die für ihre Friedenseinsätze Unterstützung brauche.

"Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke". Eine Zivilklausel, die Militärforschung ermöglicht, sollen die Hochschulen also gerne beschließen. Nun versteht man jedenfalls besser, was Frau Bauer meinte, als sie zwei Monate nach ihrem Amtsantritt erklärte: "In der Hochschulpolitik waren wir Grünen meist näher an den Schwarzen als an der SPD." (Badische Zeitung 21.05.11)

Kritische Diskussion unerwünscht

In allen drei Fällen gibt es allerdings einen ins Auge fallenden Widerspruch in der eigenen Argumentation. Wenn die Bestimmung "friedliche Zwecke" so interpretiert werden kann, dass damit Forschung für die Bundeswehr in einem gewissen Umfang vereinbar ist, dann kann sie doch ins KIT-Gesetz geschrieben werden, ohne dass z.B. die Forschung für das zitierte Breitband-Datenübertragungssystem für die Bundeswehr eingestellt werden müsste. Warum wehren sich die Minister und Ministerpräsidenten vehement gegen diese gesetzliche KIT-Zivilklausel? Es bliebe doch alles wie gewünscht beim Bestehenden.

Mit einem wesentlichen Unterschied. Der "friedliche Zweck" kann von "Naiven" auch anders ausgelegt werden, nämlich als nicht-militärischer Zweck. Zu diesen "Naiven" gehörten übrigens die WissenschaftlerInnen und sogar die Administration des ehemaligen Forschungszentrums, die die Zivilklausel in diesem Sinne erfolgreich praktiziert und gegen mehrere Aufweichungsversuche verteidigt hatten. Jetzt wird aber offensichtlich allein die mögliche Auslegungsdiskussion über die gesellschaftlichen Zwecke von Forschung als unerwünscht angesehen. Ja, das allerschlimmste an der Zivilklausel ist aus herrschender Sicht, dass an den Hochschulen überhaupt eine kritische Diskussion entbrannt ist. Das wird vom Vorwärtsverteidigungsminister persönlich bestätigt.

Der oberste "Pflichtverteidiger"

Anfang 2012 beklagte dieser in der Süddeutschen Zeitung vom 27.02.2012 unter dem Titel "Ungeliebte Kriegsforschung" aufgrund eines Interviews nach der Münchener Sicherheitskonferenz, er erkenne "keinen großen intellektuellen Beitrag der deutschen Universitäten zur Frage von Krieg und Frieden." Die SZ meinte dazu: "De Maizière wünscht sich nun Antworten auf aktuelle Fragen. Zum Beispiel: Dürfen Armeen Drohnen im Kampf einsetzen? Dürfen sie private Sicherheitsfirmen einspannen? Wie sollten Staaten auf einen Cyberangriff reagieren?"

Am Buß- und Bettag 2012 wurde er in Berliner Zeitung und Frankfurter Rundschau  deutlicher: "Als Verteidigungsminister frage ich: Warum diskutieren wir nicht über deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik - an Schulen, Universitäten, Kirchen und überall, wo öffentlich diskutiert wird? Leidenschaftlich diskutiert wird zumindest teilweise über die Bundeswehr an Schulen oder über Zivilklauseln an Universitäten. Warum können diese Diskussionen kein Anknüpfungspunkt sein, um in eine etwas grundlegendere Diskussion über die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik einzusteigen?"

In der Dezember-Ausgabe 2012 des Campus Magazins UNICUM geht der oberste "Pflichtverteidiger" zum offenen Angriff über. Nachdem er die angeblich geringfügigen militärischen Finanzierungsbeiträge für die Hochschulen im Interview geschildert hat, wörtlich: "Sie sehen daran, dass die Diskussion über die Zivilklausel von der Bedeutung völlig übertrieben wird. Zweitens halte ich die Einführung einer Zivilklausel für einen Verstoß gegen die Wissenschaftsfreiheit des einzelnen Wissenschaftlers. Drittens führt sie zu einer Zweck- und Zielprüfung der Forschung, was auch nicht in Ordnung ist."

