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Berlin: Nur die allerdümmsten Kälber,ermächtigen ihre Scharfrichter selber

Castor 2011: Un frente llamado Monte Göhrde
Quelle: Libertinus rebelArte
Lizenz: Creative Commons 3.0
Die junge Welt meldet in ihrer heutigen Ausgabe folgendes:

"Berlin. Der Bundestag hat mit den Stimmen von Koalition, SPD und Grünen die Immunität von vier Abgeordneten der Linken aufgehoben. Dies berichtete Spiegel Online am Donnerstag. Den Parlamentariern Jan van Aken, Inge Höger, Sevim Dagdelen und Diether Dehm wird vorgeworfen, sich 2010 beim Castor-Transport in Niedersachsen an einem Aufruf zum »Schottern« beteiligt zu haben. Gemeint war das Entfernen von Steinen aus dem Gleisbett entlang der Strecke, um die Weiterfahrt des Zuges unmöglich zu machen.
Die Staatsanwaltschaft Lüneburg will gegen die Abgeordneten einen Strafbefehl wegen »öffentlicher Aufforderung zu einer Straftat« erwirken. Mehreren Unterzeichnern war die Einstellung des Verfahrens angeboten worden, wenn sie an gemeinnützige Organisationen spenden würden. Insgesamt wurde gegen rund 1750 Personen ermittelt. Etwa 450 der Verfahren seien inzwischen eingestellt worden, hieß es. Wegen der Proteste waren zunächst gegen rund 20 Abgeordnete aus Landtagen und dem Bundestag Ermittlungen aufgenommen worden".

Die Forderung nach Immunität von Abgeordneten ist meiner Kenntnis nach zuerst in England entwickelt worden, um zu verhindern, dass nach einer vielleicht kraftvollen Ansprache im Parlament hinter seinen Türen ein königlicher Policeman bereit steht, der den allzuberedten Mund zum Schweigen bringt.

Die Forderung hat ihr Recht behalten, um auch heute noch eine freie und offene Diskussion im Parlament zu ermöglichen. Muss mit administrativen Maßnahmen der Obrigkeitsparteien gerechnet werden, ist keine durchdringende Kritik der Obrigkeit mehr möglich.

Weiter gedacht wären dann nämlich Aufforderungen zu Streiks als Maßnahmen gegen die Regierung nicht möglich. Schließlich hätte nach den gegenwärtig herrschenden Bräuchen ein Liebknecht seinen Knast mit vollem Recht erhalten.

Was muss in den Köpfen der parlamentarischen Mehrheit plus SPD und Grün vorgefallen sein, dass sie offenbar unisono die Immunität der Kollegen aufhoben? Verteidigung der Immunität bedeutet ja keineswegs eine Zustimmung zur Aussage der Verfolgungsbedrohten selbst. Sie muss - geschichtlich betrachtet-gesehen werden als Aufrechterhaltung der Arbeitsbedingungen aller Parlamentsangehörigen. Die Arbeit im Parlament besteht notwendig im Reden. Und zwar innerhalb wie außerhalb des "Hohen Hauses", wie man in Augenblicken der Rührung und des unerlässlichen Pathos zu sagen pflegt. Also ließe sich an Aufhebung der Immunität nur denken, wenn es sich um ein schon laufendes Verfahren wegen körperlicher Angriffe usw. handelt. Wer aber - auch bei abweichender Gesinnung- Kollegen im Parlament das Reden schwer und gefährlich macht, der untergräbt seine eigene Position. Selbst einem CSU-Mitglied könnte es unter anderen Umständen passieren, dass ihn eine Strafbedrohung zum noch peinlicheren Flaumachen als üblich bringt.Wenn er dann von einem feindlich gesonnenen Regierungsunterworfenen angegangen wird, wie will er sich da wehren.(Staatsanwälte sind weisungsgebunden und damit im Prinzip auf jeden Fall regierungsabhängig) Und wenn die Schere im Kopf schon vorher zugeklappt ist, mit welcher Ausrede kann er sich dann vor seinen verbliebenen Anhängern herausreden? Mit Berufung auf seine eigene Immunität kann er nach dem gegenwärtigen Umfall auf keinen Fall mehr kommen.

Jeder Protest gegen die Aufhebung der vier Abgeordneten, die sich nicht auf kleine Deals mit der Staatsanwaltschaft eingelassen haben, ist also nicht nur gerechtfertigt. Er ist dringend notwendig, um die Reste freier Parlamentstätigkeit zu retten. Wie mickrig die sich inzwischen auch ausnehmen.

Netanjahu - gerichtsfest, aber auch isoliert?

