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Kirsten Heisig anti-muslimisch? Nein. Aber unterwegs zur universellen Schulüberwachung

Buchcover
Kirsten Heisig wandelt zwar im Denkgefolge Sarrazins, macht allerdings  keinerlei Aussagen zum Islam an sich. Dafür plädiert sie für ein umfassendes Überwachungssystem in "gefährdeten Bezirken" nach dem Vorbild der USA.

Kirsten Heisig war an die zwei Jahrzehnte Jugendrichterin in Berlin-Neukölln und berichtet in ihrem einzigen hinterlassenen Buch  von dort erlebten  Problemfällen. (Dass sie wenige Monate nach Fertigstellung des Werks freiwillig aus dem Leben ging, gab zu Spekulationen Anlass, zu denen wir uns jeder Stellungnahme enthalten).

Kirsten Heisig wird nach ihrem Tod von manchen Schnell-Lesern einfach als Bestätigerin von Sarrazin gewertet. Das ist entschieden falsch. Im Gegensatz zum Breitsensenschnitt des Vordenkers kennt Kirsten Heisig  auch deutsche jugendliche Straftäter in beachtlicher Zahl und findet keine erheblichen Unterschiede zu den Kollegen mit "Migranten-Hintergrund". Auch spricht sie kaum vom Islam an sich als möglichem Grund von Untaten, sondern unterscheidet sehr genau zwischen der türkischen und der "arabischen" Einfluss-Sphäre. ("arabisch" - wie dem Buch  zu entnehmen ist - als Sammelbegriff für libanesisch- kurdisch-palästinensisch verwendet). Hier spricht sie, immer noch nachvollziehbar, das System der Großfamilien an, in denen der einzelne Jugendliche nach einer Straftat Schutz findet, unter Umständen auch von Schule zu Schule, von Wohnort zu Wohnort weitergeschoben werden kann, um Unannehmlichkeiten zu entgehen. Dafür bringt sie  überprüfbare Beispiele an.

Auffällig allerdings der Blickwinkel, aus dem alle Schäden gesehen werden und daraufhin geheilt werden sollen. Es ist der der ausgepichten eingefleischten Fachjuristin, die alle Gesetze gewogen hat und ein jedes für gleichgewichtig nimmt, handelt es sich nun um Schwarzfahren oder um Angriffe mit dem Hockeyschläger.

Liebevoll werden gleich bei den Fallbeschreibungen am Anfang des Buches  die Schwarzfahrten aufgezählt, die sich den anderen Delikten der jugendlichen Täterinnen und Täter an die Seite stellten. Bei der Schilderung eines Dienstvormittags  bekommen die Nur-Schwarzfahrenden noch mal eine ganze Stunde Verhandlungszeit zugebilligt. Nirgends taucht der einfache und bescheiden sozialreformerische Gedanke auf, solche Jugendlichen aus den entsprechenden Kreisen mit einem Freifahrschein zu versehen. Das Parlament hat nun einmal die Ahndung des Schwarzfahrens beschlossen: Also muss das auch durchgesetzt werden.

Entsprechend verläuft der Gedankengang im ganzen Werk.  Der junge Delinquent - es kommen fast nur Berichte über Jungs vor - wird mit liebevoller Strenge als bloßes Objekt gesehen. Es kommt darauf an, ihn mit allen Mitteln so zu überwachen, dass er dann später zu Lehrstelle und einfacher pünktlicher  Dienstleistung fähig ist.

Dazu - und das ist Heisigs Vorschlag - müssen alle staatlichen Stellen zusammenarbeiten, um eine lückenlose Überwachung zu erreichen.

Dem Datenschutz für Jugendliche wird bedenkenlos freigegeben.Er hat vielleicht anderswo seine Berechtigung, aber nicht bei Leutchen zwischen 14 und 21 Jahren. Schutzinteressen darf es nicht geben, wenn - an erster Stelle - die Polizei, dann das Jugendamt,die Schulen, die Jugendvereine - zusammenarbeiten, um möglichst schon präventiv einschreiten zu können. So spielt der unerbittliche Kampf gegen die "Schulabstinenz" die allerwichtigste Rolle. "Schulabstinenz" - ein Neologismus für das bekannte Schulschwänzertum.  Strafen gegen säumige Eltern helfen da vielleicht weiter. Und wenn jemand einwendet, solche hätten oft nur Hartz IV, muss wieder der Gesetzgeber herhalten: der hat doch sicher gewusst, dass diese Strafen vor allem die "sozial Benachteiligten" treffen. Also ist gegen Bußgelder in  diesen Kreisen nichts einzuwenden.

In der Schule wieder ein besonders zu beachtender Punkt: Schimpfwörter gegenüber Lehrerinnen und Lehrer sofort anzeigen und ohne zeitlichen Verzug ahnden. (Früher hat man die hinterhergerufenen "Arschpauker" am besten überhört. Jedesmal schon deshalb zum Richter rennen - du lieber Himmel).

Die Schulen haben in den Sekundärtugenden zu trimmen. So früh wie möglich  ist mit der Berufsberatung zu beginnen, damit Schüler Jörgi  sich rechtzeitig darauf einstellt, was ihn als Azubi Jörgi erwartet.
Mit Recht wird der Lehrermangel beklagt. Worüber Kirsten Heisig aber kein Wort verliert, das ist  was man in den Schulen sonst noch treiben könnte, was selbst einen Straßen-Rowdy noch interessieren möchte.

In das Internat der Lietz -Schule, in dem ich zehn Jahre verbrachte, wurden in finanziell besseren Zeiten immer wieder von Jugendämtern Kinder geschickt, die zumindest nahe an Bestrafungen vorbeigerutscht waren. Tatsächlich erwiesen sie sich nicht gerade als universell lernbegeistert. Aber es  gab doch kaum einen, der Interesse für nichts gezeigt hätte. Wenn man nur fähig war, genügend Aufmerksamkeit auf ihn zu verwenden. Was wieder  mit der relativ großen Anzahl von Lehrerinnen und Lehrern zu tun hatte, bezogen auf  die Schülerzahl.

Ich erinnere mich an einen, den ich zum Jugendgericht als sein "Familienvater" begleitete. Er war beschuldigt, weil er nach dem Erntedank in eine Kirche eingestiegen war und dort sich an den Gaben auf dem Altar gütlich getan hatte. Die Richterin war sehr freundlich. Nur - wie fuhr sie auf, als der Delinquent in aller Unschuld erzählte: "Ja, und wie ich dann drin war, habe ich erst mal gemütlich  gevespert".
"Wie - gevespert nennen Sie das? Vom Tisch des Herrn...."
Und um ein Haar  wäre aus dem Mundraub Einbruch mit Raub in einem schweren Fall geworden plus Anatz zur Gotteslästerung. Und war doch nur unbedachte Wahrheitsliebe aus kirchenfernem Mund gewesen. Es ließ sich dann alles noch beibiegen - aber mir wurde bei der Gelegenheit klar, wie - bei berechtigtem oder unberechtigtem richterlichen Zorn - sich Pyramiden des Verwerflichen auftürmen lassen.

