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kritisch-lesen.de Nr. 8 - Sommerpause

Jeden Abend werfe ich
Eine Zukunft hinter mich
die sich niemals mehr erhebt.
Denn sie hat im Geist gelebt.
Neue Bilder werden, wachsen;
Welten drehn um neue Achsen,
werden, sterben, lieben, schaffen.
Die Vergangenheiten klaffen.
Tobend, wirbelnd stürzt die Zeit
in die Gruft. -“ Das Leben schreit!


Der Auszug aus dem Gedicht „Ich bin ein Pilger -“ oder: Die beschauliche Suche“ von Erich Mühsam leitet die letzte Ausgabe vor einer kleinen kritisch-lesen.de-Auszeit ein. Wir wollen den August nutzen, um die ersten vier Monate unseres Projekts auszuwerten und technische Änderungen vorzunehmen. Anfang September erscheint dann die nächste Ausgabe. Schon vor der Auswertung können wir sagen, dass wir bisher vom Zuspruch sehr positiv überrascht sind. Nicht nur die Klickzahlen steigen von Ausgabe zu Ausgabe, vor allem die vielen Rückmeldungen von Leser_innen, Freund_innen und/oder (potenziellen) Autor_innen ermutigen uns. Mitte August trifft sich für drei Tage die Redaktion, um über konzeptionelle und technische Änderungen zu beraten. Wir würden uns sehr über weiteres Feedback freuen. Wenn ihr meint, wir sollten einen Schwerpunkt über dieses oder jenes Thema machen, oder ihr die Seite unübersichtlich oder verbesserungswürdig findet -“ oder andere Vorschläge habt, scheut euch nicht, uns die mitzuteilen. Einfach eine Mail an uns schicken: info[ät]kritisch-lesen.de.

Aber vor unserer kleinen Relaunch-Sommerpause haben wir noch ein paar Sommer-Leseempfehlunger für euch: Zu Anfang fragt sich Fritz Güde in seiner Rezension Wagenknechts Verführung durch das Positive zu dem neuen Buch von Sarah Wagenknecht, ob die plötzlichen Sympathien der Autorin für die Soziale Marktwirtschaft einer strategischen Positionierung für kommende Möglichkeiten geschuldet sind. In dem Band Von Jakarta bis Johannesburg sieht Regina Wamper anschließend eine gelungene Zusammenfassung unterschiedlicher anarchistischer Theorien und Praxen, weil das Buch die verschiedenen Kontexte, aber auch Gemeinsamkeiten herausarbeitet. Sebastian Kalicha beurteilt in Anarchismus in der Sprechblase den Comic Geschichte des Anarchismus als leicht verständlichen Einstieg in den Anarchismus, aber auch als Bereicherung für alle, die sich bereits (lange) mit diesem Thema beschäftigen. In der Rezension zu Das Leben in Rot merkt Rezensent Fritz Güde an, dass der Versuch, den Polizeistaat unter Franco in Spanien aus verschiedenen subjektiven Sichtweisen zu durchdringen wegen der Verschleierung subjektiver Beliebigkeit nicht gelungen ist. Katharina Kaps bespricht sodann in Körperperspektiven die 43. Ausgabe der arranca!, die sich mit dem Thema Körper in verschiedenen politischen Kontexten beschäftigt. Kaps konstatiert ein umfassendes Angebot an Einstiegstexten, welche auch die Notwendigkeit des Handelns im Alltag aufzeigen. Schließlich empfiehlt Rachel in der Rezension Unsichtbare Selbstverständlichkeiten das Buch Schöner kommen, ein Ratgeber für lesbischen Sex -“ für alle, die sich inspirieren lassen wollen.

Aus dem Archiv offenbaren wir dieses Mal zwei Biographien. Zum einen empfiehlt Sebastian Friedrich Georg Kreislers autobiographisches Werk Letzte Lieder, zum anderen sei auf Sabine Kebirs gelungene Arbeit Helene Weigel -“ Abstieg in den Ruhm hingewiesen.

An dieser Stelle noch -“ wie immer -“ der Hinweis auf den kritisch-lesen.de-Newsletter: Wer immer pünktlich über die neuste Ausgabe informiert werden möchte, der_die trage sich einfach in der rechten Spalte ein -“ oder „freunde“ sich bei Facebook mit uns an.

Viel Spaß beim (kritischen) lesen!

Aktuelle Rezensionen

Wagenknechts Verführung durch das Positive

Sahra Wagenknecht - Freiheit statt Kapitalismus

Sahra Wagenknecht verhilft in ihrem neuen Buch Erhard und seinen Kumpanen zu einem sozialen Glanz, den man ihnen nicht zugetraut hätte. Mit Recht?

