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„Herr Mann, Herr Hummel und die Nazis“. (Überschrift in der Stuttgarter Zeitung vom 11.3.2017, S.28)

1.7.2016, Ludwigsburg:

Die Firma Mann+Hummel begeht ihr 75. Firmenjubiläum und weiht das neue Technologiezentrum ein. Den Beschäftigten ist allerdings nicht nach Feiern zumute. Sie protestieren lautstark und machen ihrem Unmut auf einer Versammlung Luft:

„Wir protestieren entschieden gegen die Vernichtung von 500 Arbeitsplätzen in den Inlandswerken von Mann+Hummel, davon 275 in Ludwigsburg.

Wütend und empört sind wir besonders über die ausgesprochenen 121 Kündigungen. Seit heute, dem 1.7.2016 befinden sich 121 in einem gekündigten Arbeitsverhältnis! 91 davon sind aus der Produktion, viele Kollegen schon über 46 Jahre alt und viele sind Gewerkschaftsmitglieder.

Zeitgleich findet heute eine Feier von Mann+Hummel statt zur Einweihung des neuen Technologiezentrums. 350 ausgewählte Gäste sind geladen. Darunter der Ministerpräsident Winfried Kretschmann von den Grünen, die Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut, der Vorsitzende des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann von der CDU, der Oberbürgermeister von Ludwigsburg, Werner Spec und auch der Raumfahrer Ulf Merbold.

Nicht eingeladen sind die Kolleginnen und Kollegen von Mann+Hummel.

Sich selbst zu feiern und zeitgleich Kündigungen auszusprechen, dies bewerten wir als eine ungeheuere Provokation der Belegschaft.

Wir sind uns einig und fordern:

Sofortige Rücknahme der ausgesprochenen Kündigungen!

Unser Protest richtet sich auch an die Ludwigsburger Kreiszeitung. Während heute eine dreiseitige „Anzeigensonderveröffentlichung“ von Mann+Hummel erscheint, wurde es abgelehnt, heute eine Traueranzeige über „den Verlust von 275 Mitarbeiter(n)“ abzudrucken, die einige Kollegen initiiert hatten. Hat nur der das Recht auf Meinungsäußerung, der das meiste Geld hat? Wir sehen darin einen Akt der politischen Zensur und verlangen dazu eine Stellungnahme der Verantwortlichen der LKZ.“

1938, Stuttgart und Wien:
Die Firmengründung im Jahre 1941 hat eine Vorgeschichte:
Adolf Mann und Erich Hummel beginnen ihre Unternehmerlaufbahn als leitende Angestellte der Firma Wilhelm Bleyle in Stuttgart.
1938 bekommen die Inhaber Max und Fritz Bleyle Schwierigkeiten mit der NS-Justiz.
Max Bleyle und der Geschäftsführer Arthur Weber müssen sich wegen Volksverrat, Devisenvergehen und Steuerhinterziehung vor einem NS-Sondergericht verantworten.
„... Diese Situation haben die langjährigen Angestellten der Firma Wilh. Bleyle GmbH., Mann und Dr. Hummel, ausgenutzt, um mit den Herren Bleyle und Weber am Tag vor der Hauptverhandlung vor dem Sondergericht über den Betrieb der Firma Wilh. Bleyle GmbH einen von ihnen ausgearbeiteten Kauf- und Pachtvertrag abzuschließen, durch den die Gesellschafter der GmbH auf das schwerste übervorteilt wurden. ..." (Zitate aus der Abschrift von Dr. Edmund Natter, 12.11.1945)
Der öffentliche Kläger Bauer (im Entnazifizierungsverfahren) bestätigte dies ebenfalls am 19.1.1949. Er schreibt: „... Dem Befr. (gemeint ist Adolf Mann) ist es damals gelungen, einen unverhältnismäßig günstigen Vertrag herauszuschlagen aus dem er in den 6 Jahren bis 1945 ein Einkommen von RM 3 265 945,-- bezogen hat. ... Er hat aus der Not des deutschen Volkes, in die es durch den von der NSDAP vom Zaum gerissenen Krieg gekommen ist, riesige Profite in seine eigene Tasche gesteckt..." (RM bedeutet: Reichsmark)

Max Bleyle dagegen wurde in dem Prozess zu einer 5-jährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Fritz Bleyle kam in die ,,lrrenanstalt“ nach Winnenden.

Dieses „Geschäftsmodell“ zur Bereicherung behalten Mann und Hummel bei, als es im angeschlossenen Österreich um die Arisierung zweier jüdischer Unternehmen geht.

Zum Vorgang der „Arisierung“ äußert sich Adolf Mann laut Firmenchronik wie folgt :
Die Verkaufsverhandlungen mit den jüdischen Vorbesitzern seien „im besten Einvernehmen“ geführt worden.