Kirsten Heisig hat auch Studienfahrten in andere Großstädte unternommen und stellte dort befriedigt fest, dass vor allem die Polizei noch etwas mehr in Erfahrung bringt und schneller vorbeugt als bei uns
Sie hat sicher einen ungeheuren Arbeitseinsatz erbracht und mehr getan als viele andere im Jugendgericht Beschäftigte. Nur eins ist ihr nie in den Sinn gekommen: dass es in entsprechenden Brennpunkten der USA das alles schon gibt. Geben muss, wenn man einer Serie Glauben schenkt, die in VOX lange Zeit lief. "Public Boston". Da wird eine Schule ausführlich und liebevoll vorgeführt, stark auch aus der Sicht der Lehrer. Zum gewöhnlichen Unterricht kommt man dort freilich fast nie. Es gibt immer neue Disziplin- und Kriminalvorkommnisse. Der von Kirsten Heisig nicht einmal gewünschte Haus-Kriminalkommissar mit Waffe ist dort der wichtigste Mann. Lehrer werden wegen kleiner Misshelligkeiten ohne weiteres suspendiert oder gleich gefeuert. Das wichtigste am Unterricht muss - wenn man der Serie glauben darf - der morgendliche Namensappell sein. Bedeutungsvolle Fragen immer neu: Wer war dabei ? Wer hatte die Aufsicht? Was sagen die weiteren Behörden? An welcher  Stelle im alljährlichen Leistungsvergleich werden wir uns wiederfinden? Informationen über alle: Lehrer wie Schüler liegen beim ersten Computerclick vor. Verkehrsunfälle? Liebschaften? Cliquenzugehörigkeit? Besondere Vorkommnisse im Stadtviertel? Eltern? Deren Beruf und Vorleben? usw.

Dass Sarrazin mit seinen Statistiken und Schlussfolgerungen  ein Luftikus war, wird sich in spätestens einem Jahr herausstellen. Dann wird man ihn gnadenhalber einreihen unter all die Rassenforscher in den USA, die immer neu herausbekamen, dass ein kleiner schwarzer Junge aus den Slums kein Einstein werden konnte, was angeblich bisher von Scharen geglaubt worden sein soll.

Viel gefährlicher - trotz und wegen ihrer Verdienste als Fachfrau-muss dagegen Kirsten Heisig wirken. Weil sie wirkliche Leiden in Elendszentren benennt - und weil sie - ganz ohne Rassismus - die lückenlose Überwachung bestimmter Menschengruppen vorschlägt.

Weil sie damit eine ganze Sorte Menschen zum bloßen Objekt der Bearbeitung erklärt, im Interesse einer anderen Menschengruppe, die sich mit möglichst geringen Kosten zu ihrer Ausbeutung bereithält.
Weil sie damit - ohne es vielleicht gewollt zu haben - den aufgeklärten zupackenden Klassenkampf von oben unterstützt.

Kirsten Heisig: Das Ende der Geduld: Konsequent gegen jugendliche Gewalttäter

Parlamentarier stören! Parlamente - weg!

Szene aus dem Bundestag. Foto: Wikipedia
Wie man seit Dienstag Abend zu vernehmen hatte, sind im Ausschuss für "Umwelt" und so weiter Greuel unerhörter Art vorgefallen. Nach Meinung der Regierungsparteien wurde Dauerklamauk verübt, eines Kindergartens würdig, wie Herr v. Essen dem Bundestag betrübt mitteilen musste. Die Opposition verwies darauf, dass eine Stunde zur Beratung eines Gesetzes im Ausschuss etwas karg bemessen war, wenn man bedenkt, dass damit für das nächste halbe Jahrhundert die Gesamtenergieversorgung des Landes geregelt werden sollte. Unbestreitbar bestand der "Klamauk" der Opposition darin, eines der bisher unbestrittenen Rechte des Bundestags wahrzunehmen: Änderungsanträge zu stellen.

Das konnten die Mehrheitsvertreter nicht zulassen. Mit einfacher Mehrheit wurde beschlossen, dass das ab jetzt nicht mehr zulässig sein sollte. Klar: Merkel und ihr Apportierdackel haben nur noch wenig Zeit. Nach den nächsten Landtagswahlen wird sich peinlich herausstellen, dass es für die FDP nirgends mehr reicht. Dann muss - rechtzeitig - Merkel für Nachschub sorgen. Wer darf dann den Zustimmungskläffer machen? Im selben Augenblick wird die FDP im Verzweiflungsstrudel strampeln - und muss außer Verkehr gesetzt werden. Bis dahin aber wird die Merkel-Gefolgschaft mit vollem Zug den Kelch der Noch-Mehrheit ausschlürfen. Bis dahin: alles mal durchdrücken, was noch geht. Ist ein Gesetz mal durch, dauert es lang, bis das Verfassungsgericht in seiner Langmut es für die nächste und übernächste Wahlperiode zur Korrektur anmeldet. Was man hat, das hat man. Ein elementares Gesetz der schwäbischen Hausfrau.

Das Verfahren der Entmachtung des eigenen Parlaments ist natürlich nicht von Merkel erfunden. Schröder ging entschlossen voran. In den Nachbarländern unter Sarkozy und Berlusconi ist so etwas schon gewohnter. Merkel arbeitet nach.

Dass der Bundesrat bei der jetzigen Gesetzesänderung ausgespart werden soll, gehört genau in die Richtung der Abschaffung und Behinderung der parlamentarischen Balance-Rechte, die derzeit betrieben wird. Das Argument der Regierung - zunächst überzeugend: unter Schröder wurde das doch genau so gemacht. Kennzeichnend, dass der vorige Parlamentsfeind -doch immerhin nominell von der Oppositionspartei - in diesem einen Fall als Autorität herhalten darf. Inhaltlich steckt eine zusätzliche Unverschämtheit in der Begründung. Wie wenn ein Mafiahäuptling sich rechtfertigen wollte: Mein Vorgänger hat beim Skalpieren auch niemand gefragt. Wieso soll ich jetzt bei der Schädeldachabdeckung Umstände machen?

Ergebnis: Die klassische Konzeption des Parlaments als eines Systems von Gewicht und Gegengewicht hat in Deutschland spätestens seit Schröder ausgedient. In fast allen großen Ländern Europas tendiert das Regierungsgeschäft zur Diktatur. Verstärkt durch das rechtsstaatliche Gesetzesverständnis,welches das einmal Geregelte privat- und staatsrechtlich privilegiert. Um ein idiotisches Beispiel heranzuziehen: Unsere Sektsteuer verdanken wir der vor dem ersten Weltkrieg vom deutschen Kaiser und seinen Untertanen tief empfundenen Notwendigkeit, die Aufrüstung unserer Kriegsflotte zu sichern. Wir haben schon eine Zeitlang keinen Kaiser mehr, auch angeblich keine Kriegsflotte - aber die Steuer hat unangegriffen ein Jahrhundert überlebt. Leider gilt genau das gleiche auch für viel einschneidendere Maßnahmen der jeweiligen Geschäftsführer des gemeinsamen Büros, auch Regierung geheißen, von welchem Karl Marx einst sprach.

Das Parlament hampelt und humpelt. Um so wichtiger die Organisation von breiten Massenbewegungen - wie derzeit in Stuttgart, aber auch bei der Bekämpfung der Castor-Züge - um dem Übermut der jeweiligen Amtsinhaber überhaupt etwas engegenzusetzen.

Das LINKE am Sturm gegen Stuttgart 21

Protestdemo gegen den drohenden Abriss des Nordflügels am 19.08.2010
Catrin Dinger, strenge Richterin aus "Jungle Word" hat herausgefunden, dass die Gesamtbewegung in und um Stuttgart nur zur deutsch-nationalen Knollenbildung reichte. Und wie flugs die das bewies! Ihre Methode: Zerlegung. Sie sieht die Leute, die Bäume retten wollen. Gleich legt sie uns die alten Germanen - sinngemäß -nahe, die um die Eichen tanzten. Gegen die was Sankt Bonifatius noch ein Aufklärer mit seinem Hackebeilchen. Oder die Verehrung für das Bauwerk eines Architekten, der aus dem nationalen Monumentalismus auch nie herausfand. Am verdächtigsten die teilnehmenden Personen: die wollten ihr Grün und ihre Ruhe! Manche wurden erwischt, die in der Eile "Lebensraum" sagten. Was an dem Ganzen soll da "links" sein?

