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Salafisten! Massenbekehrung durch bloße Benennung?

Seit allenfalls zwei Jahren breitet sich eine Religionsgruppe nicht nur in Deutschland aus, die sich "Salafisten" nennt - oder genauer: von kenntnisreichen Religionsanalytikern so genannt wird. Zum Beispiel stellen diese wandlungsfähigen Gruppen in Ägypten zwanzig Prozent der wahlfähigen Bevölkerung dar und gebärden sich noch schlimmer als die Muslimbrüder. Auch kann man bei uns daheim durch das Auffinden eines bloßen Explosivkoffers herausbekommen, dass bei seiner Vorbereitung Salafisten am Werk waren. Das, nach der größten Blamage deutscher Spitznasen, die alles, was die knallrechte NSU verbrochen hatte, eben solchen Terroristen angedichtet hatte. Leuten, die man damals noch nicht so nannte, die aber nachträglich scharf als Salafisten sich abzeichnen.

Die ursprünglich im Lexikon auffindlichen Salafisten werden als zugehörig der Konfession der Wahhabiten erkannt. Also der in Saudi-Arabien staatskonform arbeitenden und glaubenden politisch aktiven Muslime. Im Gegensatz zu diesen sollen die ursprünglichen Salafisten eine gewisse Unabhängigkeit vom saudischen Feudalklüngel gesucht haben und deshalb sich ein dem Namen nach unbekanntes Oberhaupt erwählt haben.

Was aber nicht ausschließen dürfte, dass alle als Salafist dingfest gemachten Personen der sunnitischen Glaubensrichtung angehören müssten. Die angeblich vom Iran gestützten Schiiten dürften dann mit dem Namen Salafist keineswegs belegt werden. Andererseits werden gerade solche Schiiten unter den Hamas in Palästina und den Hisbollah in Libanon von sämtlichen staatsabhängigen Sendern immer wieder mit den schlimmsten Greueln in Verbindung gebracht.

Sind die alle keine Salafisten? Weder die konfessionellen Bindungen noch die theologischen Kenntnisse waren bei den bisher Festgenommenen so ausgeprägt, dass man daraus allein überhaupt auf eine konfessionelle Ausrichtung schließen könnte.

Bescheidene Vermutung: es handelt sich ausschließlich um obrigkeitliche Benennungen,denen subjektiv allenfalls Feindschaft gegen den bestehenden Staat und die NATO zugrundeliegt. Vermutlich hat die Bezeichnung "Salafist" noch den Vorteil, von nicht besonders Belesenen überhaupt nicht mit der Konfession der Wahhabiten in Saudi-Arabien in Beziehung gebracht zu werden. Schließlich ist Saudi-Arabien, wie wir von Merkel wissen, ein hochgeschätzter Bundesgenosse gegen alle nicht NATO-geneigten Staaten wie Iran und Syrien. Also: keine Massenbekehrung in islamischen Kreisen. Allenfalls Namensregulierung in Geheimdienstkreisen.

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Kommentare

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alexander am :

eine kleine ergänzung: eine analyse zur debatte um "salafismus" in deutschland.
Die Analyse zeigt, dass die Debatte im Kontext des hiesigen antimuslimischen Rassismus steht, den Sicherheitsdiskurs bedient und einer extremismustheoretischen Logik folgt. Wesentliche Effekte dieser Debatte sind der Generalverdacht gegenüber der (konstruierten) Gruppe «der Muslime», die teilweise Rehabilitation des Verfassungsschutzes, der durch das Bekanntwerden der NSU-Morde in die Kritik geraten war, und die gleichzeitige Dethematisierung von Rassismus.

Der Beitrag hier: http://www.rosalux.de/publication/38875/bedrohung-salafismus.html

Bandolero am :

Der Unterschied zwischen den Begriffen Salafismus und Wahhabismus besteht (mit Ausnahme des rein geschichtlich gebrauchten Salafi-Begriffes) darin, dass der eine Begriff, Salaf (rein, ursprünglich), eine wohlklingende Selbstbezeichung ist, und die andere Bezeichnung, Wahhabismus, eine mit abwertenden Beiklang (Wahhab war ein Laienprediger, der eine Fitna versucht hat) versehene Fremdbezeichnung derselben Wahhab verehrenden Personengruppe ist. So kommt es, dass in der großen Wahhab-Moschee in Katar Leute beten, die sich selbst als Salafi oder, ganz bescheiden im Sinne der reinen, ursprünglichen, einfach nur als Muslime, bezeichnen.