Mit dem besten Einvernehmen kann es nicht weit her gewesen sein.
Mira Steirer, eingesetzte Verwalterin, beschreibt den Vorgang im Antwortschreiben auf einen Fragebogen der amerikanischen Militärverwaltung vom 19.1.1948:
„In der sich in unseren Händen befindlichen Korrespondenz mit dem Mutterhaus Bleyle, Stuttgart, befindet sich Kopie eine Briefes des seinerzeitigen Prokuristen Hermann Zimmer, aus dem klar hervorgeht, dass er zusammen mit dem seinerzeitigen kommissarischen Verwalter, Herrn Norbert Streit, Herrn Bratmann (Vertreter des jüdischen Besitzers -“ Anmerkung des Verfassers) durch Abnahme seines tschechischen Passes gezwungen hat, in den Verkauf einzuwilligen.“

Da weder Zimmer noch Streit irgendwelche amtlichen Befugnisse zum Entzug des Passes gehabt haben, will man sich gar nicht vorstellen, unter welchen Umständen die Abnahme des Passes wohl vor sich gegangen sein mag.

Über die „Arisierungsverhandlungen“ mit dem Besitzer der zweiten Firma schreibt Steirer:
„Herr Ing. Engelhardt hat unseres Wissens keinen Kaufvertrag unterschrieben, sondern ist -“ da er persönlich bedroht war -“ bei Nacht und Nebel ohne Verständigung seiner Wiener Angestellten abgereist.“

Über den „Arisierer“ Norbert Streit bemerkt Steirer lakonisch:
„Herr Streit ist vor kurzem wegen Zugehörigkeit zur Partei und andere Delikte gesessen. Soweit uns bekannt, befindet er sich seit kurzem auf freiem Fuß.“

Um das Maß voll zu machen, behauptet die Firmenchronik, es spräche für den „Anstand“ von Adolf Mann, dass die 300.000 Reichsmark (360.000 Schilling -“ Anmerkung des Verfassers) der „höchste Arisierungspreis gewesen sei, der in Wien bezahlt wurde.“
Steirer gibt den Effektivwert der Firma aber mit 2 Millionen Schilling an, „niedrig geschätzt.“

Ob im Falle der anderen Firma (Ing. Otto Engelhardt) überhaupt Zahlungen geleistet wurden, darf bezweifelt werden. Jedenfalls spricht Steirer nur von der Zahlung von 360.000 Schilling an Bratmann bzw. den bestellten Liquidator.

Das erfüllt den Tatbestand der räuberischen Erpressung unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben und zeugt nicht von Anstand, sondern von erheblicher krimineller Energie !

Frühjahr 2017, Ludwigsburg:
Im Vorfeld des Firmenjubiläums äußert die Firma Mann + Hummel den „Wunsch“, dass ein Teil der Schlieffenstrasse in Mann + Hummel-Strasse umbenannt werden soll.
Eine Historiker-Kommission, von der Stadt Ludwigsburg beauftragt, Strassennamen und mögliche Umbenennungen zu untersuchen, rät, angesichts der oben geschilderten hässlichen Gründungsgeschichte der Firma, davon ab.

Der Gemeinderat erfährt das aber eher zufällig, da die Expertise der Historiker-Kommission bei Oberbürgermeister Spec unter Verschluß liegt. Das führt zu Diskussionen im Gemeinderat und in der Öffentlichkeit, die teils abstruse Blüten treibt :
In einem Kommentar der Ludwigsburger Kreiszeitung heißt es:
„Und niemand wirft den Firmengründern Adolf Mann und Erich Hummel vor, dass sie im Dritten Reich an Verbrechen beteiligt waren (...).“ (LKZ vom 9.3.2017)

Aber das genau waren sie, wie wir oben gesehen haben. Es sei denn, man folgt dem fatalen Geschichtsverständnis des NS-Marine Richters und späteren Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, Hans Filbinger, dass, was damals Recht war, heute nicht Unrecht sein könne.

Ein Stadtrat der Freien Wähler sieht in der Arbeit der Historiker gar „einen Angriff gegen Mann+Hummel“. Willkommen im postfaktischen Zeitalter.

Die Stadtverwaltung strapaziert inzwischen die Logik und den gesunden Menschenverstand, denn die Umbenennung sei zu „keinem Zeitpunkt verstanden worden als Würdigung von Personen, sondern der Firma, die nach den Firmengründern benannt ist.“

OB Spec schwelgt in wolkiger Unternehmer-Prosa, von „Innovation“, „Sicherung der Arbeitsplätze“ erzählt er. Das Unternehmen stelle „nicht einseitig die kurzfristige Rendite in den Vordergrund.“
Dabei scheint ihm entgangen zu sein, dass im Industriegebiet Ludwigsburger Weststadt seit den 1990iger Jahren ein Prozess der Deindustrialisierung stattgefunden hat, der tausende von Arbeitsplätzen gekostet hat. Allein bei Mann+Hummel schmolz die Zahl der Arbeitsplätze von ca. 4000 Anfang der 1990iger Jahre auf 1600 aktuell. Der jeweilige Arbeitsplatzabbau wurde immer damit gerechtfertigt, die restlichen Arbeitsplätze zu sichern. Das war damals genauso wenig wahr, wie heute. Denn natürlich plant Mann+Hummel weiteren Arbeitsplatzabbbau, auch bei Entwicklung, Vertrieb und Einkauf.

Nachtrag:
Am 23.3.2017 teilt die Stadtverwaltung mit, dass die Umbenennung nicht weiter verfolgt werde.