Klar, dass Netanjahu vom internationalen Gerichtshof nichts zu befürchten hat. Nach den üblichen Gepflogenheiten. Das Selbstverteidigungsrecht ist jedem Staat als selbstverständlich zuerkannt. Damit sind die Bombenangriffe auf Gaza jetzt - wie im letzen Krieg - auf jeden Fall zu rechtfertigen. Selbst die Tötung des Heeresorganisators der Palästinenser wird als gerechtfertigt angesehen werden, wenn von einem permanenten Kriegszustand zwischen Hamas und dem Staat Israel ausgegangen wird. Vor allem, nachdem Friedensnobelpreisträger Obama den Drohnenabschuss von "Feinden" für sich und alle Terrorismusbekämpfer für legal erklärt hat.

Rechtlich also an Netanjahus Vorgehen nichts auszusetzen.

Natürlich ließe sich unter Umständen dem Selbstverteidigungsrecht Israels ein Widerstandsrecht der Palästinenser in einem in Wirklichkeit immer noch besetzten Gebiet gegenüberstellen. Nur: alle rechtlichen Auseinandersetzungen - wozu dienen sie noch. Zum Argumentenbeschuss bei der nächsten Sitzung von Jauch.

Es müsste ein Blick riskiert werden über die rechtlichen Regelungen hinaus.

Dann ergibt sich zunächst - ziemlich unbestritten - der heiße Wunsch Netanjahus bei den nächsten Wahlen wieder zum Erfolg zu kommen. Erzeugung von Kriegsangst ist dazu eins der anerkanntesten Mittel. Nicht erst seit Bismarcks Tagen.

Der Vergleich zu Bismarcks Planung zeigt aber auch den Unterschied. Der deutsch-französische Krieg 1870 war klug eingefädelt - und nützte die Notlage des Kaisers Bonaparte III. aus. Der hatte mit unerfüllbaren Forderungen groß getan - und musste jetzt zur Kriegserklärung greifen, um sich nicht vorzeitig zu blamieren. Hauptunterschied zu Bismarck: Der Reichskanzler hatte begrenzte Ziele, die keinen weiteren Eingriff ins besiegte Land voraussetzten. Netanjahu dagegen wird in einem militärisch unterworfenen Gazastreifen noch brutaler eingreifen müssen als bei den letzten Maßnahmen. Ohne je zu einer völligen Vertreibung der Palästinenser aus ihrem Gebiet kommen zu können. Selbst eine Zurückdrängung der Hamas aus grenznahen Gebieten erscheint aussichtslos. Denn die neuen Raketen haben eine Reichweite, die die entferntesten Ziele erreichen werden.

Die Lage Israels wird sich also auf jeden Fall verschlechtern, weil auf die Dauer kein Ziel - und damit kein Ende des Krieges - angegeben werden kann.

Noch werfen sich Westerwelle und Merkel aufs peinlichste ins Feld - und unterstützen mit offenen Verdrehungen die Aggression Israels. Mit der frei erfundenen Begründung, Hamas habe einen neuen Angriff begonnen, auf den jeder Staat - wie jetzt Israel - hätte erwidern müssen.

War das rechtlich abgesicherte Abknallen eines militärisch Verantwortlichen durch eine israelische Drohne kein Anfang - und Angriff?

Der jetzige Führer des Staates Israel wird kurzfristig sein Ziel erreichen und sich ein letztes Mal als legitimer Nachfolger des Königs Salomo präsentieren. Es werden viele gestorben sein für dieses Ziel. Staatsrechtlich ist - wie gesagt - daran nichts auszusetzen. Nur -  was sagt das über das Wesen des Völkerrechts selbst in seinem Verfall? Es erinnert stark an die Regeln, die nach Augustin sich auch jede Räuberbande untereinander geben müsste.

Nach einem Recht dahinter darf dabei nie gefragt werden.

Deutschland: Streik ist Sünde - oder lächerlich!

Was der "offene Brief" an den Vorsitzenden der IG Metall als Proklamation des Gewerkschaftsführers Huber mit größtem Recht angreift, dürfte heimliche Ansicht eines Großteils der gegenwärtigen Anleitungselite der deutschen Gewerkschaften sein.

Als wir vor Jahrzehnten nach Eintritt in die GEW nach der Möglichkeit eines politischen Streiks fragten,bekamen wir allemal die von flügelschlagenden Oberen die Antwort, dass die Gewerkschaften - wenn es um die Demokratie in ihrem Bestand gehe - rückhaltlos bereit stünden, durch Generalstreik "unseren Staat" zu verteidigen. Und immer wieder wurde auf das einmalige Ruhmesblatt hingewiesen: Generalstreik gegen den Kapp-Putsch 1920. Der also sollte als unbestritten rechtmäßig gelten.