Die Wikipedia-Artikel sind völlig unbrauchbar zum Thema, weil offensichtlich von interessierter wahhabitischer Seite da eine Selbstbetrachtung verfasst wurde. Gemeinsam ist ihnen, dass sie xenophobe, rechtsextreme Lakaien von Lawrence von Arabien und seinen Erben sind, sprich, Lakaien des britisch-amerikanischen Empires, meist ohne, dass sie es selbst wissen.

Probleme zwischen Wahhabis und dem Empire gibt es in der Regel nur, wenn einzelnen Wahhabis auffällt, wie sie und ihr aggressiver Fanatismus vom Empire missbraucht wurden. Osama Bin Laden soll ziemlich sauer auf die Amis sein, als er gemerkt hat, wie die USA ihn und seine Leute skrupellos für ihre imperialistischen Ziele benutzt haben.

Bandolero am :

Noch einige Anmerkungen zu einigen grundlegenden Dingen:

Ob Wahhabismus bzw Salafismus zur sunnitischen Glaubensrichtung gehört, ist umstritten. Einige Anhänger von Wahhab behaupten, Wahhabismus sei eine neue fünfte sunnitische Glaubensrichtung (etwa ähnlich wie die Mormonen im Christentum). Die Geistlichkeit der vier sunnitischen Glaubensrichtungen bestreitet das in der Regel. Andere Anhänger von Wahhab behaupten, Wahhab sei ein Vertreter der sunnitischen Glaubensrichtung Hanbalismus gewesen, und demzufolge seien sie, obgleich sie auch die Lehren von Wahhab verehren, hanbalitische Sunniten. Wieder andere Wahhabiten bzw Salafisten verstehen sich als Anhänger einer sehr ursprünglichen, frei-islamischen Lehre (etwa wie evangelikale Christen). Wahhabiten bzw Salafisten sehen sich keinesfalls als Schiiten. Tatsächlich betrachten viele von ihnen als vom Glauben abgefallene, und die Takfiristen (Rechtsprechung nach eignem Gutdünken praktitizierenden) unter ihnen begehen häufig Morde und Terroranschläge gegen Schiiten (gegenwärtig insbesondere im Irak und in Pakistan zu sehen, aber auch in Syrien), um sie für den Glaubensabfall zu bestrafen.

Da Könighaus von Saudi Arabien versteht sich offziell als hanbalitische Sunniten. Trotzdem gibt es in Saudi Arabien zahlreiche frei-islamische, wahhabitische Prediger, die einen enormen Einfluss bis in allerhöchste haben (etwa so wie evangelikale Prediger in den USA).

Die im Iran vorherrschende Geistlichkeit gehört wie der größte Teil der iranischen Bevölkerung zum Schiitentum, also überhaupt nicht zum Sunnitentum, und schon gar nicht zum Salafismus bz Wahhabismus. Das gleiche gilt für die Hisbollah, auch sie ist, obgleich sie als libanesische Widerstandsbewegung offen ist für alle Religionen, stark schiitisch geprägt.

Die Hamas definiert hingegen als islamische Widerstandsbewegung der Palästinenser, und ist Teil der internationalen Muslimbruderschaft. Da die meisten Palästinenser Sunniten hanafitischer und schaafitischer Prägung sind, ist auch die Hamas so geprägt. Der Iran arbeitet mit der Hamas überkonfessionell zusammen, das heißt, der Iran stört sich nicht daran, dass die Hamas überhaupt nicht schiitisch ist. Zu bewaffneten Wahhabiten bzw Salafisten hat die Hamas ein schwieriges Verhältnis und sich mit einigen von diesen Gruppen schon häufiger mal sehr blutige, tödliche Auseinandersetzungen geliefert.

Islamismus ist im wesentlichen ein abwertender westlicher Kampfbegriff, der alle Muslime umfasst, die meinen, dass die islamische Rechstordnung Scharia im Rechtswesen eines Staates mit überwiegend islamischer Bevölkerung eine prominente Rolle spielen sollen. Die Muslimbruderschaft ist eine internationale Organisation sunnitischer Muslime, die dieser Meinung ist.

