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„Die schützende Hand“: Aufklärung mit Beigeschmack

Buchcover
Über das Terrortrio vom NSU sind schon einige Krimis erschienen. Zu ihnen ist jetzt von Wolfgang Schorlau „Die schützende Hand“ dazugekommen. Wolfgang Schorlau hat sich einen Namen mit politischen Krimis gemacht. Schon länger war bekannt dass sich Schorlau für seinen neuen Krimi mit dem Komplex NSU beschäftigt.

Die Hauptperson seiner Krimis ist der Privatdetektiv Dengler. Er war früher beim BKA ist dann aber ausgestiegen und hat sich Selbstständig gemacht. Kontakte zu den früheren Kollegen beim BKA bestehen kaum noch. Lediglich seine ehemalige Geliebte ruft er an, wenn er Informationen braucht. Peinlich ist, dass sie ihm dann regelmäßig Anzüglichkeiten durchs Telefon zuflüstert.

Das Buch von Wolfgang Schorlau ist dem Genre nach ein Krimi, es ist aber viel mehr. Er lässt Dengler die Recherchen machen, die er selbst unternommen hat. Im Nachwort, dass man am besten zuerst liest, betont er: „Diese Buch ist eine literarische Ermittlung in einem realen Kriminalfall. Und ich fürchte es ist die Ermittlung eines Staatsverbrechens. Ich kenne die vollständige Wahrheit über die rechtsterroristischen Verbrechen des NSU und die Verwicklungen der Staatsschutzbehörden darin ebenso wenig wie andere.“ (S.363)

Es wichtig, dass man diese Erklärung beim Lesen vor den Augen hat. Dengler geht es in seinen Erkundungen nicht um die Verbrechen des NSU-Kerntrios vielmehr steht der Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Mittelpunkt seines Interesses. Weil es kein klassischer Krimi, sondern eine Recherche ist macht es nichts, wenn ich das Ergebnis hier öffentlich mache. Seinen Freunden gegenüber, die ihn unterstützen, fasst er zusammen: „Wir haben Belege dafür, dass der Tod von Mundlos und Böhnhardt so etwas wie eine Exekution gewesen sein muss, aber wir haben auch ganz neue Hinweise, die nahelegen, dass sie gar nicht die Einbrecher in die Bank gewesen sein können.“ (S. 301)

Damit widerspricht Wolfgang Schorlau komplett der These der Bundesanwaltschaft, dass Uwe Mundlos zuerst seinen Nazigefährten Böhnhardt erschossen, in dem Wohnmobil Feuer gelegt und dann sich selbst erschossen haben soll. Die ersten Zweifel entstehen bei der Darstellung im Polizeibericht über den zeitlichen Ablauf. Keine dreißig Sekunden soll der ganze Tatablauf gedauert haben. Auch wenn die beiden bereits im Vorfeld einen erweiterten Suizid abgesprochen haben für den Fall, dass sie auffliegen und nicht wie Schorlau unterstellt sich erst dazu entscheiden müssen ist die Zeitangabe unrealistisch. Hinzu kommt, dass bei den Toten im Wohnmobil eine zweite Patrone gefunden wurde. Bei der Pumpgun, mit der die Tat begangen wurde wird die Patrone aber erst beim Nachladen ausgeworfen. Nach einem suizidalen Kopfschuss kann aber niemand mehr das Gewehr nachladen. Außerdem wurde laut der offiziellen Berichte keine Hirnmasse im Wohnmobil gefunden. Beide müssen aber zusammen durch die Kopfschüsse 2 Kilogramm Hirn verloren haben.

Es stellt sich also die Frage von wem wurden sie exekutiert. Und vor allen Dingen warum. Auf das „warum“ liefert Schorlau keine Antwort. Dafür geht er der Frage nach wer steckt hinter dem Doppelmord an Mundlos und Böhnhardt.

