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Staatsbürgerliche Lust am Belogenwerden

Die Lüge. Begriffserklärung. Screenshot WikiPedia
In der INTERNET-Ausgabe der FAZ für den 3.September finden sich gleich zwei Beispiele für den Willen zur staatsbürgerlichen Lüge- und der Willfährigkeit der Betroffenen, sich anlügen zu lassen.

Matthias Rüb bespricht eine Neuerscheinung, welche das Oberkommando der US-Wehrmacht juristisch zu verhindern sucht. Ein Mitglied der Truppe, die zur Erledigung Bin Ladens ausersehen war, berichtet vom Verlauf des Ansturms auf das Haus. Nach dieser Darstellung schoss der erste, der den Schlafraum erreichte, schon von der Tür aus und erledigte den Staatsfeind. Demnach- und das ist das Entscheidende- war an Gefangennahme und Gericht nie gedacht worden. Es entfielen auch die Stories von der versuchten Gegenwehr des Gesuchten mit Waffengewalt, die eine Hinrichtung nach den bewährten Bräuchen allenfalls gerechtfertigt hätte. Es versteht sich, dass das Buch den offiziellen Ausmalern der heroischen Propaganda missfallen mussten. Ebenso dem um Wiederwahl ringenden Friedensfürsten Obama , der schließlich als heldenhafter Erlediger des Erzfeindes Punkte sammeln muss. Gar nicht erwähnt wird in dieser Version der Heldenlegende eine dritte Fassung, nach der Bin Laden das Eindringen unten hörend, sich selbst den letzten Schuss verpasst hätte.

Jürg Altwegg berichtet im Feuilleton der gleichen Ausgabe von mehreren Fällen von Selbstdarstellung des Staates Frankreich, die nur durch saftige Lügen bewerkstelligt werden konnte. So wäre zur Regierungszeit des vorvorigen Präsidenten Chirac sein schwerer Schlaganfall als kleines gesundheitliches Problem hingestellt worden. "Von den Ärzten verlangte man die Veröffentlichung gefälschter Bulletins."Die Frau des Präsidenten und dessen Tochter Claude zogen bei den Manipulationen die Fäden". Im Rückblick streift Altwegg weitere Verhüllungen. So erwähnen die Memoiren Giscards d`Estaings einen Ohnmachtsanfall unseres Kanzlers Schmidt mitten im Elysée. Alles nur als Beispiel preisgegeben.

Was folgt daraus? Die alte Forderung der Aufklärung an den Einzelnen war, den eigenen Verstand zu gebrauchen,um keiner Täuschung zu erliegen. Die Forderung wird unerfüllbar, wenn die Grundtatsachen nicht mehr allen und allgemein zur Verfügung stehen. Wenn wir immer nur auf arrangierte Bilder stoßen anstatt auf "nackte" Tatsachen, dann tritt für den Einzelnen Hilflosigkeit ein.

Es bleibt dann allenfalls kollektive Recherche,um gemeinsam wenigstens das eine herauszubekommen: dass nicht alles so ist, wie es von oben dargestellt wird. Aber weit führt das im gegenwärtigen Stadium nicht über grundsätzliches Misstrauen gegen Verlautbarungen der Obrigkeit hinaus. Damit immerhin zum Widerstand gegen medial erzeugte Wallungen. Gegen den Appell zur Verteidigung angeblich gerade besonders bedrohter Werte.

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