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Nieder mit allen Seeräubern! Auf den Spuren des Pompeius

Die USS Farragut (DDG-99) vor einem brennenden Piratenboot im Golf von Aden 2010
Foto: Cassandra Thompson, U.S. Navy
Quelle: WikiPedia / Gemeinfrei
Einen ungeahnten Triumphzug hatte einer der ersten Sieger über die Seeräuber dem römischen Senat abgepresst. Der des Pompeius dauerte zwei Tage, damit das ehrerbietige und siegbesoffene Volk alle Schaubilder und Erbeutungen in sich einsaugen konnte. Wenn es schon das Mitkämpfen den Legionären des Feldherrn überlassen hatte. Die Seeräuber von Kilikien hatten sich bei den Herrschenden Roms vor allem missliebig gemacht, weil sie sich nicht mit gelegentlichen Raubzügen begnügten, sondern die Getreidezufuhr aus Ägypten systematisch behinderten. Dadurch waren die zur innenpolitischen Befriedung benötigten Mehlspenden an die Hungernden gefährdet. Also ging es bei der vaterländischen Verteidigung recht nachdrücklich um Innenpolitik. Wie beim Triumph selbst auch. Er gehört eindeutig in die Epoche der Machtkämpfe großer Herren um das Gebilde, das später Imperium heißen sollte. Im Endkampf mit Caesar kam dann auch der Triumphator Pompeius um - und hatte nichts von seinem Schau-Aufzug.

Wer in Berlin hat im Gymnasium gut aufgepasst und wenigstens den ersten Teil der Story beherzigt? War es Westerwelle, der die Überbewaffnung der Marine vor Somalia so feurig begrüßte? War es de Maizière, der innig-bescheiden von einer kleinen Änderung sprach? Was ist schließlich vom Kabinett beschlossen worden? Auf zwei Kilometern Strand dürfen Bomben abgeworfen werden. Bodenkämpfe nur im schlimmsten Ausnahmefall vorgesehen.Aber es soll dazu dienen, die Piraten an der Ausfahrt zu hindern - mit allen schwer zu tragenden Zusatzgeräten. Und wie üblich - es geschieht für Europa. Wir können nicht den anderen Schiff-Fahrts-Nationen die ganze Last überlassen.

Bis jetzt ist die Opposition noch strikt dagegen. Mal schauen, wie lange. Welche Gegenleistungen muss Merkel zusammenkratzen, bis der Kriegs-Sinn auch bei den "Stones" erwacht? Es kann auch sein, dass einige sich an einen unangenehmen Zwischenfall erinnern, als zuletzt die USA dort Ordnung schaffen wollten. Geordnete Fernseharchive verfügen sicher noch über das Photo vom geschleiften NAVY-Soldaten aus den USA, im Staub, von einem Jeep durch die Straßen gezogen.

Klar, dass alle zusammen - Regierung und Opposition - wissen, dass es mit der Bombenerlaubnis nicht getan sein wird. Rein militärisch liegt immer noch die Logik des Pompeius in der Luft. Man muss den Kriegswillen selbst vernichten. Durch Entvölkerung des Gebiets. Das ist die auch sonst von der NATO und ihren Mitgliedsstaaten betriebene Methode. Im Klartext: durch einen regionalen Vernichtungskrieg. Es gäbe freilich noch eine andere: Wiederherstellung eines Zustandes, in welchem die gleichen Somalier Fischer und Fischverarbeiter wieder sein könnten, wie sie es jahrelang waren. Bis nämlich mit Billigung der EU und sämtlicher Staatsoberhäupter die Großfischerei vor den Küsten Somalias auftauchte und dort die Meere vor den Küsten leerfischte. Und damit erst Seeräubern als letzten Ausweg zum Überleben anbot. Von der imperialistischen Ausbeutung der großen Firmen, die die Kaufhäuser beliefern, und deren notwendiger Einschränkung war - soweit man hört - im Kabinett keine Sekunde die Rede.

Mal schauen, wer im Bundestag darauf zu sprechen kommt, wenn - anstandshalber - dort das Vorhaben zur Debatte gestellt wird.

Wolfgang Pohrt: Schlägt die Tür wütend hinter sich zu

Statt Besprechung: Ermunterung gegen Depressionen.