Die Geschäftsleitung von Mann + Hummel teilt mit, dass ihr Mitglied, Arbeitsdirektorin Filiz Albrecht mit sofortiger Wirkung aus dem Unternehmen ausscheidet. Gründe werden nicht genannt.

Die Kollegen, die sie letztes Jahr betriebsbedingt kündigte und die vor dem Arbeitsgericht klagten, haben ihre Prozesse gewonnen und sind immer noch bei Mann + Hummel.

Die Firma hat auf das Einlegen weiterer Rechtsmittel verzichtet.

Theorie der Halbbildung

Theodor W. Adorno, Heidelberg 1964
Foto: Jeremy J. Shapiro
Lizenz: CC BY-SA 3.0

"Dem Halbgebildeten verzaubert alles Mittelbare sich in Unmittelbarkeit, noch das übermächtige Ferne. Daher die Tendenz zur Personalisierung: objektive Verhältnisse werden einzelnen Personen zur Last geschrieben oder von einzelnen Personen das Heil erwartet."

Theodor W. Adorno : Theodor W. Adorno: Theorie der Halbbildung. (1959) In: ders.: Gesammelte Schriften
Band 8. Soziologische Schriften I, S. 93 -“ 121.

kritisch-lesen.de Nr. 45: ... ...können wir nur selber tun!

Demilitarize the Police, Black Lives Matter
Foto: Johnny Silvercloud / Flickr
Lizenz: CC BY-SA 2.0
Selbstorganisation bleibt Handarbeit: Mietpreise, prekäre Arbeitsbedingungen, Verdrängung, Illegalisierung von Migrant_innen, Sanktionierung von Erwerbslosen, Kriminalisierung linker radikaler Projekte und vieles mehr -“ es gibt unzählige Bereiche, in denen Menschen von Profitstreben und staatlicher Macht gegeißelt werden. Die Betroffenen finden sich in einer machtlosen Position wieder, aus der heraus individualisierte Kämpfe dem berühmten Kampf gegen Windmühlen gleichkommen. Deshalb schließen sich immer wieder an verschiedensten Orten zusammen, um ein gemeinsames Bewusstsein für ihre Lage zu entwickeln. Sie organisieren sich -“ in Erwerbsloseninitiativen, Stadtteilgruppen, Migrant_innenorganisationen, feministischen Gruppen.

Fokus dieser Ausgabe sind selbst- oder basisorganisierte soziale Kämpfe und die Frage nach ihrer konkreten Ausgestaltung. Auf welche internationalen Traditionslinien bezieht sich Selbstorganisation? Wie wandelte sich konkrete Basisorganisation im Verlauf der Jahrzehnte? An welche sozialen Kämpfe knüpfen verschiedene Ansätze der Selbstorganisation an? Gibt es Beispiele, in denen selbst- oder basisorganisierte Kämpfe zu konkreten Veränderungen geführt haben? Und wie schnell besteht die Gefahr, von Staat, Kapitalismus oder Institutionen eingehegt und gezähmt zu werden? Unsere Autor_innen haben Beispiele aus verschiedenen Regionen der Welt analysiert und verbinden konkrete Praxis mit Erfahrungen und Theorie. Wir hoffen, mit dieser Ausgabe nicht nur neue Impulse zu setzen, sondern auch Bewährtes weiterzugeben.

In der Januar 2018-Ausgabe setzen wir uns die Partyhüte auf und laden alle zum 200. Geburtstag unseres Lieblings-Genossen ein: Karl Marx! Marx! Marx! Wir wollen sowohl Geschichten über sein Leben als Denker und Revolutionär erzählen als auch uns umsehen in der schier unendlichen Rezeption seiner Ideen. Wenn ihr Lust habt, mitzufeiern, dann schickt uns gerne Buch- oder Rezensionsvorschläge.

Und jetzt viel Spaß beim kritischen Lesen!

Zur Ausgabe Nr. 45

Gegen die Kriminalisierung linker Medien!

Am 14. August 2017 verbot der Bundesinnenminister die Internetplattform linksunten.indymedia.org. Zuvor hatte der Verfassungsschutz die Internetseite zum „Sprachrohr für die gewaltorientierte linksextremistische Szene“ erklärt, um hierfür eine Begründung zu liefern. Das letztlich am 25. August vollzogene Verbot ist ein Akt der Zensur und ein Angriff auf die Medienfreiheit. Das kann und darf so nicht hingenommen werden.

Die Verbotsverfügung - ein politischer Angriff

In der Pressemitteilung vom 25. August erklärte der Bundesinnenminister „Wir gehen konsequent gegen linksextremistische Hetze im Internet vor“ und bezog sich dabei auf die Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg. Zu keinem Zeitpunkt wurde jedoch die Löschung einzelner Inhalte auf der Plattform versucht, sondern das komplette Portal kriminalisiert. linksunten.indymedia.org fungierte als Veröffentlichungsplattform für unterschiedlichste Aufrufe, Dokumentationen und Debatten der gesamten Linken. Das Verbot ist also ein gezielter Schlag gegen die gesamte Linke, der nicht zuletzt in das nach rechts offene Wahlkampfkalkül eines Ministers passt, der bereits für zahlreiche überwachungsstaatliche Verschärfungen und eine Aufrüstung des Repressionsapparates verantwortlich zeichnet.