Wessen Freiheit wofür?

Freiheitsrechte sind Bürgerrechte gegen staatliche Gängelung und Willkür. Die Unterfinanzierung der Hochschulen und die dadurch entstehende Drittmittelabhängigkeit verursacht Unfreiheit. Das sieht selbst der konservative Deutsche Hochschulverband, die Standesvertretung der Universitätsprofessoren, so. Auf seinem Jahrestreffen am 20.3.2012 in Hannover beschloss er eine Resolution, in der es u.a. heißt: "Die Unabhängigkeit der Wissenschaft setzt eine ausreichende Grundfinanzierung von Forschung und Lehre voraus. Daran mangelt es aber: Neun von zehn Wissenschaftlern haben in den letzten fünf Jahren Drittmittel beantragt, weil sie nur auf diese Weise Projektmitarbeiter beschäftigen können. Solange Einwerbungserfolge bei Drittmitteln reputations- bzw. karrierefördernd wirken, finanziell belohnt werden und sich immer mehr zum Fetisch und zur Währung des Wissenschaftsbetriebs entwickeln, wächst die Gefahr sachfremder Einflüsse auf die Wissenschaft." Die Zivilklausel entfaltet eine Bremswirkung gegen derartige Fremdbeeinflussungen. In seinem verfassungsrechtlichen Gutachten von Anfang 2009 stellte Erhard Denninger fest, dass die KIT-Zivilklausel nicht nur zulässig ist, sondern der Friedensfinalität des (ursprünglichen) Grundgesetzes entspricht. Wenn sich Minister und gewisse Hochschul-Leitungen wegen einer Zivilklausel Sorgen um die Freiheit machen, so ist das nichts anderes als Pervertierung der Freiheitsrechte und urdeutsches Anpassertum.

Nochmal zu KIT und Baden-Württemberg. Die früheren Landtagsoppositionsparteien GRÜNE und SPD hatten nicht nur die Zivilklausel für KIT beantragt, sondern auch Bekenntnisse für friedliche und zivile Hochschulforschung in ihre Wahlprogramme zur Landtagswahl aufgenommen. Noch kurz vor der Wahl unterzeichneten die damaligen Abgeordneten Kretschmann (GRÜNE), Bauer (GRÜNE), Schmid (SPD) zusammen mit 450 zum Teil internationalen Persönlichkeiten einen Appell an KIT, die Zivilklausel einzuführen. Nichts von alledem wollen sie heute in Regierungsverantwortung wissen.

In dasselbe Horn bläst KIT-Präsident Prof. Umbach: "Eine solche Klausel steht im Widerspruch zur Freiheit von Forschung und Lehre, die im Grundgesetz Artikel 5 verankert ist. [...] Außerdem ist Forschung für die Bundeswehr auch im Grundgesetz abgesegnet. [...] Wir müssen doch interessiert sein, dass unsere Soldaten im Auslandseinsatz die bestmögliche Ausrüstung bekommen." (dpa-Dossier Bildung Forschung Nr. 31/2012)

Die gleiche Ignoranz von KIT-Leitung und Grün-Roter Landesregierung gilt gegenüber der bereits erwähnten Fortsetzung der Atomforschung für Reaktoren der IV. Generation (Transmutation). Gründe genug für eine Konferenz unter dem Titel "Zivilklausel statt Rüstungsforschung - Verantwortung der Wissenschaft für Frieden und Zukunftsfähigkeit" am 15/16. Juni 2012 am KIT.