In Brechts Stück "Die Mutter" stoßen mehrere Personen, die lesen lernen wollen und müssen, auf einen sehr missvergnügten Herrn,der es ihnen beibringen soll. Er ist seit Jahren genervter Lehrer und verwarnt die Lernbegierigen: Was bringt es schon, mit Buchstaben zu jonglieren? Ich habe den mal beim Theaterkreis der Mühle Renchen aus innerstem Mitempfinden zum Besten gegeben. Die langen Jahrzehnte der Lehre - und was kam dabei heraus? Im Grunde: Nichts. Die unververdrossene Mutter Wlassow aber setzt dem Lehrer zu: "Wenn Dir Dein Wissen nichts wert ist, rück es trotzdem raus. -Uns kann es nur nützen". Dann folgt der kollektive Aufruf "Lob des Lernens".

Möglicherweise hat auch Pohrt sein Büchlein "Kapitalismus -Forever" so verstanden. Er quengelt 110 Seiten lang, dass Marx uns nichts gebracht hat. Und dass der Kapitalismus wahrscheinlich der Menschen-Natur seit ewigen Zeiten am ehesten entspräche. Und das viele Lesen lenkt doch nur vom Revolutionsmachen ab. Schon Robert Kurz wird S.49 verwarnt, weil er zehn Jahre fulltime Marx büffeln musste, um gegen die bestehende Gesellschaft rebellieren zu wollen. "Wer kann sich denn diesen Luxus leisten?"

Auf Seite 12 nennt Pohrt es nachträglich Unfug, dass er selbst für Zeiten ohne große revolutionäre Events Beschäftigung mit Marx gefordert hatte. Heute: "Warum das kurze Leben, statt es zu genießen, mit dem KAPITAL vertrödeln?"

Damit freilich findet er sich bei Schopenhauer und seinesgleichen wieder. Schopenhauer beweist scheinbar schlüssig, dass der Mensch immer unglücklich sein wird. Entweder er hat nicht, was er braucht - und ist unglücklich, bis er es hat. Oder er hat es - und erliegt der Langeweile, weil er nichts mehr hat, wonach er sich sehnen kann. Streng logisch - und doch falsch! Das Genießen, das auch Pohrt anpreist, wird hier in seinen Möglichkeiten zu eng gesehen. Es besteht nicht nur im augenblicklichen Haben, sondern in einem ständigen Sich-Vorwegsein. Im Kampf um das Fehlende, Ersehnte liegt selbst schon eine Art Glück.
Selbst noch im Bücherschreiben über das Versäumte. Warum nämlich schreibt Pohrt, wenn es nicht darum ginge,noch in der Verneinung das Verschmähte zu bejahen?

Inhaltlich stellt uns Pohrt vor die einfache Alternative: Kapitalismus total abschaffen - oder jede Anstrengung aufgeben! Eine Alternative dieser Art kann nie zu Ende gedacht werden.Weil der Kampf darum herausgefixt wurde. Ein Beispiel: Heinrich Mann hat im französischen Exil einen langen Roman über das Leben Heinrichs IV. von Navarra geschrieben. Viel verschlungener und lahmer, als sein "Untertan" oder sein "Professor Unrat". Damals - im deutschen Kaiserreich - ging es ihm wirklich um Ja oder Nein. Zwanzig Jahre später - im Exil - aber um die Möglichkeiten, bei aller Verfluchtheit der Politik, mit ihren höllischen Mitteln- doch etwas für kurze Zeit Bleibendes zu schaffen. Wie die Garantie der Gewissensfreiheit zwischen Hugenotten und Katholiken in seinem Reich. Mann schreibt natürlich im Wissen, dass das "Edikt von Nantes", das Freiheit verbürgen sollte, keine hundert Jahre gegolten hat. Es wurde von den direkten Nachfolgern des Königs Heinrich widerrufen, abgeschafft und durch religiöse Diktatur ersetzt. Scheinbar - mit Pohrt - ein Beweis, dass gegen den mit dem aufkommenden Kapitalismus verbundenen Zentralismus nichts zu machen ist. Nichts?

Es blieb eines: lebhafte und bleibende Erinnerung an einen Zustand, in welchem das Undenkbare gedacht wurde, das bloß Geforderte Wirklichkeit geworden war. "Unterpfand" - wie man früher feierlich sagte - der Wirklichkeit des Erträumten. Und das für alle Zeiten.

