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Stuttgart: Kundgebung zum NSU-Prozess - 11. Juli 2018, 18 Uhr, Schlossplatz: Der NSU-Prozess geht zu Ende - Der Kampf gegen Rechts nicht!

Der NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) ist den meisten Menschen in der BRD bekannt. Die bewaffnete faschistische Gruppierung mordete sich von 1998 bis 2011 13 Jahre lang ungehindert durch die gesamte Bundesrepublik. Neun rassistische Morde an Migranten, die Exekution einer Polizistin, drei Bombenanschläge und 14 Raubüberfälle gehen auf das Konto der Naziterroristen.

Nun geht der großangelegte Prozess gegen 5 Beteiligte Nazis nach 5 Jahren und 436 Verhandlungstagen zu Ende. Mit einer Kundgebung am Tag der Urteilsverkündung werden wir deutlich machen, dass ein Ende des Prozesses noch lange nicht das Ende des Kampfes gegen Naziterror und dessen staatliche Schützenhilfe bedeutet!

Nachdem zwei Mitglieder des NSU -“ Uwe Bönhardt und Uwe Mundlos -“ im Jahr 2011 bei einem Brand im Wohnmobil, das sie als Unterschlupf nutzten, getötet wurden, konnte mit Beate Zschäpe eine dritte Beteiligte festgenommen werden. In den folgenden Jahren zeigte sich, dass der NSU über ein weitverzweigtes Unterstützungsnetzwerk in der Naziszene verfügte, dass für Unterkünfte, Geld und Waffen sorgte. Hat sich der Alptraum von einer bewaffneten Naziorganisation damit erledigt? Noch lange nicht!

Die Herkunft und die Unterstützung des NSU aus der Naziszene ist nur eine Seite der Geschichte. Eine andere sind die offensichtlichen Verstrickungen des Verfassungsschutzes in die Machenschaften der Naziterroristen. In den 13 Jahren seines Bestehens befanden sich nachweislich ca. 50 Spitzel deutscher „Sicherheitsbehörden“ im näheren und weiteren Umfeld des NSU. Sogenannte „Vertrauensleute“ des Verfassungsschutzes, also Nazis, die gleichzeitig für Geld mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeiten, besorgten Sprengstoff und Unterkünfte, Geld für falsche Pässe und Jobs für das Trio. Bei einem NSU-Mord in einem Internetcafé in Kassel hielt sich ein Beamter des Verfassungsschutzes sogar erwiesenermaßen am Tatort auf. In Baden-Württemberg kommen im Zusammenhang mit dem Mord an der Polizistin Michele Kiesewetter außerdem noch Verbindungen zu einem deutschen Ableger des rassistischen Ku-Klux-Klans, der von Polizeibeamten aufgebaut wurde, hinzu.

Dass das Trio trotz dieser Nähe zum Staat 13 Jahre lang nicht gefasst wurde, ist kein Zufall. Es spricht Bände über die rassistischen Vorbehalte im Staatsapparat, dass die Polizei die Mordserie mit der zynischen Bezeichnung „Dönermorde“ versah und die Täter jahrelang unter migrantischen Menschen suchte. Die Polizei verdächtigte Opfer und ihre Angehörigen, Teil von kriminellen Netzwerken zu sein. Und auch, dass massenweise Aktenmaterial des Verfassungsschutzes über den NSU kurz nach dessen Auffliegen durch den Schredder gejagt wurde, fügt sich in das Bild ein. Besonders brisant im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen den NSU ist darüber hinaus eine Reihe von Todesfällen, bei denen in den Jahren 2013 bis 2018 fünf Menschen ums Leben gekommen sind, die entweder selbst geladen waren, um Aussagen im Rahmen der NSU Ermittlungen zu tätigen, oder in engen Beziehungen mit ZeugInnen lebten. Zwei angebliche Selbstmorde, die viele Fragen aufwerfen, eine angebliche Lungenembolie in Folge einer Knieprellung bei einer gesunden 20-jährigen Frau, eine scheinbar unerkannte Diabetes und der aktuell ungeklärte Tod eines bekannten Brandermittlers.