Was fehlt bei der Kritik der Griesgramin? Anwort: Der Zusammenhang.

Von niemand bestritten wird, dass viele von denen, die sich heute einmütig gegen "Stuttgart 21" wenden, unter anderen Umständen gegeneinander stellen würden. Wenn es etwa um höhere Erbschaftssteuer ginge.

Die Kritikerin hält an einer allzu engen Fassung des "Linken" fest. Links - das sollte nach ihr wohl die Bewegung der Arbeiterinnen und Arbeiter innnerhalb der Fabriken sein. Zunächst um den Lohn, später vielleicht um das ganze System der Lohnarbeit.

Gestehe ich es offen, dass im Kommunistischen Bund Westdeutschland selig, dem ich mit Kretschmann zusammen einst angehören durfte, ähnliche Vorstellungen umgingen. Eigentlicher Klassenkampf gehörte nach dieser Vorstellung in den Betrieb. Die Tatsache, dass die erbitterten Auseinandersetzungen um Wyhl, um Wackersdorf, um Startbahn West,in Brockdorf samt und sonders außerhalb der Fabrik stattfanden, sollte uns nicht irremachen. Hilfsweise wurde der Begriff der "Volkskämpfe" herangezogen, die sozusagen als Wolke um die "eigentlichen" Klassenkämpfe zu wogen hatten. Nicht, als hätten die Leute vom KBW und "Roter Fahne" sich nicht als entschlossenste auch an die Spitze dieser Kämpfe gesetzt. Nur reichte das als Salbe gegen das schlechte Gewissen nie ganz: was war mit dem Aufstand in den Fabriken?

Bis dem einen oder anderen unter uns auffiel, dass der Ansatz falsch war. Produktion selbst war zu eng gesehen. Wir richteten den Blick auf den Mann, die Frau am Fließband, an der Werkbank, als verbrächten sie dort das ganze Leben. Als wäre Produktion überhaupt noch einschließbar in irgendwelche Hallen. Was war mit den Produktionsgelegenheiten - und Möglichkeiten zwischen einem Arbeitsort und dem weiterverarbeitenden nächsten? Was mit dem An-und Abtransport der Leute, die sich erst einmal in den Hallen einzufinden hatten. Was mit der Gegend um die Wohnungen der Arbeitenden herum?

Was mit den Schlaf- und Bewegungsmöglichkeiten um Flörsheim oder Offenbach, welche die Startbahn West schmatzend wegfraß? Das gleiche gilt nach den Erfahrungen von Tschernobyl aber mit dem Leben selbst der Arbeitenden - wie aller übrigen- und den Gesundheitsbeeinträchtigungen.

Versuchsweise lässt sich also formulieren, dass es heutzutage im Klassenkampf nicht um die Herrschaft in der Fabrik allein gehen kann, sondern dass er darüber hinaus Verfügung über den gesamten Bewegungsraum anzielen muss - damit Bestreitung des Zugriffs der großen Monopole und ihrer Planungs-und Enteignungskompanie.

Hinzu kommt eines: Gramsci hatte sehr gut auseinandergesetzt in den zwanziger und dreißiger Jahren, als er im Knast Mussolinis saß, dass es im Zusammenhang mit dem Klassenkampf um Hegemonie geht.. Hegemonie - gemeint als die Meinungsführerschaft, die gegenwärtig Merkel und Seehofer als "Lufthoheit über den Stammtischen" beanspruchen. Hegemonie - gemeint als Kraft, gewisse Gesichtspunkte, Meinungen und Handlungsanweisungen als unumgänglich alllen anderen aufzuzwingen, die im Gespräch ernst genommen werden wollen. Aus der Hegemonie heraus würden sich demokratische Mehrheitsentscheidungen ergeben.

Warum hat das Rezept Gramscis bisher so selten hingehauen?

Weil es bisher sehr oft einer Mehrzahl gelungen ist, sich einfach uninteressiert zu geben. Nicht betroffen. Was die da oben beschlossen haben, wird schon seine Ordnung haben. Sind doch mit den Mappussen und Rechs immer gut gefahren. Damit konnten sich die Vielen aus dem Streit heraushalten.

Das ist im Fall des Protests gegen "Stuttgart 21" kaum noch möglich. Wie selbst die Apostel der Bahn zugeben, wird der Bau zehn Jahre lang dazu bringen, in Schlammstiefeln die Innenstadt zu durchqueren. Dieser Situation gegenüber ist faule Neutralität kaum noch möglich. Man muss Stellung nehmen und gerät damit in den Sog der hegemonialen Ausrichtung.

Geissler hat in einer der hundert Diskussionssendungen mit Recht darauf hingewiesen, dass in seinen Runden endlich einmal die Verträge offengelegt werden müssen, die Bahn, Stuttgart und Regierung untereinander abgeschlossen haben, als seien das Abmachungen zwischen ein paar privaten Besitzern. Nur reicht diese Offenlegung bloß für den ersten Schritt. Für eine Annäherung an die entscheidende Frage: Wer wen? Wenn nämlich erst einmal die zu erwartenden Kosten feststehen - wohlgemerkt die im gegenwärtigen Augenblick - kann - und muss - sinnvoll gefragt werden:

Wem soll das hier zu Bezahlende zukommen? Dem Monopol und dem ihm zuarbeitenden Staatsapparat - oder denjenigen, die endlich volle Verfügung über den eigenen Bewegungsraum verlangen. Und zu erkämpfen haben.

Ein weiteres Ergebnis der bisherigen Bewegung: wer sich einmal auf die Hinterbeine gestellt hat, auf die eigenen, wohlgemerkt, um seine Stadtmitte, seinen Baumbestand, seine Kontakte zu verteidigen, der kommt schrittweise ab vom kindischen Vertrauen, die Oberen- insbesondere die Parteien- würden im Endeffekt die Sache schon regeln. Entweder CDU und FDP. die uns so lange trefflich geführet - oder die neuen, die im Augenblcik manche Interessen der Kämpfenden vertreten. Es wird hoffentlich nur wenige geben, die über dem gegenwärtigen löblichen Einsatz der GRÜNEN die Schamlosigkeiten vergessen, die unter Fischer - und nicht nur unter ihm - begangen wurden. Vom Wackelpudding selbst, der SPD voller Wehmut und Gebetshaltung, gar nicht zu reden. Es kann sich empfehlen, bei allem Misstrauen gegen den Rest der Parteien Mappus abzuwählen. Das wird ohne ein Ja zu LINKEN, GRÜNEN und voller Nachsicht für die Verjauchten der SPD nicht gehen. Wichtig aber, nach der Wahl die Maßnahmen schärfster Aufsicht nicht zu vergessen. Nie mehr darf eine Regierung, einmal gewählt, sich vergnügt im Faulbett wälzen, in der genüsslichen Illusion: Ab jetzt sei alles erlaubt. Mindestens eine Wahlperiode lang. Auch ein Kretschmer oder ein anderer grüner Sendbote muss Tritte in den Hintern fürchten - die ganze Regierungszeit lang.

Ergebnis also: Der Proteststurm gegen Stuttgart 21 ist nicht einfach links, wie ein Ding, das man gefällig angemalt hätte. Aber dieser Sturm eröffnet die Möglichkeit für viele, links zu werden - dann nämlich, wenn sie über die dabei gemachten Erfahrungen lernen, sich - unabhängig von allen angeblich vorgegebenen Instanzen - auf die eigenen Beine zu stellen und die eigenen Interessen zu vertreten - gegen den Raubzugriff der Monopole und des ihnen dienstbaren Staates.