Pohrt wirft mit Theorieklötzchen um sich. So führt er versuchsweise den Kapitalismus auf das Bevölkerungswachstum zurück. Als natürliche Folge. Überlegt dabei keinen Augenblick, dass in mittelalterlichen Städten die Leute so dicht wie möglich zusammenhockten. Und es blieb doch beim Zunft- und Handwerkssystem. Übervölkerung ist eben ein Begriff, dessen Inhalt streng von dem Gebiet abhängt, auf welches er sich bezieht.
Deprimierend einem Denker am Ende beim Herumkrauchen auf dem Boden zuzusehen. Trotzdem ist noch nicht alle Hoffnung verloren. Auch wenn Pohrt die Tür hinter sich zugeschlagen hat. Im Zorn. Was hindert uns, sie wieder aufzustoßen? Noch die unbeherrschte Wut des Autors, sein Ingrimm angesichts des Verlorenen, beweist zumindest eines: dass wir es nicht lassen können, über den Tellerrand hinauszuschauen.Über die gerade abgefüllte Portion Suppe hinweg. Wieso kann Pohrt nicht ohne Groll mitteilen: War alles nichts. Weil er jetzt noch an dem hängt, was er angeblich verwirft.

Quelle: Kapitalismus Forever: Über Krise, Krieg, Revolution, Evolution, Christentum und Islam Edition Tiamat Frühjahr 2012 Preis: 13 Euro

kritisch-lesen.de Nr. 16: Zeugnisse des Anarchismus

Wie bereits in Ausgabe 11 (Debatten und Praxen des Anarchismus) im November letzten Jahres angekündigt wurde, widmet sich Ausgabe 16 erneut dem Anarchismus. Dieses Mal wird sich den „Zeugnissen des Anarchismus“ zugewendet. Was ist darunter zu verstehen? Mit Zeugnissen meinen wir zum Beispiel (Auto)Biografien, Werkausgaben, Memoiren, Tagebücher, Textsammlungen etc. Dabei handelt es sich in der Regel um Publikationen von oder über Anarchist_innen, die einen gewissen Bekanntheitsgrad in der Bewegung inne haben bzw. zu den so genannten „Klassikern“ zählen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass diese Menschen in Theorie und Praxis Bedeutendes für die anarchistische Bewegung geleistet haben, was Grund genug dafür ist, ihrer Arbeit die zweite Anarchismus-Ausgabe auf kritisch-lesen.de zu widmen.

Den Beginn macht das voluminöseste Werk unter den besprochenen Büchern: Emma Goldmans neu aufgelegte Autobiografie Gelebtes Leben – ein fast 1000-seitiger, großformatiger Hardcover-Ziegel, den Regina Wamper gelesen und besprochen hat. Dem nur ein Jahr nach Goldman geborenen, aber bedeutend früher gestorbenen Gustav Landauer (geb. 1870; 1919 von rechten Freikorps-Soldaten in München ermordet) ist die zweite Rezension gewidmet. Gabriel Kuhn bespricht den siebten Band mit dem Titel Skepsis und Mystik aus Landauers „Ausgewählten Werken“. Beschäftigt man sich mit Gustav Landauer, so dauert es nicht lange bis auch Erich Mühsam, sein Freund und Genosse aus der Münchener Räterepublik, mit ins Spiel kommt. Der 1934 im KZ-Oranienburg ermordete Mühsam hinterließ umfangreiche Tagebuchaufzeichnungen, wovon kürzlich die ersten Bände veröffentlicht wurden. Gabriel Kuhn bespricht jenen, der die Jahre 1910-1911 zum Inhalt hat. Mit Errico Malatesta, dem italienischen Anarchokommunisten, dem es stets zuwider war, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, und der sich daher auch beharrlich weigerte, eine Autobiografie zu verfassen, beschäftigt sich Sebastian Kalicha. Er bespricht Malatestas Ungeschriebene Autobiografie. Philippe Kellermann rezensiert die kommentierte Studienausgabe von Max Stirners Der Einzige und sein Eigentum. Stirner, der gemeinhin als wichtiger Vertreter des Individualanarchismus gilt, musste nicht nur von Marx persönlich, sondern auch von vielen Anarchist_innen nicht immer solidarische Kritik einstecken. Der Rezensent findet hingegen lobende Worte für das Buch und Stirners Philosophie. Die beiden letzten Rezensionen zum Schwerpunkt widmen sich Anarchisten, die, im Gegensatz zu den bislang erwähnten, noch persönlich in die jüngere Vergangenheit einwirken konnten: dem Wobbly Sam Dolgoff und dem Anarchosyndikalisten Augustin Souchy. Eine Rezension über die ins Deutsche übersetzten Memoiren Dolgoffs und den ambivalenten Eindruck, den Sebastian Kalicha davon hatte, sind in Die Geschichte(n) des Sam Dolgoff zu lesen. Sebastian Friedrich hat sich mit der Textsammlung Anarchistischer Sozialismus, in der Beiträge Souchys zu verschiedenen Themen aus unterschiedlichen Epochen zusammengestellt wurden, beschäftigt.

