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Blogkino: Menschen am Sonntag (1929)

Heute zeigen wir im Blogkino in unserer Kurzreihe mit Filmen aus der Zeit der Weimarer Republik "Menschen am Sonntag". "Der Film schildert das Leben junger Menschen in der Metropole Berlin Ende der 1920er Jahre. Vier der fünf Hauptdarsteller standen das erste Mal vor der Kamera, nur Christl Ehlers hatte bereits ein Jahr zuvor eine Hauptrolle in dem Märchenfilm Frau Holle gespielt. Seine Entstehungsgeschichte macht den Film zu einem der ersten Independentfilme und zu einem Vorläufer des Neorealismus der Nachkriegszeit. Menschen am Sonntag ist außerdem sehenswert aufgrund seiner dokumentarischen Filmaufnahmen der noch unzerstörten Hauptstadt in sommerlicher Wochenendstimmung.

Möglich wurde der Film, weil Robert Siodmak von einem Onkel 5.000 Mark als Geschenk erhalten und dessen Bruder Curt eine Story für einen mit wenig Aufwand zu drehenden Film hatte. Der spätere Oscarpreisträger Billy Wilder verfasste das Drehbuch mit Robert Siodmak. Die Brüder Siodmak setzten ihre Karriere ebenso wie Wilder in den USA fort. Edgar G. Ulmer sollte in Hollywood vor allem B-Filme drehen. Kurze Auftritte haben der Regisseur Kurt Gerron und die Tänzerin Valeska Gert (in der Fotografen-Szene)." (Wikipedia)


Die schönsten Attentate des letzten Jahrhunderts Nr. 8: Generalfeldmarschall von Eichhorn

Das Foto zeigt den Pickelhaubenträger Generalfeldmarschall Eichhorn in Kiew, 1918
Generalfeldmarschall Eichhorn in Kiew, 1918
"Eichhorn nahm an den Kriegen 1866 und 1870/71 teil und kam nach dem Besuch der Kriegsakademie 1883 in den Generalstab. Seit 1904 Kommandierender General des XVIII. Armeekorps in Frankfurt/Main, 1905 General der Infanterie, trat E. 1912 an die Spitze der 7. Armeeinspektion in Saarbrücken und wurde 1913 zum Generalobersten befördert. Für den Mobilmachungsfall als Oberbefehlshaber der 5. Armee in Metz vorgesehen, war E. bei Kriegsausbruch 1914 infolge eines schweren Reitunfalls nicht felddienstfähig. Erst nach seiner Genesung übernahm er am 26.1.1915 den Oberbefehl über die in Ostpreußen neugebildete 10. Armee, die in der Winterschlacht in den Masuren (Februar 1915) den entscheidenden Umfassungsflügel bildete. E., für die Einnahme von Kowno im August 1915 mit dem „Pour le Mérite“ ausgezeichnet, führte die Offensive im Oktober 1915 über Wilna bis an die Front beiderseits des Narotsch-Sees, wo seine Armee 1916 schwere Abwehrkämpfe zu bestehen hatte. Bei der Neugliederung der Befehlsverhältnisse im Osten im August 1916 wurde die Heeresgruppe Eichhorn gebildet, welcher die deutschen Armeen in Litauen und Kurland unterstanden. 1917 eroberte E. mit seiner Heeresgruppe Riga und die baltischen Inseln; Anfang 1918 besetzte er Livland und Estland. Am 18.12.1917 zum Generalfeldmarschall befördert, trat er am 4.3.1918 an die Spitze der Heeresgruppe Eichhorn in Kiew, wo ihm die militärische Sicherung des im Winter 1918 gewonnenen Machtbereichs der Mittelmächte in der Ukraine, in Südrußland und auf der Krim übertragen war. Hier in Kiew erlag E. dem Bombenanschlag zusammen mit seinem Adjutanten Hauptmann Walter von Dreßler einem Bombenattentat [des linken Sozialrevolutionärs Boris Donskoi] eines russischen Sozialrevolutionärs, der ebenso wie die Ermordung des Botschafters Graf Mirbach 1918 mit der Absicht unternommen worden war, den Bruch der Beziehungen der bolschewistischen Machthaber mit der deutschen Regierung zu provozieren."

Quelle: Gackenholz, Hermann, "Eichhorn, Hermann von" in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 377 [Online-Version]

Weitere Quellen:

• WikiPedia: Hermann von Eichhorn (Generalfeldmarschall)
• Frankfurter Zeitung 01.08.1918: Generalfeldmarschall von Eichhorn in Kiew ermordet


"Israel hat die Besatzung immer als legal verkauft. Der IGH macht ihnen jetzt Angst".

Die palästinensische Anwältin Diana Buttu erläutert das IGH-Gutachten zum israelischen Militärregime und die Lehren, die aus der Umsetzung des Völkerrechts zu ziehen sind.

Am Freitag, den 19. Juli, entschied der Internationale Gerichtshof (IGH), dass die israelische Besetzung des Gazastreifens und des Westjordanlands, einschließlich Ostjerusalems, rechtswidrig ist und "so schnell wie möglich" beendet werden muss. Das Gericht erklärte, dass Israel verpflichtet ist, unverzüglich alle neuen Siedlungsaktivitäten zu unterlassen, alle Siedler aus den besetzten Gebieten zu evakuieren und den Palästinensern Wiedergutmachung für die durch das 57-jährige israelische Militärregime verursachten Schäden zu leisten. Es bestätigte auch, dass einige der israelischen Maßnahmen in den besetzten Gebieten dem Verbrechen der Apartheid gleichkommen.

Die Entscheidung - ein so genanntes Beratungsgutachten - geht auf einen Antrag der UN-Generalversammlung aus dem Jahr 2022 zurück und ist nicht bindend. Es ist jedoch das erste Mal, dass sich das oberste Gericht der Welt zur Rechtmäßigkeit der israelischen Kontrolle über die besetzten Gebiete äußert, und stellt eine scharfe Ablehnung der seit langem von Israel geltend gemachten rechtlichen Argumente dar.

Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, begrüßte das Urteil, bezeichnete es als "Triumph der Gerechtigkeit" und forderte die UN-Generalversammlung und den Sicherheitsrat auf, weitere Maßnahmen zur Beendigung der Besatzung zu prüfen. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu wies das Urteil als "absurd" zurück und sagte: "Das jüdische Volk ist kein Besatzer in seinem eigenen Land, weder in unserer ewigen Hauptstadt Jerusalem noch in Judäa und Samaria [dem Westjordanland], unserer historischen Heimat". Die Vereinigten Staaten bekräftigten lediglich, dass Israels Siedlungen illegal sind, und kritisierten "die Breite der Stellungnahme des Gerichts", die "die Bemühungen um eine Lösung des Konflikts erschweren wird", so die USA.

Um mehr über die Bedeutung und Tragweite des Urteils zu erfahren, sprach +972 Magazine mit Diana Buttu, einer palästinensischen Anwältin mit Sitz in Haifa, die von 2000 bis 2005 als Rechtsberaterin der PLO tätig war. In dieser Zeit gehörte sie zu dem Team, das vor dem IGH einen Fall bezüglich der israelischen Trennmauer vorbrachte, deren Verlauf das Gericht in einem weiteren nicht bindenden Gutachten für rechtswidrig erklärte. Das Interview wurde aus Gründen der Länge und Klarheit gekürzt.

Diana Buttu ist Juristin und spezialisiert auf Verhandlungen, internationales Recht und internationale Menschenrechte. Zu Beginn ihrer Karriere arbeitete Buttu an den israelisch-palästinensischen Verhandlungen und war während ihrer fünfjährigen Amtszeit die einzige weibliche Verhandlungsführerin.

Buttu war Stipendiatin an der Harvard Kennedy School of Government und an der Harvard Law School. Außerdem war sie Stipendiatin am Stanford Center for Conflict Resolution and Negotiation und ist Dozentin an der Harvard Extension School. Buttu erwarb ihren Bachelor-Abschluss an der Universität von Toronto, einen JD-Abschluss an der Queen's University in Kanada, einen LLM-Abschluss an der Universität von Toronto, einen JSM-Abschluss an der Stanford University und einen Executive MBA-Abschluss an der Kellogg Northwestern School of Management.

Quelle
Wie haben Sie sich gefühlt, als der Präsident des IGH, Nawaf Salam, die Stellungnahme des Gerichts verlesen hat?

Einerseits war ich sehr glücklich, denn es bestätigt alles, was ich und so viele andere Rechtsgelehrte und Aktivisten seit Jahrzehnten sagen. Aber auf der anderen Seite habe ich mich immer wieder gefragt: Warum mussten wir eigentlich vor den IGH gehen? Warum hören die Leute auf ein Rechtsgutachten, aber nicht auf unsere gelebte Erfahrung? Warum hat es so lange gedauert, bis man erkannte, dass das, was Israel tut, falsch ist?

Wie wichtig ist dieses Urteil für die Palästinenser?