Sowohl die Muslimbruderschaft als auch die im Iran vorherrschende Geistlichkeit und die meisten Wahhabiten bzw Salafisten betrachten die Trennung von Religion und Staat sowie die französische Art der Gesetze (z.B. Säkularismus, Code Napoleon) in erster Linie nicht als Errungenschaft der Aufklärung, sondern als dem Islam kulturfremdes Übel, das die Staaten von Kolonialherren der islamischen Welt mit imperialer Gewalt aufgezwungen haben. Sie verstehen den Kampf um die Einführung einer auf der Scharia basierenden Rechtsordnung als Kampf um die Befreiung ihrer Staaten vom Kolonialismus, bzw heute eher Neokolonialismus.

Ich hoffe, diese Informationen bringen etwas Licht in das Dunkel. Wer einige der von mir hier benutzten Begriffe nicht kennt oder versteht, möge googeln oder nachfragen.

Fritz Güde am :

Alles interessant!- Nur, ist wirklich anzunehmen, dass sämtliche polizeilich als Salafisten gebrandmarkten Personen und Gruppen sich wirklich alle gedanklichen Unterschiede innerlich angeeignet haben?
Ich nehme an, dass wir über die wirklichen Beweggründe der Akteure so unwissend geblieben sind wie vorher. Dafür haben wir als endgültig authentisch und wahr anzusehen, was nur Ergebnis obrigkeitlicher Nomenklatura ist und bleibt.

Bandolero am :

Fritz,

nein, das ist natürlich nicht anzunehmen.

Genauso wie es unter polizeilich/geheimdienstlich als "Rechtsextremisten" gebrandmarkten Personen Konservative und Linke geben mag, womöglich in einer Datei mit Titel "Totalitarismus" abgelegt, kann es sein, dass es unter polizeilich/geheimdienstlich als "Salafisten" gebrandmarkten Personen Sunniten oder gar Schiiten, Sufis und Alewiten geben mag. Die Unzulänglichkeiten von Polizei und Geheimdiensten sind bekannterweise geradezu grenzenlos, und was Islam angeht, ganz besonders.

Und ähnlich wie beim Rechtsextremismus ist auch die wahhbitische Szene von Geheimdiensten durchsetzt und wird von Geheimdienstlern (Lawrence von Arabien ist das wohl prominenteste historische Beispiel dafür) und V-Leuten wohl zumindest teilweise geführt. Gern werden dumme Jungs der wahhabitischen Szene wohl auch als Posterboys für gelungene oder vereitelte Terroranschläge benutzt, die sich Geheimdienste selbst ausgedacht haben, beispielsweise aus wahltaktischen Gründen, oder um Ressentiments gegen Muslime zu schüren, oder um der Überwachung ganz anderr Bevökerungsgruppen, z.B. Linken, dienende Anti-Terror-Gesetzgebungen zu verschärfen.

Das ändert aber nichts daran, dass Wahhabismus/Salafismus eine wirklich üble Spielart des Rechtsextremismus ist. Ich sage Rechtsextremismus, weil ein Markenzeichen der Bewegung Ressentiments zum Einen gegen nicht-salafistische und nicht-sunnitische Glaubensrichtungen des Islam (werden als Apostaten betrachtet, gilt ihnen als besonders verachtenswert) und zum Anderen gegen Andersgläubige und Atheisten (werden als Ungläubige betrachtet, gilt ihnen als niederwertig) sind. Hinzu kommt eine extrem hohe Gewaltbereitschaft, begründet in wahhabitischer/salafistischer Propaganda, die bewaffneten Kampf, persönliche Opferbereitschaft und Märtyrertum zur Bekämpfung von Apostaten und Ungläubigen heroisiert, und die Fähigkeit zu nach Menschenrechtsmaßstäben der Neuzeit nur Grausamkeiten zu nennenden Taten begrüßt (z.B Kopfabschneiden wie in Saudi Arabien), wenn diese Taten sich mit irgendeiner abwegigen Herleitung aus dem Koran rechtfertigen lassen (Mit dem Koran lässt sich bei einer falschen Auslegung nahezu jedes Verhalten rechtfertigen, ähnlich wie mit der Bibel oder der Thora).