Es geht uns aber nicht darum, uns in detaillierten Theorien über Verbindungen und Hintergründe zu verlieren. Uns geht es um die Tatsache, dass staatliche Stellen nicht in der Lage sind, den NSU-Komplex umfassend zu zerschlagen, geschweige denn nachhaltig gegen rechte und faschistische Tendenzen in der Gesellschaft vorzugehen. Wie auch, wenn Teile des staatlichen Personals offensichtlich ein enges Verhältnis zu entsprechenden Kreisen pflegen und zugleich juristisch nicht greifbar sind? Wie auch immer ein Urteil im Prozess gegen die Nazis aussehen wird -“ es wird nichts wirklich aufklären und verbessern, solange die gesellschaftlichen Bedingungen für das Erstarken von rechten und faschistischen Bewegungen nicht benannt und angegangen werden. Um langfristig zu erreichen, dass alle Formen des Rassismus auf dem Müllhaufen der Geschichte landen, brauchen wir eine Gesellschaft, in der die Menschen solidarisch zusammenleben -“ ohne Staatliche Organisationen, die mit Mörderbanden zusammenarbeiten und deren eigentlicher Zweck die Aufrechterhaltung einer Ordnung ist, in der das reichste Hundertstel der Bevölkerung ein Drittel des gesamten Vermögens besitzt, in der die Menschen, die eigentlich gemeinsam dagegen angehen könnten, nach Herkunft, kulturellen Identitäten und sozialem Status gespalten werden. Dafür müssen wir unsere Seite und Druck aufbauen -“ das kann uns kein Gericht und kein Parlament abnehmen!

Deshalb: Kommt am Tag der Urteilsverkündung im NSU-Prozess zur Kundgebung um 18 Uhr auf dem Schlossplatz in Stuttgart. Machen wir deutlich, dass wir den Kampf erst einstellen, „wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht“ (aus dem Schwur der KZ-Häftlinge von Buchenwald)!

Quelle: VVN-BdA Esslingen / AABS

Zwergobst



Theodor W. Adorno, Heidelberg 1964

Foto: Jeremy J. Shapiro

Lizenz: CC BY-SA 3.0

Es ist die Höflichkeit Prousts, dem Leser die Beschämung zu ersparen, sich für gescheiter zu halten als den Autor.

Im neunzehnten Jahrhundert haben die Deutschen ihren Traum gemalt, und es ist allemal Gemüse daraus geworden. Die Franzosen brauchten nur Gemüse zu malen, und es war schon ein Traum.

In angelsächsischen Ländern sehen die Dirnen aus, als ob sie mit der Sünde zugleich die Höllenstrafe mitlieferten.

Schönheit der amerikanischen Landschaft: daß noch dem kleinsten ihrer Segmente, als Ausdruck, die unermeßliche Größe des ganzen Landes einbeschrieben ist.

In der Erinnerung der Emigration schmeckt jeder deutsche Rehbraten, als wäre er vom Freischütz erlegt worden.

An der Psychoanalyse ist nichts wahr als ihre Übertreibungen.

Ob einer glücklich ist, kann er dem Winde anhören. Dieser mahnt den Unglücklichen an die Zerbrechlichkeit seines Hauses und jagt ihn aus leichtem Schlaf und heftigem Traum. Dem Glücklichen singt er das Lied seines Geborgenseins: sein wütendes Pfeifen meldet, daß er keine Macht mehr hat über ihn.

Der lautlose Lärm, der aus unserer Traumerfahrung seit je uns gegenwärtig ist, tönt dem Wachen aus den Schlagzeilen der Zeitungen entgegen.

Die mythische Hiobspost erneuert sich mit dem Radio. Wer etwas Wichtiges autoritär mitteilt, meldet Unheil. Englisch heißt solemn feierlich und bedrohlich. Die Macht der Gesellschaft hinter dem Redenden wendet von selbst sich gegen die Angeredeten.

Das Jüngstvergangene stellt allemal sich dar, als wäre es durch Katastrophen zerstört worden.

Der Ausdruck des Geschichtlichen an Dingen ist nichts anderes als der vergangener Qual.

Bei Hegel war Selbstbewußtsein die Wahrheit der Gewißheit seiner selbst, nach den Worten der Phänomenologie das "einheimische Reich der Wahrheit". Als sie das schon nicht mehr verstanden, waren die Bürger selbstbewußt wenigstens im Stolz darüber, daß sie ein Vermögen hatten. Heute heißt self-conscious nur noch die Reflexion aufs Ich als Befangenheit, als Innewerden der Ohnmacht: wissen, daß man nichts ist.