Tagung gegen Kriegsforschung

Angeknüpft werden konnte dabei an eine andere Vergangenheit der Universität Karlsruhe. 25 Jahre zuvor gab es dort fast auf den Tag genau eine beachtete Konferenz gegen Rüstungsforschung, inspiriert von Werner Buckel (1920 - 2003), dem langjährigen Direktor des Physikalischen Instituts der Fridericiana, ein begnadeter Grundlagenforscher, Friedenswissenschaftler und früher Atomkraftkritiker. Von ihm stammt der schöne Gedanke über das vorbehaltlose Zusammenstehen aller Hochschulangehörigen in der sogenannten Nachrüstungsdebatte 1983: "Das Plenum vermittelte das Erlebnis einer wahren Universität." Die Studierenden und die ProfessorInnen waren zuvor gemeinsam gegen die Stationierung von Atomraketen auf die Marktplätze gezogen.

Die wichtigsten Ergebnisse, Vorträge und Arbeitskreisberichte gegen Rüstungs- und Atomforschung sowie über ein Abschlusspodium sind in einer 48-seitigen Broschüre zusammen getragen worden. Die Podiumsvertreter aus Studierendenschaft, Friedenswissenschaft, Gewerkschaft und Politik (GRÜNE, SPD, LINKE) waren sich mit dem Plenum einig, dass die Zivilklausel in das Landeshochschulgesetz und in das KIT-Gesetz gehört.

Streitschrift "Entrüstet Euch"1

Die Dokumentation enthält zwei interessante Vorworte von Heribert Prantl (Süddeutsche Zeitung München) und Wolfram Wette (Friedensforscher Freiburg, ehemals Militärgeschichtliches Forschungsamt der Bundeswehr).

Prantl schrieb zu den "Naiven": "Die Initiative ›Jetzt Entrüsten!‹ wirbt für ein ziviles Gemeinwesen - also für eine Zivilklausel an den Hochschulen und Universitäten, für die satzungsmäßige Bindung und die Verantwortung aller Hochschulangehörigen, ihre Forschung und ihre Lehre nur friedlichen Zwecken zu widmen. Die sogenannten, die angeblichen Realpolitiker nennen das Naivität. Damit haben sie vielleicht sogar recht. Ohne diese Naivität hat man nicht die Kraft, gegen den Jahrtausend-Mainstream anzutreten. Aber diese angeblich Naiven sind die wahren Realpolitiker, weil sie die richtigen Konsequenzen aus der Jahrtausend-Realität ziehen: ›Jetzt Entrüsten!‹."

"Mit den Waffen des  Geistes - Gegen den Geist der Waffen"

Die Karlsruher Tagung stand unter diesem Leitmotiv. Es stammt von dem 87-jährigen antifaschistischen Widerstandskämpfer und Holocaust-Überlebenden Martin Löwenberg aus München. Aus seinem bewegenden Grußwort zur Tübinger Zivilklausel-Konferenz im Oktober 2011, das der Autor dieses Beitrages vortragen durfte, ein Schlüsselzitat: "Ich habe nie aufgehört, über Militarismus, Rassismus und Neofaschismus aufzuklären und dagegen tätig zu werden. Zum Aufruf ›Nicht in unserem Namen‹ zur NATO-Sicherheitskonferenz im letzten Jahr hatte ich folgendes aufgeschrieben: ›Die erste politische Veranstaltung, auf der ich nach unserer Befreiung am 7. Mai 1945 aus dem KZ-Außenlager Leitmeritz gesprochen habe, stand unter dem Motto ›mit den Waffen des Geistes - gegen den Geist der Waffen‹. Dieser Leitsatz hat mich mein ganzes Leben begleitet. Denn ohne die aktive Unterstützung durch die Deutsche Wehrmacht hätte es keinen Holocaust gegeben. Darum bekämpfe ich auch heute noch den verfluchten deutschen Militarismus bei Gelöbnissen, Sicherheitskonferenzen und im Alltag.‹ "

An Martin Löwenberg können sich die Studierenden und wir alle ein Vorbild nehmen. Streiten wir weiter für eine verantwortliche Wissenschaft. Das sind wir der deutschen Geschichte schuldig. Vernetzen wir uns mit anderen Initiativen, z.B. der Aktion "Aufschrei" gegen Rüstungsexporte und mit der Kampagne "Schulfrei für die Bundeswehr". Zusammen mit letzterer ist für das erste Halbjahr 2013 eine weitere Aktionswoche "Militärfreie Schulen und Hochschulen" in Planung.