Der Verfassungsschutz - vom Bock zum Gärtner

Besonders brisant im Kontext des Verbotes der Medienplattform Indymedia linksunten ist die Beteiligung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Nicht zuletzt im Rahmen der Ermittlungen gegen die Naziterroristen des NSU wurde offensichtlich, dass es sich, vorsichtig ausgedrückt, um eine intransparent arbeitende Behörde handelt, die de facto keiner demokratischen Kontrolle unterliegt. Als Legitimationsbasis für ein Verbot von linksunten.indymedia lieferte das BfV eine Collage von Versatzstücken von auf der Seite veröffentlichten Texten. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund fragwürdig, dass die Behörde ein hohes Eigeninteresse an der Abschaltung der Webseite besaß. So wurden auf linksunten.indymedia zahlreiche kritische Recherchen über die Verstrickungen des Verfassungsschutzes in die rechte Szene oder über deren geheimdienstliche Praxis gegen die Linke veröffentlicht.

Die Betreibervereinigung - ein juristisches Konstrukt

Das Verbot von Medien fällt eigentlich nicht in die Zuständigkeit des Innenministers. Deshalb wurde kurzerhand ein Verein konstruiert, der hinter linksunten.indymedia stecke und so verboten werden konnte. Eine Medienplattform wurde über das Vereinsgesetz kriminalisiert. Dieses Vorgehen ist nicht nur juristisch unzulässig, es ist auch ein Türöffner zur künftigen willkürlichen Kriminalisierung unbequemer Medien. Hinter jeder Internetseite u.a. kann ein Verein konstruiert werden, über dessen Verbot nichts anderes als Medienzensur betrieben wird.

Solidarität - mit Indymedia linksunten!

Die Kriminalisierung von Indymedia linksunten ist zunächst ein Angriff gegen die gesamte Linke. Sie ist darüber hinaus ein Versuchsmodell, wie gegen unbequemen unabhängigen Journalismus vorgegangen werden kann. Es liegt an uns, Öffentlichkeit und politischen Druck zu erzeugen und diesen Angriff gemeinsam zu beantworten.

Wir fordern die sofortige Aufhebung der Verbotsverfügung gegen linksunten.indymedia.org!


Eine gemeinsame Erklärung von:


Organisationen: ...resist! Saarbrücken | 17grad - Medien für den Rest (Hamburg/München) | AGIF - Föderation der Arbeitsmigrant/innen in Deutschland | Anatolische Föderation e.V | Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart & Region (AABS) | Antikapitalistische Linke München al[m] | Auf der Suche - Anarchistische Gruppe Nürnberg | Autonome Antifa Freiburg | Bunte Hilfe Marburg | Deutsche Kommunistische Partei (DKP) | Die Linke KV Stuttgart | ea freiburg | Ermittlungsausschuss Berlin | Ermittlungsausschuss Hamburg | Ermittlungsausschuss Wendland | FDJ-Gruppe Nürnberg | Freiheitskomitee für Musa Asoglu | Infoladen Salzburg | Infoladengruppe Tübingen | Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger e.V. | Initiative Klassenkampf (Stuttgart) | Initiative | Kurdistan Solidarität Stuttgart | Internationale Sozialistische Organisation (ISO) | Interventionistische Linke | IPAI (International Platform Against Isolation) | Kalenderredaktionskollektiv Kalinka-M.org | Kurdistan Solidaritäts-Komitee Kiel | LabourNet Germany | linksjugend [-šsolid] | marxistische linke e.V. | Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen (Berlin & Hamburg) | Netzwerk München, Betriebe und Projekte in Selbstverwaltung e.V. | North East Antifa (NEA) | Offenes Antifa Treffen Mannheim | Öku-Büro | organsierte autonomie | rechtshilfe salzburg | Redaktion ak - analyse & kritik | Redaktion des Gefangenen Info | Redaktion Graswurzelrevolution | Revolutionäre Aktion Stuttgart (RAS) | Roja (Revolutionär organisierte Jugendaktion) | Rojava Solidarity Tübingen | Rote Hilfe e.V. | Solidaritätskomitee für Grup Yorum | SoZ-Redaktion | Stuttgart gegen Rechts | Tayad Komitee | Trotz Alledem | verdi bezirkserwerslosenausschuß nürnberg | Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, Kreisvereinigung Esslingen;

Einzelpersonen: Karin Petzsch | Lydia Trüten (IG Metall-Vertrauensfrau) | Susanne Dorer | Thomas Trüten (IG Metall Vertrauensmann, Blogger, linksunten Autor) | Tobias Pflüger (Stellvertretender Vorsitzender DIE LINKE und Vorstand Informationsstelle Militarisierung) | Uli Gellermann (Herausgeber der RATIONALGALERIE)