Gedenkt der verprügelten Werte!

Auf jedem Zeitungsblatt, in jeder Fernsehsendung muss man sich mehr anstrengen, um die handelnden Figuren auseinanderzuhalten. Da treten ja keineswegs nur Merkel und Mappus auf - die kennt man soweit. Immer öfter treten mehr oder weniger hoheitsvoll Wesen auf wie das "Lohnabstandsgebot". Oder stolz und entschieden rauscht unsere "christlich-jüdische" Vergangenheit vorbei. Die "Zivilgesellschaft" lässt sich von keinem Tisch vertreiben. Sie alle unangefochten und raumgreifend. Hinter diesen aber oft eine Gruppe, nie isoliert auftretend, immer eng aneinandergedrängt. So ungefähr wie ein paar Apostel nach Christi Verschwinden. "UNSERE WERTE". Richtige Wunden sieht man ihnen nicht an, aber sie schauen dauernd so verängstigt um sich, als kämen gleich ein paar um die Ecke, mit Dachlatten und schweren Schmiedehämmern. Um ihnen ein frühes Dämmerlein zu bescheren. Wer sind die bloß - die Werte, unsere Werte, und ihre oft benannten Feinde?

Wert - auf keinen Fall etwas plump Vorhandenes, wie ein Ziegelstein oder ein Kraut am Wegesrand. Zusammenschlagen kann man sie nicht wie einen Brocken Erde.

Am ehesten könnte man die Werte wohl als Wollungen ansehen. Als von allen Maßgeblichen angeforderte Willensanstrengungen oder wenigstens- Willensäußerungen. Als etwas, das von jedem verlangt werden kann, der sich unter uns breitmachen will. Also nicht nur Wollungen, sondern auch Sollungen.

In ihrer Gestalt als wohlanständige Forderungen laufen die Werte nirgends Gefahr. "Edel sei der Mensch, hilfreich und gut". Welcher Buddhist, Muselman, Atheist und Christ der verschiedensten Ausrichtungen möchte da nicht zustimmen? Wenn es bei solcher angenehmen Allgemeinheit bleibt.

Geht es also bei den Gefährdungen der "WERTE" um die Erfüllung der Forderungen, die wir als "unsere Werte" an andere stellen. Bescheiden manchmal auch an uns selbst. Dass die Forderungen regelmäßig unerfüllt bleiben, ist mit der Fragestellung schon vorausgesetzt.

Werden Wesen anderer "Kulturkreise" (Seehofer) oder gar genetisch anfällige - Sarrazin - beschuldigt, unsere Werte zu schänden, so meinen die Ankläger offenbar, dass Muslime oder zusammenklumpende Russen die Forderungen der Werte undurchführbar machen. Während wir - die Eingeborenen unserer Kultur und Erben sie recht und schlecht erfüllen?

Wenn das nur kein Irrtum ist. So fordert etwa einer unserer "Werte" von uns, erst Kenntnisse über andere zu erwerben, bevor wir sie verurteilen. Zugleich reden wir mit geschwollenen und schöngeschwungenen Lippen - unangekränkelt von jedem Zweifel - vom "Islam" an sich. Tun dabei so, als wüssten wir nicht, dass zu dieser Glaubensrichtung außer Sunniten und Schiiten auch die Sufis gerechnet werden - oder die Alewiten. Die Sufis haben seit langer Zeit von den kriegerischen Traditioen anderer Gruppen sich entschieden abgewendet. Die Alewiten, die in unserer Gegend ein großes Zentrum in Offenburg unterhalten, haben sich die letzten zwanzig Jahre regelmäßig als Unterstützer linker Demonstrationen hervorgetan. Es gab in Offenburg 1. Mai's, die wären ohne Rede- und Tanzbeiträge der Alewiten endgültig im treuherzig Hergebrachten ersoffen.

Oder die "Scharia". Wenn wir Frau Schwarzer unvorsichtig lange zuhören, stellt die Scharia ein Hexeneinmaleins für eingefleischte Übeltäter dar. Vergessen wird bei solchen Gesamtverfluchungen, dass etwa auch die Regelungen des Zinsverbots Teil der Scharia sind. Kunstvoll umgehen Banken, die diesem Gebot folgen, die Abnahme eines Zinses. Dafür wird dann eine Form der Gewinnbeteiligung an gemeinsamen Geschäften eingesetzt. Das ändert natürlich den Kapitalismus kein bißchen - und es gibt sicher inzwischen Tabellen, mit denen man in DAX oder DOW JONES umrechnen kann. Nur - weh tun kann man mit dieser Methode auch nicht mehr als durch die - betont westliche - kapitalistische Gewinnsucht ohnedies geschieht. Dass Steinigen als Strafe für Ehebruch verurteilt gehört, versteht sich von selbst. Hat aber mit der Scharia nur wenig zu tun. Beweis dafür? Sie wird keineswegs in allen islamischen Ländern gefordert und vollzogen.

Fazit: Werte bekommen vor allem dadurch Beulen und Schrunden, dass - wir - ihre Bekenner sie selbst nicht befolgen. Dafür aber andere verdächtigen, dass sie bei Tag und Nacht an nichts denken, als "unsere" Werte zu würgen. Damit stünde allen Seehofers, Schwarzers und Sarrazins ein einfacher Tip zur Werterettung zur Verfügung: Kehre jeder vor seiner eigenen Tür.

Nichts frisst unsere "Werte" mehr an als die schleichende Heuchelei ihrer Verteidiger.

Absage einer Bankenblockade - die Idee muss überleben

Mit der Aussetzung des Aktionskonzeptes bleiben viele Fragen offen, die mit der gemeinsamen Erklärung des Koordinierungskreises nicht beantwortet wurden. Wie ist die große Kluft zwischen Zustimmung und praktischer Beteiligung zu erklären? War der Gegner, der Banken- und Finanzsektor zu groß, blieb er zu abstrakt?



Aufstand.Jetzt. Ein Video
Wir sind nicht eure Geldautomaten (Teil 1)
Grundsätzliche Fragen

Bankenblockade am 18. Oktober abgesagt!

Der Koordinierungskreis der Aktion Georg Büchner hat am Freitag, den 24. September in Frankfurt nach mehrstündiger Debatte beschlossen, die Bankenaktion am 18. Oktober abzusagen.

Wir halten die Idee der Bankenblockade für überfällig, richtig und notwendig. Der Vorschlag beruhte auf der Annahme, dass es uns trotz drängender Zeit gelingen könnte, am 18. Oktober 2010 Tausende von Menschen zu einer Aktion des zivilen Ungehorsams zusammenzubringen -“ um die Idee von -ºMasse und Entschiedenheit-¹, wie sie in Dresden dieses Jahres so beeindruckend umgesetzt wurde, auf die soziale Frage zu übertragen, mit dem Ziel, dem Verarmungsprogramm mehr als Klagen, Kundgebungen und Demonstrationen entgegenzusetzen.

Wir haben im Koordinierungskreis unterschiedliche Einschätzungen darüber, ob der derzeitige Mobilisierungsstand ausreichend ist, einen solchen Schritt zu wagen. In einigen Regionen lief die Mobilisierung gut, in anderen nur schleppend. Wir waren uns deshalb nicht sicher, wie viel der uns überall entgegengebrachten Sympathie sich am Montagmorgen auf der Straße zeigen würde. Bei unserer in Deutschland in Bereich Soziale Kämpfe noch unerprobten Aktionsidee gibt es eine deutliche Diskrepanz zwischen ideeller Zustimmung und physischer Mobilisierbarkeit. Die Anzahl der bislang gemeldeten Busse veranlasste einen Teil von uns zur Einschätzung, dass wir eine Blockade über mehrere Stunden durchsetzen könnten, ein anderer Teil hielt das für unwahrscheinlich und verwies darauf, dass die überprüfbaren Zusagen deutlich unter unseren Annahmen lagen.