Anmerkung

1) Die Broschüre ist im Stuttgarter AnStifter-Verlag Peter Grohmann erschienen und kann dort für einen fairen Preis erworben werden. Seit Ende 2012 kann sie im Volltext online unter www.stattweb.de/files/civil/Doku20121230.pdf studiert werden.



Erstveröffentlichung im FORUM Wissenschaft

Atomausstieg und KIT Atomforschung: Warum die Atomlobby einen massiven Strompreisanstieg vorhersagt

Seit Mitte Mai geistert eine Studie des Karlsruher Instituts für Technologie KIT (Zusammenschluss von Universität und [Kern]Forschungszentrum Karlsruhe) durch die Presse der Republik.

Schlagzeile „Strompreise steigen bis 2025 um 70 Prozent“. Düstere Aussichten für Verbraucher, für Privathaushalte wahrscheinlich noch stärker, sagen Energieforscher des KIT voraus. „Durch die erneuerbaren Energien werden wir komplexe Systeme bekommen“, sagt KIT-Vizepräsident für Forschung und Innovation und Kerntechniker Peter Fritz.

Man braucht nicht viel Phantasie, um zu erkennen, was die KIT-Atomlobby mit der Studie bezweckt. Es soll zu einem Stimmungswandel in der Bevölkerung beigetragen werden, dass man um die Atomkraft als längerfristige Übergangslösung leider doch nicht herum kommt. Wenn der Übergang zu den Regenerativen so teuer zu stehen kommt, muss wohl oder übel dafür auch die Atomforschung für neue Reaktoren am KIT fortgesetzt werden.

Minister Untersteller (GRÜNE) hat die Studie umgehend zurück gewiesen und mit dem „Orakel von Delphi“ verglichen. Mit dieser harschen Kritik erweckt er den Eindruck, als sei er der Sachwalter des beschlossenen Atomausstiegs. Das geht jedoch haarscharf an der Wirklichkeit vorbei.

Zwar hat er erklärt, dass nur noch für die Sicherheit des Rückbaus der Anlagen und der Endlagerung und nicht für neue Reaktoren geforscht werden soll, aber er schweigt wie seine Grüne Kollegin Wissenschaftsministerin Theresia Bauer über die Fort­setzung genau jener KIT-Forschung an Reaktoren der IV. Generation (Transmutation), die viel Personal und erhebliche Mittel bindet.

Das kann belegt werden mit der bewußten Ausklammerung dieser Reaktorforschung aus einem Mediationsverfahren, das Ende 2011 abgeschlossen wurde. Es ging um die atom­rechtliche Genehmigung für den Umgang mit großen Mengen an spaltbarem Material im Europäischen Institut für Transurane ITU, das auf dem Gelände des ehemaligen Forschungs­zentrum (jetzt KIT Campus Nord) liegt und mit dem Atomforschungs­programm des KIT verflochten ist. Die Vertreter des BUND in der Mediation und der Autor hatten vergeblich versucht, den Zusammenhang zum Gegenstand der Mediation zu machen. Selbst das Angebot eines einstündigen (!) Experten­gesprächs wurde ignoriert. Zitat aus dem Email des Autors vom 20. Juli 2011 an die beiden Minister:

„Wenn sich herausstellen sollte, dass das Transmutationsforschungs­programm ("Atomreaktoren der 4. Generation") als unvereinbar mit dem Atomausstieg eingestellt werden muss (das jedenfalls ist Beschlusslage der NRW-Landesregierung) und damit der vermutete Hauptgrund für den Umgang mit den großen Mengen an spaltbarem Material entfällt, geht es um ein grundsätzlich anderes Verfahren. Meinem Dafürhalten nach ist es eine unwissenschaftliche Heran­gehens­weise, nur die Eindämmung der Folgen zu diskutieren, ohne die Ursachen in den Blick zu nehmen.“

Die KIT-Führung weiß seit der in ihrem Sinne erfolgreich verlaufenen Mediation nach dem Muster von „Stuttgart 21“, dass von dieser Landesregierung nichts zu befürchten ist. Nun gehen die KIT-Atomlobbyisten zum Gegenangriff über.

Über solch plakative Minister-Kritik („Orakel von Delphi“) brauchen sie sich keine Sorgen machen und können diese plump zurückweisen: „Wer die Erneuerbaren Energien liebt, begleitet sie kritisch.“ Die CDU-Opposition wittert nach ihrem NRW-Debakel Morgenluft und spielt sich als Verteidiger der Geschmähten auf: „Schließlich handelt es sich beim internatio­nal renommierten KIT um eine politisch neutrale Forschungseinrichtung.“

Und alle Seiten schweigen ganz neutral und einträchtig weiter über die gegen den Atomaussteig gerichtete Fort­setzung der KIT-Atomreaktorforschung. Eine politische Komödie, die am Kern der Sache vorbei geht und über den die Öffentlichkeit aufgeklärt werden müsste.

Die Atomreaktorforschung am KIT muss unverzüglich beendet werden. Das frei werdende Personal kann problem­los für zukunftsfähige Forschung gewonnen werden.

Bei der vom „Deutschen Atomforum“ in Stuttgart ausgetragenen „Jahrestagung Kerntechnik“ vom 22.-24. Mai wird es sicherlich nicht darum gehen, sondern um das genaue Gegenteil. Das großspurige Schlagwort der Atomlobby heißt wie seit Jahren Kompetenzerhalt. Kompetenzerhalt wofür? Und gewiss wird über die „Pakistan-Connection“ (Wochenzeitung KONTEXT) des KIT-Vorlaufers Forschungszentrum kein Wort verloren werden. Eine vorurteilsfreie Geschichtsauf­arbeitung des KIT-Vorläufers muss endlich auf die Tagesordnung gesetzt werden, um des Friedens, der Umwelt und der Demokratie willen.

Als Hintergrund-Information sei auf die nachfolgende Sammlung von Beiträgen zur Thematik „KIT und Atomforschung“ hingewiesen, die mit der Friedensbindung des KIT und der eingeforderten Zivilklausel für das KIT-Gesetz in einem direkten Zusammenhang stehen:

18.05.2012 german foreign policy: Nuklearer Kompetenzcluster Über die „Jahrestagung Kerntechnik" des „Deutschen Atomforums“ vom 22.-24. Mai in Stuttgart. Kompetenzerhalt wofür?

16.05.2012 AntiAtom Neckarwestheim: Atomforschung in Karlsruhe: Von Ausstieg keine Spur! Videomitschnitt der Veranstaltung "Die Lüge vom Atomausstieg - Atomforschung in Karlsruhe“ in Stuttgart

13.05.2012 KONTEXT: Die Pakistan-Connection Rolle KIT-Vorläufer beim atomtechnologischen Wissenstransfer nach Pakistan

02.05.2012 Neue Rheinische Zeitung „Atom- und Waffenforschung“ unterbinden! Zivilklausel: KIT zivil statt militärisch weiter entwickeln!