Da ist zuerst einmal die literarische Figur Harry Nopper. In dem Buch ist er stellvertretender Präsident vom Verfassungsschutz Thüringen. Dengler kennt ihn noch aus seiner Zeit beim BKA. Im wirklichen Leben stand Helmut Roewer Pate für die Figur. Er war ab 1994 Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes. Unter seiner Amtszeit genossen die Nazis Schutz, seine Hauptfeinde waren Linke und Antifaschisten. Im Jahr 2000 wurde Roewer wegen verschiedener Vorwürfe vom Dienst suspendiert. Seine Gesinnung zeigt er, in dem er immer wieder in rechten Verlagen und Zeitungen wie die Junge Freiheit publiziert. Obwohl er nachweislich ab dem Jahr 2000 nicht mehr im Amt war konstruiert Schorlau seine Weiterbeschäftigung. Er soll am Tattag am Wohnmobil gewesen sein und Dengler (Schorlau) sieht ihn am Rande einer rassistischen Demonstration in Heidenau. Genau da liegt der Punkt, warum ich das Buch nicht uneingeschränkt empfehlen kann. Schorlau nimmt immer wieder Anleihen bei rechten Gruppen. Mehrmals schreibt er, dass die Bundesrepublik nicht selbstständig und eigentlich nur Befehlsempfänger der USA sei. „Außerdem galt in Westdeutschland immer noch weitgehend Besatzungsrecht. Bei einer Vereinigung der beiden deutschen Staaten würde mit einem Friedensvertrag oder einem ähnlichen völkerrechtlichen Vertrag der neue deutsche Staat seine volle Souveränität erlangen.“ (S.158)

Das ist die Argumentation der rechten Reichsbürger.

Für Schorlau ist der Staat, genauer die amerikanischen Geheimdienste, für die Verbrechen der Neonazis und deren Aktivitäten verantwortlich. Wie weit er das ausbaut wird beim Mord an Michele Kiesewetter deutlich. „über einen Rechtsradikalen namens Thomas Richter bekam die CIA Kontakt zu drei flüchtigen Neonazis aus Thüringen. Es gelang sie am Tag einer geplanten Operation im April 2007 in die Heilbronner Gegend zu locken. Sie hatten ein Wohnmobil gemietet und die CIA sorgte dafür, dass die Nummer bei einer Kontrolle notiert wurde.“

Trotz solcher Verschwörungstheorien ist das Buch lesenswert. Man muss nur wissen wo schreibt Schorlau über seine Recherche und wo blüht seine Phantasie.

Wolfgang Schorlau Die schützende Hand: Denglers achter Fall, Kiepenheuer und Witsch 2015, 14,99

Hansjörg Schrade - Ein Mann auf dem Weg nach ganz rechts

Der Reutlinger Hansjörg Schrade versteht die Auseinandersetzung über ihn nicht. Nach der Rede von Akif Pirinçci auf der Kundgebung zum 1. Jahrestag von Pegida hat er auf seinem Blog die Rede veröffentlicht. Der ehemalige Grüne fordert für sich und Pirinçci Meinungsfreiheit. Pirinçci bekannt geworden durch Katzenkrimis hat sich in den letzten Jahren zu einem rassistischen hetzerischen Redner und Publizisten gewandelt. „Aber die KZ´s sind leider derzeit außer Betrieb“.

Für Hansjörg Schrade, im Vorstand des Stuttgarter „Aktionsbündnisses Direkte Demokratie“, eine ganz normale Feststellung. Sie ist so normal, wie Galgen mit den Namen von Politikern, oder sie als Volksvertreter zu verunglimpfen. Schrade und seinen geistigen Mittätern ist egal, dass es sich um Begriffe aus dem Faschismus handeln. Auf seinem Blog schreibt er als Erwiderung auf die Kritik „Um die besten Ideen und Vorschläge für Lösungen zu finden, benötigt die Gesellschaft eine möglichst breite Entscheidungsbasis, möglichst viele und möglichst verschiedene Meinungen.“ Das Aktionsbündnis könnte ja darüber nachdenken eine Volksabstimmung über die Errichtung neuer KZ–™s zu fordern. Hansjörg Schrade hat sich mit diesen Äußerungen außerhalb jedes demokratischen Konsens gestellt. Nach seinem Austritt aus den Grünen hat er seine neue politische Heimat bei der AfD gefunden.

