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Die "Proletenpassion" reloaded? Leider weit gefehlt...

Das Foto zeigt das Plakat der WLB zum Stück unter einem Wegweiser, im Hintergrund das alte Esslinger Rathaus, dazwischen sitzen Menschen in einem Straßencafe
Richtungsweisend? Leider nur unter den Wegweisern am Esslinger Marktplatz.
Foto: © Thomas Trueten
Gestern sind wir mit Freunden im Theater gewesen: „Die Proletenpassion“ in Esslingen in der Neuauflage basierend auf der 2015er Fassung angeschaut. Meine Kritik: Oje. Extremismusquatsch und Hufeisentheorie gaben sich die Hände, Zitat von Dimitroff zum Thema unterschätzter Faschismus von 1935, der bei der Premiere noch genannt wurde, auf Druck von Medien anonymisiert. Fazit der Fassung des Stücks: „Wir wollen mehr Demokratie!“. Seinerzeit als Demokratielied eher im mittleren Teil des Epilogs der Passion, als eine Schlußfolgerung im jahrhundertelangen Reigen im Kampf gegen die Machtergreifung immer neuer Klassen, während das Proletariat immer das Nachsehen hatte, angesiedelt, nun als entscheidende Konsequenz, die mehr Fragen schuldig bleibt, präsentiert.

Denn das war eigentlich nicht die Schlußfolgerung, die die Schmetterlinge in den 70ern aus der Geschichte des Proletariats zogen. Gezeigt wird eher eine entpolitisierte Hülle des Originals: Sozialismus, der fällt nicht vom Himmel und Wir lernen im Vorwärtsgehn waren im Original die im Epilog zu lösenden Herausforderungen, die aus den Klassenkämpfen zu ziehen war und ist. Und die Frage, wie die "Machtfrage" zu lösen ist. In dem Moment fällt das neue Stück leider weit hinter die Pariser Commune (1) zurück, die zwar als frühes Projekt der Diktatur des Proletariats präsentiert wird, das vor allem aufgrund fehlender revolutionärer Konsequenz und der militärischen Übermacht Preußens scheiterte, jedoch nicht wirklich weiter verfolgt wird. Schaler Beigeschmack entstand für mich bei der Aufaddierung und  letztlichen Gleichstellung der Opfer des Faschismus (55 Millionen Tote) und derer Stalins (60 Millionen Tote) (Kommentar aus der Sitzreihe hinter mir: "Nicht zu vergessen die Millionen, die Mao auf dem Gewissen hatte!") , auch inhaltlich: "Man kann auch so links sein, daß man rechts wieder raus kommt" (Gelächter im Publikum) und kommentarlose Nennung des "RAF Terrorismus" - der im Original nicht erwähnt wurde. Aus diesen Irrungen und Wirrungen, die sich aus einer immer mehr auf die Spitze getriebenen Machtelite, letztlich in Form einer Partei oder einer militarisierten und marginalisierten Stadtguerilla ausdrückten wird nicht die Frage gestellt, wie eine solche Entwicklung im Kampf um die Befreiung des Proletariats verhindert werden kann.

So gerade den im Stück herausgearbeiteten Erfahrungen widersprechend und dadurch um seinen revolutionären Kern beraubt, verkommt das Stück letztlich zu einem Vehikel für die bürgerliche Demokratie und kann so auch problemlos an einem gutbürgerlichen Theater aufgeführt werden.

An diese Mängel schließt dann auch die recht unterschiedliche Darstellung durch die Schaspieler:*Innen an, die teils holprig mit Versprechern „Es geht ein Gespenst um in Europa, das Gespenst des Kapitalismus!“ zum Ausdruck brachten, daß sie im Grunde mit dem Inhalt des Stückes nicht viel anzufangen wissen und sich nicht "drangeben". Teils waren die gesungenen Texte nur schwer zu verstehen, vor allem für Menschen, die das Stück das erste Mal sehen.

So sehr ich es gut finde, daß sich des Werkes angenommen wird und es wertschätze, daß die Württembergische Landesbühne es auf ihren Spielplan gesetzt hat: Ich bezweifle, daß den Machern und Darsteller:*Innen die Bedeutung einer „Passion“ klar ist. So blieb das Stück vor allem ab der Pariser Commune blass und ohne Antwort auf die Fragen unserer Zeit, die sich aus der Geschichte des Kämpfe zwischen den Klassen ergeben. Oder ohne die Frage nach der Antwort auf unsere Zeit zu stellen, wodurch sich das Original ja auszeichnete.

Schade eigentlich, aber vermutlich auch zuviel verlangt für ein Landestheater.


1 Sechsteiliges Video der Schmetterlinge im Original zur Pariser Commune

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