Es ist wichtig, das Urteil in seinen richtigen Kontext zu stellen, nämlich als Gutachten. Es gibt zwei Möglichkeiten, den IGH anzurufen. Zum einen kann man sich an den IGH wenden, wenn es einen Streit zwischen zwei Staaten gibt, wie im Fall Südafrika gegen Israel [in der Frage des Völkermords im Gazastreifen], und diese Entscheidungen sind bindend. Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass die UN-Generalversammlung um eine Klärung oder ein Rechtsgutachten zu einer Angelegenheit bittet; dabei handelt es sich um ein beratendes Gutachten, das nicht bindend ist.

Wenn man sich also das Gesamtbild ansieht, muss man bedenken, dass der Einsatz von Gerichten und Gesetzen nur ein Instrument ist, nicht das einzige oder letzte. Das bedeutet nicht, dass es nicht wichtig ist oder dass eine nicht bindende Stellungnahme kein Recht ist. Die größere Frage ist, wie sie sich auf künftiges Verhalten auswirken wird.

Hier ist es wichtig, sich daran zu erinnern, was mit der ersten IGH-Entscheidung [zur israelischen Trennmauer] geschah, die am 9. Juli 2004 erging. Obwohl es sich um eine beratende Stellungnahme handelte, war sie rechtskräftig, und, was noch wichtiger ist, aufgrund dieser Entscheidung wuchs die Boykott-, Desinvestitions- und Sanktionsbewegung (BDS) - tatsächlich wurde die Bewegung genau ein Jahr später international gegründet.

Die Menschen sollten also verstehen, dass es nie einen juristischen Knockout geben wird. Die Besatzung wird nicht durch Gerichte und juristische Mechanismen beendet werden - sie wird enden, wenn Israel den Preis dafür zahlt. Und ob dieser Preis nun von außen gezahlt wird, weil die Welt sagt, dass es reicht, oder von innen, weil das System zu implodieren beginnt, es wird eine israelische Entscheidung sein, die Besatzung zu beenden.

Das Gutachten des IGH aus dem Jahr 2004 war eine bahnbrechende Entscheidung, aber sie hat wenig dazu beigetragen, den Bau der Trennmauer zu verhindern oder ihren Verlauf zu ändern. Glauben Sie, dass das neue Gutachten ein anderes Gewicht hat als das frühere, oder dass es andere politische Aktionen auslösen könnte?

Ja. Die Entscheidung von 2004 war aus mehreren Gründen wichtig. Erstens wurde darin nicht nur festgestellt, dass die Mauer rechtswidrig ist, sondern es wurde auch über die Verpflichtungen von Drittstaaten gesprochen, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten und nicht zu den Schäden beizutragen. Sie haben Recht, die Mauer blieb bestehen, und die nicht bindende Entscheidung hat den Bau nicht gestoppt, weil sie nicht durchgesetzt wurde. Sie hat jedoch die Art und Weise geändert, wie Diplomaten und andere mit der Mauer umgehen.

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass dieses neue Gutachten viel größer und umfassender ist. Das Gericht zerreißt die Idee von Friedensverhandlungen, von den Osloer Verträgen, von den Palästinensern, die eine dauerhafte Besetzung akzeptieren, in Stücke. Und während die Regierungen vielleicht weiterhin an ihrer Position festhalten, dass Verhandlungen der einzige Weg nach vorne sind, wird es jetzt in jeder Hauptstadt der Welt ein juristisches Memo geben, das besagt, dass der Internationale Gerichtshof entschieden hat [dass Verhandlungen der besetzten Bevölkerung nicht die Rechte nach der Genfer Konvention nehmen können].

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die israelischen Siedlungen im Westjordanland zur Normalität geworden sind, und hier haben wir eine Entscheidung, die das untergräbt und besagt, dass die Siedlungen und die Siedler gehen müssen. Angesichts dieser Tatsachen rechne ich damit, dass sich die Politik ändern wird. Das geschieht vielleicht nicht sofort, aber es wird die Einstellung der Menschen zur Besatzung verändern.

Welchen Wandel in der Politik oder in der Denkweise erwarten Sie von der internationalen Gemeinschaft?

Ich kann ein Beispiel aus Kanada nennen, wo ich geboren wurde. Kanadas Vorlage [für das Verfahren vor dem IGH in diesem Fall] war sehr typisch: Es bestätigte, dass der IGH für diese wichtige Frage zuständig ist, sagte dann aber, dass der beste Weg zur Lösung dieses Problems Verhandlungen sind. Aber das ist so, als würde man sagen - verzeihen Sie den Vergleich -, dass eine Person, die verprügelt wird, einfach mit ihrem Peiniger verhandeln muss. Nun hat das Gericht darauf verzichtet und eindeutig festgestellt, dass es einen Besetzer und einen Besetzten gibt. Deshalb erwarte ich jetzt - und ich werde sogar anfangen zu fordern - dass die kanadische Regierung ihren Standpunkt ändert.

Ein weiteres Beispiel, bei dem ich eine Änderung erwarte, ist die Frage der Siedler. Wenn man sich die Zahl der Siedler ansieht, die heute in den besetzten Gebieten leben, so sind es nach vorsichtigen Schätzungen 700.000. Im Verhältnis zu den 4 Millionen Menschen im gesamten Gebiet [des Westjordanlandes, einschließlich Ostjerusalem] ist das ein sehr hoher Prozentsatz. Und das ist wichtig, weil es zeigt, dass so viele israelische Siedler die Besatzung verinnerlicht und normalisiert haben.

Israelische Soldaten hindern die Bewohner des palästinensischen Dorfes Az-Zuweidin daran, auf ihren privaten Weiden zu grasen und nehmen drei Palästinenser fest, südliches besetztes Westjordanland, 4. Mai 2024.
Israelische Soldaten hindern die Bewohner des palästinensischen Dorfes Az-Zuweidin daran, auf ihren privaten Weiden zu grasen und nehmen drei Palästinenser fest, südliches besetztes Westjordanland, 4. Mai 2024.
Foto © Omri Eran Vardi/Activestills
Die Frage ist, ob die israelischen Siedler sich selbst als Menschen betrachten werden, die illegal auf palästinensischem Land leben - und ich vermute, das wird ein Nein sein. Was ich mir aber wünsche, ist, dass dieses Handeln und diese Wahrnehmung nicht länger normalisiert werden und dass man erkennt, dass die Besatzung Schaden angerichtet hat, der beendet werden muss. Israel hat bei der Normalisierung der Siedlungen gute Arbeit geleistet, und es gibt keine Grüne Linie mehr - Netanjahus gestrige Erklärung [gegen das Urteil des IGH] ist ein Beweis dafür. Aber das muss sich ändern.

Ich denke, wir befinden uns in einem ähnlichen Moment wie in den 1980er Jahren mit der Apartheid in Südafrika. Damals sagten die Befürworter der Apartheid den Anti-Apartheid-Aktivisten, dass sie die Situation einfach nicht verstehen würden. Die Apartheid war so normal geworden. Zehn Jahre später war sie es nicht mehr. Und heute, 30 Jahre später, fällt es mir schwer, jemanden zu finden, der sagt, die Apartheid sei eine gute Sache gewesen.

Gab es etwas in dem Gutachten, das Sie überrascht hat?

Vieles hat mich nicht überrascht, aber ich habe mich gefreut, dass bestimmte Elemente enthalten sind. Eines dieser Elemente war die Konzentration auf den Gazastreifen, denn seit 2005 hat Israel dieses Narrativ des "Rückzugs" übernommen und behauptet, dass es dort keine Besatzung gibt. Viele Menschenrechtsorganisationen kämpfen dafür, dass der Gazastreifen tatsächlich besetzt ist - dass es eine effektive israelische Kontrolle gibt und dass Israels Verantwortung mit dem Ausmaß dieser Kontrolle zusammenhängt. Ich habe mich gefreut, dass das Gericht dies bestätigt und dieses Argument aus der Welt geschafft hat, vor allem, weil es meines Wissens keine Resolutionen des UN-Sicherheitsrates zu diesem Thema gibt.

Zweitens war ich sehr erfreut zu sehen, dass das Gericht sagte, dass Reparationen gezahlt werden müssen, und zwar nicht nur in Form des Abbruchs aller Siedlungen, sondern auch des Wegzugs der Siedler. Und drittens wurde den Flüchtlingen die Rückkehr [in die Häuser, aus denen sie 1967 geflohen oder vertrieben worden waren] gestattet. Dies ist ein Eingeständnis des Schadens, den 57 Jahre militärische Besatzung angerichtet haben.

Ich war etwas überrascht, dass die australische Richterin [Hilary Charlesworth] klar und deutlich gesagt hat, dass Israel sich nicht auf Selbstverteidigung berufen kann, um eine militärische Besatzung aufrechtzuerhalten, oder in Bezug auf Widerstandshandlungen gegen die Besatzung; ich habe dies schon lange argumentiert, und es ist gut zu sehen, dass ein Richter dieselbe Bemerkung macht. Die neue amerikanische Richterin, Sarah Cleveland, stimmte zwar im Großen und Ganzen mit der Meinung des Gerichts überein, hatte aber eine sehr interessante separate Meinung: Sie argumentierte, dass das Urteil mehr Aufmerksamkeit auf Israels Verantwortlichkeiten im Rahmen des Besatzungsrechts speziell für Gaza hätte lenken sollen, sowohl vor dem 7. Oktober als auch jetzt.