Nur dass mein Vater - damals Generalbundesanwalt - mir öfter erzählte, dass bei allen Akten von Eisenbahnern, in die er irgendwann Einsicht gewonnen hatte, immer noch ein Tadel vermerkt war: Hat sich an den Kampfmaßnahmen 1920 beteiligt. Offenbar hat sich unter den nachfolgenden Regierungssystemen niemand berufen gefühlt, diesen Eintrag zu tilgen. Soviel zur allgemeinen Hochschätzung des Streiks auch im Augenblick der Not des gesamten Gemeinwesens.

Besonders viel scheint sich in den vergangenen Jahren daran nicht geändert zu haben. Wie oft wird in den offiziellen Nachrichten von ARD und ZDF das Nichtstattfinden einer noch so berechtigten Streikmaßnahme gemeldet als "Streikgefahr im letzten Augenblick abgewendet...". Dass die Inanspruchnahme eines immerhin im Grundgesetz vorausgesetzten Grundrechts als GEFAHR hingestellt wird, sagt wohl genug.

Auch Streiks im europäischen Ausland müssen - wenn nicht als illega - so doch als lächerlich hingestellt werden.

Die FAZ geht darin voran! Dabei wird die Geschichte auch kühn modelliert, wenn nötig. Wenn der Artikel es so hinstellt, als sei ein Generalstreik in Spanien das allergewöhnlichste, muss sein Autor sich einer vorbeugenden Gedächtnislöschung unterzogen haben. In Wirklichkeit haben die spanischen Gewerkschaften die letzten Jahre erstaunlich stillgehalten. Bis - was FAZ auch verschämt einbekennt - der Druck von unten so groß wurde, dass die Funktionäre nachgeben mussten. Um nicht alles zu riskieren.

Wird das Anlass genug sein, auch in der BRD die weitgehend eingebildeten Gesetzlichkeitsängste abzubauen vor dem politischen Streik? Besser spät als nie! Denn nur ganz beflissene Wegdenker von der allen drohenden Entwicklung - wie ein Huber - können weiterhin so tun, als würden die Entwicklungen in Resteuropa für immer Deutschland verschonen. Es darf nicht so kommen, dass ein Aufruf zum politischen Streik oder gar zum Generalstreik in Deutschland so folgenlos bleiben wird, wie zum Beispiel 1933, wo er wirklich nötig gewesen wäre. Ohne gedankliche Vorbereitung kam vielen Mitgliedern der Gewerkschaften damals eine Aufforderung zum Streik - unter den schwierigen Bedingungen der Arbeitslosigkeit - einfach phantastisch und abenteuerlich vor. Und doch: selbst ein anschließend niedergeschlagener Streik hätte die noch nicht gefestigte NS-Regierung mit ihren nationalkonservativen Anhängseln gezwungen, offen mit der Weimarer Verfassung zu brechen. Damit wäre die spätere Ausrede unmöglich geworden: 1933 erfolgte einfach ein Regierungswechsel wie zigmal vorher auch. Wir dienten weiter.

Damit hätte der Faschismus eines seiner wichtigsten Stabilitätselemente verloren.

Also heute abend bei den Kundgebungen: etwas mehr Mut gefordert! Wenigstens zur Propaganda des Rechts zum politischen Streik. Und gegebenenfalls der Pflicht zu einem solchen.

So lange noch Zeit ist...

Offener Brief an den Vorsitzenden der IG Metall

Die Kritik am zahmen Kurs der DGB Gewerschaften ist nicht neu: Großdemo gegen Sozialkahlschlag 2006
"Lieber Kollege Huber,
Es war nachts auf einem unpopulären Sender, aber wir sind einigermaßen empört über deine Aussagen über die spanischen Gewerkschaften in Phönix am 16. September. Du hast von „Fehlentwicklungen“ in Bezug auf Spanien gesprochen und dann erklärt:

„Die Metallgewerkschaften haben in erster Linie den Reallohnausgleich als Sinn und Zweck ihrer Tarifpolitik gesehen. Weil wir hatten da ja in der Tat zwischen 4-7% Inflationsraten. Damit haben die spanischen Gewerkschaften ihren Vorteil verspielt, dass sie nämlich billiger als die deutsche Industrie waren.“ Auf Nachfragen hast du bekräftigt, „Es ist falsch Leute!“ an die Adresse der Kolleginnen und Kollegen.

Damit schiebst du ihnen die Schuld für die Wirtschaftskrise und den Arbeitsplatzabbau dort in die Schuhe.