23.03.2012 trueten.de: Material zur Tagung 15./16. Juni Karlsruhe mit Geschichte der Podiums „Nutzen und Gefahren des Brennstoffkreislaufs“ 1989 mit Klaus Traube. Mit „Zerbrecht die Plutonium-Tritium-Diktatur!“ Neue Rheinische Zeitung Teil1:4.5.11 Teil2:16.5.11 *Teil3:25.5.11

30.12.2011 AG Friedensforschung: Glaubwürdigkeits-Stresstest für Grün-Rot: Zivilklausel KIT und Hochschulen Baden-Württembergs, siehe auch WebDoku Ini

10.12.2011 blog Jörg Rupp: Forschung u.a. KIT Atomforschung und Minister Untersteller

09.12.2011 INES global: Grün-Rot stellt Verzicht auf deutsche Atomwaffenforschung in Frage Landesregierung Baden-Württemberg gegen Zivilklausel für KIT

21.11.2011 BUND BaWü: BUND zum Abschluss des ITU-Mediationsverfahrens Harry Block: Atomforschung ist Anachronismus

12.10.2011 Solarzeitalter: Transmutation des Atomausstiegs KIT Atomreaktorforschung von Grün auf Rot schalten. S. auch Neue Rheinische Zeitung

07.09.2011 KONTEXT: Der strahlende Nachbar Ausstieg aus der Kernenergie – wozu sie noch erforschen?

05.09.2011 contrAtom: Transmutation: Schavan's Hintertür für Wiedereinstieg s. auch Interview Gerhard Schmidt Öko-Institut: technische Katastrophe und extrem teuer Audio

02.09.2011 BNN, WebDoku Ini: Kundgebung internationaler Antikriegstag Redebeiträge Jürgen Ziegler, Harry Block

01.09.2011 Zeitung gegen den Krieg: „Beispiel KIT Karlsruhe“ „Kern- und Waffenforschung unter einem Dach“ beenden! Kein Atomausstieg ohne Stopp der Atomreaktorforschung. Keine Militärforschung an Hochschulen!

31.07.2011 taz: Der Traum vom Stein der Weisen Transmutation von Atommüll

27.07.2009 Wissenschaft & Frieden: Hochschulen und Militärforschung Friedenswerkstätten oder zivilmilitärische Forschungskomplexe

24.07.2011 KONTEXT: Kritische Masse Trotz Atomausstiegs KIT-Forschung an Atomreaktoren VI. Generation

18.06.2011 contrAtom: Trotz Atomausstieg mehr Geld für Atomforschung Quelle vdi-nachrichten

31.05.2011 Ossietzky: Atomkraftkultur – nein danke!

27.04.2011 Neue Rheinische Zeitung: Atomforschungsprogramm in Karlsruhe bleibt strittig Aber KIT öffnet sich

23.04.2011 junge Welt: Atomkraft und Atombombe Hiroshima, Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima

21.04.2011 junge Welt: Forschungsinstitut setzt weiter auf Kernenergie Karlsruhe: Friedensklausel für KIT gefordert. Podiumsdiskussion an der Uni

15.04.2011 Neues Deutschland: Atomforschung und Energiewende Bildungsseite

30.03.2012 Neue Rheinische Zeitung: Zweimal Wende eingeleitet AUS für CDU-Herrschaft - BaWü-Bildungsreform und Uni-Zivilklausel JETZT

29.03.2011 SWR: KIT Präsident Umbach Kernenergie unverzichtbar als Übergang zu Regenerativen

12.03.2011.ka-news: Atomexperimente in Karlsruhe: Verbände verlangen Transparenz

25.05.2009 INES global: KIT - Internationaler Appell fordert den Verzicht auf Militärforschung und eine Zivilklausel. Deutsche Nuklearforschung und Waffenforschung unter einem Dach. s. INES appeal

30.01.2009 unsere zeit: Karlsruhe auf dem Weg zum zivil-militärischen Großforschungskomplex?

20. Mai 2012, dietrich.schulze@gmx.de Tel.: 0160-99113131 WebDoku Ini

Reader: "Nein zu Kriegspolitik und Kriegsforschung - Zivilklausel für alle Hochschulen!"