Die Absage ist uns allen sehr schwer gefallen. Wir haben gemeinsam viel Kraft und Herzblut in die Vorbereitung und Durchführung gesteckt. Wir wissen um sehr viele Gruppen und Menschen überall in der Republik, die diese Aktion ausdrücklich begrüßten und wie wir große Hoffnung hatten, in der Auseinandersetzung um die soziale Frage endlich einen gemeinsamen Schritt weiter zu kommen. Wir bedanken uns ausdrücklich bei den hunderten AktivistInnen, die in den letzten Wochen für das gemeinsame Ziel gestritten haben!

Den Stimmungswandel vor den Sommerferien (-ºWir zahlen nicht für eure Krise-¹) in die Zeit danach (-ºDie Krise ist vorbei-¹), den auch wir zu spüren bekamen, fällt derzeit vielen AkteurInnen, die gegen das Verarmungsprogramm mobilisieren, in den Rücken -“ auch wenn die Fakten genau das Gegenteil belegen. Doch die Zeit, diese Verunsicherung auszuräumen, dieses Zögern zu überwinden, lief uns davon.

Die Umverteilung von unten nach oben geht unvermindert weiter. Die Notwendigkeit, Verbindungen zwischen der kapitalismuskritischen und der antikapitalistischen Linken aufzubauen und zu verstärken, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen, liegt auf der Hand. Dass wir uns dieses Mal noch nicht durchringen konnten, den Schritt in die Aktion zu wagen, ist nicht das Ende des Versuchs, zivilen Ungehorsam im Bereich der sozialen Kämpfe zu organisieren. Sowohl Stuttgart 21 als auch die kommenden Castor Proteste zeigen, dass zunehmend mehr Menschen sich auf die Suchen nach Aktionsformen begeben, die den Schritt vom Protest zum Widerstand beschreiten. Wir haben uns verabredet, das gemeinsame Vertrauen und die entstandenen Verbindungen zu nutzen, an unserer Idee eines -ºgesellschaftlichen Streiks-¹ festzuhalten, sie zur Diskussion zu stellen, in der Hoffnung, dass unsere jetzige Entscheidung nicht das
letzte Wort bleibt.

Quelle: Koordinierungskreis -ºAG Georg Büchner-¹ September 2010

Siehe auch: Grundsätzliche Fragen - Interview, das kurz vor dem KO-Beschluss zur Aussetzung geführt wurde.

Hartz IV: Fünf Euro in den Hut! Sadisten bei der Züchtigungsarbeit!

Fünf Euro sind nicht zu wenig. Fünf Euro sind nicht zuviel. Die fünf Euro sind überlegter und bitterer Hohn der Agentur der herrschenden Klasse, die sich für eine autonome Regierung hält.

1834: Die britischen Steuerzahler setzten die Abschaffung der städtischen Armenfürsorge durch. Zweck: Aufbau einer Brücke zur freiwilligen Arbeitsübernahme in den neu entstandenen Fabriken.

Westerwelle hat ähnliche Begriffe verwendet, um massenhafte Beraubung als Pflicht zu verklären. Frau Merkel riss sich den Muttergottesmantel von den Schultern und schrie - sinngemäß - vor aller Welt: Soziale Durchfütterung darf kein Dauerzustand werden. Auch sie hat es bekanntlich mit den Brücken.

Die Ermunterung zum Massensadismus in diesen Maßnahmen ist offensichtlich. Denn -im Gegensatz zu 1834- gibt es die Plätze in den Fabriken nirgends. Die Maßnahmen können keinen anderen Zweck haben als Zufriedenstellung derer, die noch ein paar Millimeter über den Getretenen stehen.

Wenn man emnid glauben will, sind über fünfzig Prozent durch BILD und andere so verblödet, dass sie das Hinunterdrücken anderer ganz toll finden. Bis sie nächstes oder übernächstes Jahr selber dran sind. Aber dann jaulen sie zu spät.

Frau Homburger würzt den Schröpfungswillen mit Moral. Wie? Sollen wir Menschen rauchen und saufen lassen- für ihre bisherigen 20 Euro im Monat? Ist doch so ungesund! Oktoberfest sofort schließen! Wenn die FDP-Predigerin ihre Moral bloß ernst nähme. Wäre sie bereit, die Wiesn ab morgen zuzumachen? Verführt ja geradezu zum Alkohol! Natürlich nicht. Ist doch ein Milliardengeschäft. Da hat Moral nichts zu suchen.

Ein Geheimnis hat uns die Arbeitsministerin allerdings nicht enthüllt. Wie sich alle erinnern, hatte das Verfassungsgericht gerade über die Situation der Jugendlichen geklagt.

Und tatsächlich wachsen Kinderfüße schamlos schnell. Das leidige Kinderschuh-Problem. Und dagegen hilft keine Schulmahlzeit. Und Jeans sind immer wieder durchgewetzt. Nun- als Pointe ihrer statistischen Studien- serviert uns diese Frau, die Kinder bekämen alle noch zu viel. Nur aus Großzügigkeit - -Vertrauensschutz- zieht sie Hartz-IV-Eltern nicht gleich wieder den Gnadengroschen ab.

“Trau keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast- (Churchill). Für die Erwachsenen haben die gekauften Schreibtischtäter die Sache vielleicht noch hingetrickst - zumindest für gläubige Mit-Sadisten. Zu den Kindern hat sich das Gericht allerdings recht definitiv geäußert. Und die - inzwischen gekappten- Pläne mit den Chips fürs Klavierlernen,deuten ja darauf hin, dass Frau v.d.Leyen bis vor kurzem noch selber wusste, dass den Mädels und Jungs vielleicht doch was fehlt. Damals hatte ihr Sadismus nur zu Chips und Sachleistungen gereicht- damit PapaMama nicht alles versaufen - oder unverzüglich zum Flachbildschirmkauf schreiten. Jetzt entfallen die Chips. Die Ministerin hat sich einen letzten Stoß gegeben und prügelt familienweit.

Das alles ist schlimmer als Sarrazin. Wo der ethnisch zuschlug, arbeitet Schwarz-Gelb universell. Die ganze Unterschicht soll jetzt dran glauben. Ohne Ausnahme.
Leider fürs erste recht risikolos das Verbrechen. Die Ärmsten werden kaum noch die Energie aufbringen, sich zu wehren. Zumindest haben sie selten das Fahrgeld zum Demonstrieren. Auf Sommers DGB ist nur geringster Verlass, wie man sich aus dem Beginn der Montagsmärsche recht genau erinnert. Und die potentiellen Kläger von SPD und Grünen sind schon verwarnt worden. Bei Klage droht Stillstand - und alles bleibt im Sumpf. Wer ist dann schuld und fortschrittsfeindlich? Na klar! Die immer schwankende und industriegeile Opposition.

Die übrig bleibenden LINKEN vor Gericht haben den Ruf als prinzipielle Stänkerer jetzt schon weg.

PS: Bei “Anne Will- durfte die Ministerin immer neu die Platte abspielen - von denen, die schwer arbeiten und angeblich auch nicht mehr haben. Ernst von den LINKEN durfte kräftig widersprechen. Alle andern ergingen sich in Verständnis, Verlangen nach Wärme statt Knete und der Gier nach Facharbeitern, die endlich hochgeprügelt werden müssen. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass Anne Will sich selbst für ihre - wohl aufgezwungenen - Gäste genierte.