Uns empört erstens, dass du einem Konkurrenzkampf zwischen den Metaller/innen der verschiedenen Länder das Wort redest. Wenn die Spanier weiterhin „billiger“ geblieben wären, wären die Arbeitsplätze in Deutschland, Frankreich oder sonst wo verloren gegangen. Ziel der Gewerkschaften kann es nicht sein, einen Lohnwettbewerb nach unten zu propagieren!
Unterbietungswettbewerb der Beschäftigten führt immer zu Dumping. Seit ihrem Entstehen ist es der Grundgedanke der Gewerkschaftsbewegung, die Konkurrenz der abhängig Beschäftigten untereinander zu unterbinden und durch Solidarität zu ersetzen.

Wenn es nicht genug Arbeitsplätze in Europa gibt, dann ist es nicht die Schuld der Arbeiter/innen, sondern des kapitalistischen Systems und seiner Krise. Dagegen, dass die Rationalisierung immer mehr Menschen überflüssig macht, hatten wir Metaller immer auf Arbeitszeitverkürzung gesetzt!

Zum dritten legst du den spanischen KollegInnen nahe, Reallohnverlust in Kauf zu nehmen. Ist das zur gegebenen Zeit auch deine Empfehlung für Deutschland? Wenn die Profite fallen, müssen die Arbeitenden verzichten? Damit die immer größer werdenden Privatvermögen mit Profiten bei Laune gehalten werden, sollen diejenigen verzichten, die die Werte schaffen?

Viertens ist es ein Schlag ins Gesicht der Kolleginnen und Kollegen, die in Griechenland, Spanien, Italien, Portugal und zunehmend mehr Ländern gegen die Abwälzung der Krisenlasten protestieren, dagegen, dass ihre Löhne massenhaft unter das Existenzminimum gedrückt werden.

Zuletzt müssen wir uns fragen, wie ernst deine Solidaritätserklärung an die Spanischen Gewerkschaften war, die du drei Tage vor deinem Interview abgegeben hast. Wir begrüßen, dass der Europäische Gewerkschaftsbund für den 14. November zu europaweiten Protesten aufruft, dass für mehrere Länder Generalstreiks angekündigt sind. Der Aufruf ist auf der Seite der IG Metall auch nach 3 Wochen noch nicht veröffentlicht. Jetzt hast du noch im Schwäbischen Tagblatt die Streiks, die an diesem Tag in Griechenland, Spanien, Portugal und Italien stattfinden sollen, als „Unfug“ bezeichnet.

Wir halten dein Verhalten nicht nur für unsolidarisch, sondern auch für ein schwieriges Hindernis für die Entwicklung von Gegenwehr in Deutschland angesichts der deutlich nahenden Krise. Wie sollen wir uns hier gegen Betriebsschließungen und Entlassungen verteidigen? Wieder eine längere Kurzarbeit zu fordern, kann da nicht reichen!
Wir fordern von der IG Metall Mobilisierung statt Empfehlungen für Lohnverzicht! Diejenigen, die die Krise verursacht haben sollen zahlen – und es sind nicht die Löhne, die zu hoch sind! Diejenigen, die von den Rettungspaketen profitiert haben, die Banken, die Fonds und die Großunternehmen müssen zur Kasse gebeten werden!

Wir fordern Aktionen am 14.November gemeinsam mit den Gewerkschaften Europas!

Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken (IVG) 8. November 2012
"

Alle, die unterzeichnen wollen, bitte bei Matthias Fritz melden mit Angabe von Name, Funktion/Gewerkschaft, Betrieb.
Die Liste mit ErstunterzeichnerInnen findet sich hier:

http://www.labournet.de/GewLinke/disk/huber.pdf



Am 14. November finden in Stuttgart folgende Aktionen statt:

Kundgebung um 16.00 Uhr in der Büchsen-/Ecke Kronprinzstraße in Stuttgart.

Auf der Kundgebung spricht unter anderem:

Hans-Jürgen Urban, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall
Uwe Meinhardt, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Stuttgart


Kundgebung um 17.30 Uhr auf dem Schloßplatz


Solidarisch mit den Generalstreiks in Italien, Spanien Portugal, Zypern, Malta, Belgien ...

Noch nie in der Geschichte hat es das gegeben: Mehrere Länder Europas gehen an ein und dem gleichen Tag in einen Generalstreik - weil es so nicht mehr weiter gehen kann, weil die von Troika (EU, EZB und IWF) und Regierungen verordneten Sparmaßnahmen sie massiv ihrer Lebensqualität berauben oder in die Armut treiben.