Israelische Politiker, sowohl in der Regierung als auch in der Opposition, lehnten das IGH-Gutachten ab und bezeichneten es als antisemitisch und parteiisch. Glauben Sie, dass sich hinter diesen Reaktionen echte Sorgen oder Ängste verbergen?

Das Foto zeigt die Situation
Israelische Siedler, unterstützt von israelischen Soldaten, greifen palästinensische Bewohner, Autos und Geschäfte in der besetzten Stadt Huwara im Westjordanland in der Nähe von Nablus an, 13. Oktober 2022.
Foto: © Oren Ziv/ActiveStills
Ja, die Befürchtung ist, dass sie als Rassisten entlarvt werden und dass sie vielleicht tatsächlich die Besatzung beenden müssen. Es könnte auch eine weltweite Aktion geben [um Druck auf Israel auszuüben]. Sie sind auch besorgt, weil sie diejenigen sind, die die Siedler überhaupt erst dorthin gebracht haben, und es könnte sein, dass die Siedler eine Entschädigung für ihren Weggang fordern.

Netanjahu hat das Existenzrecht Palästinas nie anerkannt. Erst neulich hat die Knesset gegen die Gründung eines palästinensischen Staates gestimmt. Und es waren nicht nur die Likudniks, oder [Itamar] Ben Gvirs, oder [Bezalel] Smotrichs, die dafür gestimmt haben, sondern auch andere Abgeordnete, darunter [Benny] Gantz. Sie haben nie erkannt, was sie 1948 getan haben oder welchen Schaden sie heute anrichten. Stattdessen lassen sie sich von dem Konzept der jüdischen Vorherrschaft leiten - dass nur sie ein Recht auf dieses Land haben.

Israel hat die Besatzung immer als irgendwie legal verkauft, und seine Handlungen als irgendwie gerecht und richtig, mit diesen dummen Behauptungen einer "moralischen Armee". Es gibt keine moralische Armee auf der Welt - wie kann man moralisch Menschen töten? Sie behaupten, man könne sich an den israelischen Obersten Gerichtshof wenden, und jeder Palästinenser weiß, dass ein Gericht, das als Arm der Besatzung eingerichtet wurde, keine Gerechtigkeit bringen kann. Wenn sie nun ein Gericht haben, das von außen auf sie schaut und sagt, dass das, was sie tun, illegal ist, dann ist das natürlich erschreckend für sie.

Das Apartheid-Südafrika verhielt sich genauso, als es sich mit den Stellungnahmen des IGH auseinandersetzen musste. Am Ende jedes IGH-Gutachtens sagte die Apartheid-Regierung immer das Gleiche: dass nur Südafrika über Südafrika urteilen kann, was bedeutet, dass nur ein rassistisches System beurteilen kann, ob das System rassistisch ist. Das ist es, was Israel sagt: nur wir, das rassistische System, können entscheiden, ob es rassistisch ist. Aber dann geht man hinaus und sieht, dass die internationalen Regeln bestätigen, dass das System rassistisch ist und abgebaut werden muss. Das ist beängstigend für Israel.

Einige israelische Völkerrechtsexperten spielen die Bedeutung des Urteils des IGH herunter, indem sie betonen, dass es nicht bindend ist, und argumentieren, dass das Gericht nicht gesagt hat, dass die Besatzung illegal ist, sondern nur, dass es für Israel illegal ist, die Besatzungsregeln zu missachten. Was halten Sie von diesen Behauptungen?

Sie haben Recht, aber es herunterzuspielen ist auch ein Irrweg. Nach internationalem Recht kann man eine legale Besatzung haben, aber nur als vorübergehender Staat für eine kurze Zeit, um Recht und Ordnung wiederherzustellen und Bedrohungen zu beseitigen. Das Problem mit der israelischen Besetzung ist nicht nur die Dauer, sondern auch die Tatsache, dass sie nie als vorübergehend gedacht war. Seit 1967 hat Israel erklärt, dass es das Westjordanland niemals aufgeben wird. Es leugnete, dass die Palästinenser ein Recht auf dieses Land haben, und begann fast sofort mit dem Bau und der Erweiterung von Siedlungen. Die Dauer und die Praktiken sind es, die Israels Besetzung illegal machen.

Dieselben israelischen Rechtsgelehrten erkennen nicht, was Schaden bedeutet. Die Aufrechterhaltung einer Besatzung erfordert Gewalt. Die Aneignung von Land, das Aufstellen von Kontrollpunkten, der Bau von Siedlungen, ein Militärgerichtssystem und ein Genehmigungssystem, die Entführung von Kindern mitten in der Nacht, die Zerstörung von Häusern und der Diebstahl von Wasser: Alles, was diese Besatzung mit sich bringt, ist Gewalt. Die israelischen Experten können also versuchen, das Urteil herunterzuspielen, so viel sie wollen, aber sie täten gut daran, die Besatzung endlich zu beenden, anstatt sich etwas einfallen zu lassen, um sie zu verschönern.

Sie sagen, dass die Handlungen Israels vom ersten Tag der Besetzung 1967 an illegal waren. Sehen Sie die derzeitige Regierung oder die letzten 15 Jahre der Netanjahu-Regierung als gefährlicher an als die vorhergehende? Oder setzt sie im Grunde die gleiche Politik gegenüber den Palästinensern und den besetzten Gebieten fort, die wir seit mehr als einem halben Jahrhundert kennen?

Das Foto zeigt die Situation
Palästinenser passieren den Qalandiya-Kontrollpunkt auf dem Weg vom Westjordanland zum vierten Freitagsgebet des Ramadan in der Al-Aqsa-Moschee, 29. April 2022.
Foto © Oren Ziv / ActiveStills
Es ist dasselbe und es ist anders. Es ist dasselbe, weil es seit 1967 keine einzige israelische Regierung gegeben hat, die den Ausbau der Siedlungen gestoppt hat. Man kann sich jedes andere Thema in Israel ansehen, und die Regierungen haben unterschiedliche Politiken, aber dies eint sie. Es spielt also keine Rolle, ob es Labor, Likud oder Kadima war; Netanyahu ist in dieser Hinsicht nicht anders.

Neu ist nur, dass diese Regierung ihre Position so unverfroren vertritt. Während es in der Vergangenheit vielleicht Leute gab, die von einer Zweistaatenlösung sprachen, hat Netanjahu während seiner gesamten Amtszeit sehr deutlich gemacht, dass es niemals einen palästinensischen Staat geben wird und dass die Palästinenser keine Rechte haben.

Sie kritisieren die Palästinensische Autonomiebehörde seit langem für ihre Versäumnisse. Wie wird sie Ihrer Meinung nach mit diesem Urteil und den anderen jüngsten Verfahren vor dem IGH und dem IStGH umgehen, sowohl auf der diplomatischen Ebene als auch vor Ort?

Eines der großen Probleme im Jahr 2004 war, dass wir keine palästinensische Führung hatten, die auf die Umsetzung des IGH-Urteils [zur Trennmauer] drängte. Sie befand sich immer noch in dem, was sie für die Blütezeit der Verhandlungen hielt, und lebte immer noch in einer Fantasiewelt. Deshalb ist die BDS-Bewegung schließlich auf den Plan getreten und hat Druck gemacht.

Diesmal bin ich wirklich besorgt, denn wenn es etwas gibt, das man aus dieser Entscheidung mitnehmen kann, dann ist es [eine Kritik an] all diesen so genannten "großzügigen [israelischen] Angeboten", unter denen die Palästinenser zu leiden hatten. Der IGH stellt klar, dass [die besetzten palästinensischen Gebiete] kein israelisches Gebiet sind, mit dem Israel großzügig umgehen kann. Nicht nur das, die Stellungnahme des IGH ist eine Anklage gegen Oslo: Sie besagt, dass es keine Rolle spielt, was unterschrieben wurde, Palästina hat immer noch ein Recht auf Selbstbestimmung, und kein Abkommen kann dieses Recht außer Kraft setzen.

Das Foto zeigt die beschriebene Situation
Ein Demonstrant hisst die palästinensische Flagge vor israelischen Soldaten während einer Demonstration in Beita im besetzten Westjordanland, 8. September 2023.
Foto © Wahaj Bani Moufleh/Activestills
Meine Befürchtung ist, dass Abu Mazen [Präsident Mahmoud Abbas] nur ein Konzept kennt, und das sind Verhandlungen. Ich fürchte, dass der Druck der USA und Westeuropas groß genug sein wird, damit er sagt: Das ist alles schön und gut, aber wir glauben, dass Verhandlungen der einzige Weg nach vorne sind.

Und wenn Sie der Palästinensischen Autonomiebehörde einen Rat geben würden, was würden Sie ihr vorschlagen?

