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Festbankett mit scharfen Ecken

Sie hatten es sich so schön erträumt. Fröhliches Beisammensein im Erinnerungsstolz. Fünfundzwanzig Jahre - und was haben wir geschafft. Festansprache, Gedichtvortrag und am Ende die Nationalhymne. Und dann weiter im Tagesgeschäft für die nächsten fünfundzwanzig Jahre. Im Bundestag.

Nur dass die Selbstfeier unverhofft scharfe Ecken hinterließ. Überall drohte ein Schatten. Wer gerade dabei ist, das Streikrecht so zu beschränken, wie Frau Nahles es vorhat, bekommt Stimmsperren, wenn er die errungene Freiheit preist. In der bösen DDR gab es kein Streikrecht. Bei uns vielleicht bald auch nur ein eingeschränktes.

Wie schön sang die Vorsitzende der CDU ihr Lobeslied. Sie war schon vor fünfundzwanzig Jahren dabeigewesen. Und hat es nie vergessen. Im Überschwang pries sie vor allem die Friedensliebe, die seither eingezogen war. Die Kriege vergaß sie einfach, die seither geführt wurden. Sie verlangte unverdrossen, dass Schwerter zu Pflugscharen würden. Feierlich und ergreifend.

Der letzte Redner - Maas - erklärte sich zum Verfolger des Stasiregimes. An ihm sollte es nicht fehlen. Und enthüllte, wie noch nach dem Fall der Mauer die Bürokraten die Ausweise verändern wollten. Mit geheimen Zeichen sollte gekennzeichnet werden, wer zwar ausreisen, aber niemals zurückkommen sollte. Irgendwie wurde das verhindert. Oder ist es mit den Ausweisen für Irak-Flüchtlinge doch wieder zurückgekommen?

Hauptauftritt war der Gesang Biermanns. Er ließ es sich nicht nehmen, die Linken zu beschimpfen.

Was er ihnen genau vorwarf, wurde nicht deutlich. An einer Stelle traf er sie hart. Nicht links, nicht rechts seien sie, aber reaktionär. Galt das Reaktionäre bisher nicht gerade als Kennzeichen des Rechten? Da muss es ein eigentümliches System bei Biermann geben.

Oder er ließ sich gleich als Drachentöter feiern. Verneinte aber, das zum Bild eines solchen Helden der drohende Spieß gehöre. Mit was hat er dann seine Drachen getötet? Wenn er altdeutsch den Siegfried meinte, der seine Waffe erhob - den kann man sich ohne Speer doch gar nicht vorstellen.

Sein Lied "Ermunterung" freilich hat er aus den Zeiten gewählt, als er noch vielleicht nicht revolutionäre, aber zumindest anarchistische Gedanken mit sich trug. Es muss vor 1968 entstanden sein. Und unvergeßlich, wie er im eisigen Dezember 89 es mit seiner Ehefrau und Nina Hagen vortrug. Was freilich sollen nach Biermanns heutigem Verständnis die Zeilen besagen "Du, laß dich nicht verbittern/in dieser bittren Zeit. Die Herrschenden erzittern". Enthalten sie nicht die Drohung an die jetzt Herrschenden, es könne ihnen einmal genau so ergehen?

Gysi tat gut daran, auf die traurige Replik des ehemals Bedeutenden nicht einzugehen. Er konnte sich auf den Wandel der Zeiten verlassen. Wo einmal auch die jetzt im Festbankett zusammensitzenden genau so elend und verjagt sich präsentieren wie jetzt die - vor den blinden Augen Biermanns - LINKEN.

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