Kontakt über bundesvorstand@rote-hilfe.de


Spendenkonto

Für die Klagen gegen das Verbot und die Unterstützung der Betroffenen

  • Empfänger: Rote Hilfe OG Stuttgart
  • IBAN: DE66 4306 0967 4007 2383 13
  • BIC: GENODEM1GLS
  • Stichwort: linksunten

Demonstrationsrecht verteidigen! Aufruf zum Widerstand gegen den Abbau unserer demokratischen Grundrechte

Von den USA bis zur Türkei, von Frankreich bis Ungarn rücken Regierungen nach rechts, heben durch die Verfassung gesicherte demokratische Grundrechte auf, verbieten und unterdrücken Proteste und Streiks und gehen den Weg in einen Polizeistaat. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland liegt in diesem Trend: In den letzten zwei Jahren hat auch sie demokratische Grundrechte von Millionen hier lebenden Migrant*innen massiv beschnitten, insbesondere 2016 im Zuge des „Asylpaket II“; mit verfassungswidrigen Methoden hat sie viele Migrantenorganisationen verfolgt und kriminalisiert, beispielsweise kurdische und türkische Frauen-, Studenten- und Arbeiterorganisationen wie NAV-DEM, ATIK und YXK.

Seit den jüngsten Gesetzesänderungen durch die Bundesregierung (u.a. §113, 114 StGB sowie Massen-Überwachung von WhatsApp/facebook), der Initiative zur Einschränkung des Streikrechts („Tarifeinheit“) und den schweren Grundrechtsverletzungen gegen Demonstrantinnen, Sanitäterinnen, Rechtsanwältinnen und Journalistinnen beim G20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017 ist es offensichtlich: Nach den Repressionen gegen Flüchtlinge und Migrantenorganisationen werden der gesamten sozialen Bewegung und der ganzen Bevölkerung der Bundesrepublik grundlegende demokratische Rechte genommen -“ insbesondere das Recht auf Versammlungsfreiheit.

Schon Wochen vor dem G20-Gipfel wurden unverzichtbare Bestandteile der Versammlungsfreiheit wie zentrale Übernachtungsmöglichkeiten in Protestcamps verboten; genehmigte Camps räumte die Polizei in den Tagen vor dem Gipfel gegen ausdrückliche Gerichtsbeschlüsse. Die Auftakt-Demo der Gipfelgegner am 6.7. wurde unter Einsatz von brutaler Gewalt, mit Wasserwerfern und Schlagstöcken polizeilich aufgelöst, obwohl von ihr keinerlei Eskalation ausgegangen war. Dutzende Demonstrantinnen wurden durch Polizeigewalt im Laufe der Demonstrationen schwer verletzt. Die Polizei griff sogar gekennzeichnete Anwältinnen, Sanitäterinnen und Journalistinnen tätlich an. Mehr als 30 missliebigen Journalist*innen entzogen die deutschen Behörden im Verlauf des Gipfels nachträglich die Arbeitserlaubnis vor Ort. Hoch gerüstete Spezialeinheiten stürmten mit Kriegswaffen in Hamburg Häuser, sie terrorisierten ganze Straßenzüge, während die behaupteten Anlässe keiner Überprüfung standhalten. Privatwohnungen und Jugendzentren wurden polizeilich „durchsucht“ und verwüstet.

Über 250 Demonstrantinnen wurden von der Polizei unter teils haarsträubender Begründung in oftmals überfallartigen Szenen von vermummten Polizeibeamtinnen festgenommen und tagelang unter folterähnlichen Bedingungen ihrer Freiheit beraubt, darunter fast der gesamte Jugendvorstand der ver.di-Jugend NRW-Süd und ein kompletter anreisender Bus der Jugendorganisation „Die Falken“. Zu den Haftmethoden zählten systematischer Schlafentzug, Demütigungen und Schläge. Mehr als einen Monat nach den Gipfelprotesten dauert die Freiheitsberaubung immer noch an, noch sitzen 31 Demonstrant*innen in Untersuchungshaft, der größte Teil von ihnen ausländischer Herkunft. Die mittlerweile freigelassenen ver.di-Mitglieder werden weiterhin mit mehrjährigen Gefängnisstrafen bedroht, die mit einer Reihe von neuen Gesetzen durchgesetzt werden sollen.

Bereits wenige Wochen vor dem G20-Gipfel reformierte die Bundesregierung die §113 und 114 des Strafgesetzbuches („Widerstand oder tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamte“). Demnach droht in diesem Fall künftig eine Mindeststrafe von drei Monaten. Für den Vorwurf des Widerstands reicht dabei oft schon ein ängstlich weggezogener Arm. Zudem wurde der Katalog für besonders schwere Fälle, die mit sechs Monaten Mindeststrafe belegt sind, erweitert: Künftig reicht dafür u.a. auch die so genannte gemeinschaftliche Tatausführung -“ doch welche Demonstration, welcher Streik erfolgt nicht gemeinschaftlich?