Bei vielen Menschen ist es bereits eine Unverschämtheit, wenn sie Ich sagen.

Der Splitter in deinem Auge ist das beste Vergrößerungsglas.

Noch der armseligste Mensch ist fähig, die Schwächen des bedeutendsten, noch der dümmste, die Denkfehler des klügsten zu erkennen.

Erster und einziger Grundsatz der Sexualethik: der Ankläger hat immer unrecht.

Das Ganze ist das Unwahre.

Theodor W. Adorno - Minima Moralia

Heimat-Horst muss weg!

Foto: © Oliver Feldhaus / Umbruch Bildarchiv Berlin
Von Österreich, über Italien und Ungarn bis zu Trumps Amerika tut sich eine nationalistische Front auf -“ und Seehofer will da voll mit reingehen. Ohne Rücksicht auf Verluste eskaliert er die politische Situation und den staatlichen Umgang mit Flüchtlingen. Damit muss Schluss sein! Deshalb demonstrierten rund 300 Menschen am 25. Juni vor der bayerischen Landesvertretung in Berlin unter dem Motto: „Heimat-Horst muss weg“.

Heimat-Horst läuft Amok!

Unsere bunte tolerante wilde liebevolle gemeinsame Heimat ist in Gefahr! Wir fühlen uns der landesüblichen Tradition verpflichtet und dazu aufgerufen, die Berliner heimatlichen Werte des Humanismus, Respekts, der Vielfalt und Zärtlichkeit zu verteidigen! Der Fundamentalist Seehofer bringt diese solidarisch-freundschaftliche Grundunordnung in Gefahr, will das weltoffene Berlin mit Lagern, Mauerbau und Ankerzentren überfremden! Gemeinsam mit seinen Chauvi-Kumpels Orban, Salvini und Kurz will er auch bei uns ein autoritäres, rassistisches Gesellschaftmodell durchsetzen.

Aber unsere Heimat ist kein Horst, kein Gott, kein Krautsalat!

Wir leben gerne zusammen mit Menschen aus aller Damen und Herren Länder!

Bayern ist, zumindest für alte reaktionäre weiße Männer, ein sicheres Herkunftsland und daher verpflichtet, integrations-unwillige religiöse Paternalisten, deren Weltsicht unvereinbar ist mit unseren demokratischen Grundwerten, zurück zu nehmen. Daher fordern wir die sofortige Ausweisung von Horst Seehofer in seine bayrische Heimat!

Gegen Seehofers "Wir werden uns gegen Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme wehren - bis zur letzten Patrone" steht unser:

"WIR werden uns gegen SEINE Zuwanderung in das solidarische weltoffene Berlin wehren - bis zum letzten Konfettischnipsel!"

Wir wollen legale Fluchtwege statt Ankerzentren!

Wir wollen Menschlichkeit im Handeln statt Kreuze an den Wänden!

Wir wollen internationale Solidarität statt Massengräber im Mittelmeer!

(aus dem Aufruf zur Demo am 25.6.2018)

Zur Fotoseite beim Umbruch Bildarchiv Berlin

Weitere Informationen:

#Leerstand in #Stuttgart: Kundgebung am 2. Juli - Kein Spaß: Bürgermeister trifft sich mit Spekulanten um Wohnungskrise zu lösen

Am 2. Juli lädt die Stadtverwaltung Spekulanten, Banken und Baukonzerne zum „11. Immobilien-Dialog“ ins Stuttgarter Rathaus ein. Beteiligung von Bürgern oder Kritikern der Wohnungspolitik der vergangenen Jahrzehnte? Fehlanzeige. Die Teilnahme kostet 460 Euro pro Person -“ zuzüglich Umsatzsteuer.