Von der AfD gibt es bis jetzt keine Position zu dem Parteimitglied. Hansjörg Schrade teilt auch die Sorge von Akif Pirinçci um die „Verschwulung“ Deutschlands. Dieses Wort ist ein Teil des Titels seiner neuen Hetzschrift. Einen Glauben hat dieser Saubermann aus Reutlingen auch. Er verlinkt auf seinem Blog Predigten des Riedlinger Pastors Jakob Tscharntke. Der Pastor hetzt in seinen Predigten gegen Flüchtlinge, aber auch gegen die Presse. So sagte er, dass die Presse in der Berichterstattung über Flüchtlinge „gleichgeschaltet sei wie im Dritten Reich“. Außerdem ist laut Tscharntkes „In diesen Tagen ist die Not unseres Volkes so groß wie nie seit den Dritten Reich.“ Schuld sind natürlich die Flüchtlinge. Gegen den Prediger einer Freikirche ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft.

Für Schrade gehört wahrscheinlich auch diese Hetze zur der von ihm eingeforderten Meinungsfreiheit. Nicht ganz so weit sieht er die Meinungsfreiheit anderer. Als die Anstifter auf ihrem Blog auf ihn und sein Bedauern, dass es keine KZs mehr in Deutschland gibt aufmerksam gemacht haben reagierte er beleidigt und verlangte eine Entschuldigung. Die Anstifter hatten auch veröffentlicht wo der lupenreine Demokrat arbeitet. Er ist Geschäftsführer eines Großhandels in Stuttgart Wangen für biologische Früchte. Auf seinem Blog schreibt er auch: „Auch im persönlichen, zwischenmenschlichen Bereich komme ich doch nur weiter, wenn ich die Meinung eines Gegenübers achte, durch Zurückhaltung die Gesprächsbasis nicht zerstöre und die Gemeinsamkeiten und gemeinsamen Ziele betone und an ihnen festhalte.“ Herr Schrade mit ihnen kann die zivile Öffentlichkeit weder Gemeinsamkeiten, noch gemeinsame Ziele haben.

Janka Kluge

Links zu dem Thema:



Bildschirmfoto des inzwischen nur noch über GoogleCache erreichbaren Beitrages

Erstveröffentlichung: VVN-BdA Stuttgart

Stuttgart: „Demo für alle“ - Ein Bündnis gegen die Demokratie

Bereits zum achten Mal planen Konservative verschiedenster Richtungen und Neonazis gemeinsam in Stuttgart zu demonstrieren. Bei der letzten Kundgebung waren fast 5000 Menschen dem Aufruf gefolgt. Nicht nur die Veranstalter sehen die Zahl allerdings noch als steigerungsfähig an. Die Bandbreite der Demo umfasst das ganze Spektrum von der AfD, über Teile der CDU, evangelische und katholische Organisationen, religiöse Fundamentalisten und Gruppen wie die Identitären, Kameradschaften und Kreisvereinigungen der NPD. Für sie geht das Abendland zuerst in Baden-Württemberg unter. Die grün-rote Landesregierung will die versprochene Bildungsreform noch vor der Landtagswahl im März 2016 durchsetzen. Durch die Reform soll ein gleichberechtigteres Bild der Gesellschaft in den Schulen vermittelt werden. Homosexualität soll darin als ein gleichberechtigtes Lebensmodell zur Ehe dargestellt werden.

Die rechte Hetze gegen die sogenannte Homo-Lobby läuft seit einiger Zeit auf Hochtouren. Von der „Jungen Freiheit“ über die „Blaue Narzisse“ bis zu der Internethetzseite Political Incorrect rufen viele Medien zur Teilnahme an der Kundgebung und dem „Spaziergang“ am 11.10. nach Stuttgart auf.

Beatrix von Storch, evangelikale Europaabgeordnete der AfD, hat vor einigen Monaten auf einer Wahlkampfveranstaltung in Hamburg zugegeben, dass die „Demo für alle“ in ihrem Büro organisiert werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit meinte sie damit nicht ihr Wahlbüro, sondern einen Verein mit dem Namen „Zivile Koalition“ (ZK), den sie zusammen mit ihrem Mann Anfang 2007 gegründet hat.

Auf der Internetseite heißt es: „Die Zivile Koalition ist ein Zusammenschluss von Bürgern, die sich für mehr zivilgesellschaftliches Engagement in Deutschland einsetzen. Gemeinsam treten wir für Reformen ein, die die Menschen in Deutschland wirklich wollen und brauchen.“ Als Vorfeldorganisationen, die erst einmal testen, ob es eine Bereitschaft in der Bevölkerung gibt, sich für ein Thema zu organisieren, treten zuerst sogenannte „Besorgte Bürger“ auf. Auch in Stuttgart wurden die ersten beiden Demonstrationen von „Besorgten Bürgern“, bzw. „Besorgten Eltern“ organisiert. Danach übernahmen die Organisation der Demonstration und Kundgebung Gruppen aus dem Umfeld der „Zivilen Koalition“.