Titelseite des Readers
Der Reader „Nein zu Kriegspolitik und Kriegsforschung - Zivilklausel für alle Hochschulen!“ ist aus drei Gründen zusammen gestellt worden.

Einerseits sind im Januar an den Universitäten Bremen und Frankfurt a.M. beacht­liche Erfolge gegen die Militarisierung von Forschung und Lehre erkämpft worden. In Bremen gelang es, die traditionelle Friedensbindung mittels einer Zivilklausel in einer mehrjährigen Auseinandersetzung entgegen den Bestrebungen von Rüstungs­wirtschaft und Uni-Leitung zu schützen und sogar auszubauen. An der Goethe-Uni Frankfurt stimmte eine ¾-Mehrheit der abstimmenden Studierenden für die Einführung einer Zivilklausel in die Grundordnung.

Andererseits wird an den Universitäten Tübingen und Karlsruhe sichtbar, dass die Zivilklausel-Bestimmung, nur „friedliche Zwecke“ zu verfolgen, entgegen ursprünglich eindeutigen Absichten perver­tiert bzw. ignoriert wird. In Tübingen steht die in ekla­tantem Widerspruch zur Zivilklausel eingefädelte Honorarprofessur für den Kriegs­trommler Wolfgang Ischinger im Fokus. In Karlsruhe geht es um die seit mehreren Jahren ohne Erfolg eingeforderte Übertragung der Zivilklausel des Forschungs­zentrums Karlsruhe auf das Karlsruher Institut für Technolo­gie KIT (Zusammen­schluss mit der Uni Karlsruhe zu einer Körperschaft öffentlichen Rechts). Das ist besonders deswegen unabdingbar, weil „Atom- und Waffenforschung unter einem Dach“ verhindert werden muss. Die neue Grün-Rote Landesregierung spielt in beiden Fällen eine völlig unakzeptable, rückwärtsgewandte Rolle, die es zu ändern gilt.

Gerade in der diesjährigen „Sicherheitskonferenz“ in München werden die Gefahren der NATO-Kriegspolitik sichtbar. Deswegen sind drittens einige aktuelle Zusammen­hänge dokumentiert worden. Auch deswegen, weil dort der Tübinger Honorar­professor sein Handwerk zelebriert und weil nicht nur für die Rüstungsindustrie, sondern auch für die Hochschulforschung die Protestlosung „war starts here“ berechtigt ist.

Trotz alledem: die Zivilklausel-Bewegung an den Hochschulen wird immer populärer und wächst stetig an. Bremen und Frankfurt machen Mut.

Dietrich Schulze


Karlsruhe, den 4. Februar 2012

Inhaltsverzeichnis

Editorial, Seite 3

25.01.12 Uni Bremen AStA begrüßt die Ent­schei­dung des Akademischen Senats zum Erhalt der Zivilklausel, Seite 3

27.01.12 Uni behält Zivilklausel Sönke Hundt jW, Seite 4

01.02.12 Uni Bremen Rollback der Friedens­bindung gestoppt! Erfolg der Zivilklausel-Schützer! Dietrich Schulze in Neue Rheinische Zeitung, Seite 5

31.01.12 Uni Frankfurt Studierende stimmen für friedliche und zivile Lehre und Forschung PM AK Zivilklausel, Seite 9

26.10.11 Uni Tübingen Grußbotschaft des antifa­schistischen Wider­stands­kämpfers Martin Löwenberg an den Zivilklausel-Kongress, Seite 10

29.10.11 Uni Tübingen Erklärung des Tübinger Zivilklausel­kongresses, Seite 12

22.01.12 Tübinger Aufruf zur den Protesten gegen die NATO-Sicherheitskonferenz IMI-Mitteilung, Seite 14

Jan. 2012 Südschiene sicherheitskonferenz.de, Seite 15

Juli 2011 „Es gibt keine gerechten Kriege – aber notwendige“ Wolfgang Ischinger wird Honorarprofessor in Tübingen Jürgen Wagner in IMI-Reader, Seite 16