Mit einem Vertreter aus dem Widerstand gegen Stuttgart 21, Günter Busch, stv. LBZ-Leiter ver.di, Bernd Riexinger LINKE-Bundesvorsitzender, Philip Vollrath, 1. Vorsitzender des DGB-Stadtverbands Stuttgart, Sidar Demirdögen, Vorsitzende Bundesverband der MigrantInnen, Telefonschalte Madrid, Lissabon

Veranstaltende: DGB, Krisenbündnis Stuttgart, ver.di Stuttgart, AK Demokratie Stuttgart, Gesellschaft Kultur des Friedens u.a.

kritisch-lesen.de Nr. 23: Arabische Revolutionen

Szene bei der sog. "Sicherheitskonferenz" in München, 2009
Im Rahmen des „Arabischen Frühlings“ gingen in Ländern Nord-Afrikas und des Nahen Ostens zahlreiche Menschen auf die Straße. Die Proteste richteten sich dabei mehrheitlich gegen soziale Missstände und politische Unterdrückungen. Dabei kam es in manchen Ländern zu revolutionären Umstürzen, in anderen Ländern waren die Proteste weitaus begrenzter. Die Proteste überraschten, schließlich waren die Vorstellungen in Deutschland bislang durch ein Bild Nord-Afrikas und des Nahen Ostens als rückschrittlich und anti-emanzipatorisch geprägt. In hegemonialen Medien wurden sie jedoch zunächst begeistert aufgenommen. Dabei wurde verstärkt auf die Idee der „arabischen Welt“ zurückgegriffen, die sich von „dem Westen“ abgrenzt. Positiver Bezug wurde vor allem auf die Entwicklungen in Ägypten, Libyen und Tunesien genommen. Syrien wurde aufgrund der politischen Entwicklungen zunehmend als Bürgerkriegsland beschrieben. Auf andere Länder Nord-Afrikas wurde in der Vergangenheit weniger Bezug genommen. Die Verantwortlichkeit deutscher Außenpolitik am Machterhalt der jeweiligen Regime wird dabei oft unter den Teppich gekehrt. Vielmehr wird zunehmend die Verantwortung der Bundesregierung betont, am Aufbau demokratischer Strukturen und marktwirtschaftlicher Reformen zu helfen. Während Deutschland als demokratischer Staat behandelt wird, scheint in Ländern Nord-Afrikas dieser Prozess der Demokratisierung noch bevor zu stehen.

Im vergangenen Jahr wurde eine Vielzahl unterschiedlicher Publikationen veröffentlicht, die sich mit den arabischen Revolutionen befassen. Andrea Strübe rezensiert das Buch „Arabischer Frühling“ von Tahar Ben Jelloun - eine Monographie, die die Verantwortung europäischer Staatschefs am Machterhalt der repressiven Regime Nord Afrikas und des Nahen Ostens hervorhebt. Anschließend widmet sich Philipp Jedamzik dem Buch „Leben als Politik“ von Asef Bayat, der die Alltagshandlungen von strukturell marginalisierten Menschen in den urbanen Zentren des Nahen Ostens fokussiert und nach dem gesellschaftlichen Veränderungspotential fragt, welches diesen Handlungen innewohnt. Sara Madjlessi-Roudi rezensiert den Sammelband „Die arabische Revolution“ von Frank Nordhausen und Thomas Schmidt, der Analysen zum Protest in elf Ländern umfasst. Dem folgend betrachtet Sebastian Kalicha das Buch „Tahir und kein zurück“ von Juliane Schumacher und Gaby Osman. Er sieht darin eine gelungene linke Analyse, die sich der bisherigen Berichterstattung deutscher Medien widersetzt und Hintergrundinformationen zu den revolutionären Ereignissen in Ägypten vermittelt. Eine weitere Analyse aus linker Perspektive schließt sich dem an: Sibille Merz rezensiert eine Sonderausgabe zu den arabischen Revolutionen der Monatszeitung Analyse und Kritik.

Den Anfang bei den Rezensionen außerhalb des Schwerpunkts macht Ismail Küpeli, der den Sammelband „Die EU in der Krise“ der Forschungsgruppe „Staatsprojekt Europa“ bespricht, ein Sammelband, der Grundlegendes für eine kritische Europaforschung und zu autoritären Tendenzen in der Krise vermittelt. Adi Quarti gibt in seiner Rezension „Was sollte man unbedingt lesen?“ einen Einblick in den Roman „Manetti lesen - oder vom guten Leben“ des Autors P.M., dessen neuestes Werk sich zwischen ein wenig zu viel Utopie und einer Chronik des Widerstandes bewegt. Aus der Nomos-Reihe Staatsverständnisse bespricht Maximilian Pichl „Der Nomos der Moderne“ – ein Sammelband zu den Arbeiten Giorgio Agambens. Die Beiträge schließen laut dem Rezensenten zwar an zentrale Theoreme Agambens an, hinterfragen diese jedoch auch kritisch und zeigen Leerstellen auf. Warum Wirtschaft mehr ist als Mathematik, zeigt Patrick Schreiner zufolge Tomáš Sedláček in „Die Ökonomie von Gut und Böse“. Sedláčeks Kritik der modernen Wirtschaftswissenschaften sei allerdings nicht aus einer linken Perspektive verfasst und dementsprechend fehle eine Kritik des Neoliberalismus. Friedrich Engels Analysen zum Staat widmet sich eine weitere Publikation in der Reihe Staatsverständnisse, der es Rezensent Philippe Kellermann zufolge jedoch an einer umfassenden historischen Kontextualisierung mangelt.