Die Palästinensische Autonomiebehörde sollte von Hauptstadt zu Hauptstadt gehen, um Unterstützung für die Idee zu bekommen, dass die Siedlungen illegal sind und die Siedler gehen müssen. Ich würde mich nicht mit der Idee eines Landtausches beschäftigen, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Ich würde mich nicht mit der Idee von Verhandlungen beschäftigen; sie sind kein schlechtes Mittel, aber bei den Verhandlungen muss es um etwas gehen. Wenn sie zum Beispiel über Pestizide, die Wirtschaft oder die Freizügigkeit verhandeln, ist das alles in Ordnung. Aber über die eigenen Rechte zu verhandeln, ist etwas sehr Abscheuliches, und ich kann nicht glauben, dass es im Jahr 2024 noch Menschen gibt, die in solchen Kategorien denken.

Ich würde ihnen also raten, alles zu tun, was möglich ist, um sicherzustellen, dass die Siedlungen und Siedler geräumt werden - was nicht zur Debatte stehen sollte - und Israel beginnt, einen Preis zu zahlen. Ich verstehe, dass der palästinensische Präsident unter militärischer Besatzung steht und dass die Wirtschaft unter israelischer Kontrolle ist. Aber diese Abhängigkeit muss durchbrochen werden.

Wie kann die palästinensische Führung diese Entscheidung des IGH nutzen, um die Beendigung des Krieges gegen den Gazastreifen voranzutreiben?

Ich glaube nicht, dass die derzeitige Führung in der Lage ist, etwas für Gaza zu tun. Es ist sehr traurig für mich, das zu sagen, aber ich habe das Gefühl, dass vielen von ihnen der Gazastreifen egal ist.

Und wenn wir von der palästinensischen Führung als Ganzes sprechen, nicht nur von der PA?

Zunächst brauchen wir eine palästinensische Führung, die durch Wahlen zustande kommt. Meine Befürchtung für den Gazastreifen ist, dass all dieses [internationale] Gerede über das "Wer" [wer die Macht übernehmen wird], aber kein wirkliches Gerede über das "Was" stattfindet. Die Leute sagen, dass diese oder jene Person gut wäre, und am Ende konsolidiert sich alles um Abu Mazen, als ob es in Palästina keine anderen Leute gäbe, die eine Führungsrolle übernehmen könnten.

Es gibt niemanden, der die Palästinensische Autonomiebehörde [in ihrer jetzigen Form] leiten möchte. Es gibt einen Grund dafür, dass es in Ramallah keinen Putsch gab, seit Abu Mazen das Amt übernommen hat: Es ist ein undankbarer, dummer Job, bei dem man praktisch der Sicherheitslieferant für Israel ist.

Was wir brauchen, ist eine glaubwürdige gewählte Führung mit einer Gesamtstrategie und einer Vision für alle Palästinenser, vor allem aber jetzt für den Gazastreifen. Und für mich geht es darum, Israel für alles, was es getan hat, zur Rechenschaft zu ziehen, insbesondere seit dem 7. Oktober. Es ist entmutigend, immer wieder [von internationalen Kommentatoren und Politikern] zu hören, dass nichts [den Hamas-Angriff vom] 7. Oktober rechtfertigt, und doch wird alles, was Israel in Gaza tut, mit dem 7. Oktober gerechtfertigt. Wir müssen anfangen, diese Ideologie zu durchlöchern und Israel zur Verantwortung zu ziehen - dann kann man mit dem Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.

Ich hoffe, dass eine neue, geeinte und gewählte palästinensische Führung einen Schritt zurücktreten, Oslo und die begangenen Fehler bewerten und diesen Moment nutzen würde, um voranzukommen. Ich glaube nicht, dass die derzeitige Führung zu einer solchen internen Reflexion in der Lage ist.

Die PLO war immer davon besessen, dass die palästinensischen Entscheidungen in den Händen der Palästinenser liegen sollten, und die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) hält auch heute noch an dieser Besessenheit fest. Aber wenn die Palästinensische Autonomiebehörde mit diesem Moment nicht richtig umgeht, und ich vermute, dass sie das nicht tun wird, werden wir sehen, wie viele Aktivisten, die BDS-Bewegung und andere internationale Organisationen die Fackel in die Hand nehmen.

Das Urteil bezieht sich auf die seit 1967 von Israel besetzten palästinensischen Gebiete. Manche würden sagen, dass dieser Geltungsbereich sehr eng gefasst ist und Verbrechen und Verstöße, die bis 1948 zurückreichen, ignoriert, oder dass er die Palästinenser dazu zwingen könnte, eine Zukunft nur auf den Linien von 1967 zu akzeptieren. Wie gehen Sie mit den Einschränkungen dieses Urteils für die palästinensische Sache um?

Das war der erste Kritikpunkt an der Frage des IGH, und ich teile diese Kritik: Wenn man sich nur auf 1967 konzentriert, gibt man Israel einen Freibrief. Man kann die Besatzung nur verstehen, wenn man versteht, was Israel während der Nakba und während der Zeit der Militärherrschaft [innerhalb Israels] getan hat, unter der die palästinensischen Bürger 19 Jahre lang bis '66 lebten. Die Vorstellung, dass man beides [1948 und 1967] voneinander trennen kann, ist eine Fiktion.

Das Foto zeigt die Situation
Israelische Streitkräfte zerstören das gesamte nicht anerkannte Dorf Wadi al-Khalil in der Naqab, 8. Mai 2024.
Foto © Oren Ziv / ActiveStills
Für die Palästinensische Autonomiebehörde gibt es zwei Hauptgründe, sich auf 1967 zu konzentrieren: Erstens, weil sie die Besatzung als den unmittelbaren Schaden ansieht, der rückgängig gemacht werden muss, und zweitens, weil sie meiner Meinung nach 1948 schon vor Jahrzehnten aufgegeben hat - nicht erst mit der Unterzeichnung von Oslo, sondern schon vorher, mit der Unabhängigkeitserklärung der PLO im Jahr 1988.

Für die Palästinensische Autonomiebehörde gibt es auch einen begrenzenden politischen Hintergrund. In vielerlei Hinsicht hat sie die Wiedergutmachung für die Nakba aufgegeben, was praktisch bedeutet, dass sie das Recht auf Rückkehr aufgibt. Sie sagen vielleicht, dass sie es unterstützen, aber ich sehe es einfach nicht.

Es gibt eine Möglichkeit, über die 48er Jahre zu sprechen und trotzdem einen politischen Kompromiss anzustreben. Das ist die palästinensische Position seit vielen Jahren, aber in den letzten 20 Jahren war das nicht die Position der Palästinensischen Autonomiebehörde. Wenn ich zurücktrete und mir anschaue, wo die Palästinenser stehen, dann glaube ich, dass es die politische Überzeugung gibt, dass wir die 48er Jahre aufgeben werden - nicht nur das Gebiet, sondern auch die Geschichte - um zu versuchen, das zu erhalten, was von den 67er Jahren übrig geblieben ist.

Die Palästinenser haben im Laufe der Jahre das Vertrauen in das Völkerrecht verloren, weil es sie nicht geschützt hat. Glauben Sie, dass die jüngsten Vorstöße vor dem IGH und dem IStGH den Palästinensern einen neuen Grund geben, dieses Vertrauen wiederzubeleben?

Ich verstehe die Wut auf das Rechtssystem, denn das Recht ist oft ein Spiegelbild der Macht. Aber es kann auch als Instrument eingesetzt werden. Israel hat seine Besatzung sehr geschickt durchgeführt - nicht nur vor Ort, sondern auch in der Art und Weise, wie es die Besatzung verkauft und den Widerstand dagegen blockiert hat, insbesondere in den Vereinigten Staaten, Kanada, Australien und anderen westlichen Ländern.

Dieses Urteil des IGH eröffnet neue Möglichkeiten [für die Rechenschaftspflicht]: Es soll sichergestellt werden, dass Israel keine Freihandelsabkommen nutzen kann, dass französische Bürger keine Sozialhilfe erhalten, wenn sie in einer illegalen israelischen Siedlung leben, und dass Siedler finanziell sanktioniert werden und nicht in bestimmte Länder reisen dürfen. Aber das alles erfordert eine Menge Arbeit.

Ghousoon Bisharat ist Chefredakteurin der Zeitschrift +972.

Quelle: +972mag

Übersetzt von: Thomas Trueten

Angriff auf den „roten Winkel“

Das Bild zeigt einen roten dreieckigen Winkel mit der Spitze nach unten
Der Rote Winkel
Vor einiger Zeit vernahm man lautstarkes Getöse aus dem Berliner Innensenat und vom hessischen Innenminister. Sie forderten die Innenministerkonferenz und die Bundesinnenministerin auf, den „roten Winkel“, den sie glaubten als „Hamas-Symbol“ denunzieren zu können, zu verbieten. Sie stützten sich dabei auf einzelne Fotos aus Kreuzberg und einigen Stadtteilen Londons, wo an öffentlichen Stellen ein längliches rotes Dreieck – angeblich zur „Feindmarkierung“ – zu sehen war.

Wie wenig historische Bildung muss in den Köpfen dieser Politiker angekommen zu sein, wenn sie glauben, dies sei der „rote Winkel“?