Von Fritz Güde

Globale libertäre Netzwerke

Sebastian Kalicha / Gabriel Kuhn (Hg.) - Von Jakarta bis Johannesburg: Anarchismus weltweit

Ein Sammelband über den Anarchismus in seinen weltweiten Verschiedenheiten.

Von Regina Wamper

Anarchismus in der Sprechblase

Findus - Kleine Geschichte des Anarchismus: Ein schwarz-roter Leitfaden

Ein abwechslungsreicher Comic über Anarchismus.

Von Sebastian Kalicha

Blendende Staatsgewalt- geblendeter Autor

Isaac Rosa - Das Leben in Rot

Indem der Autor sich zur präzisen Wahrheitsüberlieferung als unfähig bekennt, beweist er die Unabschaffbarkeit des verleugneten Polizeistaats.

Von Fritz Güde

Körperperspektiven

arranca! - #43 - Bodycheck und linker Haken

Die arranca! #43 stellt „den“ Körper ins thematische Zentrum und lässt wie immer viele unterschiedliche Positionen zu Wort kommen.

Von Katharina Kaps

Unsichtbare Selbstverständlichkeiten

Manuela Kay & Anja Müller (Hg.) - Schöner kommen: Das Sexbuch für Lesben

Das Sexbuch für Lesben

Das „Drei-In-Eins-Produkt“ liefert nicht nur Antworten auf wichtige Fragen, sondern trägt letztendlich auch zur Sichtbarkeit von lesbischem Sex bei.

Von Rachel

Rezensionen aus dem Archiv

Letzte Lieder

Georg Kreisler - Letzte Lieder. Autobiografie

Georg Kreisler veröffentlichte jüngst seine Autobiographie. Der Versuch einer Rezension.

Von Sebastian Friedrich

Helene Weigel

Sabine Kebir - Helene Weigel - Abstieg in den Ruhm

Sabine Kebir schildert die Geschichte der künstlerisch-intellektuellen Symbiose von Helene Weigel und Bert Brecht als trotz allem geglücktes Arbeitsverhältnis.

Von Fritz Güde

Erstveröffentlichung bei kritisch-lesen.de

10 Minutentakt. Stuttgarter Initiativen stellen sich vor

Grafik: Wüttembergischer Kunstverein
Am 17.07. ab 14 Uhr Präsentationen verschiedener Stuttgarter Gruppen aus den Bereichen Stadtentwicklung, Recht, Ökonomie, Architektur, Kultur, ziviler Ungehorsam, Medien et cetera

Mit: Unsere Werkstadt, Bündnis für Versammlungsfreiheit, Aktionskonferenz, ArchitektInnen für K21, Kunstverein Wagenhallen, Gegenlicht 21, Dauermahnwache, Planungszellengruppe, Parkschützer, Pavillon, Esky Bail Kunstwiderstand, Karin Eizenhöfer, Frauengruppe ZugumZug, Anstifter, AK Bürgertribunal 30.09.2010, Lern + Gedenkort "Hotel Silber", Demokratie-Initiative 21, Bündnis gegen s21, UnternehmerInnen gegen S 21, wessen-zukunft, S21 ist überall_s21 und anderen

Ab 19 Uhr Filmprogramm: Urbane Komödien

Mit Filmen und Filmbeispielen von:
The RSA (David Harvey. The Crisis of Capitalism, UK 2010); Charles Ferguson (Inside the Job, USA 2010); Florian Opitz (Der große Ausverkauf, D 2006; Ausschnitte); Alexander Kluge (Früchte des Vertrauens, D 2009; Ausschnitte)

Campus Stadt. Noch bis zum 29. Juli 2011: Württembergischer Kunstverein Stuttgart, Schlossplatz 2, 70173 Stuttgart

Weitere Infos zu "Campus Stadt"

"Der Staat ist ein Heide" - mit dem Strumpf überm Kopf!

Franz von Bourbon, König von Frankreich, hatte Karl V. - der ihn besiegt hatte - bei seiner Seligkeit geschworen, freiwillig in die Gefangenschaft zurückzukehren. Kaum wieder in Frankreich, sagte er sich vom Eid los mit der Begründung: "Der Staat ist ein Heide". Damit schuf er neben sich als sterblicher Person ein unsterbliches Wesen, an das moralische Ansprüche nicht gestellt werden durften: den STAAT. Dieser sollte einfach nach seinem Vorteil handeln, ohne sich um Rittersitten und höheres Ethos zu kümmern.

Dass nach diesem Muster seither verfahren wurde, ist unbestreitbar. Es handelt sich da um das, was Merkel unnütz im Munde führt: Staatsraison. Maßnahmen, die der Macht des Gemeinwesens dienen. Lug und Trug, Bestechung und Erpressung, schließlich Waffengewalt - alles darf - muss - herhalten, wenn es um Machterweiterung geht.