Weiterlesen in der am 06. November erschienenen 23. Ausgabe.

Willkommen in Cañon City, Colorado.

Eine abgeschiedene Gegend mit 36.000 Seelen und 13 Gefängnissen, wie z. B. das «Supermax», das neue Alcatraz Amerikas. Eine Gefängnis-Stadt, in der selbst die, die draußen sind, drinnen leben. Ein Vorgeschmack dessen, wie die Welt von morgen aussehen könnte.

Ein Web-Dokumentarfilm von David Dufresne & Philippe Brault.



Via onlineaktivisten.de

Mit Riexinger gegen Merkels und Cohn-Bendits Super-Euro-Staat

Bernd Riexinger 2007 bei einer ver.di Protestaktion
Cohn-Bendit ist es gelungen, Merkel als Euro-Nationalist noch zu überrunden. Und zwar im Mantel des Bekämpfers aller Nationalismen. Als dieser hat er die Grünen-Fraktion in Frankreich schon erpresst. Er würde austreten, wenn die sich nicht gefälligst dem vereinten Spar-Diktat der starken Nationen unterwerfen. Nach allem, was man hört, wird er im Amt bleiben.

Wo man ihn sein Buch anpreisen hört, wettert er gegen die Nationalismen seiner Rivalen im Jubelgewerbe. Die brauchen alle das Wort Solidarität bis zur Verkrümelung auf. Denken dabei aber nur fiskalisch an gerettete Banken und gedeckelte Sparhaushalte. Keinen Augenblick an die Massen in den verschiedenen Ländern, denen jede Zukunftsaussicht abgeschnitten wurde und weiterhin wird.

Was auffällt ist die merkwürdige Sitzfleischigkeit der Gegner des Fiskalplans in allen großen Ländern Europas. Wo bleiben die Solidaritätsstreiks der Gewerkschaften, die sich doch mit Worten fast alle gegen die Merkelpolitik ausgesprochen haben? Sie wären voll gerechtfertigt. Nicht nur aus einem geerbten verjährten Gefühl der Gemeinsamkeit mit allen Bedrückten, wie es aus den Tagen Bebels und Luxemburgs überkommen ist. Sondern aus eigenstem Interesse. Das Kapital,wie man weiß, ist von Haus aus gefräßig. Und kann gegen seinen eigenen Hunger nichts machen. Es frisst immer weiter. Und wenn die Außenstellen abgegrast sind, geht es unweigerlich an die Zentren. Auch hier dann: Verkauf staatlichen Vermögens. Lohnsenkung. Ausgliederung von Arbeitskräften. Dringende Notwendigkeit, sich jetzt schon zu wappnen. Und eine Gegenfront aufzubauen.

Die Reaktion auf die einsame Reise des Genossen Riexinger nach Athen zeigt, dass die Herrschaftssicherungsgruppe in der BRD die Gefahr erkannt hat. Die "Stuttgarter Zeitung" nutzte die Gelegenheit, Schimpfworte aus Kaisers Zeiten noch einmal aufzubacken. "Vaterlandsloser Geselle" konnte endlich wieder mit voller Wucht ausgespuckt werden. Feiner drückte sich eine volksverbundene Frau aus: Gerda Hasselfeldt am Mittwoch in der Passauer Neuen Presse: »Es ist beispiellos und empörend, wie der Vorsitzende einer im Bundestag vertretenen Partei die antideutschen Proteste in Athen als Bühne nutzt, um Politik gegen die Interessen des eigenen Landes zu machen.«

Frau Hasselfeldt hat sich damit das Verdienst erworben, offen auszusprechen, wie es mit dem angeblichen Internationalismus Merkels und ihrer Freunde steht. Und mit dem Anti-Nationalismus einer langsam auslaufenden Kasperpuppe namens Cohn-Bendit.

Diejenigen, die das als Gefahr erkannt haben, täten gut daran, sich nicht an Worten zu sättigen und an Proklamationen zu begnügen. Es geht um aktive Solidarität durch Handlungen, die im eigenen Land weh tun. Streiks, Blockaden, Werkbesetzungen...