Wir erinnern daran: Der „rote Winkel“ war die „Feindmarkierung“ des NS-Regimes gegen seine politischen Gegner und später aller Häftlinge aus den überfallenen Ländern, die in den Konzentrationslagern den roten Winkel mit einem Nationalitätenbuchstaben tragen mussten. Sie trugen ihn – nach der Befreiung von Faschismus – mit Stolz, in dem Bewusstsein, den faschistischen Terror überstanden zu haben und sich dem politischen Vermächtnis der Überlebenden – bis heute – verpflichtet zu fühlen. Wer also glaubt, den „roten Winkel“ verbieten zu können, der versucht damit das europäische antifaschistische Vermächtnis zu verbieten.
Vor einigen Jahren tönte schon einmal die Trump-Regierung, man müsse „die Antifa“ als Terrororganisation brandmarken. Damals nahmen Politiker der CDU/CSU diese „Vorlage“ gerne auf. Heute denunziert die ungarische Staatsanwaltschaft „die Antifa“ als internationales Terrornetzwerk und die bundesdeutsche Justiz liefert Beschuldigte auf fragwürdiger Grundlage nach Ungarn aus.
Solche Angriffe auf die Idee des Antifaschismus und ihre Organisationen sind in der BRD nicht neu. Immer wieder versuchten Bundes- und Länderregierungen Antifaschismus zu denunzieren und dessen Symbole zu kriminalisieren. Schon zweimal untersagte die Berliner Regierung am 8./9. Mai ein würdiges Gedenken an die Befreier und die Befreiung durch die militärischen Kräfte der Anti-Hitler-Koalition. Mit Polizeieinsatz wurde die öffentliche Präsentation deren Symbole an Gedenkorten in Berlin unterbunden.

Selbst mit dem Mittel des Steuerrechts, dem versuchten Entzug der Gemeinnützigkeit für die VVN-BdA, wurde antifaschistische Arbeit torpediert. Einer breiten gesellschaftlichen Solidarität war es zu verdanken, dass dieser Angriff auf die älteste überparteiliche antifaschistische Vereinigung in unserem Land abgewehrt werden konnte.

Gegen solche politische Bestrebungen treten wir – gemeinsam mit anderen europäischen Antifaschisten – auf. Die Bewahrung des politischen Vermächtnisses der Überlebenden der Lager und Haftstätten, die Würdigung der Befreier und der Befreiung sind unser Leitmotiv.

Der „rote Winkel“ bleibt unser Symbol. Der lässt sich nicht verbieten!

Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora e.V.
Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora/ Freundeskreis e.V.

Quelle: VVN-BdA Aachen


Soziale Ungleichheit spaltet! So gewollt?

Die Vorderseite des Einladungsflyers mit dem Logo des Erwerbslosenauschusses und einer Karikatur, die eine Waage zeigt, über der "Vermögen" steht. Links steht eine einzelne Person, die schwerer als zahlreiche Personen in der anderen Waagschale ist.Superreiche besitzen 1,4 Billionen Euro! Die 40 deutschen Dax-Konzerne machen 171 Milliarden Gewinne! Und gleichzeitig sind Millionen von Menschen auf Bürgergeld und Grundsicherung angewiesen!

Viel zu viele Erwerbstätige können von ihrem Lohn nicht leben!

Ist Ungleichheit ein Naturgesetz?

Wir laden Euch zu einem kurzen Film und anschließender Diskussion ein:

Am Freitag, den 02.08.2024, 19:00 Uhr
Wir treffen uns im Bambussaal, EG, Gewerkschaftshaus, Stuttgart, Willi-Bleicher-Str. 20 (Eintritt frei)

Noch mag es sie geben, die Lohn- und Gehaltsempfängerinnen mit bisher sicherem Einkommen. Aber Insolvenzen wie bei Galeria Kaufhof oder angekündigte Entlassungen bei Bosch lassen ahnen, dass kein Arbeitsplatz mehr sicher ist.

Die Verarmung nimmt zu, während die Profite der Konzerne immer weiter steigen. Das soziale Netz droht zu zerreißen - Rüstungsausgaben erreichen einen (un)geahnten Höhenflug - Löhne sinken real - die medizinische Breitenversorgung wird zunehmend zu einem profitablen Bezahlgeschäft für die Phamakonzerne und ausbaden müssen es die Ärmsten der Armen:

Erwerbslose und Sozialhilfeempfängerinnen, Bürgergeldaufstocker*innen und Prekärbeschäftigte.

Ein gesichertes Leben für alle - statt viel zu viel für wenige!

Das müsste möglich sein - doch wie soll das erreicht werden?

Wir - das ist der Erwerbslosenauschuss (ELA) Stuttgart der Einzelgewerkschaft ver.di. Seit vielen Jahren ist der ELA ein fester Bestandteil der politischen Szene Stuttgart. Immer dort, wo es gilt sozialpolitische Akzente zu setzen, sind wir vor Ort. Wir laden euch ein, uns zu besuchen.

Anfragen unter: hans-g.schwabe@gmx.de


„Gezwungen, das Richtige so zu tun, dass es falsch aussieht“

Das Foto zeigt das Buchcover mit Titel und HerausgeberInnen vor dem Hintergrund eines zerstörten Gebäudes
© Sebastian Schröder
Anfang dieses Jahres erschien in der Edition Tiamat der Sammelband „Nach dem 7. Oktober – Essays über das genozidale Massaker und seine Folgen“, herausgeben von Tania Martini und Klaus Bittermann. Es war das erste im deutschsprachigen Raum erschienene Buch, das den 7. Oktober zum Thema hat. Aber wer nach Informationen und Analysen sucht – in diesem Buch findet mensch sie nicht.

Adressiert ist das Buch an die linke Öffentlichkeit in Deutschland. Die vielen linken Organisationen und Menschen in Deutschland, die verschämt oder passiv-aggressiv schweigen oder die sogar die israelische Politik rechtfertigen, sollen durch das Buch genau darin bestätigt und bestärkt werden.

Nach rechtsstaatlichen Maßstäben hätten die Verbrechen vom 7. Oktober durch ein unvoreingenommenes Justizsystem untersucht und dann über die Täter*innen und die Verantwortlichen geurteilt werden müssen. In einem zweiten Schritt hätten die Ursachen – die systematische Ungleichheit und die historische Ungerechtigkeit – verhandelt und im Kompromiss überwunden werden müssen. Nur dieser Prozess der Versöhnung kann den Konflikt lösen.

Stattdessen sieht die ganze Welt in Gaza in allen Einzelheiten ein außergewöhnliches Kriegsverbrechen, das in Heftigkeit, Ausmaß und Dauer so zuletzt im Zweiten Weltkrieg – bei der Belagerung von Leningrad 1941–44 – verübt wurde. Blockade, Bombardierung, Vertreibung, Verschleppung und Ermordung, Zerstörung ganzer Stadtteile und jeglicher Infrastruktur charakterisieren das Vorgehen der israelischen Armee. Es sind unzählige rassistische und gewalttätige Erklärungen höchster Politiker*innen und Militärs belegt, ebenso ist die vollkommen entgrenzte Kriegsführung der israelischen Armee dokumentiert.

„Nach dem 7. Oktober“ bietet keine Analysen zum Verständnis der Ereignisse, sondern ausschließlich eine radikal pro-israelische Position, die der Rechtfertigung von Unverhältnismäßigkeit und Entmenschlichung dient, wie im Folgenden dargelegt werden soll.

Nur vier der Texte wurden für das Buch geschrieben, alle anderen Beiträge sind ursprünglich Veröffentlichungen in der deutschen Presse aus dem Zeitraum von Oktober bis Dezember 2023. „Sie bezeugen einen bestimmten historischen Moment“, so Martini und Bittermann Und vor allen Dingen zeigen sie einen einseitigen Standpunkt.

Die zentralen Argumente werden von Martini und Bittermann im Vorwort knapp formuliert. Indem der 7. Oktober als „genozidales Massaker“ gelabelt wird, soll es als heutige Verlängerung des historischen Judenmordes des deutschen Faschismus gesehen werden. Das „Charakteristische der Shoah“ sei der „Antisemitismus und das Totale der Tat“. Die Herausgeber*innen sehen deshalb den „Zionismus als legitimes Projekt einer verfolgten und versprengten Minderheit“. Diese Position ist zentral für die Rechtfertigung der israelischen Politik gegenüber den Palästinenser*innen.

Der Gegner ist die postkoloniale Theorie, die nach Meinung der Herausgeber*innen die Delegitimierung des Staates Israel zum Ziel hat. Denn durch Kritik an Unrecht und Ungerechtigkeit wird die herausragende Bedeutung des Staates Israel als Folge von einzigartiger Verfolgung und Ermordung relativiert. „Israel […] als siedlerkolonialistischen Staat zu beschreiben, der Rassismus, gar Apartheid praktiziere und schlimmer noch, sich eines Genozids an den Palästinensern schuldig mache, soll diesen Staat delegitimieren.“ Im Kontext der anderen Thesen von Martini/Bittermann ist klar, dass jede kritische Äußerung als substantielle Gefährdung des Staates Israel, und damit des Staates der Überlebenden der Shoa, gelesen werden soll. Israelkritik und Antisemitismus werden gleichgesetzt. Auf die analytische Kategorie „siedlerkolonialistischer Staat“ wird nichts weiter entgegnet, auch nicht auf die Vorwürfe von systemischem Rassismus.