Soweit nichts Besonderes - und von allen Gemeinwesen befolgt, solange sie sich als Staaten verstehen. Wesen außerhalb der gängigen Moral.

Darum handelt es sich selbstverständlich auch bei den Panzerlieferungen an Saudi-Arabien - besonders geeignet für den Häuserkampf und das Niederwalzen empörter Massen auf den Straßen, wie die Krauss-Maffei stolz verriet.

Die Befragung der Regierung verlief nach den Regeln des Kaspertheaters. Gab es überhaupt eine Lieferung? Gab es jemals eine Sitzung des Geheimen Rates, der die Lieferung genehmigte? Das konnte leider nur im strengsten Konjunktiv besprochen werden. Schwankend zwischen Irrealis und Optativ. Wenn es denn eine Zusage gegeben hätte, wäre diese auch in Rücksicht auf Arbeitsplätze erfolgt? Usw.

Die Opposition wetterte. Mit vollem Recht. Trittin geißelte Niedertracht und Schamlosigkeit einer Regierung, die den schlimmsten Unterdrückern beisprang, Handabhackern, Auspeitschern.

Dass die Schröders und Fischers die Geheimhaltung zu ihrer Regierungszeit eingeführt hatten, bekamen wiederum sie um die Ohren gehauen. Also - was sollten zwei Stunden Geschrei?

Tatsächlich. Staatsraison. Ganz ohne die geht es nicht, solange Staaten kultiviert werden. Siehe oben. Die Abmachungen zwischen Stalin und Hitler als verhängnisvolles Beispiel dafür. Und ein Beweis, dass es beim Streit um Abkommen nicht um einen zwischen rechts und links gehen kann.

Trotzdem: das Ärgernis bleibt. Warum? Wegen der Verlogenheit eines Regierungshandelns, bei dem am Sonntag den Gefallenen im Bürgerkrieg nachgeschluchzt wird, um am Montag die Schlächtermeister aus übergeordneten Gründen zu umarmen. Friedrich II. von Hohenzollern und Bismarck handelten skrupellos wie Franz I. Aber sie standen dazu. Es gab dazwischen keine öffentliche Seelenreinigung. Der heutige angeblich demokratische Staat, dem Willen des Parlaments unterwürfig, bringt den Mut zu seinen Prinzipien nicht mehr auf. Da kriegt in den Feieransprachen jede Handlung einen Heiligenschein  auf die Fratze gedrückt. Alles geschieht fürs Gute, Schöne, Wahre. Am nächsten Tag wird hemmungslos bestochen und erpresst. Die grundsätzliche Verlogenheit der Tugendbolde, die uns regieren, macht sie verächtlicher als alle ihre Vorläufer. Die Gewissheit, dass die heiligsten Bekenntnisse heutzutage nichts sind als Gurgeln im Gebläse.

Die Ankläger der Regierung sind nicht besser als die Regierung selbst. Sie handelten wie diese - und werden weiter so handeln. Insofern: Alles Theater?

Dann nicht, wenn der heuchlerische Aufschrei zu Ende gedacht wird. Dahingehend, dass das Unglück am Staatswesen selber haftet. Am Gesetz, das man erst fabriziert, um es im nächsten Augenblick als unveränderlich zu verehren. Devot vor dem eigenen Machwerk. Damit die Ausrede Staatsraison nicht mehr zieht, muss der Staat als Organisationsform selber fallen. Bis dahin wird es noch viele Aufführungen der entflammten Empörung geben - und aller zugedeckten Scham.

Griechenland: Zeitweise Selbstversorgung und internationale Hilfe

Die EU hat es mit den gemeinsten Erpressungen geschafft: In Griechenland gibt es keine Demokratie mehr. Jedenfalls keine,die über ein Parlament ausgeübt wird. Die griechische Mehrheit im Parlament beschloss den sicheren Untergang der eigenen Volkswirtschaft. In der - etwas irren - Hoffnung - wenigstens die Sesselchen für die eigenen Hintern warm zu halten. Eine Saftgurke im deutschen Regierungsfass schmatzte freudig auf und ließ etwas verlauten vom Glückstag für Europa. Und dann, um alle bisherige Heuchelei noch zu überbieten, noch etwas vom bevorstehenden Wirtschaftsaufschwung Griechenlands.

Das muss man sich mal genau vorstellen. In einem sowieso armen Land liegt es nahe, den Aufschwung bei dem anzufangen, was man schon hat. Also in Griechenland: Tourismus. Etwa - in Gottes Namen - Zuschüsse für Kneipen am Strand. Was aber erzwingen Merkel und ihresgleichen? Eine Erhöhung der bisher ermäßigten Mehrwertsteuer auf den noch zu beschließenden Höchstsatz. Für Kneipen-Essen. Mindestens zehn Prozent Preissteigerung. Ungerechnet dabei die ebenfalls erhöhten Preise aller Lebensmittel, die natürlich ein Essen weiter verteuern. Ganz ohne VWL-Studium voraussagbar: Die nicht so zahlungskräftigen Kunden - die Mehrheit - wird sich aufs Strand-Picknick verlegen. Pleiten massenhaft vorauszusagen.