Diese Gesetzesänderungen werden das gesamte Demonstrationsgeschehen in Deutschland nachhaltig verändern. Wenn jeder Demonstrant Angst haben muss, z.B. im Falle eines Handgemenges hinter Gittern zu landen -“ und zwar auch, wenn es von der Polizei ausging -“ werden sich viele von der Teilnahme an Kundgebungen, Demos oder Streiks abgeschreckt sehen. Die derzeitigen Gesetzesänderungen gehören zu den tiefsten Eingriffen in die Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes) seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland und höhlen damit ein elementares Recht völlig aus, das vom BVerfG als „ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren“ bezeichnet wurde. Weiterhin widersprechen sie der Menschenwürde (Art. 1), der Freiheit der Person (Art. 2), schränken die Meinungsfreiheit (Art. 5) massiv ein, die das BVerfG als eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt bezeichnete und richten sich nicht zuletzt gegen die Pressefreiheit. Die uns durch unsere Verfassung gewährten Rechte lassen wir uns nicht nehmen. Wir fordern:

  • Freiheit für die politischen Gefangenen von G20 und NAV-DEM/ATIK und Einstellung der Verfahren!

  • Verteidigung des Demonstrationsrechts: Weg mit der Reform der § 113 u. 114 StGB!

  • Verteidigung des Streikrechts: Weg mit der „Tarifeinheit“!

  • Verteidigung der Pressefreiheit: Weg mit der Repression gegen Journalist*innen!



Via demonstrationsrecht-verteidigen.de

Stuttgart: Linke Politik lässt sich nicht verbieten! Solidarität mit Indymedia Linksunten!

Wir unterstützen den Aufruf zu einer Protestkundgebung gegen das Verbot von Indymedia Linksunten:

Am Freitag, den 25. August gab das Innenministerium das Verbot der linken Informationsplattform Indymedia Linksunten bekannt. Polizeikräfte durchsuchten vier Wohnungen und das Kulturzentrum KTS in Freiburg, beschlagnahmten Speichermedien und Technik. Der Innenminister begründete den harten Schlag gegen das vielgenutzte Portal mit den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg. Die Kriminalisierung von Indymedia Linksunten ist das erste Resultat einer breiten Kampagne gegen linke Politik, die von bürgerlichen Parteien und Medien schon vor dem Gipfel ins Rollen gebracht wurde und nach ihm erst richtig in Fahrt kam. Von der revolutionären und radikalen Linken über linke Kulturzentren bis hin zur Linkspartei, wird alles diffamiert und angegriffen, was am neoliberalen Kurs der Herrschenden rüttelt: eine Bildzeitung, die ihre LeserInnen zur Fahndung nach AktivistInnen aufhetzt, Forderungen nach EU-weiten Dateien zur Erfassung von linken AktivistInnen, Debatten über die Schließungen von Räumlichkeiten. Alle politischen Kräfte, die sich nicht vom selbstbestimmten Widerstand gegen den Gipfel distanzieren, befinden sich mit auf der Abschussliste.

Es ist nicht nur die ausufernde Polizeigewalt während des Gipfels, die unzähligen verletzten AktivistInnen und die teils noch andauernden unbegründeten Haftstrafen, die mit dem Schlag gegen Links unter den Teppich gekehrt werden sollen. Es geht darum, politische Kräfteverhältnisse zu schaffen, in denen Widerstand zum Verbrechen gemacht wird, sobald er anfängt, sich zu artikulieren. Der direkte Protest gegen das immer zerstörerischere Wüten des kriselnden Kapitalismus, gegen Kriegspolitik, Sozialabbau, Abschottungspolitik, zunehmend unsichere und schlechte Arbeitsbedingungen, soll nicht als Anknüpfungspunkt zur Veränderung der Zustände, sondern als unmittelbare Gefahr für die Menschen der Gesellschaft verkauft werden. Eine Gefahr kann linker Widerstand durchaus sein - allerdings nur für diejenigen, die an der Verschlechterung der Lebensbedingungen von großen Teilen der Gesellschaft mitwirken und davon profitieren. Natürlich ist es kein Zufall, dass das harte staatliche Durchgreifen nur wenige Wochen vor der Bundestagswahl stattfindet. Die vermeintliche Bedrohung der "Inneren Sicherheit" ist schon seit Jahren ein Dauerbrenner in der Öffentlichkeitsarbeit der großen bürgerlichen Parteien.

Und jetzt? Es ist nicht klar abzusehen, wie sich die Offensive gegen Links weiter ausgestalten wird. Fakt ist: das Fundament dafür ist gelegt. Die Herrschenden schaffen eine Stimmung, in der die Einschränkung bürgerlicher Freiheiten, wie der Versammlungs- und der Pressefreiheit auf zunehmend fruchtaren Boden stößt, in der Proteste zur "Gefahr für Leib und Leben" hochstilisiert werden. Schließlich soll ein schwerbewaffnetes SEK, das wegen Steinen und Barrikaden Häuser stürmt, nicht als Ansatz zur weiteren Militarisierung der Gesellschaft wahrgenommen werden. Ein mutiger Einsatz zur "Rettung in der Not" liest sich wesentlich besser in der bürgerlichen Berichterstattung...