Darauf lässt sich nicht auf lange Zeit einfach warten.

Geschwader Merkel zur Quittungsausgabe in Griechenland

Angela Merkel
Bildquelle:
Armin Linnartz
Dieses Foto ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland) lizenziert.
Siebentausend Polizisten extra werden aufgeboten, um unsere Merkel wohlbehalten zurückexpedieren zu können, wenn sie ihre schwere Aufgabe vollendet hat.Worin könnte diese bestehen? Geld bringt sie eingestandenermaßen nicht mit. Auskünfte über den Schuldenstand werden arbeitsteilig der dort amtierenden Troika überlassen. Die gibt erst im November Genaueres aus. Um Begutachtung der Armut, wie der Ministerpräsident faselte, kann es auch kaum gehen. Soviel Phantasie hat Merkel noch: wo man hinhaut,gibt es blaue Flecken. Und die sind vielleicht nicht beabsichtigt, aber freudig in Kauf genommen.

Warum dann?

Bannas im herangezogenen Artikel der FAZ gibt einen Wink. Er beschreibt ausführlich die Veranstaltungen zum Schutz und zur Verteidigung von Clinton. Präsident Clinton. Der rückte damals genau in dem Augenblick ein, als die Empörung in Hellas gesteigerten Ausdruck suchte gegen die Bombardierung Serbiens durch die NATO.

Clinton wird damals eingerückt sein, um zu zeigen, dass Volkswut nichts zu bedeuten hat,wenn die Herrschenden ihre Macht exekutieren.
Genau das wird auch Merkels Besuch zu bedeuten haben. Natürlich sind die Plakate ein wenig kindisch, auf denen sie mit Hitlervisage und in SS-Uniform paradiert. So aufdringlich würde unsere Kanzlerin nie eine Exekution vollziehen. Nur betrifft das bloß das Äußerlichste des deutschen Anspruchs. Das Innere äußert sich in immer wiederholten Sätzen. Denen mit Hammerschlag. Wenn Kanzlerin und ihre Sendboten wiederholen, dass alles Versprochene bis auf den letzten Cent erfüllt werden müsse. War es denn nicht versprochen worden?

Sprache einer ordentlichen Vermögensverwaltung, die zur Durchsetzung ihrer Ansprüche keine Mafia braucht. Nur ordentliche Gerichtsvollzieher.Die Umstände des ehemaligen Vertrags werden dabei mit aller Kraft weggedrückt. Und hast Du Dein Opfer erst von Scheitel bis Zeh umwickelt vor dem Küchentisch liegen gelassen - am Ende hat er doch unterschrieben. Und demnach wird eingetrieben. Und gezahlt.
Rippentritte vom Lackschuh des ehrbaren Kaufmanns... der schließlich nichts will als sein gutes Recht: das ist die gestylte Form des überkommenen Imperialismus. Und die größten Mitleidstränen unserer Sendbotin, wie sie erbsengroß den Fotografen präsentiert werden, können trotz allem nicht verbergen, dass sie vom Krokodile stammen.

junge Welt: Weiteres Erscheinen akut gefährdet

Das weitere Erscheinen der überregionalen Tageszeitung junge Welt ist nicht mehr gesichert. Mit einem Offenen Brief an ihre Leserinnen und Leser schildern die Mitarbeitenden der Zeitung in der Samstagausgabe der Zeitung (jW vom 6.10.12) die Lage. Danach hat sich allein in diesem Jahr bis August ein Fehlbetrag von über 100.000 Euro angesammelt. Der Verlust wäre deutlich höher, wenn die Mitarbeitenden nicht schon seit Jahren auf eine angemessene Bezahlung verzichten würden. Schwierigkeiten bereiten Verlag und Redaktion auch juristische "Angriffe von staatlichen Stellen, Einzelpersonen und politischen Organisationen", wie es in dem Schreiben heißt. Mittel für notwendige Investitionen stünden nicht mehr zur Verfügung. "Sparmaßnahmen sind nicht möglich, ohne die journalistische Qualität zu beeinträchtigen und kommen deshalb nicht in Frage", erklärte Chefredakteur Arnold Schölzel. "Die Zeitung ist nur noch zu retten, wenn ausreichend zusätzliche Abonnenten gefunden werden können. Dazu müßte allerdings in den nächsten 10 Wochen einiges bewegt werden", teilte jW-Geschäftsführer Dietmar Koschmieder am Freitag in Berlin mit.