Bankblockaden am 18. Oktober: Stuttgarter Regionalflyer veröffentlicht

Zu den von der AG Georg Büchner geplanten Bankblockaden am 18. Oktober in Frankfurt hat die Stuttgarter Regionalgruppe einen Flyer veröffentlicht. Wir dokumentieren den Text:

Vorderseite
"Es reicht! Akteure und Profiteure der Krise blockieren!
Busfahrt ab Stuttgart!

Die Weltwirtschaftskrise wird als abgehakt erklärt. Die Kosten für die Abschreibungen der faulen Wertpapiere des Bankensystems müssen wir tragen.
Risiken und Verluste verstaatlichen, Gewinne privatisieren -“ die Profiteure spekulieren und verdienen weiter, während im Sozial- und Bildungsbereich massiv gestrichen, in großem Umfang öffentliches Eigentum privatisiert und ausverkauft wird. Mit dem geplanten „Sparpaket“ der schwarz-gelben Koalition werden die Kosten der Krise vor allem den sozial Schwachen aufgebürdet.

Auch Stuttgart 21 ist ein gigantisches Spekulations- und Umverteilungsprojekt, für das die öffentlichen Haushalte des Bundes, des Landes und der Städte ausgeplündert werden. Weder ein vernünftiges zukunftsfähiges Verkehrskonzept noch die Stadtbevölkerung, die jahrelang darunter leiden wird, spielen dabei eine Rolle.
Entgegen aller massiven technischen Gefahren und Vernichtung wichtigen Naherholungsgebietes soll das Projekt brachial durchgezogen werden.

Gegen diese Politik formieren sich vielfältige Proteste, wie man am anhaltenden massenhaften Widerstand gegen das Projekt Stuttgart 21 sieht.
Die Aktionskonferenz der -ºAG Georg Büchner-¹ hat am 20. August mit rund 200 Teilnehmern aus Gewerkschaften und linken Parteien, Jugendverbänden, ATTAC, der Interventionistischen Linken, Erwerbslosengruppen, Sozialen Bewegungen, AktivistInnen gegen Stuttgart 21 sowie den Bündnissen „Wir zahlen nicht für Eure Krise!“ beschlossen, durch eine Aktion des zivilen Ungehorsams eine systemrelevante Finanzeinrichtung in Frankfurt blockiert werden soll.

Rückseite
Tragen wir unseren Protest dorthin, wo er hingehört: ins Herz der Finanzmetropole! Für den 18. Oktober haben wir uns auf folgenden Aktionskonsens geeinigt:

"Wir leisten zivilen Ungehorsam gegen zentrale AkteurInnen und ProfiteurInnen der Wirtschafts- und Finanzkrise. Wir werden entschlossen und vielfältig Zugänge blockieren und niemanden durchlassen. Unsere GegnerInnen sind nicht die Bankangestellten! Unsere Gegnerin ist nicht die Polizei! Unsere Massenblockaden sind Menschenblockaden. Von uns geht dabei keine Eskalation aus. Wir sind solidarisch mit allen, die unsere Ziele teilen. Für RassistInnen, FaschistInnen und AntisemitInnen ist bei uns kein Platz!"

Wir rufen auf -“ beteiligt euch an der Blockade!

Stuttgarter Regionalinitiative Georg Büchner

Anmeldung zur Busfahrt via E-Mail an georg.buechner.stuttgart@gmx.de (Preis: Erwerbslose nach Möglichkeit, Vollverdiener 5 Euro, Spenden sind erbeten)

Kommt zum Blockadetraining am 10. Oktober um 15 Uhr im Stuttgarter Gewerkschaftshaus (Willi-Bleicher-Str. 20)!"


Die Flyer sind unter anderem erhältlichim "Linken Zentrum Lilo Herrmann" und im DGB Haus Stuttgart, Willi Bleicher Str. 20, Zimmer 346

Infos aus Chiapas - Vol. 1: Einführung in den lakadonischen Urwald

Der folgende Bericht aus Chiapas / MÉXICO erscheint bei uns mit freundlicher Erlaubnis von Fabian - Kalle Blomquist:

Liebe Unterstützer_Innen und Interessierte!
Im Folgenden möchte ich Euch einen ersten (kurzen) Überblick über das geben, was sich im Süden Mexikos seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt hat. Auf der ganzen Welt haben die Zapatista mit ihren untypischen blumig-philosophischen und gleichzeitig linksradikalen antikapitalistischen Worten und Taten viel Gehör und Solidarität erfahren. Ihr Kampf für eine gerechtere tolerantere Welt, in die „viele Welten passen“ geht weiter -“ „fragend schreiten sie voran“. Dabei sind jedoch viele Hürden zu überwinden, einige der schlimmsten äußern sich in Vertreibungen, Enteignungen, Gewaltexzessen und sogar auch Mord in den zapatistischen und anderen sich den Angriffen von Staat, Wirtschaft, Militär und Paramilitärs widersetzenden indigenen Gemeinden.

Mein Aufenthalt in Chiapas hat das Ziel, zum Einen mehr über diese auf der Welt einzigartigen Strukturen erfahren zu können und dabei zum Anderen selbst etwas „geben“ zu können. Ein jeweils 2-wöchiger Aufenthalt in einer solchen Gemeinde mit mehreren internationalen Menschenrechtsbeobachter_innen zusammen soll verhindern, dass es zu weiteren derartiger Taten gegen die Menschheit und die äußerst vulnerablen Menschen in den verarmten Gemeinden kommt. Ich freue mich also, wenn auch ihr u. U. Euren Teil dazu beitragt, die zapatistischen Ideen zu verbreiten und Informationen über die aktuelle Lage in Mexiko und Chiapas weiter zu geben, vielleicht sogar selbst aktiv zu werden -“ nur so kann langfristig diese äußerst interessante und in ihrer Form einzigartige, aber tagtäglich bedrohte Bewegung bestehen und der Mehrheit der Volks, den Unterdrückten in Mexikos und anderswo eine Stimme geben.

Zapatistas Foto: EZLN
MÉXICO -“LAND DER GEGENSÄTZE
In Mexiko existieren bis heute noch 62 verschiedene Sprachen diverser Ethnien, von denen Teile Nachfahren der vor der Ankunft der spanischen Eroberer herrschenden Azteken (Norden und Zentrum) und Maya (Süden) darstellen. Diese indigenen meist noch sehr traditionelle in kleinen Dorfgemeinschaften lebenden Menschen machen etwa 10 Millionen und damit rund 1/10 der Gesamtbevölkerung aus. Den größten Anteil bilden die sogenannten Mestizen (Nachfahren der Kolonialisten und Indigenen), nur 1/20 der Bevölkerung sind Weiße und damit direkte Europäer bzw. aus den USA.

Die Verteilung des Reichtums wiederum ist, wie zwar in den meisten lateinamerikanischen Ländern, auf eine in Mexiko zahlenmäßig aber besonders geringe (meist weiße) Elite beschränkt. Rund 40% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze und 55% der Indigenen sind Analphabeten (bei den Frauen sogar rund 70%). Neue wirtschaftliche Transformationen und Abhängigkeiten im globalen Weltmarkt, wie z. B. das Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada NAFTA, generieren immer mehr Armut der ohnehin schon vulnerablen (indigenen) Bevölkerung, während gleichzeitig auch der Reichtum Weniger steigt. Generell kann neben der strukturellen Armut überall im Land von einem Nord-Süd-Gradienten gesprochen werden. Während Teile der an die USA angrenzenden Bundesstaaten Mexikos teilweise von Arbeitsmöglichkeiten und Handel mit dem Nachbarland profitieren, weisen v. a. Guerrero, Oaxaca und Chiapas die höchsten Armutsraten und Indigenen-Anteile auf.