Das nur ein winziges Beispiel. Es wird nicht einmal mehr von Hilfe gelogen. Es geht um Absahnen der -noch! -einträglichen Staatsbetriebe-und danach wird das Land seinem Schicksal überlassen. Mit oder ohne Schuldenerlass, nachdem gewiss nichts mehr zu holen sein wird. Wirtschaftlich ist das ein Destruktionsprogramm. Wahrscheinlich bei den weiterdenkenden Europa-Imperialisten der Zentralländer nur noch zur Abschreckung zu gebrauchen. Michael Martens in der FAZ vom 29.6. führt das aus - sadistisch-präzis.

Es geht um Abschreckung durch öffentliches Foltern. Nur dass Portugal und Spanien nicht viel zuzusetzen haben, um den angeblichen Fehler der Griechen zu vermeiden.

Was bleibt der Mehrheit, die jetzt noch demonstriert? Sie wird das in dieser Verdichtung nicht unendlich lange durchhalten können. Die zu erwartenden Störungen und Zerstörungen von Verkaufsobjekten des griechischen Staates haben ihr Recht für sich. Warum die Ausbeuter am erpressten Verkauf noch profitieren lassen? Aber das reicht nicht aus.

Bürgerkrieg der Situation nach zeichnet sich ab. Aber einer, bei welchem der unterlegenen Masse die Angriffswaffen fehlen und auch nicht viel nützen würden. Es wird tatsächlich nichts übrig bleiben,als ein fundamentaler Rückzug. Aufs weithin verlassene Land. Auf erweiterte Genossenschaftsproduktion. Auf Direktverkauf ganz ohne Mehrwertsteuer. Wie in Bauernläden - aufsichtslos, unter der Hand. Es wird - so oder so - zu großen und bitteren Einbußen kommen im individuellen und auch im angedeuteten kollektiven Konsum. Aber damit auch zum Zusammenbruch der restlichen Gewinn-Phantasien von Großhandel, Staat und verrottendem Parlament.

Es wird nicht gehen ohne breite Hilfsaktionen, Hilfsbewegungen von den Resten demokratisch orientierter Gruppen in ganz Europa. Mit richtigen Sammelaufrufen. Mit Leuten, die sich bereit finden, Spenden an persönlich benannte, benennbare, zur Verantwortung zu ziehende Vertrauensleute der verschiedenen Genossenschaften. Unter Ausschließung aller Banken.

Es ist wenig, das einem einfallen kann angesichts entsetzlicher Schläge unter dem Beifallsjohlen der europäischen Banken und ihrer willfährigen und ergebenen Staats-Darsteller. Es muss aber etwas gedacht werden, gedacht werden können angesichts der zu Tage tretenden Zerstörungsabsichten in Europa gegenüber den abzustoßenden Randländern.

Sie haben es geschafft! Schwarz-Grün rückt nahe

Grüne: Ja-Sager stehen bei Merkel an! Regierungsbeteiligung? Aber dalli....
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Armin Linnartz
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Grüne: Ja-Sager stehen bei Merkel an! Regierungsbeteiligung? Aber dalli....
Man durfte Grüns ein paar Stunden lang über PHOENIX zuschauen! Roth keifte hysterisch, Trittin gab sich staatsmännisch, dazwischen eine Truppe, die die Nachdenkerunzeln über noch glatte Stirnen breitete.

"Natürlich sind wir Grünen viel  unzufriedener als andere, aber was macht das für einen Eindruck?" Am peinlichsten ein Ex-Staatssekretär Baake, der unter Trittin gedient hatte. Erst breitete er alle  Einwände aus, die jedem schon gekommen waren, dann aber die triumphale Wende zum JA: Wie wird das im Ausland wirken! Die viertgrößte Industrie-Nation traut sich ein NEIN zu - Nein zum Atom.

Reklame ist alles! Er zeigte vielleicht am deutlichsten, worum es den Leithammeln an der Spitze ging: Nie mehr als Nein-Sager dastehen. Das wurde unter dem Fachausdruck "Glaubwürdigkeit" verhandelt. Was half es den Verbänden, die draußen zu warten hatten? Was half es Ströbele, der die vereinigten Hörer daran erinnerte, was sie vor ein paar Monaten beschlossen hatten? Nach ihm redete Künast als  künftige Oberbürgermeisterin von Berlin und sprach recht unverhüllt aus: Wir wollen an die Krippe! Wir wollen endlich mal dazugehören! Einfach rein!

