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VVN-BdA Redebeitrag bei Demonstration gegen faschistischen Übergriff in Winterbach

Über 1300 Menschen nahmen gestern an einer Protestdemonstration in Winterbach (Rems-Murr Kreis) gegen die faschistischen Übergriffe am Sonntag teil. Bei der Auftaktkundgebung am Winterbacher Bahnhof hielt Jochen Dürr, Landessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) die folgende Rede:

Mehr als 60 Jahre nach der Gründung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes durch Überlebende des faschistischen Terrors fühlt sich die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -Bund der AnitfaschistInnen Baden -“ Würtemberg, für die ich hier spreche, dem Schwur von Buchenwald verpflichtet: "Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel."

Deswegen ist es folgerichtig, daß wir heute mit einer Demonstration zeigen, daß wir nicht akzeptieren, daß Stiefelfaschisten hier im Rems -“ Murr Kreis Migranten bedrohen. In der Nacht vom vergangenen Samstag auf Sonntag ereignete sich ein Brandanschlag auf drei italienische und sechs türkische Mitbürger. Die Opfer wurden zunächst u.a. mit Streitäxten angegriffen und gejagt. Fünf Angegriffene flüchteten in eine Gartenhütte und versuchten so, den gewalttätigen Nazis zu entkommen. Diese steckten daraufhin die Hütte -“ vermutlich mit Benzin - in Brand. Nur durch großes Glück entgingen die Opfer dem Flammentod und wurden von der ca. 30köpfigen Nazibande weiter taktiert. Die Folgen hiervon: Handfraktur, schwere Prellungen, Gehirnerschütterung, Rauchvergiftung, zum Teil Verletzungen durch Dornen am ganzen Körper.

Warum ist das heute immer und immer wieder möglich ?!

Es müssen Zusammenhänge hergestellt werden:

Thilo Sarrazins „Überfremdungs“-Pamphlet „Deutschland schafft sich ab“ hat - sekundiert von Medien, die es in Rekordzeit zum Bestseller des Herbstes werden ließen - eine neue Runde in der Popularisierung von Rassismus im öffentlichen Diskurs eingeleitet.

Zwar distanzierten sich wesentliche Teile der herrschenden Kreise schnell von seiner Rede von einem „jüdischen Gen“, kaum war jedoch diese Kritik geäußert, machten u. a. Klaus v. Dohnanyi und Horst Seehofer deutlich, dass durchaus die Opfer der sozialen Spaltung der Gesellschaft für ihre eigene Ausgrenzung in Haftung genommen werden sollen: als „Integrationsverweigerer“ aus „fremden Kulturkreisen“, die „unsere Sozialsysteme überproportional belasten“.

Einen Monat später legte die Friedrich-Ebert-Stiftung die Studie „Die Mitte in der Krise - Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010“ vor, die in der Tat eine beunruhigende Zunahme der Zustimmung zu nahezu allen abgefragten Dimensionen des sog. Rechtsextremismus in der „Mitte der Gesellschaft“ belegt:

• Gut jeder Vierte wünscht sich ein „starke Partei“, die die „Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert“.
• Jeder Dritte wünscht „hartes und energisches Durchsetzen deutscher Interessen gegenüber dem Ausland“.
• 40 % fordern „Mut zu einem starken Nationalgefühl“.

• Durchgängig mehr als 30 % der Deutschen stimmen zu, dass „Ausländer kommen, um den Sozialstaat auszunutzen“, dass man sie bei knappen Arbeitsplätzen „wieder in ihre Heimat schicken“ solle, und dass Deutschland „in einem gefährlichen Maße überfremdet“ sei.

Diese erschreckenden Zustimmungswerte steigen noch einmal sprunghaft an, wenn es um das Feindbild „Muslime“ geht:

• 55,4 % der Befragten stimmen der Aussage „Araber sind mir unangenehm“ zu und
• 58,4 % der Westdeutschen und 75,7 % der Ostdeutschen wollen die Religionsausübung für Muslime verbieten.

Aus diesem Reservoir schöpfen die Faschisten in NPD / REP und PRO - Bewegung, Hoffnung auf Mobilisierungspotenzial und Wahlerfolge. Nun erlieden NPD und REP erhebliche prozentuelle Stimmenverluste bei der LTW -“ Wahl am 27. 03.2011, aber es gab immer noch Wahlkreise, wo beide in Adition an die fünf Prozent -“ Hürde herankamen.

An diese Ressentiment-geladene Mitte knüpfen auch Faschisten an. Das Entscheidende ist allerdings, dass dieses Ressentiment immer wieder staatlich und Mainstream-medial reproduziert wird. Diskussionen über Deutschkurs- und Kita-Pflicht - wohl wissend, dass es für beides lange Wartelisten gibt - machen aus gesellschaftlich Ausgegrenzten Verantwortliche für die Spaltung der Gesellschaft, deren Opfer sie weitgehend sind.

Am 27.03 wurde 58 Jahre Regierung unter der Staatspartei CDU beendet. Wir als AntifaschistischInnen kritisierten diese Politik vehement :

• Die Verbandelung mit dem Studienzentrum Weikersheim
• Den Schutzschirm über die NPD im bundesweiten Verbotsverfahren
• Berufsverbotepraxis der 70er und 80er Jahre -“ Praxis, bis vor wenigen Jahren wurde Michael Csaszkosky wegen antifaschistischem Engagement die Berufsausübung als Lehrer verweigert...
• Entwurf eines restriktiven Versammlungsgesetzes
• Schikanierung und Kriminalisierung vor allem junger AntifaschistischInnen wegen Tragen durchgestrichener Hakenkreuze
• Verschleppung der Mörder von Saint Anna / Italien durch Oberstaatsanwalt Häußler

Dies sind nur einige Beispiele ...

Was ist aus Sicht der VVN -“ BdA zu tun ?

Es gibt, wie wir wissen, enge Verbindungen zwischen den freien Kameradschaften und den Parteistrukturen der NPD.Beim Besitzer der Immobilie „Linde“ handelt es sich um den wegen Urkundenfälschung und unerlaubtem Waffenbesitz vorbestraften aktiven NPD-Funktionär Jürgen Wehner. Dieser kandidierte auch für die NPD zur Landtagswahl am 27.03.2011. Wir brauchen in Ba.-Wü. wieder eine neue Initiative für ein Verbot der NPD. Die alte Blockadepolitik gegen eines neues NPD Verbotsverfahren auf Bundesebene muss aufgegeben werden. Als erster Schritt müssen die V- Leute abgeschaltet werden.

Ein zweite wichtige Entscheidung von GRÜN -“ ROT müsste der sofortige Rückzug des Entwurfes des restriktiven Versammlungsgesetz sein -“ der Entwurf von Heribert Rech gehört in den Reißwolf!

Wir alle, liebe AntifaschistInnen, machen mit unserer heutigen Demo deutlich, daß Faschismus keine Meinung ist, sondern ein Verbrechen ist! Den angegriffenen MigrantInnen wünschen wir von dieser Stelle aus baldige Genesung -“ ihnen gehört unsere volle Solidarität!

Wir sehen uns hoffentlich alle am 01.Mai 2011 in Heilbronn und setzen das um, was in Dresden zwei Mal umgesetzt wurde: Wir blockieren mit vielen Menschen die Straßen um den Heilbronner Bahnhof und lassen es nicht zu, daß sie einen Millimeter laufen können!

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!

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