Die weiteren Rezensionen eröffnen wir diesmal mit einem Roman. Heinz-Jürgen Voß widmet sich in So sehr, wie es nur geht der einfühlsam erzählten Geschichte der ineinander verliebten Jungs „Ali und Ramazan“. Im Anschluss wirft Adi Quarti den Blick auf die Kolumnen Jaques Rancières, die jüngst in Buchform zusammengetragen wurden und eine “Chronik der Konsensgesellschaft“ nachzeichnen. Historisch wird es in der letzten Rezension, in der sich Anja Gregor mit Medikalisierung und Herrschaft auf die Suche nach den Spuren der Medizin als patriarchales Herrschaftsinstrument macht.

Übrigens: kritisch-lesen.de ist jetzt seit genau einem Jahr online! Wir bedanken uns an dieser Stelle herzlich bei unseren Leserinnen, Autorinnen und Freundinnen, die uns in diesem anstrengenden, aber sehr motivierenden ersten Jahr unterstützt haben. Wir sind begeistert von dem Anklang, den unser Projekt – nicht nur im Netz – findet. Die Reaktionen und Besucherinnenzahlen gehen weit über das hinaus, was wir erhofft haben. Auch im zweiten Jahr von kritisch-lesen.de werden wir einmal im Monat eine Ausgabe mit einem Schwerpunkt veröffentlichen und darüber hinaus Diskussionen und Buchvorstellungen veranstalten. Geplant sind außerdem ein kleines kritisch-lesen.de-Festival mit Diskussionsveranstaltungen und anschließendem Konzert sowie ein Relaunch unserer Homepage.

Viel Spaß beim kritischen Lesen!

"Liebknecht entsorgt" - Frankfurt a.O. reinigt sich mit der Wurzelbürste

Karl Liebknecht, ca. 1911

Die "Junge Freiheit" hat einen schönen Erfolg eingeerntet für ihr Geschichtsbild. Als die Schule darüber diskutierte, ob der Namen Karl Liebknechts gestrichen werden sollte und eine Mehrheit sich zur Zustimmung breitschlagen ließ, hing ein Artikel des bekannten Blatts am Schwarzen Brett.

Was aber war die Begründung für die Beseitigung des Namensgebers aus der Schulbezeichnung? "Seit Beginn dieses Schuljahres hatte es an dem Gymnasium eine lebhafte Debatte über die Benennung gegeben. Ehemalige Schüler nahmen Anstoß an Karl Liebknecht, weil dieser mit Waffengewalt gegen die erste deutsche Demokratie, die Weimarer Republik, geputscht hatte." (Ronald Berthold s.o.)

Arme Schüler, die den Entschluss mitzutragen hatten! Was für Erzählungen müssen ihnen im Unterricht vorgetragen worden sein, um die Auseinandersetzungen 1914-1918 richtig ans Herz zu bekommen. Wir andern im verdooften Westdeutschland kannten 1918 im Augenblick der Erklärungen Liebknechts auf der einen Seite und der Konkurrenz auf der anderen Seite nur zwei konkurrierende Parteifraktionen, aber gar keine Republik, gegen die man hätte "putschen" können.

Entsprechend wird die Abstimmung beim Gründungsparteitag der KPD interpretiert: man hätte die Abstimmung verhindern wollen, weil die KPD bei dieser zu geringe Chancen gehabt hätte. Es ist nicht jedem bekannt - bei der "Junge Freiheit" offenbar keinem - dass zumindest Rosa Luxemburg ursprünglich für Teilnahme an der Abstimmung gewesen war, nur keine Mehrheit dafür bekam. (Was Liebknecht dazu meinte, ist mir nicht bekannt.)

Insgesamt müssen wir also korrekterweise ein vorgeschriebenes Geschichtsbild annehmen, nach welchem zwar Ebert vorbildlich gehandelt hat, weil er ja schließlich vom letzten kaiserlich genehmigten Kanzler -Großherzog von Baden- die Regierung übernommen hatte. Also legitim verfuhr, als er "seine" Republik als Nachfolge-Organisation des Reiches gründete. Liebknecht und Co. machten sich durch anderweitige Zielsetzungen automatisch zu Demokratiefeinden.