Der Veranstalter „Heuer Dialog“ wirbt damit, „Netzwerk für die Immobilienwirtschaft“ zu sein. Die Partner und Mitveranstalter sind neben den Immobilenablegern großer Banken, Baukonzernen und Immobilienfirmen auch die Stadt Stuttgart, die staatliche Wirtschaftsförderung Region Stuttgart und die Stuttgarter Zeitung. Was unter „netzwerken“ verstanden wird ist klar: Nicht nur ein Austausch der Immobilienbranche untereinander, sondern auch Einfluss auf die Politik, die Stadtplanung und die öffentliche Meinung darüber.

Genau die Spekulanten, die an Mietenwahnsinn, Wohnungsnot und Verdrängung Millionen und Milliarden verdienen, debattieren mit und vor Politikern, Verwaltungsvertretern und JournalistInnen. Die Themen sind tatsächlich existenziell für die meisten Menschen in Stuttgart: „Mehr Wohnraum für den Normalverdiener“, „Sozialverträgliche Stadtentwicklung“oder „Wohnen wird teurer, auch im Umland“. Tatsächlich sind diese Problemstellungen auch für die Immobilienwirtschaft interessant. Als Lösungsansätze präsentieren sie etwa „Nachverdichtung“, was für sie neue, lukrative Möglichkeiten schafft, auch in dicht bebauten Gegenden noch mehr zu bauen. In die gleiche Kerbe schlägt die Forderung nach effizienterem und zügigerem Bauen. Das alles sind durchaus interessante Ansätze um die Wohnraumproblematik zu lösen. Das Problem ist nur, dass eben jene, die sich am 2. Juli treffen bei allem einzig und allein eine Triebfeder haben: Profit. Darum sind auch die Lösungsansätze die sie präsentieren und wohl auch umsetzen werden einzig und allein danach ausgerichtet. Sie haben gar kein Interesse, die realen Probleme zu lösen, sie wollen damit lediglich Geld verdienen. Viel Geld. Ganz pragmatische und kurzfristige Lösungen wie eine Mietobergrenze oder Enteignungen von leerstehenden Wohnungen kommen natürlich nicht von ihrer Seite.

Denn an den horrenden Mieten verdienen die Spekulanten und Konzerne natürlich prächtig, das wollen sie sich nicht nehmen lassen und das ist für sie alles andere als ein Problem. Es ist ein Zustand, den ihr Wirtschaften erst geschaffen hat und von dem sie profitieren. Und egal was sie in Zukunft machen, es wird wieder nur auf ihren Profit herauslaufen. Und weil dieser Profit auch irgendwo herkommen muss, werden öffentliche Kassen, vor allem aber die aller meisten Menschen, die für Wohnraum eben Geld ausgeben müssen, dafür bezahlen.

Damit diese gemeinwohlfeindliche Logik des Kapitalismus funktioniert, müssen deren Profiteure aber natürlich Einfluss auf die Politik und die öffentliche Meinung haben. Neben losen Vernetzungstreffen wie dem Immobilien-Dialog geschieht dies durch Beratung von Städten, Ländern und dem Bund. Darüber beeinflussen Berater von Banken und Immobilienfirmen Gesetzesänderungen, Stadtplanungen und Auftragsvergabe. So sichern sich die Immobilienhaie Milliarden. Ebenso profitieren sie von der Abhängigkeit und der Mentalität die so in Politik und Verwaltung Einzug hält. Daneben propagieren kapitalfreundliche Think-Tanks und Wissenschaftler seit Jahrzehnten den Neoliberalismus. Sein Mantra vom „schlanken Staat“ und der haushaltspolitischen „schwarzen Null“ bedeuten nichts anderes als den Ausverkauf des Staates und der Daseinsfürsorge zugunsten von neuen Märkten und riesigen Profiten für die, die ohnehin schon mehr als genug haben. Dabei spitzt sich die Situation für die allermeisten Menschen zu, nicht nur in Deutschland.

Wie dieses System der Ausbeutung und der undemokratischen Einflussnahme funktioniert, zeigt sich unter anderem am Beispiel des „Immobilien-Dialogs“. Gleichzeitig zeugt diese Veranstaltung im Rathaus einer Stadt, die besonders unter den herrschenden Zuständen auf dem Wohnungsmarkt zu leiden hat, von der Ignoranz dieser hohen Herrschaften. Klar ist: Für Gering- und Normalverdienende wird dabei nichts herauskommen, zumindest nichts Gutes.