Jan. 2012 Kriegstrommler Wolfgang Ischinger Der Wolf im Schafspelz Flyer Anti-SiKo-Protest, Seite 17

15.07.11 NATO nimmt Universität im Hand­streich Dietrich Schulze in Neues Deutschland, Seite 18

28.08.11 Friedliche Zwecke Erklärung Initiative gegen Militärforschung an Universitäten in jW über Offenen Brief zum Antikriegstag an Ministerin Theresia Bauer und die Rektoren der Unis Karlsruhe und Tübingen, Seite 19

02.02. 12 Forderungen zur Zivilklausel und Fakten, Seite 23

20.09.11 Uni Tübingen Streit um Ringvorlesung zur Zivilklausel - Auftaktredner ausgeladen Jonas Bleeser in Tagblatt, Seite 24

18.10.11 Achtung Satire! Die neue Ischinger-Jugend-Briefmarke Flyer zum Auftakt Ringvorlesung, Seite 26

20.10.11 Dem Frieden verpflichtet – aber wie? Jonas Bleeser über Auftaktveranstaltung, Seite 28

28.10.11 Brief Wolfgang Ischinger an Dietrich Schulze und Antwort, Seite 29

11.11.11 Brief Ischinger mit Einladung Schulze als „SiKo“- Beobachter“ und Antwort, Seite 31

02.08.11 Zivilklausel Uni Tübingen und „Geheim­schutz“ für BMVg-finanzierte Forschung DGB AK an Rektor und Senat der Universität Tübingen, Seite 32

11.09.11 Zivilklausel / Drohnenforschung Uni Tübingen Dietrich Schulze an Rektor der Uni, Seite 34

15.11.11 LINKE fordert Verbot der Rüstungs­forschung an Hochschulen, Seite 35

29.04.11 Friedensbindung für die Hochschulen per Zivilklausel in den Koalitionsvertrag Offener Brief NatWiss an Delegierte der Landesparteitage Grüne und SPD BaWü, Seite 36

13.01.12 Forderungen ver.di, GEW und UStA für Zivilklausel in KIT-Gesetz Textauszüge, Seite 37

08.02.11 Wahlprogramme Grüne, SPD, Linke zur Zivilklausel Flyer mit Textauszügen, Seite 38

10.12.11 Rüstungs- und Atomforschung am KIT blog Jörg Rupp (Grüne) mit Anmerkungen, Seite 39

26.05.09 Verzicht auf militärische Forschung & Zivilklausel - ein machbarer Schritt in Richtung Frieden - Internationaler Appell an Regierungen und Parlamente und Uni Karlsruhe KIT, INES global NY, Seite 40

12.10.11 Transmutation des Atomausstiegs - KIT Atomreaktorforschung von Grün auf Rot schalten Dietrich Schulze in „Solarzeitalter“, Seite 41

09.12.11 Landesregierung Baden-Württem­berg gegen Zivilklausel für KIT - Grün-Rot stellt Verzicht auf deutsche Atomwaffen­forschung in Frage Dietrich Schulze in Web INES, Seite 43

20.12.12 KIT Karlsruhe: Landesgesetz und Zivil­klausel „Wessen Freiheit wofür?“ Ministerin Theresia Bauer (GRÜNE) lädt zur Mitar­beiter­versammlung ins Audimax PM der Initiative gegen Militärforschung an Universitäten, Seite 45

16.01.12 Waffenschmiede - Sammelband zur Rüstungsindustrie Bremen Sönke Hundt in jW, Seite 46

30.01.12 Zivilklausel oder Militärforschung WebDokumentation der Initiative gegen Militärforschung an Universitäten, Seite 48

29.06.11 Interview über Bedeutung der Zivilklausel Dietrich Schulze (NatWiss) mit Campus-TV an der Uni Jena bei youtube, Seite 47

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