Eine weitere Richtigstellung des bewährten Organs: "Dabei gerät in Vergessenheit, daß das Wirken zu Lebzeiten entscheidend für eine Ehrung sein sollte. „Eine Ermordung durch die Nationalsozialisten reicht nicht aus, um jemanden direkt in den Heldenstand zu erheben“, hatte der Historiker Klaus Schroeder vom Forschungsverband SED-Staat mit Bezug auf Straßen, die nach Kommunisten benannt sind, gesagt." (Roland Berthold s.o.)

Demnach hätte die ohnedies schuldbeladene DDR bei der Namensverleihung ausschließlich auf die Todesumstände gesetzt, nicht aber auf die Taten im Leben. Wieso gab es dann aber nirgends zum Beispiel eine Jogiches - Schule? Er wurde genauso umgelegt wie Luxemburg und Liebknecht. Tatsächlich wurden in der DDR gerade Liebknechts antimilitaristische Schriften immer wieder aufgelegt und gelesen. Ebenso die gegen die wilhelminische Klassenjustiz - mit Anwendungen für die Gegenwart.

Sehr originell der vom Autor offenbar gebilligte Alternativ-Namen: Heinrich v. Kleist. Dass dieser Ehrungen verdient hätte, steht außer Zweifel. Nur bedenklich für Demokratie-Theoretiker. Ist der Autor der "Hermanns-Schlacht" wirklich ein gemütsnaher Freund der Sofa-Demokraten? Sinnspruch aus Kleists Drama immerhin" Schlagt ihn tot! Das Weltgericht - fragt euch nach den Gründen nicht". Ist Kleist gewaltfrei genug?

Die Schulversammlung des Gymnasiums in Frankfurt mag ihren Namenspatron wechseln, wie sie will. Weitgehend ihr Privatvergnügen. Die Erinnerung an den großen Vorkämpfer Liebknecht wird sie nicht löschen können.

6000 Menschen bei europäischem Aktionstag M31 gegen Kapitalismus / Veranstalter kritisieren Polizeigewalt und Massenfestnahmen

m31 banner Frankfurt. Auf der bundesweiten Demonstration im Rahmen des antikapitalistischen Aktionstages “M31″ haben 6000 Menschen gegen die neoliberale und autoritäre Krisenpolitik der EU demonstriert. Zeitgleich fanden in über dreißig europäischen Städten Demonstrationen und Besetzungen statt, u. a. in Madrid, Athen, Mailand, Zagreb, Wien, Uetrecht, Moskau und Kiew. In Redebeiträgen und Grußbotschaften wurden die dramatischen Auswirkungen der aktuellen Krisenpolitik in verschiedenen europäischen Ländern thematisiert. Redner_innen des M31-Bündnisses bewerteten den heutigen Aktionstag als ersten Schritt, den antikapitalistischen Protest international zu vernetzen.

Im Verlauf der Demonstration kam es zu Farbbeutel- und Steinwürfen gegen den Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB), die Zentrale der Stadtpolizei und Leiharbeitsfirmen. Mit der Begründung, „einzelne Verdächtige“ zu ermitteln, spaltete die Polizei auf Höhe Allerheiligentor das gesamte hintere Drittel der Demonstration unter Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatz ab und kesselte es ein. Dabei wurden mehrere Menschen zum Teil erheblich verletzt. Durch diesen unverhältnismäßigen Eingriff wurde die gesamte Demonstration über eineinhalb Stunden festgesetzt und ihre Fortsetzung damit faktisch unmöglich gemacht. Daraufhin wurde die Demonstration, die eigentlich zum Bauplatz der neuen EZB ziehen sollte, im Frankfurter Ostend aufgelöst. Mehr als 200 Demonstranten waren über 6 Stunden auf offener Straße eingekesselt. Rechtsanwälten wurde der Kontakt zu den Eingekesselten verwehrt. Diese Maßnahmen der Polizei bewerte ein Sprecher des Bündnisses als „offensichtlich rechtswidrig“.

Nach Auflösung der Demonstration zogen hunderte Demonstrant_innen durch die Frankfurter Innenstadt. Dabei kam es erneut zu militanten Aktionen gegen Büro- und Geschäftsgebäude, u. a. gegen den Frankfurter Römer und die Arbeitsagentur.