Darum kommt zur Kundgebung des Aktionsbündnisses Recht auf Wohnen vor dem Rathaus:

Montag, 2. Juli | 19 Uhr | Marktplatz Stuttgart

Programm und Infos zum Immobilien-Dialog auf der Website der Stadt Stuttgart


Quelle

Wenn Dich die bösen Buben locken



Theodor W. Adorno, Heidelberg 1964

Foto: Jeremy J. Shapiro

Lizenz: CC BY-SA 3.0

Es gibt einen amor intellectualis zum Küchenpersonal, die Versuchung für theoretisch oder künstlerisch Arbeitende, den geistigen Anspruch an sich selbst zu lockern, unter das Niveau zu gehen, in Sache und Ausdruck allen möglichen Gewohnheiten zu folgen, die man als wach Erkennender verworfen hat. Da keine Kategorie, ja selbst die Bildung nicht mehr dem Intellektuellen vorgegeben ist und tausend Anforderungen der Betriebsamkeit die Konzentration gefährden, wird die Anstrengung, etwas zu produzieren, was einigermaßen stichhält, so groß, daß kaum einer ihrer mehr fähig bleibt. Weiter setzt der Druck der Konformität, der auf jedem Produzierenden lastet, dessen Forderung an sich selbst herab. Das Zentrum der geistigen Selbstdisziplin als solcher ist in Zersetzung begriffen. Die Tabus, die den geistigen Rang eines Menschen ausmachen, oftmals sedimentierte Erfahrungen und unartikulierte Erkenntnisse, richten sich stets gegen eigene Regungen, die er verdammen lernte, die aber so stark sind, daß nur eine fraglose und unbefragte Instanz ihnen Einhalt gebieten kann. Was fürs Triebleben gilt, gilt fürs geistige nicht minder: der Maler und Komponist, der diese und jene Farbenzusammenstellung oder Akkordverbindung als kitschig sich untersagt, der Schriftsteller, dem sprachliche Konfigurationen als banal oder pedantisch auf die Nerven gehen, reagiert so heftig gegen sie, weil in ihm selber Schichten sind, die es dorthin lockt. Die Absage ans herrschende Unwesen der Kultur setzt voraus, daß man an diesem selber genug teilhat, um es gleichsam in den eigenen Fingern zucken zu fühlen, daß man aber zugleich aus dieser Teilhabe Kräfte zog, sie zu kündigen. Diese Kräfte, die als solche des individuellen Widerstands in Erscheinung treten, sind darum doch keineswegs selber bloß individueller Art. Das intellektuelle Gewissen, in dem sie sich zusammenfassen, hat ein gesellschaftliches Moment so gut wie das moralische Überich. Es bildet sich an einer Vorstellung von der richtigen Gesellschaft und deren Bürgern. Läßt einmal diese Vorstellung nach - und wer könnte noch blind vertrauend ihr sich überlassen -, so verliert der intellektuelle Drang nach unten seine Hemmung, und aller Unrat, den die barbarische Kultur im Individuum zurückgelassen hat, Halbbildung, sich Gehenlassen, plumpe Vertraulichkeit, Ungeschliffenheit, kommt zum Vorschein. Meist rationalisiert es sich auch noch als Humanität, als den Willen, anderen Menschen sich verständlich zu machen, als welterfahrene Verantwortlichkeit. Aber das Opfer der intellektuellen Selbstdisziplin fällt dem, der es auf sich nimmt, viel zu leicht, als daß man ihm glauben dürfte, daß es eines ist. Drastisch wird die Beobachtung an Intellektuellen, deren materielle Lage sich geändert hat: sobald sie sich nur einigermaßen einreden können, daß sie mit Schreiben und nichts anderem Geld verdienen müßten, lassen sie bis auf die Nuance genau den gleichen Schund in die Welt gehen, den sie als Wohlbestallte einmal aufs heftigste verfemten. Ganz wie Emigranten, die einmal reich waren, in der Fremde oft nach Herzenslust so geizig sind, wie sie es zu Hause schon immer gern gewesen wären, so marschieren die Verarmten im Geiste begeistert in die Hölle, die ihr Himmelreich ist.