Der Name der Demo wurde ebenfalls in „Demo für alle“ geändert. Vorbild für diese Änderungen waren die Demonstrationen „La Manif pour tous“ (Die Demo für Alle) aus Frankreich. Dort war es französischen Rechten unter Führung der Front National 2013 gelungen, Hunderttausende auf die Straße zu bringen.

Wenn man auf die Internetseite der „Demo für alle“ geht steht im Impressum, dass Hedwig von Beverfoerde für die Seite verantwortlich ist. Sie tritt auf fast jeder Kundgebung als Rednerin auf. Beverfoerde ist keine Unbekannte in christlichen –“ fundamentalistischen Kreisen. Sie ist außerdem Sprecherin der „Initiative Familienschutz“. Diese Initiative wurde von der „Zivilen Koalition“ gegründet. Hedwig von Beverfoerde ist außerdem Mitglied der ZK.

Außerdem mobilisiert eine Organisation mit dem Namen „Elterncolleg“. Sie wurde von dem Verein „Verantwortung für die Familie“ gegründet. Vorsitzende dieses Vereins ist die erzreaktionäre Autorin Christa Meves. Auch sie redet immer wieder auf den Kundgebungen in Stuttgart.

Ein weiterer aktiver Unterstützer der „Demo für alle“ ist Matthias von Gersdorff von der reaktionären katholischen Organisation „Deutsche Vereinigung für eine christliche Kultur“ (DVCK). Diese Vereinigung tritt nach außen eigenständig auf, ist aber eine Unterorganisation der „Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum“ (TFP). Diese Gesellschaft wurde 1960 in Brasilien gegründet um ein Gegengewicht gegen die Befreiungstheologie zu bilden. Sie tritt bis heute weltweit gegen jeden Versuch auf, die katholische Kirche zu reformieren. Damit ist das Verwirrspiel um die Organisationen aber noch nicht zu Ende. Eine weitere Unterorganisation der Organisationsstruktur von Matthias von Gersdorff sind die Gruppen „Kinder in Gefahr“ und „SOS Leben“. Mit „Kinder in Gefahr“ mobilisiert er zu der „Demo für alle“. Gersdorff schreibt genau wie Hedwig von Beverfoerde und Beatrix von Storch immer wieder für die „Junge Freiheit“. Außerdem gehört er zum Netzwerk der „Zivilen Koalition“. In Brüssel vertritt seit einiger Zeit Paul von Oldenburg die erzreaktionäre TFP und ihre Vorfeldorganisationen, um bei den Abgeordneten für das Europäische Parlament Lobbyarbeit zu machen. Paul von Oldenburg fordert unter anderem, dass die Monarchie wieder eingeführt und die Demokratie abgeschafft gehört. Er ist ein Cousin von Beatrix von Storch, die eine geborene von Oldenburg ist.

Zum Umfeld der „Zivilen Koalition“ gehört auch die Internetzeitung „Freie Welt“, die Artikel von allen Unterstützern der „Demo für alle“ veröffentlicht.

Diesem Netzwerk von Beatrix von Storch ist gelungen, ein Bündnis zu schmieden, in dessen Mitte reaktionäre Adlige zu finden sind. Sie haben keine Bedenken mit Nazis gemeinsam zu marschieren. Auch wenn sich ihre Ziele letztendlich unterscheiden, vereint sie der Kampf gegen die Demokratie.

Kundgebung und Demonstration gibt es am 11.10. ab 12 Uhr auf dem Schloßplatz und 14 Uhr auf dem Marktplatz in Stuttgart. Lasst uns gemeinsam dieses Bündnis von Reaktionären, Fundamentalisten und Nazis behindern.