Für einige gab es wieder etwas Hoffnung, als im Jahr 2000 die seit 71 Jahren in einer Quasi-Alleinherrschaft regierende Partei PRI von Vicente Fox und der konservativen PAN abgelöst wurde. Auch die Zapatista traten mit neuen Forderungen an ihn heran. Letztendlich hat sich nicht viel für die verarmten Menschen bewegt, die die Mehrheit im Land darstellen. Seit 2006 regiert Felipe Calderón (PAN), der seit den letzten Monaten durch die „harte Hand“ gegenüber den in Mexiko wütenden Drogenkartellen im Licht der Öffentlichkeit steht. Seitdem wütet der Konflikt um die Vormachtstellung von Banden, Militärs und Polizei rund um das weiße Gold -“ an dessen Erlös alle beteiligt sind. Allein im Jahr 2009 sind in diesem Krieg fast 10.000 Menschen umgekommen -“ Tendenz: steigend. Im Jahr 2010 ist diese Zahl bis Juli bereits fast erreicht. Auch in Chiapas gibt es derartige Vorkommen und nicht allzu selten werden die nicht einmal Alkohol konsumierenden Zapatista mit dem Vorwand der Drogenbekämpfung vertrieben, verhaftet und ermordet.

Mexiko steht spätestens seit den Geschehnissen in Oaxaca im Sommer und Herbst 2006 als in besonderer Weise die Menschenrechte verletzend im Licht der Öffentlichkeit. Ein als Lehrerstreik beginnender und durch breite Öffentlichkeit und den Zusammenschluss sozialer und indigener Gruppen vor Ort im größer gewordener Kampf zur Absetzung des Gouverneurs Ulises Ruiz Ortiz endete zunächst dramatisch durch die Ermordung vieler Protestierender und des Indymedia-Journalisten Brad Will mitten in der Stadt Oaxacas, wo heute in aller Ruhe Touristen ihren Kaffee schlürfen können. Derselbe Ruiz, der für zahlreiche Ermordungen, willkürliche Verhaftungen und Folterungen verantwortlich gemacht werden kann, sitzt bis heute als Quasi-Monarch im Präsidentenpalast und hat erst letzten Mittwoch zur 200-Jahr-Feier der Unabhängigkeit Mexikos die Feierlichkeiten vom Balkon des Palasts für die unter ihm wartende Bevölkerung eingestimmt und zum Besten gegeben.

Das Erbe der Unabhängigkeit von 1810 und der mexikanischen Revolution von 1910 rund um Emiliano Zapata und Pancho Villa um die gerechte Verteilung von Land und Freiheit der oftmals in Lohnsklaverei abhängigen Menschen ist beschmutzt. Bis heute gibt es eigentlich nur wenige Gründe, 200 Jahre Unabhängigkeit inbrünstig zu feiern -“ ob im Norden, wo ein unerbittlicher Bandenkrieg herrscht, oder im Süden, in Chiapas, dem ärmsten Bundesland des an Rohstoffen und Biodiversität so reichen Landes.

01.01.1994 - Der Aufrstand der Würde
In der Nacht zum 01. Januar 1994 melden sich die seit rund 10 Jahren sich vorbereitet habenden Zapatista in San Cristóbal de las Casas, Chiapas zu Wort. Das Datum ist nicht zufällig gewählt -“ an diesem Tag tritt Mexiko dem nordamerikanischem Freihandels-abkommen NAFTA bei, das über den Abbau von Handelsbeschränkungen bald den mexikanischen und damit chiapakenischen Markt mit subventionierten billigeren US-Produkten überschwemmen wird und somit die traditionelle und regionale Wirtschaft Mexikos in die Enge treibt. In fünf weiteren Gemeinden werden die Rathäuser von der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) besetzt und die „1. Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald“ verlesen. Diese beinhaltet die Forderungen nach freien demokratischen Wahlen, einer Landreform (weg vom Großgrundbesitz) und sozialer Gerechtigkeit für alle -“ inklusive der hier größtenteils indigen lebenden Menschen.

Die Einnahme der 6 Gemeinden und die Absichten ihrer selbst sind zugleich eine Kriegserklärung an den mexikanischen Staat. Binnen weniger Tage werden Großteile des mexikanischen Heeres nach Chiapas verlegt und es beginnt ein Krieg, der auf beiden Seiten, v. a. auf zapatistischer, einige Opfer fordert. Auf Druck der Zivilgesellschaft (Teile Mexico Cities wurden z. B. lahmgelegt) wird dieser Krieg nach 12 Tagen im Januar 1994 beendet, es beginnen Friedensverhandlungen. Seitdem kämpfen die Zapatista bis heute mit politischen und äußerst kreativen Mitteln für ihre Ziele.

"Sie befinden sich in zapatistischen Rebellengebiet. Hier geben die Menschen, die Anweisungen und die Regierung gehorcht."
Die EZLN und die zivilen Unterstützungsbasen
Die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) ist der militärische, bewaffnete Arm der Zapatista. Seit dem Kriegsstillstand im Januar 1994 ist dieser nicht mehr in Erscheinung getreten sondern befindet sich irgendwo im Urwald im „Stand-by-Modus“, damit die Bewegung ein Rückgrat besitzt, solange die Bedrohungen für sie derart stark sind. Der Sprecher der EZLN ist der eine schwarze Skimaske und zwei Uhren tragende sowie in der Öffentlichkeit Pfeife rauchende intellektuelle Kopf „Subcomandante Marcos“ -“ wahrscheinlich ein Philosophie-Student der traditionellen Universität UNAM in Mexiko City. Er muss für viele wirre Vergleiche, Plastikmasken, Heroisierungen und weitere Absurditäten herhalten, was keineswegs den Eindruck geben soll, dass die EZLN ein von Marcos straff geführter Kadetten-Verein oder sonstige Popkultur sei. Besonders hervorzuheben sind die -“ in einer weiterhin von machistischen Vorstellungen stark geprägten lateinamerikanischen Kultur ungewöhnlich vorkommenden -“ kämpfenden Frauen, unter ihnen die bereits 2006 verstorbene „Comandante Ramona“ und „Comandante Esther“ -“ die maßgeblich bei der Einnahme der Gemeinden und Friedensverhandlungen beteiligt waren.

Die Hauptarbeit besteht aber in den „Bases de apoyo“, den zivilen Unterstützergruppen, sprich bei den Dörfern, die sich den Zapatista angeschlossen haben und seitdem die Ideen leben, verändern und gestalten. Hier herrscht beispielsweise ein absolutes Drogenverbot, also auch der Nichtkonsum von Alkohol. In vielen indigenen Gemeinden hat der starke Alkoholkonsum insbesondere der in den Familien vorstehenden Männern zur weiteren Verarmung beigetragen -“ außerdem die häusliche Gewalt (gegenüber den Frauen) verstärkt. Ein eigenes Kranken- und Bildungssystem sollen langfristig gewährleisten, dass jede_r unabhängig von seinen ökonomischen Möglichkeiten Zugang zu ärztlicher Versorgung und der Grundausbildung in Lesen und Schreiben sowie weiteren Schulfächern
bekommt. Neben den klassischen Fächern und Medikamenten wird auch die traditionelle Kultur langfristig gefördert (Heilpflanzen, Ausbildung in den indigenen Sprachen und ihrer Historie). Inzwischen weisen viele dieser Gemeinden einen höheren Bildungsgrad und eine bessere ärztliche Versorgung als der Durchschnitt Mexikos auf.