Leo Schneider, Sprecher des M31-Bündnis, erklärte zur Demonstration: “In Frankfurt wurde ein deutliches Zeichen gegen die aktuelle deutsche und europäische Krisenpolitik gesetzt. Diese Krisenpolitik soll die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Kapitals auf dem Rücken der Lohnabhängigen sanieren. Wegen ein paar kaputter Scheiben hat die Polizei unsere Demonstration brutal angegriffen, dutzende Demonstrantinnen verletzt und über zweihundert Menschen stundenlang festgesetzt. Das ist angesichts der brutalen Auswirkungen der Sparpolitik für die Menschen in Europa und weltweit absurd. Die militanten Proteste richteten sich direkt gegen Institutionen, die für neoliberale Krisenregulierung und verschärfte Ausbeutung stehen. Der Angriff auf unsere Demonstration wird, wie die Reaktion vieler DemonstrantInnen gezeigt hat, unseren Widerstand nicht brechen“, so Schneider abschließend.

Quelle: PM

Weitere Informationen auf der internationalen Website des M31 Netzwerkes: march31.net.

Siehe auch die Videos bei Syndikalismus und bei den Filmpiraten sowie die Rede von Jutta Ditfurth.

OTKM Filmabend: "Little Alien"

Sie leben. Weil sie geflüchtet sind. Die Teenager Juma und Hishame versuchen unter lebensgefährlichen Umständen, versteckt im Fahrgestell eines LKW nach Europa zu flüchten, wo sie zu den Gejagten der Grenzbehörden werden. Ahmed, Nura, Achmad und Asha haben es gerade über die Grenzzäune geschafft.

In Österreich angekommen, versuchen sie ihr Leben neu zu gestalten und kämpfen für ihr Recht auf eine mehr oder weniger unbeschwerte Jugend. Jawid und Alem leben schon seit eineinhalb Jahren in Wien, in der Hoffnung auf Gewährung von Asyl.

Die traumatische Erfahrung des Verlusts, die Sehnsucht nach ihren Familien, der Blick in eine vollkommen ungewisse Zukunft, die Bedeutung von Paragraphen und Behördenodysseen, die sie zu bewältigen haben, bestimmen den Prozess des Neuanfangs.

Obwohl ihr Leben maßgeblich von oft unmenschlichen Gesetzen bestimmt wird, nehmen sie es mit viel Humor und haben ihre eigenen Mechanismen entwickelt, die ihnen helfen, diese Last zu bewältigen.
Sie leben ihre Jugend mit vollen Atemzügen, sind laute, freche, verliebte und heranwachsende Menschen, die gerade für ein selbst bestimmtes Leben kämpfen.

Veranstaltet vom "Offenen Treffen gegen Krieg und Militarisierung" - Samstag, 31. März | 18 Uhr | Stuttgart | Linkes Zentrum Lilo Herrmann | Böblinger Str. 105

1918: Wie der Sozialismus unter Elsässer damals (fast) gesiegt hätte!

Der Schwur Spartacus' von Louis-Ernest Barrias. Marmor, 1871. Im Tuileriengarten, Paris
Foto: Marie-Lan Nguyen / Wikimedia Commons (Public Domain)
Jürgen Elsässer hat lange Wanderungen hinter sich. Nach Aufenthalten in verschiedenen linken Publikationsorten gibt er jetzt seinen eigenen Blog heraus - COMPACT. Er hatte ein aufschlussreiches Buch veröffentlicht über die Zusammenarbeit von Geheimdiensten aller Welt mit ihren Gegnern, den sogenannten Terroristen.

Zu Unrecht damals von der aufgeklärten Presse als Phantasma eines Verschwörungstheoretikers nicht besprochen, sondern weggeschoben.

Diese Verdienste lassen allerdings nicht übersehen, dass Elsässer in seiner Isolierung zu immer größeren Phantasieleistungen gelangt. So vor einigen Tagen, als er der sozialistischen Revolution 1918 nachträglich unter die Arme greifen wollte - nur weil ihn ein Film spätnachts an den Schreibtisch getrieben hatte.

Kaum war ihm gekommen, dass Arminius, der Cherusker, unser Che Guevara gewesen war, folgte eine Erleuchtung, als Ratschlag so lang nach dem Tod aller Akteure gegeben: "Warum haben sich die Kommunisten, als sie sich von der kriegsbefürwortenden SPD 1917 trennten, bloß den Namen “Spartakus-Bund” gegeben – den Namen eines tapferen Mannes, aber eines Ausländers und eines Verlierers – und sich nicht “Arminius-Bund” genannt, also den Namen eines siegreichen Freiheitskämpfers aus dem Inland gewählt? Ist das vielleicht auch schon ein bißchen falsch verstandener Internationalismus, etwas zu viel Schwelgen in den Wonnen der romantischen Verlierer gewesen?"

