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Wer zahlt für die Lügen?

Angela Merkel
Bildquelle:
Armin Linnartz
Dieses Foto ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland) lizenziert.

Zartfühlend gesagt: Merkel hat sich vor der Pressekonferenz nicht genug umgehört. Normal gesprochen: Sie hat uns alle eiskalt angelogen.

Die Frage bleibt: Wie redet sie sich jetzt noch raus? Die eisige Antwort: Überall werden die Leute angelogen, wenn es um die Geheimnisse geht. Das zieht. Aber nicht für immer. Es setzt einen Grad von nationalem Selbstbewusstsein voraus, den ganz Deutschland noch nicht innehat. Es gibt immer noch genug Leute, die ein flaues Gefühl unterdrücken müssen. Für die muss ein Strafgericht herfallen. Zu Gunsten der Chefin.

Als erster Sträfling wird wohl Pofalla erliegen. Wie kam er dazu, seiner Kanzlerin ein Geheimnis vorzuenthalten, das außer ihm mehrere tausend Staatsbeamte, aber auch Journalisten schmerzend verbargen. Kein einziger hat es gewagt, der Kanzlerin sein Wissen zu unterbreiten. Dafür muss Strafe sein. Also: Fällt Pofalla noch vor dem 22.September - oder erst gleich danach? Für jeden Fall: Auf unsere Chefin darf nichts kommen.

De Maiziere schwadroniert mit der Gemeinde: Lügen für Afghanistan

Deckblatt der Präsentation über das Datensammelprogramm PRISM der US-Regierung.
Quelle: NSA, US Federal Government [Public domain], via Wikimedia Commons
Nach dem neuesten Bericht aus dem Snowden-Archiv im Besitz des SPIEGELs ist klar, dass zumindest de Maiziere und Pofalla sich am allgemeinen Lügensystem beteiligt haben. Entgegen der noch am Freitag ausgegebenen Frohbotschaften müssen zumindest die beiden Hauptadressaten perfekt Bescheid gewusst haben. Zumindest seit dem Jahr 2008.

Nun ist es gewiss nichts Besonderes, dass die Mitbürger - in Wirklichkeit: Untertanen - von ihrer Obrigkeit belogen werden. Es dürfte das Allergewöhnlichste sein. Also Zusatzfrage: Wozu in diesem Fall die Verlogenheit?

Antwort: Vor allem zur gemeinsamen Weiterzerstörung eines schon zerstörten Landes. Bis hin zur Ausspähung von Gebieten, die sich zur Phantom-Zerstörung eignen. Also genau zu den Vorhaben, die nach allgemeiner Vorgabe im deutschen Parlament ganz undenkbar sein sollen. Antwort also: Die Zusammenarbeit der Dienste dient der gemeinsamen Ausspähung und Überwachung der deutschen "Mitbürger". Eigentlich: Untertanen.

Wenn Merkel wirklich die Absicht haben sollte, in Deutschland deutsches Recht durchzusetzen, hätte sie mindestens drei Anhaltspunkte, an denen einzusetzen wäre.

Die gemeinsame Abwehrstelle in Ramstein wäre zu beseitigen. Es besteht die große Gefahr, dass von dort aus Drohnenangriffe laufen - vor allem auf Afrika. Nach deutschem Recht offenbar verboten. Es darf bekanntlich kein Todesurteil gefällt werden ohne richterlichen Beistand.

Dasselbe gilt für den Monumentalbau des Spionierwerks der Deutschen. Wo ist da eine Durchsetzung der deutschen Strafbestimmungen geplant? Und schließlich die neue Zusammenarbeit der Dienste in Afghanistan und der BRD. Hat de Maiziere wenigstens da mal einen schnelleren Zugriff als üblich?

... Diesen Schandfleck der Zivilisation sollte man so schnell wie möglich zum Verschwinden bringen ...