Quelle: VVN-BdA Esslingen

Angriff von Rechtsaussen

Der Sportjournalist Ronny Blaschke hat mit dem Buch Angriff von Rechtsaußen: Wie Neonazis den Fußball missbrauchen (Verlag die Werkstatt, 2011) ein spannendes undwichtiges Buch vorgelegt. Er geht der Frage nach wie Neonazis sich den Fußball zu Nutze machen um Einfluss zu gewinnen. In der Einleitung schreibt er: „In den Bundesligastadien sind die Auswirkungen von rechtsextremen Einstellungen zurückgegangen, dank moderner Sicherheitsarchitektur und professioneller Fanarbeit. Urwaldgesänge gegen schwarze Spieler sind nicht mehr zu hören. Reichskriegsflaggen nicht mehr zu sehen. Das bedeutet aber nicht, dass sich Einstellungen verändert haben. (…) Während Rassismus und Antisemitismus auch wegen der deutschen Geschichte tabuisiert sind, flüchten sich Anhänger oft in Homophobie oder Sexismus, Diskriminierungen, die weniger geächtet sind.“ (S. 11) Das entspricht einer allgemeinen Tendenz, die auch Werner Heitmeyer von der Uni Bielefeld mit seiner Langzeitstudie „Deutsche Zustände“ festgestellt hat. Es gibt zwar einen latent noch immer vorhandenen Antisemitismus, er taucht aber nicht mehr so deutlich in der Öffentlichkeit. Die neuen Feindbilder sind nun Muslime, Homosexuelle und vor allem Obdachlose. Dieser Trend in der Gesellschaft spiegelt sich auch in den Fußballstadien. Viele Nazis treffen sich mittlerweile bei den Spielen in den unteren Ligen. Das macht sie aber nicht weniger gefährlich. Im Gegenteil, in den kleineren Stadien und bei weniger Zuschauern fallen sie viel mehr auf und können so ihren Einfluss ausbauen.

Ein besonders heftiger Fall stellt die Unterwanderung des Vereins Lok Leipzig dar. „Die NPD macht sich im Umfeld des 1. FC Lok Leipzig einen rechten Grundtenor zunutze, den viele Fans im heimischen Bruno-Flache Stadion teilen“. (S.15) So stellten sich Fans bei einem A-Jugend Spiel 2006 zu einem Hakenkreuz auf, oder zeigen schon einmal ein Transparent auf dem zu lesen ist: „Wir sind Lokisten – Mörder und Faschisten“. Der Autor Ronny Blaschke beschreibt genau wie gezielt Nazis von den Kameradschaften und der NPD in den letzten Jahren Vereine unterwandert haben. In dem Buch sind mehrere Hintergrundinterviews eingestreut, die er zu seinen Recherchen gemacht hat.

Einer der Interviewpartner ist Mehmed Matur, der Integrationsbeauftragte im Berliner Fußball. „Mehmet Matur glaubt, auf einem guten Weg zu sein. Bis Sommer 2010, bis Thilo Sarrazin sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ veröffentlichte. (…) Mehmet Murat spürt die Folgen nun im Fußball: `Mir läuft es kalt über den Rücken, das macht mir Angst. Wir bemühen uns seit Jahren um Integration, wir gehen viele kleine Schritte, und Herr Sarrazin macht diese Arbeit mit einem Buch zunichte, Bei vielen muslimischen Spielern und Trainern wächst die Sorge, die sagen sich erst recht: Wir haben es immer gewusst, in Deutschland wollte man uns sowieso nie haben“ (S.136) Diese Interviews sind neben den Fakten eine der ganz großen Stärken des Buches.