"Nieder mit der Ebert-Regierung! Es lebe Arminius!" Wir hacken nicht darauf herum, welche Gruppen da freudig mitgeschrien hätten - auf diese Zusammenfassung aller Gruppen - klassenlos - kommt es dem heutigen Elsässer gerade an. Und sie wird mit Recht von vielen Seiten kritisiert.

Viel interessanter, dass Elsässer hier ganz offensichtlich vergisst - oder wahrscheinlicher verdrängt - was er als früheres Mitglied linker Organisationen sicher hundertemal erklärt bekommen hat. Keineswegs ging es beim Bezug auf Spartakus - geradewegs um falsch- oder richtigverstandenen Internationalismus. Wäre es nur ums Nationale gegangen, hätte auch ein Müntzer herhalten können. Es ging vielmehr um die andauernde Begründung des menschlichen Zusammenlebens auf Ausbeutung und Unterdrückung. Von der unverhüllten Sklavenherrschaft her bis zur Ausbeutung in der modernen proletarischen Fabrik. Für dieses bis heute andauernde System des Unrechts steht das Bild von Spartacus,desjenigen, der in der Antike viele zusammenzufassen versteht aufgrund des Allerallgemeinsten: dass Sklavinnen und Sklaven nichts mehr besitzen, über das sie verfügen können. Diese Nichtigkeit aufzuheben verlangen alle Unterdrückten seither - "ein Nichts zu sein tragt es nicht länger"...

Es klafft ein Mangel mitten in unserer Welt. Und damit zu Elsässers zweiter Anregung: sich im Aufstand an den Siegern zu orientieren, nicht an den Verlierern. Sind die Hussiten vergessen worden, die nach der schändlichen Hinrichtung von Johannes Hus in Konstanz erst größte Kraft entwickelten? All die anderen Bewegungen, die am Bewusstseins eines Raubes, eines gebrochenen Versprechens erstarkten? Was könnte eine Bewegung verlangen, die sich nur auf schon Erreichtes berufen würde. (Vielleicht sind diejenigen islamischen Kämpfer, die nach einem neuen Kalifat verlangen, weil es das doch schon einmal gegeben hat, schon damit nicht über das bestehende Staatswesen hinausgetreten. Und Gefangene des bloß Bestehenden geworden?)

Das Internationale der Ausrichtung einer jeden grundsätzlichen Ausrichtung auf Revolution versteht sich dann freilich von selbst. So wie Spartakus bei allen Mitsklaven nicht an persönliche Überreste eines jeden Einzelnen appellieren konnte, sondern nur an das Bewusstsein des Verlustes jeder Eigentümlichkeit, so kann der Ruf der Revolution sich nicht an die nationale Eigenheit richten, sondern auf das um sich greifende Wissen, dass jedem Ausgebeuteten alles genommen ist, wieviel er im Augenblick noch haben mag. Das fordert nicht Wegschwindeln über Grenzen, aber bewussten Willen zu ihrem Niederreißen.

"Das Subjekt historischer Erkenntnis ist die kämpfende, unterdrückte Klasse selbst. Bei Marx tritt sie als die letzte geknechtete, als die rächende Klasse auf, die das Werk der Befreiung im Namen von Generationen Geschlagener zu Ende führt. Dieses Bewusstsein, das für kurze Zeit im Spartacus noch einmal zur Geltung gekommen ist, war der Sozialdemokratie von jeher anstößig." (Benjamin, Werke Band 1/2 S.700)

Elsässer hat recht: Geschichte darf niemand überspringen. Nur: zu diesem Zweck muss sie vorher richtig erkannt werden. Sonst verfällt sie zur besitzergreifenden vaterländischen Mythologie .