Albert Einstein, um 1930

Quelle: Bundesarchiv
Lizenz: CC-BY-SA
"Bei diesem Gegenstand komme ich auf die schlimmste Ausgeburt des Herdenwesens zu reden: auf das mir verhaßte Militär! Wenn einer mit Vergnügen in Reih und Glied zu einer Musik marschieren kann, dann verachte ich ihn schon; er hat sein großes Gehirn nur aus Irrtum bekommen, da für ihn das Rückenmark schon völlig genügen würde. Diesen Schandfleck der Zivilisation sollte man so schnell wie möglich zum Verschwinden bringen. Heldentum auf Kommando, sinnlose Gewalttat und die leidige Vaterländerei, wie glühend hasse ich sie, wie gemein und verächtlich erscheint mir der Krieg; ich möchte mich lieber in Stücke schlagen lassen, als mich an einem so elenden Tun beteiligen!"

(Albert Einstein, in: "Mein Weltbild")

Erstauflage: Einstein, Albert: Mein Weltbild. Amsterdam: Querido Verlag, 1934.
Erweiterte Neuauflage: Seelig, Carl (Hrsg.): Albert Einstein. Mein Weltbild. Texte, Aufsätze und Reden. Zürich: Europa Verlag, 1953. (Aktuell zitierte Ausgabe: Ulm: Ullstein Verlag, 2005)

Zivilcourage

Dietrich Schulze
Foto: Michael Schulze von Glaßer
Das Magazin antifa der VVN-BdA für antifaschistische Politik und Kultur führte in der in Kürze erscheinenden Juli / August Ausgabe 2013 ein Gespräch mit Dietrich Schulze, Initiative gegen Militärforschung an Universitäten.

antifa: Wie sieht es in der Bundesrepublik aus in Bezug auf die Zusammenarbeit von Hochschulen und Militär?

Dietrich Schulze: Militärforschung im natur- und geisteswissenschaftlichen Bereich ist eine flächendeckende Erscheinung. Nur zwei aktuell heiß diskutierte Beispiele. In München entsteht auf dem Gelände einer ehemaligen militärischen NS-Versuchsanstalt der zivilmilitärisch-industrielle Forschungskomplex BICAS für die Entwicklung von autonom agierenden Kampfdrohnen. In Kiel haben Uni und Institut für Sicherheitspolitik (ISPK) ein Konzept zur Aufstandsbekämpfung in den Ländern des globalen Südens entwickelt. Aus Feldforschungen in Afghanistan wird die „Enthauptung aufständischer Gruppen durch Ausschaltung von  bedeutenden Führern" als wirksames Instrument abgeleitet.

antifa: Die Kooperationen haben doch sicher auch mit Geld zu tun?

Dietrich Schulze: Bleiben wir bei Kiel. Die Uni hat in den letzten Jahren 2,7 Mio. Euro von BMVg und NATO eingenommen. Die Not der gezielten Unterfinanzierung der Hochschulen machen immer mehr Uni- Verantwortliche zur Tugend der Fremdfinanzierung und Fremdsteuerung durch Wirtschaft und Rüstung.

antifa: Seit einigen Jahren formiert sich dagegen eine so genannte Zivilklauselbewegung. Was ist darunter zu verstehen?

Dietrich Schulze: Eine Zivilklausel ist die Selbstverpflichtung der Uni bzw. die Bestimmung im Landeshochschulgesetz, nur für friedliche, zivile, nicht-militärische Zwecke zu forschen und zu lehren. Ausgehend von einer erfolgreichen Urabstimmung im Januar 2009 an der Uni Karlsruhe ist in nur vier Jahren eine beachtliche Bewegung entstanden. Inzwischen gibt es fünf weitere Abstimmungen der Studierenden in Köln, Frankfurt a.M., FU Berlin, Kassel und Kiel. Zu den vor 2009 bestehenden fünf Zivilklauseln sind mindestens sieben Neue dazu gekommen.

antifa: Gab es zu den Aktionstagen im Juni auch Aktionen an Hochschulen?

Dietrich Schulze: Die Aktionstage für militärfreie Schulen und Hochschulen waren aus vielerlei Gründen nicht so kräftig unterstützt wie noch im Herbst 2012, wo es z.B. eine Demo in Stuttgaıt vor dem Kultusministerium (Kündigung des Kooperationsabkommens Schule/Bundeswehr) und dem Wissenschaftsministerium (landesgesetzliche Zivilklausel) gab. Dennoch innovative Aktionen wie die Kundgebung in Stuttgart gegen die geplante Bundeswehr-Briefmarke.

antifa: Wie kann man als Student oder Lehrender in dieser Bewegung aktiv werden?