Das können wir nicht hinnehmen!
Wir befinden uns in einer Zeit, in der große Teile der lohnabhängigen Bevölkerung in immer schlechtere Lebensbedingungen gezwängt werden, in der Ausgrenzung und Abschottung wieder brutale und sichtbare Formen annehmen. Die Gesellschaft wird kompromisslos - und für viele inzwischen auch selbst spürbar - nach den Interessen des Kapitals ausgerichtet. Der Widerstand dagegen ist zwar folgerichtig, aber keine leichte Aufgabe. Er kann nur Früchte tragen, wenn wir ihn gemeinsam verteidigen, lautstark und selbstbewusst an seiner Notwendigkeit festhalten. Wir haben so viele Anknüpfungspunkte, anhand derer wir Menschen für den Kampf für eine bessere Gesellschaft begeistern können und wir erleben täglich, wie dieses System Perspektivlosigkeit und Verzweiflung produziert. Es ist jetzt unsere Aufgabe, die Stimmen zu erheben, anstatt in Resignation zu verfallen, solidarisch zusammenzuhalten, anstatt uns verunsichern und vereinzeln zu lassen!

Kommt zur Solidaritätskundgebung zur Verteidigung linker Politik gegen staatliche Kriminalisierung! Zeigen wir gemeinsam, dass ihre Verbote nicht über die tagtäglichen Verbrechen der herrschenden Ordnung hinwegtäuschen können. Eine Politik des Widerstandes braucht widerständige Medien, die sich nicht von den politischen Koordinaten der Herrschenden und dem lukrativen Handel mit Informationen lenken lassen.

Wir sind alle Linksunten!

Kundgebung am Rotebühlplatz / Stadtmitte
Donnerstag 31. August / 18 Uhr

Aufarbeitung der Vergangenheit

Theodor W. Adorno (vorne rechts) mit Max Horkheimer (links) und Jürgen Habermas (hinten rechts) in Heidelberg, 1964 Foto: Jeremy J. Shapiro / CC-BY-SA-3.0

"Die Idee der Nation, in der einmal sich die wirtschaftliche Einheit der Interessen freier und selbstständiger Bürger gegenüber den territorialen Schranken der Feudalismus zusammenfaßte, ist selbst, gegenüber dem offensichtlichen Potential der Gesamtgesellschaft, zur Schranke geworden. Aktuell aber ist der Nationalismus insofern, als allein die überlieferte und psychologisch eminent besetzte Idee der Nation, stes noch Ausdruck der Interessensgemeinschaft in der internationalen Wirtschaft, Kraft genug hat, Hunderte von Millionen für Zwecke einzuspannen, die sie nicht unmittelbar als die ihren betrachten können. Der Nationalismus glaubt sich selbst nicht ganz mehr und wird doch benötigt als wirksamstes Mittel, die Menschen zur Insistenz auf objektiv veralteten Verhältnissen zu bringen."

Theodor W. Adorno: "Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit" Gesammelte Schriften 10.2. Kulturkritik und Gesellschaft II: Eingriffe. Stichworte. Anhang by Theodor W. Adorno (Suhrkamp: Frankfurt/Main, 1977) 555-572.

72. Jahrestag - Hiroshima mahnt

Heute ist der 72. Jahrestag des Atombombenabwurfes auf Hiroshima.

Es waren nur wenige Wochen zwischen dem ersten Atomtest im US-Bundesstaat New Mexico und dem ersten Praxistest in Hiroshima. Am 16. Juli 1945 war die im Manhattan-Projekt entwickelte Atombombe auf dem Testgelände bei Alamogoro gezündet worden; ihre Sprengkraft betrug 21 Kilotonnen TNT. Die Explosion war erfolgreich, aber über die tödliche Wirkung konnte der Test nichts Definitives aussagen. 20 Tage später detonierte die 12,5-Kilotonnen-Bombe mit dem niedlichen Namen "Little boy" in Hiroshima, drei Tage später eine weitere Bombe namens "Fat Man" über Nagasaki. Die Wirkung der Bomben war kolossal: Zwischen 90.000 und 200.000 Menschen starben unmittelbar. Weitere 130.000 Menschen starben bis Jahresende. Bis 1950 war die Zahl der Spätopfer in beiden Städten auf insgesamt 230.000 gestiegen. Strahlenopfer sind auch heute noch in der dritten Generation zu beklagen.
(RedGlobe)

„Der obige Befehl ergeht an Sie auf Anweisung und mit Zustimmung des Kriegsministers und des Generalstabschefs der amerikanischen Streitkräfte.“
(Befehl an den General Carl Spaatz, Oberkommandierender der amerikanischen strategischen Luftwaffe für den Abwurf der Atombombe auf Hiroshima)

„Ich habe nie bereut und mich nie geschämt, denn ich glaubte damals, dass ich meine patriotische Pflicht tat, als ich den Befehlen folgte, die man mir gab.“
(Oberst Paul W. Tibbets, der die Atombombe über Hiroshima ausklinkte)

Der Atompilz über Hiroshima fotografiert aus dem Heck der Enola Gay
Bildquelle: WikiPedia

Obwohl Japan zum damaligen Zeitpunkt militärisch bereits am Ende war, nahm die U.S. Militärführung unter der Führung von US-Präsident Truman zehntausende von Opfern in Kauf: 140.000 starben bis Ende 1945 an den Folgen des Abwurfs.