In einem anderen Kapitel wird die Rolle der Vereine während des Faschismus untersucht. Sowohl der Deutsche Fußballbund als auch die Vereine taten in der Vergangenheit so, als ob sich ihr Verhalten im Faschismus nicht geändert hat. Obwohl Nils Havemann bereits 2005 sein Standardwerk Fußball unterm Hakenkreuz: Der DFB zwischen Sport, Politik und Kommerz veröffentlicht hat, hat sich seitdem kaum etwas geändert. Überall wo Vereine ihre Rolle im Nationalsozialismus aufgearbeitet haben stand am Anfang der Druck der Fans. Die Geschichte von Bayern München ist bezeichnend. Auf der Internetseite des Vereins hätte man vergebens nach dem früheren Vorsitzenden Kurt Landauer gesucht. „Lange kannte kaum jemand seine Geschichte, dabei hat der Münchner Fußball ihm viel zu verdanken. Vielleicht würde der FC Bayern ohne Kurt Landauer heute gar nicht existieren. Fast 20 Jahre ist der Jude Landauer Präsident des FC Bayern gewesen. Unter ihm wurde der Verein 1932 zum ersten Mal Deutscher Meister. Landauer trat 1933 als Präsident zurück. Am 10. November 1938 wurde er in das Konzentrationslager Dachau verschleppt. (..) Landauer konnte aus dem Lager entkommen und in die Schweiz flüchten.“ (S.159) Den Vorsitzenden des FC Bayern war die Geschichte ihres ehemaligen Kollegen kein Wort wert. Erst nachdem Fans über die Geschichte des Vereins zu forschen begannen sah sich der Verein gezwungene sich zu dieser Geschichte zu bekennen. Ein anderer Jude, der eine wichtige Rolle im deutschen Fußball spielte war Walther Bensemann. Er hatte 1898 in Paris das erste Länderspiel Deutschlands organisiert. 1900 wurde er Mitgründer des Deutschen Fußball Bunds und gründete 1920 das Fußballmagazin „Kicker“. 1933 floh er in die Schweiz, wo er ein Jahr später mittellos starb. Vereine wie der VFB Stuttgart dagegen waren stolz auf ihre frühe Zusammenarbeit mit der SA und hatten bereits 1933 alle jüdischen Spieler rausgeschmissen. Bei Nils Havemann kann man nachlesen: „Die Infiltration der Vereine durch die Nationalsozialisten, dies belegen die angeführten Beispiele Werder Bremen, 1860 München, VfB Stuttgart und Schalke 04 erfolgte in vielfältiger Form.“

Das Buch von Ronny Blaschke belegt das die Nazis heute auch wieder versuchen über die Fußballvereine Einfluss zu gewinnen.

Ronny Blaschke Angriff von Rechtsaußen: Wie Neonazis den Fußball missbrauchen Verlag die Werkstatt, 2011

Fußball und Nazis

Michael Kühnen ordnet in den achtziger Jahren an, dass die Nazis in die Fußballstadien gehen sollen um dort neue Anhänger zu rekrutieren. Diese Aufforderung von Michael Kühnen wurde in vielen Städten umgesetzt. Am bekanntesten wurde Siegfried Borchardt (SS- Siggi) von dem Dortmunder Fanclub Borussenfront. Nachdem Dortmunder Fans sich jahrelang gegen die Nazis der Borussenfront gewehrt haben und der Fanbeauftragte vom BVB versucht hat den Mitgliedern des Fanclubs neue Wege aufzuzeigen wie sie den Verein unterstützen können löste sich die Borussen-Front auf. Zumindest Siegfried Borchardt ist immer noch politisch aktiv. Seit Anfang 2000 ist er Mitglied der „Kameradschaft Dortmund“, in der viele Autonome Nationalisten aktiv sind, die sich das Ziel gesetzt haben Dortmund zu einer rechten Hochburg auszubauen.

Bei anderen Fußballvereinen wurden ebenfalls Fanclubs mit rechtem Hintergrund gegründet, in Stuttgart beim VFB Neckartfils und bei der Eintracht Frankfurt die Gruppe Adler-Front. Bei beiden Gruppen sind die Embleme an das Zeichen der Nationalen Front angelehnt. Die legendären Hertha Frösche hatten über Jahrzehnte ebenfalls enge Kontakte mit Berliner Nazis.

Nach der Vereinigung waren die Anhänger der FAP mit die ersten die Chance zur Eingliederung ostdeutscher Nazis suchten. Diese hatten eine Subkultur in den Fußballstadien der DDR entwickelt. Der Berliner Fußballclub (BFC) ist bereits vor 1989 durch seine rassistischen, neonazistischen Fans aufgefallen. Am 17. Oktober 1987 hatten BFC Fans zusammen mit Nazis aus dem Umfeld der Hertha Frösche aus Westberlin ein Punkkonzert in der Ostberliner Zionskirche überfallen. Sie stürmten mit Sieg-Heil Rufen die Kirche und brüllten „Juden raus aus deutschen Kirchen“. Bei dem Prozess wurde zum ersten Mal deutlich wie eng bereits damals die Zusammenarbeit zwischen rechten Fußballfans aus Ost- und Westberlin war.