Theodor W. Adorno - Minima Moralia

Wortmeldung: Willi Mernyi zum 12 Stundentag

Der 8 Stundentag wurde vor über 100 Jahren erkämpft, jetzt soll die Uhr um 100 Jahre zurückgestellt werden. Wenngleich die Reproduktion der Arbeitskraft auch hier leider unter den Tisch fällt: Sehr hörens- und nachdenkenswerte Wortmeldung von Willi Mernyi zu Kapitel 1 des Leitantrags des ÖGB-Bundesvorstands „Faire Arbeit 4.0“ am ÖGB-Bundeskongress 2018: Was ArbeitnehmerInnen brauchen -“ gute Arbeit -“ gutes Einkommen -“ Demokratie und Mitbestimmung.



#besetzen: „Der Senat redet von Wohnungspolitik - Wir machen sie!“

Foto: © neuköllnbild / Umbruch Bildarchiv
Mehrere hundert Menschen beteiligten sich am Pfingstsonntag an einer großangelegten Besetzungsaktion in Berlin. Unter den besetzten Objekten war auch ein seit Jahren leerstehenden Haus in städtischer Verwaltung. Rot-Rot-Grün reagierte reflexartig mit Räumungen und gerät dadurch gehörig unter Druck -“ selbst Teile der eigenen Basis haben für die repressiven Räumungen wenig Verständnis. Die Besetzer*innen zeigten sich ermutigt wegen der großen Resonanz und mobilisieren für morgen, Freitag, den 24. Mai, zu einer Solidaritätsdemo unter dem Motto: "Weitermachen: Besetzen, enteignen und die Stadt von Unten erkämpfen!" Start: 18 Uhr am Lausitzer Platz in Kreuzberg. Hier der Aufruf:

Am vergangenen Pfingstsonntag wurden in Berlin und Potsdam 10 leerstehende Häuser besetzt. Von der Villa über eine ehemalige Kita bis hin zum ganzen Wohnhaus. Was über Jahre tote Spekulationsmasse war, wurde mit Leben gefüllt. Auch wenn einige der Besetzungen sehr schnell aufgegeben wurden, handelte es sich bei #besetzen nicht bloß um eine symbolische Aktion. Jeder Leerstand wurde in seinen Kontext gesetzt und für nahezu alle Objekte gab es Konzepte, die eine mögliche Nutzung im Sinne einer solidarischen Stadtpolitik aufzeigten. Betont wurde hierbei immer, dass nicht der Leerstand das Problem ist, sondern das Prinzip von (Privat-)Eigentum an Nutz- und Wohnraum, welches Spekulation erst möglich macht. Spekuliert wird aber nicht nur mit Leerstand, sondern auch mit bewohnten und genutzten Flächen. Das bedeutet, dass jede*r verdrängt werden kann. Ob das nun Jugendzentren, Kitas, ein Späti oder ganze Wohnblöcke sind. Deshalb war am 20. Mai klar: Räume müssen erkämpft und verteidigt werden. An diesem Tag sollten vor allem die Bornsdorferstraße 37b (Borni) in Nord-Neukölln und die Reichenbergerstraße 114 (Friedel54 im Exil) in Kreuzberg als selbstverwaltete Orte für den Moment verteidigt und langfristig als Orte der Organisierung für eine Stadtpolitik von Unten aufgebaut werden.

Sie wollen keine Verhandlungen, sie wollen nur Gewalt.

Die Gewalt einer Stadtpolitik von Oben spüren wir in Berlin Tag für Tag. Gefahrengebiete, Zwangsräumungen, Lagerunterbringung, Rassismus und Wohnungslosigkeit sind hierbei nur einige Schlagworte. Beim „Karneval der Besetzungen“ wurde wieder einmal deutlich, dass der Berliner Senat auch Ursache dieser Gewalt ist. Ebenfalls wurde deutlich, dass zwischen privaten Hauseigentümern wie Akelius und städtischen Unternehmen wie „Stadt und Land“ kaum noch Unterschiede bestehen.

Bei der Besetzung der Reiche114, im Wohnhaus der Akelius GmbH wurde von diesen gar nicht erst versucht zu kommunizieren, so unterschrieben irgendwelche Handlanger gegen 20.30 Uhr den Straf- und Räumungsantrag. Mit enormer Polizeigewalt wurde nur 2 Minuten später die angemeldete Kundgebung vor dem neuen sozialen Zentrum, sowie der Lautsprecherwagen gestürmt. Hierbei gab es viele Verletzte. Das entschlossene Agieren aller solidarischen Menschen vor Ort verhinderte Schlimmeres und ermöglichte die Flucht der Besetzer*innen.