Während also der israelische Staat „als sichere Heimstätte und Resultat aus der von Diskriminierung, Verfolgung und Mord geprägten Geschichte der Juden und Jüdinnen“ gesehen wird, seien die Taten des 7. Oktober „unbeschreibbar“: „Das Morden der Hamas war derart hassvoll, sadistisch und entmenschlichend, dass die richtigen Worte fehlen, um zu beschreiben, was geschehen war.“

Israel ist das Opfer der Hamas, die „das Töten aller Juden“ zum Ziel hat. Obwohl die Hamas „seit 2007 die Palästinenser regelrecht enteignet und unterdrückt hat“ – was immer das auch genau heißen mag – werden jetzt Hamas und Gaza von Martini/Bittermann gleichgesetzt. „Dieses Massaker war lange und im Detail geplant – mit immens viel Geld und einer ungeahnt perfekten Infrastruktur in Gaza im Rücken.“ Nach dieser Argumentationskette sind alle Taten der israelischen Armee – obwohl Martini/Bittermann zugeben, dass die „Folgen der Bombardierung […] fürchterlich“ sind – gerechtfertigt: „Dennoch ist die Zerstörung der terroristischen Infrastruktur und der Hamas alternativlos.“ Stützen wollen die Autorinnen ihre kollektive Dämonisierung der Palästinenser*innen mit den Ergebnissen einer Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung, nach der die Mehrheit der befragten Palästinenser*innen die Taten des 7. Oktobers gutheiße.

Nicht nur werden Hamas und Gaza gleichgesetzt, sondern die Kritik an der israelischen Regierung wird pauschal mit dem Antisemitismus-Verdacht belegt: „Andere […] betrieben eine perfide Täter-Opfer-Umkehr. Weltweit kam es zu antisemitischen Äußerungen und Übergriffen.“ Damit die klassische Gleichsetzung von Antizionismus und Antisemitismus diffamierend wirken kann, müssen die Autor*innen unkonkret bleiben. „Oft wurden Plakate, die ihre Gesichter [der israelischen Geiseln] zeigten und in vielen Metropolen plakatiert waren, um an sie zu erinnern, heruntergerissen.“

Dass die israelische Regierung rechtsradikal ist, kann von den Autor*innen nicht ignoriert werden. Im Gegensatz zur „rechtsextremen Hamas“ gibt es in Israel anscheinend aber nur zwei Faschisten, und deren Agieren ist dysfunktional: „Ein Finanzminister Bezalel Smotrich oder ein Itamar Ben-Gvir […] sind längst auch ein Risiko für Israels innere Sicherheit.“ Die völkerrechtswidrige Besatzung oder die Einteilung der Menschen anhand ethnischer Kriterien werden nicht angesprochen. Stattdessen werden der israelische Staat und die israelische Gesellschaft als vorbildlich demokratisch beschrieben. Mit dem Verzicht auf die reaktionäre Justizreform und dem Erhalt der Rolle des Obersten Gerichts, mit dem Einsetzen einer Kommission zur Untersuchung der Fehler der Armee und mit einer Meinungsumfrage, in der dem Rücktritt von Netanjahu – nach Kriegsende – mehrheitlich zugestimmt wird, beweist sich nach Martini/Bittermann Israel als zivilisiertes Ganzes, das unter den Fehlern von Netanjahus Regierung leidet.

Sie rekurrieren auf das Bild von Israel als der einzigen Demokratie im Nahen Osten; so wollen sie davon ablenken, dass die Mehrheit der Bürger*innen rechts bis rechtsaußen gewählt hat, dass die Mehrheit der jüdisch-israelischen Bevölkerung rechts ist. Israel ist nicht nur das Opfer der Hamas, sondern auch der feindlichen arabischen Nachbarländer: „Dem Beschuss aus Gaza folgten Raketen aus Jemen und Libanon. Israel blieb keine Zeit für Trauer.“

Diese Thesen – israelische Harmlosigkeit gegen palästinensisch-arabische Totalaggression – sind der Grundkonsens aller Beiträge des Buches. Viele Artikel sind nicht der Rede wert; aus einigen Beiträgen sollen aber exemplarische Passagen zitiert werden.

Der Artikel „Wir, die Linken? Nicht mehr!“ der französischen Soziologin Eva Illouz gehört zu den bekanntesten Texten in der Diskussion in Deutschland, auch weil die Süddeutsche Zeitung auf eine Bezahlschranke verzichtet. Die linksliberale Intellektuelle beruft sich als Einzige auf rechtliche Kategorien: „Moralisches Empfinden, bürgerliches Recht und internationales Recht machen eine klare Unterscheidung zwischen verschiedenen Tötungsarten. Kollateralschäden […] unterscheiden sich moralisch und rechtlich von der Enthauptung von Kindern, weil ein anderes Maß an Absicht und direkter Verantwortung dahinter steht. Diese Unterscheidung zu leugnen, käme einer Leugnung der Voraussetzungen unseres Rechtssystems gleich.“ Da schon mit den ersten Erklärungen israelischer Politiker*innen und Generäle nach dem 7. Oktober offen der Bruch des Völkerrechts angekündigt wurde, richtet sich jede Forderung nach der Einhaltung internationalen Rechtes immer gegen Israel, das hat Eva Illouz wohl als eine von wenigen nicht erkannt. Und auch der Mythos der durch die Hamas enthaupteten Kinder wurde bekanntlich kurz nach dem 7. Oktober zweifelsfrei widerlegt. Trotzdem macht Illouz diese Lüge zu einem wichtigen Bild in ihrer Argumentation. Natürlich schweigt sie gleichzeitig zu den Fotos und Videos der durch israelische Bomben geköpften Kinder in Gaza.

Sie besteht auch darauf, dass es zwischen dem allgemeinen Konflikt zwischen Palästinenser*innen und Israelis einerseits und der Intention der Hamas andererseits keinen Zusammenhang gäbe: „Aber wir haben es hier mit mehreren […] Narrativen ohne feste oder ursächliche Verbindung zu tun.“ Sie sagt daraus folgernd: „[…] ich weigere [mich], das Leiden der Palästinenser am Verlust ihres Landes zu kontextualisieren. Wenn ich ihre Tragödie erfassen will, muss ich den Kontext ausblenden.“ Nicht verstehen wollen als Erkenntnismethode: So versucht sie, die israelische Regierung und Armee zu decken, und gleichzeitig das rechtswidrige und grausame Verbrechen an den palästinensischen Menschen zu relativieren.

Der Soziologe Armin Nassehi ist in der deutschen Öffentlichkeit als konservative Stimme sehr präsent. Bei ihm heißt es: Israel „kann nach dem Überfall der Hamas nur alles falsch machen. Die Hamas nicht zu zerstören, wäre eine Garantie für bereits angekündigte Wiederholungen des Überfalls. Es zu tun, erzeugt Bilder, die Israel ästhetisch in die Nähe eines Aggressors bringen. Die asymmetrische Kriegsführung der Hamas macht die eigene Bevölkerung nicht nur zur Geisel, sondern führt den Gegner als moralisches Monster vor. Die Kategorien verschwimmen, und das nicht, weil Israel prinzipiell etwas falsch machen würde, sondern weil es gezwungen wird, das Richtige so zu tun, dass es falsch aussieht.“ Offener kann die bedingungslose Unterstützung der israelischen Kriegsverbrechen nicht formuliert werden.

Seyla Benhabib, weltbekannte Politologin, Philosophin und Mitherausgeberin der „Blätter für deutsche und internationale Politik“, fordert: „Es darf nicht zu einer zweiten Nakba kommen.“ Allerdings sind die von ihr geforderten Maßnahmen ja gerade zentrale Elemente der systematischen Vertreibung: „Der Waffenstillstand muss mit der sofortigen Evakuierung der Verwundeten, Alten und Jungen aus dem Gazastreifen einhergehen. […] Die Nachbarländer und die Gemeinden im Westjordanland sowie Jordanien und Ägypten und andere Länder müssen sich bereit erklären, palästinensische Flüchtlinge aufzunehmen, die den Kampfhandlungen entkommen wollen.“

Der Historiker Volker Weiß hat ein Standardwerk zur Neuen Rechten geschrieben. Er behauptet in „Nach dem 7. Oktober“: „Hinter einer pro-israelischen Fassade der Partei gibt es […] ganz andere Präferenzen.“ Die AfD, die im Bundestag 2019 den Anstoß für den berüchtigten Pro-Israel-Beschluss zu BDS (Boykott, Desinvestition, Sanktion) gegeben hat, ist „als Bollwerk gegen Antisemitismus […] unglaubwürdig.“ Das bürgerliche Pro-Israel-Lager möchte anscheinend nicht mit der AfD zusammen gesehen werden. Gewöhnlicher Rassismus darf bei Weiß auch nicht fehlen: Antisemitische Thesen „rufen im Netz begeisterte Reaktionen bei Nutzern mit türkischen und arabischen Namen hervor“.