Die Tageszeitung junge Welt wurde 1947 gegründet, war Zentralorgan der FDJ (Freie Deutsche Jugend) und auflagenstärkste Tageszeitung der DDR. Nachdem die Zeitung 1995 eingestellt wurde, organisierte kurz darauf ein Teil der Redaktion die weitere Herausgabe der Zeitung, bis diese Funktion 1998 der neue Mehrheitseigentümer des Verlages, die Genossenschaft LPG junge Welt eG, übernahm. Keiner Partei oder Organisation gehörend, versteht sich die Zeitung als einzige unabhängige linke, marxistische Tageszeitung in Deutschland und wird deshalb alljährlich vom Bundesamt für Verfassungsschutz in dessen Bericht mit einer täglichen Auflage von 17.000 Exemplaren als "das bedeutendste
Printmedium" der radikalen Linken in Deutschland bezeichnet. Aufsehen erregt die Zeitung auch mit ihrer jährlich im Januar stattfindenden Interntionalen Rosa-Luxemburg-Konferenz und mit Veranstaltungen in der eigenen Ladengalerie. Im September 2012 erklärte sie der Deutsche Journalistenverband (DJV) als Sieger einer bundesweiten Erhebung zur journalistischen Sorgfalt in der Bildarbeit unter 122 regionalen und überregionalen Tageszeitungen. Ausgezeichnet für ihre Berichterstattung wurde junge Welt unter anderem von der Erich-Mühsam-Gesellschaft in Lübeck und vom Bundesverband Christlicher Demokraten gegen Atomkraft.

Siehe auch:

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Quelle: Pressemitteilung

1912: Hundert Jahre Balkankrieg! Und was daraus gelernt?

Zeitgenössische Karikatur von einem anonymen Autor (1912/13), die die damalige Lage in Südosteuropa veranschaulicht

Quelle: WikiPedia
Lizenz: Gemeinfrei
Vor hundert Jahren - Balkankrieg! Entstanden aus Streitigkeiten, die eher geringer waren als die jetzigen zwischen der Türkei und Syrien!

Jedes kriegsführende Land hatte seine Gönner und seine Gegner unter den benachbarten Großmächten. Russland - Österreich - Ungarn - Deutsches Reich und - noch als "kranker Mann am Bosporus" - die damalige Türkei. Die Spannungen, die zwei Jahre später zum ersten Weltkrieg führten, zeichneten sich schon ab. Immerhin gelang es den Großmächten, sich noch einmal selbst zu beherrschen - und nicht direkt einzugreifen. Bei den sogenannten Friedensverhandlungen naschten alle bereitwillig mit. Und ernteten. Zumindest Einfluss-Sphären...

Hundert Jahre später! Die Maßnahmen der Türkei gegenüber einem Angriff aus Syrien dürften -oberflächlich gesehen- einigermaßen immer noch dem seit damals geltenden Völkerrecht entsprechen.

Auffällig immerhin, dass ein seit Jahren gegen die Kurden Krieg führendes Land dieses Mal einen Parlamentsentscheid herbeiführen muss, um alles im Voraus zu rechtfertigen, was es ab jetzt zu tun beabsichtigt.

Den Traum von der entmilitarisierten Zone in Syrien haben die Großmächte der Türkei noch nicht erfüllt. Wozu solche dienen sollen, ist seit der Beseitigung der Souveränität Libyens bekannt. Insgesamt dürften alle Maßnahmen darauf hinauslaufen, dass die sich muskulöser fühlende Türkei die ehemaligen Pläne gestutzt hat, in die EU als Vollmitglied einzutreten. Stattdessen wird sie als von niemandem gebändigter Hegemonialstaat ein größeres Gewicht im Nahen Osten begehren und erkämpfen. Über den Trümmern der ehemals dort ansässigen Staaten.

Dass all das nach hundert Jahren so läuft wie vor hundert Jahren ist bedrückend genug. Dass Auseinandersetzungen sich dort anbahnen, wie damals, erschreckt. Sollte erschrecken. Tut es aber offenbar bei fast niemand.

Trostgrund: Wir haben ja inzwischen die NATO. Die hat sich bisher nicht hereinziehen lassen in den Trubel. Sondern, kann man annehmen, die Türkei sogar gebremst. Tröstet das wirklich? Wenn man sich erinnert, an was die NATO seit 1989 sich bisher beteiligt hat, ist eher Grusel angebracht als Mittagsschlaf! Was NATO bisher verhinderte, rührte mehr von der gemeinsamen Sorge der Großen vor dem Übermut der Mittleren- als aus Friedensliebe. Bis das Jahr zu Ende ist, kann es uns schon brenzlig in die Nase steigen. Und zur Einsicht bringen, dass eine Welt in den Fesseln der wechselseitigen Imperialismen immer eine sein wird, in der Krieg nicht droht. In der Krieg unablässig geführt wird.

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