Mit dem oft gerühmten Realo-Tum eines Fischer, ja selbst dem Lallen eines Cohn-Bendit hat das wenig zu tun. (Bendit jubelte inhaltlos eine Seite FR entlang). Wenn Realo überhaupt etwas bedeutet, dann Überprüfung der Ziele plus Überprüfung der eigenen Position nach der Zustimmung zu einem Ziel. Dann ergibt sich aber: die Zustimmung der Grünen zu Merkels Tricks ist gar nicht nötig. Die SPD steht ja wie immer bereit.

Dann geht es also wesentlich um Feilbietung. Selbstvermarktung für künftiges Mitmachen. Durch Dick und Dünn, wie schon unter Schröder.

Merkel wird satt schmatzen.  Hat sie doch Wählerinnen und Wähler zusammengetrieben zum einstimmigen Mäh. Die letzten Linken, die noch nicht hinter dem Hirten hertraben, zum endgültigen Abschuss freigegeben. Wie sehr solches Zusammenklumpen ihren Begierden entspricht, zeigt die Verwarnung des griechischen Oppositionspolitikers, de  an Papandreous Unterwerfung sich nicht beteiligen wollte. (Er ist Reaktionär aus Überzeugung und spekuliert auf Neuwahlen. Das kann allerdings das Recht einer Opposition, gegen die Regierung zu stimmen, nicht beeinträchtigen). Merkel, die zunächst die Erpressung der griechischen Regierung am weitesten vorangetrieben hatte, also gepresst und getreten, wo und wie sie konnte, überbietet die gewohnte Schamlosigkeit noch einmal: das ganze Vaterland soll hinein - in die aufbereitete Gülle.

Das zeigt einfach, dass Merkel mit vornedran darauf drängt, dass die alten Regeln der Demokratie in ganz Europa aus den Angeln gehoben werden. Nicht mehr das Wechselspiel von Regierungspartei und Opposition! Überleben soll die Volksgemeinschaft unter scharfer Aufsicht, im eigenen Land wie in denen der Abhängigen und Unterworfenen. Alle antreten - blockweise!

Dass die Grünen diese Tendenz freiwillig mitunterstützten, wird sich kurzfristig auszahlen. Auf längere Zeit hin - wenn nämlich das gesamte Betrugssystem in Schwierigkeiten geraten sein wird-  werden sie die Schande nicht mehr von sich abwischen können.

Weit über 2.000 Streikende bei Versicherungen - Kundgebungen in Karlsruhe und Stuttgart

Demozug über die Theodor Heuss Straße
Weit über 2.000 Beschäftigte der Versicherungskonzerne in Baden-Württemberg haben heute laut einer Pressemitteilung des ver.di-Landesbezirks Baden-Württemberg ganztägig die Arbeit nieder gelegt. Sie protestieren damit gegen die Forderung der Versicherungsunternehmen, eventuelle Lohnerhöhungen durch Kürzungen von Leistungen im Manteltarif auszugleichen. Schwerpunkte des ganztägigen Ausstandes sind Karlsruhe, Mannheim und Stuttgart. In Stuttgart gab es zwei größere Demozüge beginnend von der Allianz in der Reinsburgstraße sowie von der Allianz Uhlandstraße zum Schlossplatz. Am Schloßplatz fand eine Kundgebung statt, bei der das "Angebot" der Versicherungsunternehmer, das deutlich unter der Inflationsrate liegt, unter Beifall kritisiert wurde.

Die bisherigen drei Verhandlungsrunden für die 175.000 Beschäftigten der Branche sind am 31. Mai ohne jedes Ergebnis abgebrochen worden. ver.di verlangt eine Anhebung der Gehälter und Ausbildungsverütungen um sechs Prozent, mindestens aber 150 Euro. Darüber hinaus werden mehr Ausbildungsplätze und besserer Gesundheitsschutz für die KollegInnen gefordert

Die Unternehmerseite schlug zuletzt die ungewöhnlich lange Laufzeit eines neuen Tarifvertrages von 33 Monaten vor. Darin inclusive war eine Nullrunde von sechs Monaten vorgesehen. Die langen Laufzeiten werden in anderen Bereichen, wie der Metallindustrie von vielen IG Metall GewerkschafterInnen kritisiert: Niemand weiß, wie sich die Lebenshaltungskosten innerhalb einer derart langen Laufzeit entwickeln. Das angesichts der Protfitentwicklung in der Versicherungsbranche prekäre zuletzt abgegebene "Angebot" der Versicherungsunternehmen für die Gehälter sah eine Erhöhung ab Oktober um 2,0 Prozent und im nächsten Jahr um 1,5 Prozent vor.