Vier Beiträge wurden in „Nach dem 7. Oktober“ zum ersten Mal veröffentlicht. Zu Doron Rabinovici „Im Morgengrauen“ und Natan Snaider „Die Wunde Israel“ wird in Kürze ein eigener Artikel erscheinen, da dies die beiden programmatischen Texte des Buches sind.

Phillipp Lenhards nichtssagender Aufsatz „Worte finden“ folgt ganz der oben beschriebenen Argumentationskette. Neuartig ist allerdings seine These, die der Abwertung der Menschen mit palästinensischem Hintergrund in Deutschland dient: „Palästinenser stellen […] mit geschätzten 200.000 Personen […] eine vergleichsweise kleine Gruppe dar. […] Die Forderung, endlich den ‚migrantischen Stimmen‘ zuzuhören, diente also nicht selten dem Zweck, unter Verweis auf palästinensische Kronzeugen die deutsche Unterstützung Israels zu delegitimieren.“

Es folgen jetzt Zitate aus „Vom UN-Podium in den Gaza-Tunnel“ von Thomas von der Osten-Sacken und Oliver M. Piecha, eigens für das Buch „Nach dem 7. Oktober“ geschrieben:

„Da hocken sie nun im Dunklen der Tunnel von Gaza […] sie tragen ihr grünes Band um die Stirn und eine Balaclava macht sie gesichtslos. Bis sich irgendwo eine Falltür öffnet, der Himmel sichtbar wird und etwas Furchtbares auf die Welt losgelassen wird. Quälen, Töten, Vergewaltigen und Beutemachen: So verweist ihr Stammbaum doch eher auf die Orks, dieses Fußvolk des Bösen aus Tolkiens ‚Herr der Ringe‘. […] Es fällt schwer, solche Gestalten ob ihrer stumpfen, ungeheuren Brutalität nicht zu entmenschlichen.“

„Die hohe Kunst der Palästinenser bestand über Jahrzehnte im Sich-oben-Halten; möglichst ganz oben auf der Agenda, immer getrieben von der Angst, unter die Aufmerksamkeitsschwelle zu rutschen. ‚Palästina‘ wurde so zu einer extrem erfolgreichen Marke.“

„Wenn der Palästinenser nicht um Aufmerksamkeit heischt, ist er praktisch schon vergessen.“

„Der Palästinenser harrt als Ork im Tunnel oder liegt als Kind unter Haustrümmern begraben, ob Täter oder Opfer, er ist gesichtslos.“

„Wie ein Heer von Golems stehen sie [gemeint sind Pro-Palästina-Demonstrierende] plötzlich massenhaft herum, weil der Hass auf Israel einen Funken Lebendigkeit in ihnen erregt hat. Wirklich relevant ist dabei wohl einzig die Frage nach dem Identifikationsangebot ‚Palästina‘ als Ausdruck diverser Frustrationserfahrungen muslimisch geprägter Einwanderer.“

Wir fragen die anderen Autor*innen in „Nach dem 7. Oktober“: Macht es Ihnen nichts aus, im gleichen Buch wie Osten-Sacken/Pliecha zu veröffentlichen?

Wir fragen die Rezensent:innen des Buches „Nach dem 7. Oktober“: Warum haben Sie nicht auf die Aussagen von Osten-Sacken/Pliecha hingewiesen?!?

Dieses Buch unterstützt voll und ganz die brutale Vertreibung, Unterdrückung und Vernichtung des palästinensischen Volkes durch die israelische Politik. Nirgendwo Zweifel, nirgendwo Debatte – alle Autor*innen stehen felsenfest an der Seite des israelischen Staates. Ihre Beiträge erklären nichts und rechtfertigen alles.

Eine Rezension von Sebastian Schröder, Diplom-Soziologe

Erstveröffentlichung auf Die Freiheitsliebe.


k9 - combatiente zeigt geschichtsbewußt: „The Birth of a Nation - Aufstand zur Freiheit“

Der Flyer zum Film zeigt zeitgenössische Grafiiken wie den Titel des Films, Nat Turner mit einem Messer in der Hand, sowie Massenszenen aus dem Film und die Eckdaten zum Film selbst.Der Film zeigt die Geschichte des Sklavenanführers Nat Turner Der Film durchläuft die Stationen eines Leidensweges: die Machtstrategien und die Herablassung der weißen Besitzerklasse, selbst in Momenten der Freundlichkeit; sowie die physischen, psychischen und nicht zuletzt sexuellen Demütigungen. Bis zum Punkt, an dem Nat Turner den Schritt zum handelnden Subjekt vollzog, anstatt Objekt weißer Kalküle und Aktionen zu bleiben.

Erzählt wird die wahre Geschichte von Nat Turner, einem gebildeten Sklaven und Prediger, angesiedelt im Süden der Vereinigten Staaten von Amerika 30 Jahre vor Ausbruch des amerikanischen Bürgerkriegs. Sein vom Bankrott bedrohter Besitzer Samuel Turner nimmt das Angebot an, Nats Fähigkeiten als Prediger einzusetzen, beruhigend auf rebellische Sklaven einzuwirken. Als Nat im Zuge seiner Tätigkeit Zeuge unzähliger Grausamkeiten wird - gegen ihn selbst, seine Frau Cherry und befreundete Sklaven, organisiert er einen Aufstand in der Hoffnung, sein Volk in die Freiheit zu führen.

Am 21. August 1831 begann der Aufstand - die „Turner-Rebellion“ — mit lediglich acht Männern, die ihre Sklavenhalter töteten. Doch die Aufständischen erhielten einerseits Zulauf durch freie Afroamerikaner, andererseits zogen die Rebellen von Farm zu Farm, töteten die Besitzer, befreiten die Sklaven, von denen sich wiederum weitere anschlossen — am Höhepunkt der Revolte leitete Nat Turner rund 70 Kämpfer. Die Bewaffnung war mäßig, die Männer gingen mit Messern und Äxten gegen die Unterdrücker vor, zumal die (wenigen) erbeuteten Gewehre zu viel Aufsehen erregt hätten. Auf diese Weise gelang es ihnen, mindestens 55 Weiße auszuschalten, hunderte Sklaven in Southampton County vorübergehend zu befreien. Der Aufstand von 1831 wurde so zu „einer Art Wendepunkt für die Sklaverei im Alten Süden“ Nat Turner, wurde ein Held für viele Afro-Amerikaner!

Produzent, Regisseur und Drehbuchautor des Films Nate Parker übernahm selbst die Rolle des Protagonisten Nat Turner und entwickelte das Drehbuch gemeinsam mit dem haitianischen Autor Jean McGianni Celestin.

Insgesamt hatte Parker sieben Jahre am Film und der Entwicklung des Drehbuchs gearbeitet, und nach mehreren gescheiterten Kreditverhandlungen selbst den größten Teil der Anfangsfinanzierung des Films übernommen, insgesamt 100.000 US-Dollar seines eigenen Geldes investiert.

Historischer Film von Nate Parker 2016 - 120 Minuten
Trailer

Sonntag 25. August 2024 - 19 Uhr

combatiente zeigt geschichtsbewußt: revolucion muß sein! filme aus aktivem widerstand & revolutionären kämpfen

kinzigstraße 9 + 10247 berlin + U5 samariterstraße + S frankfurter allee

Wie Israel seine Kriegsverbrechen in Gaza beschönigen will

Die israelische Armee nutzt den Anschein einer internen Rechenschaftspflicht, um Kritik von außen abzuwehren. Doch ihre Bilanz zeigt, wie wenig die Täter bestraft werden.

Palästinenser eilen zur Rettung von Verletzten unmittelbar nach einem israelischen Luftangriff auf das Haus der Familie Salah im Gebiet Al-Batn Al-Thameen in Khan Yunis, südlicher Gazastreifen, 7. Dezember 2023.
Palästinenser eilen zur Rettung von Verletzten unmittelbar nach einem israelischen Luftangriff auf das Haus der Familie Salah im Gebiet Al-Batn Al-Thameen in Khan Yunis, südlicher Gazastreifen, 7. Dezember 2023.
Foto © Mohammed Zaanoun
Das Ausmaß des Grauens, das Israel in den letzten neun Monaten in Gaza angerichtet hat, ist kaum zu fassen. Die Entscheidung der israelischen Armee, ihre Befugnisse zur Bombardierung nichtmilitärischer Ziele und zur Schädigung der Zivilbevölkerung von Beginn des Krieges an erheblich auszuweiten, hat zur Tötung von Zehntausenden von Palästinensern geführt und den Gazastreifen bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Die überlebende Bevölkerung ist infolge der vorsätzlichen israelischen Politik, die gegen das internationale Kriegsrecht verstößt, mit Massenhunger und Vertreibung konfrontiert.