„Fortsetzung folgt - 65 Jahre VVN-BdA“

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65 Jahre nach der Gründung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes durch Überlebende des faschistischen Terrors ist unsere Organisation, die VVN-BdA, ein lebendiger, generationsübergreifender antifaschistischer Verband. Unser Wirken bleibt dem Schwur von Buchenwald verpflichtet: „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ Als Bündnisorganisation, deren Mitglieder selbst unterschiedliche politische und weltanschauliche Zugänge zum Antifaschismus einbringen, sehen wir die Schaffung und den Erhalt breiter antifaschistischer Bündnisse als unsere wichtigste Aufgabe an. Auch wenn bald keine Angehörigen der Gründergeneration mehr in unseren Reihen stehen werden, bleibt die Weitergabe ihrer Erfahrungen, das Wachhalten der Erinnerung daran, dass antifaschistischer Widerstand möglich und notwendig war, unser spezifischer Beitrag zur politischen Kultur dieses Landes. Wir werden die moralische und menschliche Autorität unser Gründerinnen und Gründer nicht ersetzen können. Doch wir können und wollen dazu beitragen, dass nachfolgenden Generationen die Wiederholung ihrer leidvollen Erfahrungen erspart bleibt.

18. März 2012 Frankfurt/Main, Haus Gallus, 10.30 Uhr - 12.30 Uhr

Programm

„Fortsetzung folgt - 65 Jahre VVN-BdA“

1. Eröffnung und Moderation Prof. Heinrich Fink

2. Begrüßung durch die Ehrenvorsitzenden der VVN-BdA Esther Bejarano und Prof. Hans Lauter

3. Was wollte und was tat die Gründungsgeneration der VVN? Dr. Ulrich Schneider

4. „Zweite Generation“ oder „Soziale Vererbung“? Gesprächsrunde mit Doris Fisch, Lena Carlebach, Florian Gutsche

5. Antifaschismus als Zukunftsprojekt Cornelia Kerth

Kulturbeitrag der Musikgruppe „Politokk“

NRW: Spinne Kraft beim Ekelfraß

Unisono der Presse: es war eine selbstgestellte Falle vor allem für die FDP. Die FDP wollte die Gesetzestreue spielen - und hat sich dabei selbst hereingelegt. Niemand wollte das Ende der Minderheitsregierung Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen.

Wer Frau Kraft ins gewohnt überhebliche Gesicht schaute am Mittwochabend, merkte: es könnte auch ganz anders gelaufen sein. Frau Kraft hat in ihrer ganzen Amtszeit sich anmaßend verhalten gegenüber der LINKS-Partei, auf deren Stimmverhalten sie doch angewiesen war. Ihr Verhörverhalten gegenüber der Partei hätte jedem Staatsanwalt wunderbar angestanden. Entsprechend ihr großartiges Scharwenzeln die ganze Zeit: Kraft führt eine Minderheitsregierung, aber ist auf niemand angewiesen.

Insofern liegt nichts näher als folgender Verlauf: die FDP hatte sich dummerweise hervorgetan als Schuldenbremserin "wie das Gesetz es befahl". Mit dem unerschütterlichen Zweitvorsatz, heimlich nachzuverhandeln. In der Erkenntnis, dass die FDP innerhalb eines einzigen Tages das Steuer nicht herumwerfen könne, kündigte die Ministerpräsidentin überraschend Neuwahlen an. In der Voraussicht, dass sie damit einer, vielleicht zwei Parteien das lästige Lebenslicht ausbläst.

Die LINKE hatte zwei Jahre lang sich unterwürfig gezeigt, so gut es gerade noch mit dem linken Ruf vereinbar war. Im Endeffekt hat sie der SPD-Grünen-Regierung mehrmals das Dasein gerettet. Aber stören kann auch sie immer noch. Also weg auch mit ihr!

Was den Verdacht gegen Kraft erhärtet: die SPD sieht sich - zu Recht oder Unrecht - im Aufwind.Im Saarland verspricht sie sich einiges. Bei dem gezügelten Kampfgeist der SPD würde eine Umverteilung der Sitze im Bundesrat fürs erste schon genügen.

Spricht alles für eine kalte Intrige der SPD-Chefin. Wer noch davon wusste, bleibt unklar.

Was spricht über die persönliche Abneigung gegen die arrogante Motzerin hinaus gegen diese Politik? Merkel und Bismarck haben nie anders gehandelt. Allerdings: die Technik klappt nur, wenn wirklich der Willen demokratischer Massen dahintersteckt. Beziehungsweise benutzt werden kann. Wo aber steckt der bei bloßer Postenakrobatik, wie sie bei Grün und Rot gleichermaßen Politik zu ersetzen hat? Daran fehlt es sämtlichen herrschenden großen und kleinen Parteien im Augenblick.

Viel Glück also der FDP zum letzten Kampf! Für eine Schuldenbremse, an die in Wirklichkeit auf Dauer niemand glaubt. Auch nicht die Erfinderin CDU.
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