Nachdem die Sicherheitskontrollen in der ersten und zweiten Liga in den letzten Jahren stark verstärkt wurden, sind viele Hooligans und Nazi-Fans zu den Vereinen in die unteren Ligen gegangen. Mitglieder der Borussenfront, die in Dortmund Stadionverbot haben, besuchen jetzt Spiele des DSC Wanne-Eickel. Die „tageszeitung“ hat 2006 über diese neue Entwicklung berichtet: „Die Besucher des Verbandligaspiels Sportfreunde Oestrich gegen DSC Wanne-Eickel am 17. April dieses Jahres hatten wahrscheinlich ein mulmiges Gefühl. Ein gutes Dutzend martialisch gekleideter Zuschauer entrollte ein riesiges Transparent mit der Aufschrift `Borussenfront – Die Legende lebt´.“ (3.6.2006) Wenige Tage davor hatten die Mitglieder den 20. Geburtstag der Borussenfront im hessischen Kirtorf gefeiert. Unter den 600 Besuchern des Festes waren viele Nazi-Fans aus ganz Deutschland.

In den unteren Ligen sind die Sicherheitskontrollen viel lascher und die Vereinsführung fühlte sich oft von den Ausschreitungen und den rassistischen Parolen auf den Rängen überfordert. Verschärft wurde die Situation als dann Ordner aus Nazigruppen angestellt wurden um für Ordnung zu sorgen.

Antisemitismus im Stadion
Antisemitische Parolen spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle in den Stadien in Deutschland. Bei einem Spiel der Nationalmannschaft in Polen trugen Nazi-Fans aus Deutschland ein Transparent mit dem Satz: „Wir grüßen die Schindlerjuden. Das sogenannte U-Bahn Lied gehört inzwischen zum Bestandteil des Liedguts aller Fußballfans in Deutschland. Das Lied lautet: „Wir bauen eine U-Bahn, wir bauen eine U-Bahn von (…) nach Auschwitz.“ Die jeweilige gegnerische Stadt wird dann eingefügt. Immer wieder tauchen auch Transparente auf, die den gegnerischen Club als „Judenclub“ diffamieren. Jedesmal wenn der OFC aus Offenbach in Frankfurt spielt haben die Fans entsprechende Transparente dabei. Gleiches gilt für Dynamo Dresden. Immer wieder wenn Dresden auswärts spielt werden solche antisemitischen Plakate und Transparente hochgehalten. In Kaiserslautern wurde der aus Israel stammende Spieler Itay Shechter im Februar beim Training von Fans des eigenen Vereins als „Drecksjude“ beschimpft. Nach dem Vorfall hat sich der Verein sofort von den antisemitischen Beschimpfungen distanziert. Viele andere Vereine ignorieren die antisemeitischen Gesänge und Parolen ihrer Fans. Ein weiteres Beispiel für den weit verbreitenden Antisemitismus in den Stadien zeigt sich bei den Spielen der Mannschaft von Haifa in europäischen Wettbewerben. Fast immer ertönt ein Zischen auf den Rängen, dass an ausströmendes Gas erinnern soll, so dass der Mannschaft und ihren Anhängern deutlich gemacht wird, ihr wurdet in Auschwitz vergessen.

Ultras
Aus Italien ist Mitte der achtziger Jahre die Ultra-Bewegung nach Deutschland gekommen. Im Mutterland Italien sind diese besonders fanatischen Fans oft bekennende Faschisten. Nicht so in Deutschland. Hier überlappen sich zwar die verschiedenen Fanszenen wie die Hooligans, die Nazi-Fans und die Ultras, sie distanzieren sich aber auch oft voneinander. Viele der Ultras verstehen sich eher als links und wollen nur den Verein unterstützen. Dazu gehört oft eine ausgearbeitet Choreographie auf den Rängen und das Abbrennen von Feuerwerkskörper in den Stadien.