Organisiert sind die über 100 Gemeinden seit 2003 in 5 Lokalregierungen, den „Caracoles“ (Schneckenhäuser), die mit den „Juntas del Buen Gobierno“ (Räte der Guten Regierung, die schlechte sitzt in Mexico City...) die Hauptverwaltung und gleichzeitig absolut basisdemokratische Struktur darstellt. In der Junta arbeitet fast jede_r einmal, im zweiwöchigen Turnus wechseln sich die Menschen ab -“ was beizeiten zu viel Verwirrung und Anfangsschwierigkeiten führen kann, aber dennoch die Einbindung und Politisierung der Menschen ungemein fördert.

Das Abkommen von San Andrés
Bereits im Februar 1994, kurz nach dem 12-Tage-Krieg finden durch Vermittlung des damaligen Bischofs Samuel Ruiz García, die ersten Friedensverhandlungen in der Kathedrale von San Cristóbal statt. Nach langen Verhandlungen wird genau zwei Jahre später das Friedensabkommen von San Andrés von Seiten der Regierung und der EZLN unterzeichnet. Dieses umfasst die Anerkennung der Rechte und der Kultur der indigenen Bevölkerung. Darin verpflichtet sich die mexikanische Regierung eine Reform umzusetzen, welche die ethnische und kulturelle Vielfalt dieser gesetzlich anerkennt, indem sie der indigenen Bevölkerung die nötigen Mittel zur Verfügung stellt, ihre eigene Identität zu erhalten und weiter zu entwickeln. Am Ende scheitert der Gesetzesentwurf jedoch im Kongress, als der damalige Präsident Zedillo sein Veto einlegt. Die Forderungen werden nie umgesetzt und die EZLN sieht sich gezwungen, den Dialog mit der Regierung abzubrechen.

Mit der Amtsübernahme von Vicente Fox im Jahr 2000 werden die Verhandlungen von San Andrés erneut thematisiert. Vox verspricht, die bereits tot geglaubten Forderungen umzusetzen, beginnt mit der Auflösung einiger Militärbasen. Die EZLN führt einen Sternmarsch durch Mexiko City im Jahr 2001 durch. Letztendlich werden aber auch unter Fox keine ernst zu nehmenden Veränderungen spürbar, ein halbherzig verabschiedetes Indígena-Gesetz bezeichnet die EZLN als Verrat, bricht den Kontakt erneut ab und schweigt bis heute. Seit 2003 werden mit den neu gegründeten 5 Lokalregierungen „Caracoles“ und den „Juntas del Buen Gobierno“ die seit 1996 bestehenden Forderungen selbst praktisch umgesetzt ohne auf weitere Unterstützung und Kooperation mit der Regierung Mexikos zu hoffen.

Der Krieg niederer Intensität und die Bildung von Paramilitärs
Der Krieg niederer Intensität ist ein klar definierter Begriff, der bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts zurückreicht und von den USA zur Aufstandsbekämpfung in Mittelamerika eingesetzt wird. In Mexiko sind die Militärs vom CIA gezielt auf eine psychologische Kriegsführung durch z. B. unrechtmäßige Enteignungen der sich im Widerstand befindenden Dörfer, das „Verschwindenlassen“ von Personen und gezielte Desinformation der Bevölkerung trainiert worden. In den 90er Jahren sind zusätzlich paramilitärische Gruppen wie z. B. „Paz y Justicia“ (Friede und Gerechtigkeit), „MIRA“ (Revolutionäre Antizapatistabewegung) etc. vom Militär und z. B. einflussreichen (Ex-) Großgrundbesitzern ausgebildet und ausgestattet worden die fortan die „Drecksarbeit“ übernehmen -“ die Einschüchterung, Verschleppung und Ermordung von Personen. Diese quasi-autonomen bewaffneten Gruppen treiben besonders in den letzten Jahren ihr Unheil in Chiapas und können noch viel schlechter kontrolliert und verfolgt werden. Die Armee erledigt offiziell keine solcher „Dienste“, gibt sich damit nach außen als saubere gerechte Überwachungseinheit im Konfliktgebiet -“ hat aber nachweislich einen hohen Anteil an der Förderung und Ausbildung dieser Gruppen.

Einen traurigen Höhepunkt dieser Entwicklungen stellt das Massaker an 45 teilweise schwangeren Menschen in Acteal im Dezember 1997 dar, den das bewaffnete Paramilitär „Paz y Justicia“ an den „Avejas“ (Bienen), einer römisch-katholischen pazifistischen Gemeinde, verübt hat. Die Avejas unterstützen bis heute die zapatistischen Ideen, ohne jedoch den militärischen Arm EZLN gut zu heißen.
Darüberhinaus versucht die Regierung mit einem Propagandafeldzug („Zucker und Peitsche“) den Aufstand zu schwächen und zu spalten -“ so dass heute in vielen Gemeinden einige Familien den Zapatista angehören und andere der PRI (regierungsnah) oder wohlmöglich paramilitärisch organisiert sind, was folglich starke Konflikte innerhalb der Gemeinde mit sich bringt. An den Ausfallstraßen befinden sich viele der Plakate mit den Regierungsprogrammen, welche soziale Leistungen wie Kindergeld oder eine finanzielle Unterstützung für Strom und Medikamente anbieten, was bei dem geringen Einkommen vieler Menschen sehr verlockend ist.

Die Zapatisten nehmen keine Unterstützung des Staats an, sie haben schließlich ihre Erfahrungen bereits gesammelt, was eine wirkliche Unterstützung ihrer Anliegen angeht.

Menschenrechtsbeobachtung in bedrohten Gemeinden
All die bisher beschriebenen Vorkommnisse von Einschüchterung, Schädigung und exzessiver Gewaltanwendung gegenüber den indigenen Gemeinden können bisher leider nur durch internationalen Druck und die Präsenz von Beobachtern vor Ort eingedämmt oder möglicherweise unterbunden werden.

Die 1989 ebenfalls vom Bischof Samuel Ruiz García gegründete NGO „Fray Bartolomé de las Casas“ in San Cristóbal übernimmt diese Aufgabe, in dem sie neben der rechtlichen Beratung und Beihilfe sowie Öffentlichkeitsarbeit auch Menschenrechtsbeobachter_innen nach Chiapas schickt. Hier werden internationale in ihrem Land bereits geschulte Menschen gezielt in irgendeiner Weise bedrohte Gemeinden für genau zwei Wochen geschickt, die den Zapatista angehören oder aber in anderer Weise im Fokus der rechten Paramilitärs oder Militärtruppen stehen. Durch den in Chiapas immer wichtiger werden Tourismus und die Ausbeutung der reichlich vorhandenen Rohstoffe, sind einzelne Dörfer oder Familien-Äcker oft bedroht und werden -“ sofern kein erheblicher Widerstand geleistet wird -“ schlichtweg platt gemacht.

Die Idee dieser internationalen Augen vor Ort ist die, dass durch das passive, aber dokumentierende Vor-Ort-Sein der Beobachter_innen größere Übergriffe verhindert werden können, was bisher auch geklappt hat. Außerdem können durch die folgenden Berichterstattungen so langfristig Strategien der verschiedenen Akteure, die die indigenen Gemeinden bekämpfen, erarbeitet werden, um Wege zu finden, die unterdrückten Menschen am Rande der Gesellschaft langfristig für ein würdevolles Dasein unterstützen zu können. In Deutschland bereitet CAREA e. V. zweimal im Jahr für die Menschenrechtsbeobachtung in Chiapas und die Zeugenbegleitung des lange vom Bürgerkrieg geplagten Guatemalas vor.

www.carea-menschenrechte.de
(CAREA e. V. in Deutschland)
www.frayba.org.mx (Menschenrechtszentrum FrayBa in San Cristóbal)
www.chiapas98.de (Inforportal zu aktuellen Dingen rund um die Zapatista)
www.ezln.org.mx (offizielle Seite der EZLN)
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