Dessen Ablehnung fanden die meisten TeilnehmerInnen völlig berechtigt. Nicht nur, dass mit dem unakzeptablen Angebot eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt würde: Immer noch wird ein eventueller Abschluss bei den Gehältern durch die Versicherungsunternehmer von der Ausweitung befristeter Beschäftigung sowie von Niedriglohngruppen abhängig gemacht.

Im Streiklokal - dem DGB Haus in der Willi - Bleicher Strasse - endete der Demozug. Die TeilnehmerInnen trugen sich in die Streiklisten ab, es gab etwas zu Essen, anschließend gab es im großen Saal des Gewerkschaftshauses einen Erfahrungsaustausch und Diskussionen über den weiteren Verlauf der Tarifrunde.

FDP und Anne Will: Wähler behutsam abkochen!

Röslers oft wiederholte Pointe bei der Parteizelebration der FDP: Setzt man einen Frosch ins kochende Wasser, springt er sofort heraus. Setzt man ihn ins kalte, merkt er zunächst nichts. Auch nicht, wie das Wasser behutsam erhitzt wird. Wenn er dann aufmerksam wird, ist er für den Rettungssprung schon zu schwach.

Angeblich sollte das was sagen zu Röslers Charakter. Das habe ich nicht verstanden, ist aber auch egal. Viel wichtiger die Anwendung auf die Behandlung von Wählern. Langsam abkochen - nichts überstürzen - Ruhe verbreiten. Genau so waren auch die Vorschläge, die rundherum feilgeboten wurden. Mit Brüderle war ohnedies alles klar. Er hatte den Schmunzelmund hochgebunden und versuchte zu bellen. Es wirkte entschlossen - für ungefähr fünf Minuten. Sonst will die FDP ab jetzt allseitig zuschlagen. Nicht mehr nur auf eine Stelle. Am ganzen Leib soll es dieses Mal blaue Flecken setzen. Aber behutsam übers Körperganze hin dekoriert.

Bei "Anne Will" am Abend noch einmal das gleiche Rezept: Unendlicher Aufschub. Vor dem Zuschlagen.

Der Ankündigung nach sollte es große Gegensätze geben. Die einen für hair-cut der griechischen Schulden, die anderen für tapferes Weiterzahlen bis zum jüngsten Gericht.

Im Lauf der Diskussion stellte sich aber heraus, dass vier von den fünf Diskutanten völlig einer Meinung waren: am Ende muss natürlich der Schuldenschnitt kommen. In den ihnen vergönnten Minuten ruhiger Überlegung legten die Erregten einander dar, dass man von einer Schuldenhöhe wie der Griechenlands nie runterkommt. Durch alles Sparen nicht. Wenn es stimmt, dass der Export nur acht Prozent ausmacht vom griechischen Sozialprodukt, ergibt sich das für einen flinken Rechner von selbst. Die ehemals für die Familien Geld einschickenden in Deutschland arbeitenden Griechen haben inzwischen in der Regel Familien hier gegründet - und brauchen ihr Geld selbst. Und der Tourismus wird sich kaum schnell ankurbeln lassen. Die Zinseszinsregeln sind von der EU bisher auch noch nicht abgeschafft, soweit man hört. Also muss ohne Schuldenstreichung jedes Jahr mehr bezahlt werden.

Witzig beim Ganzen nur: die feurigen Befürworter des Weiterzahlens sahen das im Endeffekt nicht anders. Warum dann trotzdem weiterblechen -als ob nichts wäre? Einheitsantwort: "Beunruhigung absolut vermeiden". Überzeugend wurde ganz deutlich vorausgesehen, wie Banken und anschließend Wähler reagieren würden. Panik! Auflehnung! Durcheinander!

Also wurde erbittert der Aufschub empfohlen! Bis wann? Dahin denken wir jetzt noch nicht. Und sonst: Die Medien müssen her! Auch die Parteien! Alle staatlichen Organe. Und strengste Geheimhaltung ist unerlässlich.  Gnade Gott dem Spion, der ausgeplaudert hat, dass es wirklich die Geheimkonferenz über Griechenland gab, die es nicht geben durfte. Wegen der notwendigen Stillhaltung des verängstigten Publikums. Was Schäuble mit so einem anstellt, wollen wir uns gar nicht ausmalen. Damit wurde bei "Anne Will" das letzte Regierungsprinzip enthüllt, das alle Parteien eint. Aufschub! Dieses Jahr läuft doch alles noch! Und nächstes vielleicht auch noch. Und bei viel Glück - bis zu den Wahlen! Die FDP hat gute Vorsätze gefasst, um dabei weiterzumachen. Und wenn das nicht so hinhaut - SPD und GRÜNE stehen bereit. Zum Kaltwasserzugießen für das behutsam abzukochende Publikum. Und für die Banken natürlich auch.