Zeitgleich wurde die Borni gestürmt, obwohl die Verhandlungen über die zukünftige Nutzung des Gebäudes noch liefen. Angesichts dessen, dass der Berliner Senat, sowie Stadt & Land Boss Ingo Malter die Besetzerinnen der brutalen Staatsgewalt auslieferte, ohne auch nur einer Person zu ermöglichen schon vorher das Gebäude zu verlassen, kann dieses Vorgehen nicht nur als Farce, sondern als Tragödie einer sich „sozial“ nennenden Stadtpolitik verstanden werden. Zusätzlich zu den Bullenschikanen im Haus und während der Identitätsfeststellung will Malter die 56 Besetzerinnen noch mit Strafanzeigen überziehen. Eigentum verpflichtet anscheinend doch... zum Arschloch sein.
Wir fordern am 25. Mai und auch sonst:

  • Straffreiheit für alle BesetzerInnen!

  • Weg mit den Strafanzeigen durch Stadt & Land!

  • Weg mit der „Berliner Linie“!

Trotz der Durchsetzung und dem Beharren des Senats auf die Berliner Linie wurde am vergangenen Wochenende und die daraus entstehende Debatte deutlich gemacht, dass Besetzen eines von vielen legitimen und notwendigen Mitteln ist. Eine rebellische stadtpolitische Bewegung wird auch weiterhin zivilen Ungehorsam üben, wie am 22.Mai mit der erfolgreichen Blockade einer Zwangsräumung in Berlin-Lichtenberg gezeigt wurde. Ob sie auch weiterhin #besetzen wird, liegt an uns allen. Besetzen, enteignen und die Stadt von Unten erkämpfen! - Aufruf der BesetzerInnen -

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Weitere Informationen:

„Das ehemalige jüdische Wohnviertel Warschau besteht nicht mehr.“

Maximilian von Herff beim Verhör jüdischer Gefangener.
Links hinter ihm Jürgen Stroop (1943)
Quelle
Heute vor 75 Jahren wurde der Aufstand im Warschauer Ghetto nach wochenlangen Kämpfen von der faschistischen Wehrmacht niedergeschlagen. "Triumphierend telegraphierte Stroop an seinen direkten Vorgesetzten, den SS-Obergruppenführer Friedrich-Wilhelm Krüger: „Das ehemalige jüdische Wohnviertel Warschau besteht nicht mehr.“
Der Aufstand im Warschauer Ghetto war ein Aufstand der im Warschauer Ghetto gefangenen Juden gegen ihre Deportation in Vernichtungslager während der deutschen Besetzung Polens.

Die völlig unzureichend bewaffneten Aufständischen erhoben sich am 19. April 1943 und lieferten der deutschen Besatzungsmacht mehrere Wochen lang erbitterte Gefechte. Getragen wurde der Aufstand von der Jüdischen Kampforganisation (Å"OB) unter der Leitung von Mordechaj Anielewicz, dem Jüdischen Militärverband (Å"ZW) und anderen Organisationen. Am 16. Mai 1943 meldete der Befehlshaber auf deutscher Seite, Jürgen Stroop, die Niederschlagung des Aufstands; am gleichen Tag ließ Stroop die Große Synagoge sprengen.

Das zerstörte Warschauer Ghetto

Quellen

Zum 42. Todestag von Ulrike Meinhof: Bambule (1970)



Ulrike Meinhof 1964

Quelle: Privates Foto, aus der Sammlung Bettina Röhls, der Tochter Ulrike Meinhofs


In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1976 starb Ulrike Marie Meinhof im Knast Stuttgart-Stammheim. Ihr Tod und auch der der anderen RAF Gefangenen in der Haft wurde bis heute nicht vollständig aufgeklärt, Menschen, die an der staatlichen Selbtmordthese zweifeln, werden kriminalisiert. Ulrike Meinhof engagierte sich seit 1957 politisch, war Mitglied der illegalisierten KPD und wurde durch ihre Artikel und Kolumnen vor allem in „Konkret“ eine bedeutende linke Persönlichkeit in der BRD.