Der zweite Atombombenabwurf auf Nagasaki geschah drei Tage später, am 9. August 1945. Die Opfer steigerten sich dadurch auf über 250.000.

Opfer des Atombombenabwurfs in Hiroshima
Bildquelle: WikiPedia

Lesetipps zum Thema vom Lebenshaus Alb:
"Der Fluss war voll von toten Menschen und ich konnte die Wasseroberfläche überhaupt nicht mehr sehen"
"Ich fühlte, dass die Stadt Hiroshima auf einen Schlag verschwunden war"
Was den Menschen von Hiroshima und Nagasaki Grauenhaftes widerfahren ist
Nacht der 100.000 Kerzen zum Hiroshimatag - “Verhängnisvollste Erfindung der Menschheitsgeschichte-

Siehe auch:
"Erklärung der Weltkonferenz gegen Atomwaffen 2010", dokumentiert bei der "jungen Welt"
Democracy Now! Archive zu Hiroshima und Nagasaki
• Die Geschichte von Shin's Dreirad

Georg Kreisler zum 95. Geburtstag

Heute wäre Georg Kreisler 95 Jahre alt geworden. Aus dem Anlass einer seiner großen Hits:

Meine Freiheit, Deine Freiheit

Freiheit hat mit Deutschland selbstverständlich was zu tun
Sofern man wirtschaftlich dazu was beiträgt
Manche müssen unfrei bleiben - keiner ist imun
Wenn er den Zug versäumt, er ihn dann freiträgt
Wenn er den Zug nicht sieht und alles komplizieren muss
Tja, da wird es Regeln geben, die er respektieren muss
Dann wird ihm sein Arbeitgeber vielleicht sagen:

Meine Freiheit muss noch lang nicht deine Freiheit sein
Meine Freiheit ja, deine Feiheit nein
Meine Freiheit wird von der Verfassung garantiert
Deine hat bis jetzt nicht interessiert
Meine Freiheit heißt, das ich Geschäfte machen kann
Und deine Freiheit heißt, du kriegst bei mir 'nen Posten
Und da du meine Waren kaufen musst, stell ich dich bei mir ein
Dadurch verursacht deine Freiheit keine Kosten

Und es bleibt dabei:
Dass meine Freiheit immer wieder meine Freiheit ist
Deine Freiheit bleibt - meine einverleibt
Und wenn ich meine Freiheit nicht hab, hast du deine Freiheit nicht
Und meine Freiheit wird dann durch zu deiner Pflicht
Also verteidige meine Freiheit mit der Waffe in der Hand
Und mit der Waffe in den Händen deiner Kinder
Damit von deinen Kindern kein Freund der Arbeit je vergisst, was Freiheit ist

Meine Freiheit sei dir immer oberstes Gebot
Meine Freiheit bleibt - treu bis in den Tod
Und wenn dir das icht logisch vorkommt, dann denk an eines bloß:
Ohne meine Freiheit bist du arbeitslos!
Ja, Freiheit ist was anderes als Zügellosigkeit
Freiheit heißt auch Fleiß, Männlichkeit und Schweiß
Ich werd' dir sagen, was ich heutzutag als Freiheitlich empfind:
Die Dinge so zu lassen wie sie sind!
Drum' ist in jedem Falle meine Freiheit wichtiger als deine Freiheit je
Meine Freiheit yes, deine Freiheit nee
Meine Freiheit ist schon ein paar hundert Jahre alt
Deine Freiheit kommt vielleicht schon bald!

Aber vorläufig ist nichts noch nichts aus deiner Freiheitsambition
Du hast noch keine Macht und keine Organisation
Ich wär' ja dumm, wenn ich auf meine Freiheit dir zu lieb' verzicht
Drum' behalt ich meine Freiheit
Du kriegst deine Freiheit nicht - noch nicht!!!

Auf dem Wasser liegen und friedlich in den Himmel schauen

Theodor W. Adorno (vorne rechts) mit Max Horkheimer (links) und Jürgen Habermas (hinten rechts) in Heidelberg, 1964 Foto: Jeremy J. Shapiro / CC-BY-SA-3.0

"Vielleicht wird die wahre Gesellschaft der Entfaltung überdrüssig und läßt aus Freiheit Möglichkeiten ungenützt, anstatt unter irrem Zwang auf fremde Sterne einzustürmen. Einer Menschheit, welche Not nicht mehr kennt, dämmert gar etwas von dem Wahnhaften, Vergeblichen all der Veranstaltungen, welche bis dahin getroffen wurden, um der Not zu entgehen, und welche die Not mit dem Reichtum erweitert reproduzierten. Genuß selber würde davon berührt, so wie sein gegenwärtiges Schema von der Betriebsamkeit, dem Planen, seinen Willen Haben, Unterjochen nicht getrennt werden kann. Rien faire comme une bête, auf dem Wasser liegen und friedlich in den Himmel schauen, "sein, sonst nichts, ohne alle weitere Bestimmung und Erfüllung" könnte an Stelle von Prozeß, Tun, Erfüllen treten und so wahrhaft das Versprechen der dialektischen Logik einlösen, in ihren Ursprung zu münden."

Theodor W.Adorno - Minima Moralia

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