PS: Hochhuth kapierte wirklich nichts. Und beschuldigte noch Schäuble wegen landesüblicher Gegenspionage gegen Untergebene. Der wird sicher nie mehr eingeladen.

Veranstaltungstipp: Lilo Herrmann - eine Stuttgarter Widerstandskämpferin

Am 12. Juni 1937 wurde die im kommunistischen Widerstand aktive Liselotte Herrmann vom Stuttgarter Volksgerichtshof wegen „Landesverrat und Vorbereitung zum Hochverrat“ zum Tode verurteilt. Trotz internationaler Proteste wurde das Urteil am 20. Juni 1938 in Berlin vollstreckt.

Im Rahmen der Veranstaltung möchten wir uns mit dem Leben von Lilo Herrmann befassen und darüber hinaus den Stuttgarter Widerstand während des Faschismus beleuchten.

Mehr Informationen unter: www.linkeszentrumstuttgart.org
Termin: Freitag, 13. Mai 2011 | Beginn: 19 Uhr

Referent: Lothar Letsche
(Historiker und Herausgeber verschiedener Publikationen zu Lilo Herrmann)

Ort: Linkes Zentrum Lilo Herrmann
Böblingerstr. 105, Stuttgart Heslach

Hassprediger in Nadelstreifen: Erpressung Griechenlands bis aufs Blut

Am Montag, den 9.5., öffnete REPORT MAINZ wieder einmal alle Schleusen des Himmels und der Empörung. Es war schon wieder ein Hassprediger aufgetreten. Der hatte für den toten Osama Bin Laden ein Totengebet sprechen wollen. Vogel verzichtete dann darauf, was die Sendung nur noch ganz flüchtig erwähnte. Zu Unrecht hatte die Stadtverwaltung Frankfurt sich in die Ausübung religiöser Riten eingemischt. Denn - sowohl nach katholischem wie nach islamischem Glauben - ist das Gebet für Tote, wer sie auch gewesen sein mögen, nicht verbunden mit einem Lobpreis für deren Leben.
Wie es selbst in den Hinrichtungsformeln zur Zeit der Weimarer Republik noch hieß: "Angeklagter, ihr Leben ist verwirkt. Gott sei ihrer armen Seele gnädig". Am Lebensrand hört die Zuständigkeit derer auf, die ihr "Justice is done"hinausbrüllen in alle Welt, und wären sie zur Schande des Komitees ausgerufene Friedensfürsten.Gott hatte bis dahin überall das letzte Wort.

Viel schlimmer als solche Vogels sind ganz andere Hassprediger. Sie schreiben in seriösen Blättern und haben doch nichts im Sinn als die Erregung der niedrigsten Wallungen im Volk der Steuerzahler.In dieser Richtung hat sich Gerd Höhler in der FR vom 10.Mai hervorgetan. In gleichem Sinn im TAGESSPIEGEL und in der ZEIT-online Ausgabe. Vermutlich unterwegs zur "Berliner Zeitung" -und zur Vorbereitung der neuen CDU-SPD-Presse-und Pressergemeinschaft. Wenn wir das mit der FDP erst mal hinter uns haben.

Höhler legt los und schildert ausführlich das Luxusleben eines griechischen Gewerkschafters.
Der kämpft gegen die Privatisierung eines Erdgaskraftwerks. Angeblich im Hinblick auf die wachsenden Kosten der griechischen Energieverbraucher, wenn irgend ein europäischer Konzern sich das unter den Nagel risse und dann gründlich "ausmistete". Luxus ohnegleichen wurde geschildert, alles auf Firmenkosten, ausgeteilt an Gewerkschafter, um die bei der Stange zu halten. Das mag so stimmen- oder auch nicht. Die Wirkung auf deutsche Zeitungsleser- und leserinnen ist klar: Er schnaubt. Sie mit. Wie jetzt schon den Kommentarzeilen z.B. in der vornehmen ZEIT zu entnehmen ist: Die mästen sich auf unsere Kosten.

Verschwiegen wird auf jeden Fall eines: der gewöhnliche Arbeiter - die Arbeiterin noch mehr - sind inzwischen froh, wenn sie auf neunhundert Euro Brutto kommen. Bei steigenden Lebenshaltungskosten
Der Artikel ist nichts als ein flammendes Plaidoyer fürs Opferbringen und für den Verkauf restlicher öffentlicher Besitztümer, zugunsten anlagegeiler zentraleuropäischer Institute. Selbstverständlich nur auf Griechenland, Irland, Portugal anzuwenden. Erst einmal.

Zugleich Regierungspropaganda. War das nicht einer der wenigen Publicity-Erfolge unserer Kanzlerin gewesen, dass sie Griechenland helfen wollte? Mit dem Rohrstock allerdings.