Ähnlich wie bei Rechtsextremisten ist auch die Szene der Salafisten/Wahhabiten nicht homogen.

Ähnlich wie Rechtsextremisten in der Regel die Abscheu gegen Ausländer und Andersgläubige (ursprünglich meist gegen Judentum, heutzutage auch gegen Islam) verbindet, verbindet Salafisten/Wahhabiten in der Regel die Abscheu gegen "Apostaten" und "Ungläubige."

Ähnlich wie es bei Rechtsextremisten von der Regel "Abscheu gegen Ausländer und Andersgläubige" Ausnahmen gibt, gibt es auch bei Salafisten/Wahhabiten Ausnahmen. Die Ausnahme ist aber nicht die Regel.

Ähnlich wie Rechtsextremisten nicht alle ihre Abscheu gegen Andere in spezifische Gewalt umsetzen, setzen auch nicht alle Salafisten/Wahhabiten ihre Abscheu gegen Andere in spezifische Gewalt um. Im Gegenteil, das ist jeweils nur ein kleiner Teil.

Das ändert aber überhaupt nichts daran, dass Rechtsextremismus menschenverachtend ist und gesellschaftlich bekämpft werden muss. Das gleiche gilt auch für die Spielarten des Rechtsextremismus, die unter Migranten oder Andersgläubigen verbreitet sind. Und deshalb meine ich, dass es wichtig ist, gegen die Bewegung der türkischen "grauen Wölfe" vorzugehen und es auch wichtig ist, gegen die salafistische/wahhabitische Bewegung vorzugehen. Dass die Mitglieder dieser Bewegungen sich aus Türken und Muslimen zusammensetzen, macht sie nicht weniger rechtsextrem und menschenverachtend als urdeutschen Rechtsextremismus.

Wobei es hapert, ist, dass verallgemeinert wird, also von Türken und Islamisten gesprochen wird, anstatt von grauen Wölfen und Wahhabiten.

In Bezug auf die wahhabitische Bewegung geschieht da in Deutschland leider viel zu wenig, vermutlich teils aus Unkenntnis, und teils deshalb weil einige Staaten, wo Wahhabismus bis in höchste Regierungskreise weitestens verbreitet ist, zu den besten und lukrativsten Geschäftspartner der deutschen Wirtschaft gehören.

Um zu erkennen, wo die Abscheu von Salafisten/Wahhabiten gegen Andere ihre geografischen Wurzeln hat, hier noch ein Auszug aus einem halbwegs brauchbaren Absatz in der englischsprachigen Wikipedia (Artikel: Persecution of Shia Muslims):

Saudi Shias comprise roughly 15% of the 28 million Saudis (estimate 2012). Although some live in Medina (known as the Nakhawila), Mecca, and even Riyadh, the majority are concentrated in the oases of al-Hasa and Qatif in the oil-rich areas of the Eastern Province. For years, they have faced religious and economic discrimination because they- ™re viewed as Iranian puppets. They have usually been denounced as heretics, traitors, and non-Muslims. Shias were accused of sabotage, most notably for bombing oil pipelines in 1988. A number of Shias were even executed. In response to Iran- ™s militancy, the Saudi government collectively punished the Shia community in Saudi Arabia by placing restrictions on their freedoms and marginalizing them economically. Wahabi ulama were given the green light to sanction violence against the Shia. What followed were fatwas passed by the country- ™s leading cleric, Abdul-Aziz ibn Baz which denounced the Shias as apostates. Another by Adul-Rahman al-Jibrin, a member of the Higher Council of Ulama even sanctioned the killing of Shias. This call was reiterated in Wahabi religious literature as late as 2002.

Durch wahhabitische Religionsschulen und Moscheen, Internetforen oder Kursen im Ausland schwappt der wahhabitische Hass gegen Apostaten und Ungläubige nach Deutschland herein. Um den Kreis zum Artikelanlass zu schließen: der genannte Ort des angeblichen Anschlagversuches Bonn ist Sitz der saudischen König-Fahd-Akademie (mit angeschlossener Moschee).

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