Jeden Tag tauchen mehr und mehr entsetzliche Beweise auf, die offenlegen, was viele Israelis zu verdrängen versuchen. Der südafrikanische Fall, in dem Israel des Völkermords beschuldigt wird, wird vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) fortgesetzt. Der Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) hat Haftbefehle gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und den Verteidigungsminister Yoav Gallant wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beantragt. Eine Kommission des UN-Menschenrechtsrates hat festgestellt, dass israelische Sicherheitskräfte Verbrechen wie Hunger, Mord, vorsätzliche Schädigung von Zivilisten, Zwangsverschleppung, sexuelle Gewalt und Folter begangen haben. Selbst die Vereinigten Staaten, Israels engster Verbündeter, kamen zu dem Schluss, dass Israels Waffeneinsatz im Gazastreifen mit den Menschenrechten unvereinbar" ist.

Während sich diese Anschuldigungen häufen, beginnt Israel neben seiner laufenden Militärkampagne mit einer weiteren groß angelegten Operation: der größten Verbrechensvertuschung in der Geschichte des Landes.

Israelische Politiker und Diplomaten wiederholen bis zum Überdruss das altbekannte Mantra, Israels Armee sei die moralischste der Welt. Diese Behauptung stützt sich unter anderem auf die angeblich robusten Rechtsmechanismen des Militärs, die angeblich jeden Angriff genehmigen und Verdachtsfällen von Völkerrechtsverletzungen nachgehen. In ihren Argumenten vor dem IGH gegen den Vorwurf, Israel begehe Völkermord, lobte Israels Verteidigungsteam wiederholt diese Rechtsmechanismen: Selbst wenn israelische Soldaten Kriegsverbrechen begehen, so argumentierten die Anwälte, sei das System in der Lage, sie selbst zu untersuchen.

Trauernde werfen einen letzten Blick auf die Familie des Leiters des Gaza-Büros von Al-Jazeera, Wael Al-Dahdouh, im Krankenhaus der Al-Aqsa-Märtyrer in Deir Al-Balah, 26. Oktober 2023.
Trauernde werfen einen letzten Blick auf die Familie des Leiters des Gaza-Büros von Al-Jazeera, Wael Al-Dahdouh, im Krankenhaus der Al-Aqsa-Märtyrer in Deir Al-Balah, 26. Oktober 2023.
Foto © Mohammed Zaanoun
Ein neuer Bericht, den ich für die Menschenrechtsgruppe Yesh Din verfasst habe, zeigt jedoch, dass die Hauptaufgabe des israelischen militärischen Strafverfolgungssystems darin besteht, den Anschein einer internen Rechenschaftspflicht aufrechtzuerhalten, um sich vor externer Kritik zu schützen. Das Magazin +972 und der Guardian haben kürzlich aufgedeckt, dass israelische Geheimdienste die Aktivitäten des IStGH überwachen, zum Teil um festzustellen, welche Vorfälle an die Staatsanwaltschaft zur Untersuchung weitergeleitet werden; auf diese Weise könnte Israel rückwirkend Untersuchungen in denselben Fällen einleiten und dann das Mandat des IStGH unter Berufung auf den "Grundsatz der Komplementarität" ablehnen.

Illusion der Rechenschaftspflicht
Ende Mai gab Israels Militärgeneralanwältin (MAG), Yifat Tomer-Yerushalmi, bekannt, dass sie strafrechtliche Ermittlungen in mindestens 70 Fällen von mutmaßlichen Kriegsverbrechen im Gazastreifen angeordnet habe. Dies geschah, nachdem das Militär Hunderte von Vorfällen an den "Fact-Finding Assessment Mechanism" (FFAM) des Generalstabs verwiesen hatte, ein militärisches Gremium, das eine erste und schnelle Untersuchung mutmaßlicher Verstöße gegen das Völkerrecht durchführen soll, bevor das MAG entscheidet, ob eine strafrechtliche Untersuchung eingeleitet wird oder nicht.

Angeblich sind dies Zeichen für Israels Engagement für die Einhaltung der Kriegsgesetze. Eine Untersuchung der letzten zehn Jahre israelischer Angriffe auf den Gazastreifen - einschließlich der als "Protective Edge" bekannten Offensive 2014, der Unterdrückung des Großen Marsches der Rückkehr 2018/19 und der als "Guardian of the Walls" bekannten Operation 2021 - zeigt jedoch, dass es äußerst unwahrscheinlich ist, dass Israel die Absicht hat, Kriegsverbrechen ordnungsgemäß zu untersuchen, zu bestrafen oder zu verhindern.

Verteidigungsminister Yoav Gallant mit Premierminister Netanjahu, US-Verteidigungsminister Lloyd Austin, US-Militärchef CQ Brown und IDF-Chef Herzi Halevi in Tel Aviv, 18. Dezember 2023
Foto: U.S. Embassy Jerusalem, Lizenz: CC BY 2.0 , via Wikimedia Commons, via Wikimedia Commons
Seit 2014 wurden Hunderte von Vorfällen, die den Verdacht auf Kriegsverbrechen aufkommen ließen, dem Militär zur Kenntnis gebracht. Die überwiegende Mehrheit davon wurde an das FFAM weitergeleitet, aber ohne strafrechtliche Ermittlungen eingestellt, nachdem sie von den Mitarbeitern des Mechanismus über unangemessen lange Zeiträume "überprüft" wurden. So wurden beispielsweise einige Fälle, die potenzielle Verstöße aus dem Jahr 2014 betrafen, vom FFAM noch im Jahr 2022 geprüft.

Die Arbeit des FFAM und die Zusammensetzung seiner Mitglieder sind nach wie vor vertraulich, so dass wir die Einzelheiten seines Prüfungsverfahrens oder die Gründe für die Einstellung von Fällen ohne Ermittlungen wahrscheinlich nie erfahren werden. Unabhängig davon, ob die FFAM Empfehlungen ausspricht oder nicht, wurden die meisten von der MAG eingeleiteten und von der Militärpolizei durchgeführten strafrechtlichen Ermittlungen eingestellt, ohne dass Soldaten oder Kommandeure angeklagt wurden.

Von fast 600 Vorfällen im Gazastreifen in den letzten 10 Jahren, bei denen der Verdacht auf Gesetzesverstöße bestand und deren Ergebnisse bekannt sind, führten nur drei Ermittlungen - eine pro Militäroffensive - zu einer Anklageerhebung. Selbst in diesen seltenen Fällen bleibt die Beschönigung zentraler Bestandteil der Taktik des Militärs, wobei die Täter einer harten Bestrafung entgehen.

Zum ständigen Versagen des Militärs im Umgang mit dem Verdacht auf Kriegsverbrechen kommt hinzu, dass sich das israelische Strafverfolgungssystem bis heute nicht mit der israelischen Politik der Gewaltanwendung befasst und es unterlassen hat, gegen Entscheidungsträger in Regierung und Militär zu ermitteln. Mit anderen Worten: Diejenigen, die direkt für die sich abzeichnende Katastrophe im Gazastreifen verantwortlich sind - die das Vorgehen der Armee gegen unschuldige Zivilisten ausgeweitet, Israels Richtlinien für die Bombardierung und das offene Feuer diktiert, die humanitäre Hilfe eingeschränkt und ganze Gebiete im Gazastreifen als Tötungszonen ausgewiesen haben - werden in Israel wahrscheinlich straffrei bleiben.

Dies ist zum Teil auf einen inhärenten Interessenkonflikt innerhalb des Strafverfolgungssystems zurückzuführen. Der Generalstaatsanwalt und der Generalstaatsanwalt des Militärs, die mit der Untersuchung und Verfolgung mutmaßlicher Verstöße gegen das Völkerrecht beauftragt sind, dienen auch als Rechtsberater für die Genehmigung der tödlichen Maßnahmen Israels in Gaza. Es ist schwer vorstellbar, wie eines dieser Gremien nun eine echte und gründliche Untersuchung einer Politik einleiten will, die sie selbst mitgestaltet haben.

Vermutlich werden einige der kürzlich eingeleiteten Untersuchungen zu Anklagen gegen untergeordnete Soldaten führen, die palästinensische Häuser geplündert oder palästinensische Gefangene misshandelt haben. Es ist jedoch zu bedenken, dass diese Fälle das Image der Armee verbessern könnten, indem sie nach außen hin den Anschein einer internen Rechenschaftspflicht erwecken.

Aber das sind nur die Ausnahmen, die die Regel bestätigen. In den allermeisten Fällen wird das System dazu dienen, Kriegsverbrechen zu beschönigen. Und wenn es dies tut, sollten die israelischen Führer nicht überrascht sein, wenn sie als Angeklagte vor internationalen Gerichten landen.

Eine Version dieses Artikels wurde zuerst auf Hebräisch in Local Call veröffentlicht. Lesen Sie ihn hier.

Von Dan Owen 24. Juli 2024, Dan Owen ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Yesh Din und Autor des Berichts "The General Staff Whitewashing Mechanism: Das israelische Strafverfolgungssystem und Verstöße gegen das Völkerrecht und Kriegsverbrechen in Gaza".

Quelle: +972mag

[Nicht authorisierte] Übersetzung: Thomas Trueten
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