Dietrich Schulze: An vielen Unis gibt es Zivilklausel-Arbeitskreise bei den ASten. Es gibt auch über die Uni hinausreichende Bündnisse an den Hochschulorten. Wichtig ist es, selber tätig zu werden, bei allen Problemen, die das bei dem heutigen verschulten Studium persönlich mit sich bringt. Bei den Lehrenden herrscht die urdeutsche oft intelligent verbrämte Anpassung vor. ISPK-Direktor Joachim Krause geht soweit, den studentischen Vorwurf der Kriegsforschung als paranoid zu bezeichnen.

antifa: Der Direktor hat Dich Anfang Juli in einer Veröffentlichung persönlich angegriffen

Dietrich Schulze: Ja, er schimpft: „Diese Kampagne wird bundesweit von Gruppen und Personen koordiniert, die aus dem linken (oft linksextremen), antimilitaristischen Spektrum stammen ( wie das „imi " ın Tübingen oder Dr. Dietrich Schulze aus Karlsruhe, der ansonsten auch noch für den VVN-Bund der Antifaschisten auftritt; einer Organisation, die der Verfassungsschutz in Baden- Württemberg wohl nicht zu Unrecht als „linksextremistisch beeinflusst" qualifiziert)." Das kann ich nur als Ermutigung begreifen.

Ebenso wie Faschismus und Krieg gehören Antimilitarismus und Antifaschismus zusammen. Und weiter schreibt er: „Diese Art von Kooperations- und Kontaktverboten (mit dem Ziel der gesellschaftlichen Ausgrenzung bestimmter Institutionen und Personen) erinnert fatal an Zeiten, in denen Universitäten in Deutschland nicht mit Menschen oder Institutionen kooperieren durften, weil diese jüdisch waren."

Eine unglaubliche Gleichsetzung, die von ihm selbst inzwischen zwecks Vermeidung von Konsequenzen klammheimlich gelöscht worden ist.

antifa: Gibt es denn auch Beispiele für Zivilcourage?

Dietrich Schulze: Alle Welt spricht über den Mut der Whistleblower Assange, Manning und Snowden. Es gibt auch im Wissenschaftsbereich der Bundesrepublik Whistleblower. Am 17. Juni trat die Ethnologin Irma Kreiten im Rahmen der Eröffnung einer Whistleblower-Ausstellung der Linken im ver.di-Haus Karlsruhe erstmals an die Offentlichkeit. Verantwortliche der Universität Tübingen hatten mit schmutzigen Mitteln versucht, sie in Kriegsforschung einzuspannen. Dagegen hat sie sich gewehrt. Unter der Diskriminierung, auch wegen mangelnder Unterstützung, hat sie jahrelang gelitten und sich jetzt durchgerungen, reinen Tisch zu machen. Eine mutige und bescheidene Persönlichkeit, von deren „Weltpremiere“ alle sehr bewegt waren.

Die Fragen stellte Regina Girod

Zur Person: Dr.-Ing. Dietrich Schulze war von 1966-2005 im Kernforschungszentrum Karlsruhe (jetzt KIT Campus Nord) tätig, anfangs als wiss. Mitarbeiter in Hochenergiephysik-Projekten und später als Betriebsratsvorsitzender. Er ist Mitbegründer der Initiative gegen Militärforschung an Universitäten, Beiratsmitglied der Naturwissenschaftlerlnnen-Friedensinitiative sowie DFG-VK- und BdWi-Mitglied.

Seit der Offnung der VVN zur WN-BdA ist er als Antifaschist aktiv, zurzeit als Kreisvorstandsmitglied in Karlsruhe.

Mehr Informationen:
Aktueller Reader zum Fall
Web-Dokumentation der Initiative
Whistleblowerin Irma Kreiten
• Das Papier Krause-ISPK-Kiel (Synopse)
• Darauf eine Parodie Zivilklausel-“Rädelsführer" für NRhZ
Pressespiegel beim AStA.
• Ein Beitrag dazu im Freitag.
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