Auf der folgenden Seite der FR unterbreitet Anna Sleegers einige Vorschläge zur Rettung Griechenlands. Der von Oberpriester Sinn vorgeschlagene Totalrauswurf entfällt. Rückkehr zur Drachme. Dann könnten die bis jetzt aufgelaufenen Schulden nie zurückgezahlt werden.Mitgedacht allerdings auch: dann bekämen die europäischen Banken niemals auch nur einen Cent ihres Geldes zurück.

Scheinbar vernünftig werden in Vorschlag 1-3 mögliche Rückzahlungsstundungen erwogen. Pause für Griechenland. Mal drei Jahre lang -oder so. Nur vergessen dabei: für Institute wie Banken sind Stundungen nichts anderes als Verluste drei Jahre lang. Wann ist zum letzten Mal in Europa etwas gegen die vereinigte Bankenmacht durchgesetzt worden? Vor allem gegen den neuen Brauch mit Vierteljahrsergebnissen zu prunken. Da hat die sonst in den Himmel gehobene "Nachhaltigkeit" einmal nichts zu suchen.

Bleibt Bofingers Vorschlag Nr. 4. Marshall-Plan - dieses Mal von Gesamteuropa getragen. Hört sich gut an. Aber nur für Vergessliche. Die anderen erinnern sich an drei unerlässliche Bedingungen des Vorgehens der USA ab 1948. Einmal musste im Land selbst die Gefahr der Überproduktion abgewendet werden. Alle bisher auf Waffenproduktion ausgerichteten Produktionsstätten brauchten neue Absatzmärkte. Die hochgetriebene Fordisierung - nicht nur bei Ford selbst - erlaubte billigere Produktion als in Europa. Und schließlich das Wichtigste: den amerikanischen Geldinstituten quoll das Kapital aus den Taschen. Es musste angelegt werden. Hinzukam die politische Absicherung der mehr oder weniger abhängig gehaltenen Gebiete gegen die Versuchung dessen, was damals als Kommunismus ausgegeben wurde.

Was davon gibt es heute in Europa? Und vor allem: welche neuen noch nicht bestehenden Absatzmärkte sollen dort geschaffen werden, wo jeder Tourist jetzt schon freudig im Warenhaus dem ganzen deutschen Angebot wiederbegegnet

Die Art der von Bofinger vorgeschlagenen Incestitionen lässt tief blicken:"Gesamteuropäische Investitionen in die dortigen Verkehrsnetze oder den Energie-Sektor". Das führt zwanglos zu Höhlers Aufforderung zurück, jetzt endlich Ernst zu machen mit dem kostengünstigen Ausverkauf. Man kann sich denken, wer am Ende die Verkehrswege betreiben würde. Etwa Bahn AG? Und die Energieversorgung? EON vielleicht?

Am aussichtsreichsten scheint unter den schlechten Lösungen dann doch :Austritt aus der EU. Rückzahlungssperre der Schulden wie in Argentinien. Freilich: Das alles möglich nur durch Unterstützung nicht durch gegenwärtige Regierungen in Europa, die allesamt nach Merkels Pfleiflein tanzen (müssen?).

Sondern nur durch breite Volkserhebungen in Griechenland selbst und in den Nachbarländern, in denen versucht wird-durch gewerkschaftlichen Druck- wechselseitige Wirtschaftsabkommen- durchzusetzen. Dann erst bekäme Höhlers Zweitüberschrift - nur in print - ihre wahre Bedeutung: "Griechenlands Gewerkschaften bekämpfen Sparbemühungen".

Das gegenwärtige Zwangseuropa ist eine imperialistische Veranstaltung. Imperialismus- nicht mehr wie unter Kaiser Wilhelm und in beiden Weltkriegen betrieben in erster Linie durch den Einmarsch von Truppen. Sondern durch Anlegen von Zaumzeug- Bankenverpflichtungen. Rating-Urteilen, noch vor einem Jahr mit Recht als Zwangsjustiz verurteilt- inzwischen wieder unanfechtbar. Indirekte Erpressungen. Erzwingung einer Senkung des Lebensstandards in den betroffenen Gebieten bis zum Geht-nicht-mehr. Aber auch mit der ganzen Hinfälligkeit aller bisherigen Imperialismen, wie Lenin sie als erster aufgezeigt hat. Es gibt nicht die Aussicht auf den einen Superimperialismus, der alle andern zumindest zu seiner einheitlichen Ordnung zwingt. Am Ende kommt es immer zu Differenzen, wie jetzt im Eroberungsfeldzug gegen Libyen, dann zu Konflikten, schließlich zum Krieg. Wenn - altertümlich gesprochen - die Völker sich nicht zusammenschließen.
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