"Sie war die erste Person in der Bundesrepublik, nachdem wir aus Polen 1958 nach Westdeutschland gekommen waren, die nach meiner Zeit im Warschauer Ghetto fragte. Am Ende des Interviews, das viel länger dauerte als ursprünglich geplant, hatte Ulrike Meinhof Tränen in den Augen." Marcel Reich-Ranicki

1970 gründete sie mit anderen die bewaffnet im Untergrund kämpfende Gruppe Rote Armee Fraktion (RAF). Zu ihrer Person hatte ich anlässlich ihres 40. Todestages im vorletzten Jahr einiges zusammengestellt, das ich an dieser Stelle nicht wiederholen will. Relativ unbekannt ist ihre Arbeit als Drehbuchautorin an dem auch heute kaum gezeigten Film Bambule:

"24 Stunden in einem geschlossenen Mädchenheim: Irene und Monika unternehmen einen Ausbruchsversuch. Während Irene die Flucht gelingt, landet Monika zur Strafe in der Arrestzelle und erzählt dort einer Fürsorgerin ihre Lebensgeschichte. Die Situation im Heim spitzt sich zu und in der Nacht wird eine "Bambule", ein Aufstand, angezettelt."(arte)

"Der Film kritisiert die autoritären Methoden der Heimerziehung (Fürsorgeerziehung) in einem Mädchenheim. Im Verlauf der Handlung kommt es zu einer Revolte der Heiminsassinnen gegen die unterdrückenden Strukturen. Die Handlung des Films wird oft auch als Parabel auf die gesellschaftlichen Zustände der Zeit verstanden, denen eine neue, verschärfte Form des Klassenkampfes entgegengesetzt werden müsse." (wikipedia)

Die Ausstrahlung des Films war für den 24. Mai 1970 in der ARD geplant, wurde wegen der Beteiligung Ulrike Meinhofs an der Befreiung von Andreas Baader am 14. Mai aber abgesetzt. Das Drehbuch erschien als "Bambule: Fürsorge - Sorge für wen?" bereits 1971 in Buchform. Erst ab 1994 wurde der Film in den dritten Programmen der ARD gezeigt. Film und Drehbuch sind die authentische Wiedergabe der Zustände, die sie in ihren Reportagen über Heimerziehung beschrieben hat und heute wichtige Dokumente für die Beurteilung der Erziehungspraxis in Einrichtungen der Jugendhilfe der 1940er bis 1970er Jahre sind.

Das Buch "Bambule: Fürsorge - Sorge für wen?" ist längst zum Klassiker geworden. Nicht nur wer wissen will, welche Erziehungsvorstellungen noch Ende der sechziger Jahre herrschten, sollte Bambule lesen. Denn das Thema ist aktuell wie je: Wie geht die Gesellschaft mit Randgruppen um, wie erzieht der Staat diejenigen, deren Fürsorge ihm übertragen wurde? Ulrike Meinhof hatte sich als Journalistin in langen Recherchen ein Bild über die Lage der Mädchen in Erziehungsheimen gemacht. In der Geschichte von Irene beschreibt sie den Alltag zwischen Hof, Schlafraum, Wäscheraum und "Bunker", die Repressalien der Erzieher und die Befreiungsversuche der Mädchen, die "Bambule" machen, weil sie leben wollen und nicht bloß sich fügen.

Revolutionäre 1. Mai-Demo in Berlin

Rund 15.000 Menschen zogen auf der diesjährigen revolutionären 1. Mai Demonstration 2018 durch Kreuzberg, ohne polizeiliche Anmeldung und mit einem vorher offensiv angekündigten „Fahnenmeer“ der kurdischen Bewegung. Die von einem schwarzen Block angeführte Demo startete um 18.30 Uhr am Oranienplatz und zog zunächst durch das Myfest. Die kurze Route endete am Schlesischen Tor. Es beteiligten sich deutlich mehr Menschen als in diversen Medien berichtet. Dennoch ging die Demo, auch weil es keinerlei akustische Unterstützung durch Lautsprecheranlagen gab, in einem Meer partyhungriger Touristen fast unter.

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Weitere Informationen:
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