Musik
Musik spielt für das Gemeinschafterlebnis der verschiedenen Fangruppen eine große Rolle. Die „Böhsen Onkelz“ gelten nach wie vor als die Kultband in den Stadien Deutschlands. Sie haben in Frankfurt im Umfeld der Hooligan von Eintracht Frankfurt angefangen und sich sehr schnell einen Namen in der rechten Szene erspielt. Aus Bremen kommt die Band „Kategorie C – Hungrige Wölfe“. Kategorie C ist die Polizeibezeichnung für Fans, die Gewalt suchen. Die Band wurde zur Fußball WM in Frankreich gegründet. Immer wieder werden Konzerte der Band verboten. In der Verbotsverfügung für ein Konzert 2011 in Bremen hieß es: „von der Band die Gewalt zwischen Fans und der Polizei verherrlicht sowie Fremdenfeindlichkeit propagiert. Der Auftritt diene der Verbreitung von rassistischen und nationalsozialistischen Gedankengut und dessen Verherrlichung.“ Weiter heißt es in der Begründung, dass die Musik der Band geeignet sei „insbesondere auch durch Ausdruck aggressiven, martialischen und militanten Verhaltens und Ausländerfeindlichkeit, Teile der Bevölkerung massiv einzuschüchtern und das friedliche Zusammenleben der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen.“ Trotz dieser Einschätzung der Stadtverwaltung von Bremen finden immer wieder im Zusammenhang mit Fußballspielen Konzerte von „Kategorie C – Hungrige Wölfe“ statt. Es wundert nicht, dass die Band der Höhepunkt der Geburtstagsfeier der Borussenfront war. Anwohner berichteten damals von Rufen wie „SS, SA, Borussia“.

Der Einfluss der NPD
Die NPD versucht seit einiger Zeit sich als eine Partei darzustellen, sie sich um die Belange der kleinen Leute kümmert. Zu dieser Strategie gehört, dass sie gezielt ihre Mitglieder und Anhänger auffordert in Freiwilligen Feuerwehren, Elternbeiräten und Fußballvereinen Mitglied zu werden. Sie sollen sich dort engagieren, damit sie als die netten Leute von NPD wahrgenommen werden. Erst im zweiten Schritt sollen dann Interessierte an die Partei herangeführt werden.

Der NPD Funktionär Jens Pühse ist Ende letzten Jahres von Werder Bremen ausgeschlossen worden. Der Verein hat sich dabei auf die Satzung berufen. Auf der Interseite von Werder Bremen steht dazu: „Satzungsgemäß fördert Werder Bremen die Funktion des Sports als verbindendes Element zwischen Nationalitäten, Kulturen, Religionen und sozialen Schichten. Er bietet Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen eine - unabhängig von Abstammung, Hautfarbe, Herkunft, Glaube und sozialer Stellung sowie sexueller Identität - sportliche Heimat. Diese Werte werden insbesondere durch das gute soziale Engagement des Vereins verwirklicht.“ Mit diesen Zielen lässt sich die Mitgliedschaft eines Funktionärs der NPD nicht vereinbaren.

Einige Vereine haben inzwischen auch begonnen die von Nazis bevorzugte Kleidermarke Thor Steiner in den Stadien zu verbieten. Bei Dynamo Dresden hängen inzwischen an den Eingängen Plakate mit Symbolen und Marken, die im Stadion verboten sind.

Vermehrt nutzen Freie Kameradschaften und Autonome Nationalisten Fußballspiele um sich zu treffen und zu vernetzen. So ist 1860 München inzwischen zum Treffpunkt von Autonomen Nationalisten und Anhängern des Freien Netz Süd geworden. Bei Eintracht Braunschweig haben Autonome Nationalisten mit „Blue Berets Brunswiek“ sogar einen eigenen Fanclub gegründet. Alemania Achen wehrt sich zurzeit ebenfalls gegen eine Unterwanderung von Neonazis. Massive Probleme hat auch der 1. FC Magdeburg. Die Fangruppe „Blue White Street Elite“ überfiel bei Auswärtsspielen des Vereins gegnerische Fans. Sie sind von Mitgliedern verschiedener Kameradschaften im Jerichower Land gegründet worden. Hier überfielen sie auch immer wieder alternative, antifaschistische Jugendliche, die sich gegen die Nazistrukturen in ihrem Landkreis wehrten. Der Fanclub wurde am 1. April 2008 vom Innenministerium verboten. Der Staatssekretär fürs Innere, Rüdiger Erben, charakterisierte damals die Gruppe als „fanatische Fußballfans und gewaltbereiten Rechten“. Nach einem längeren Rechtsstreit ist das Verbot zurzeit wieder außer Kraft gesetzt.

Um diesen neonazistischen Unterwanderungen etwas entgegenzusetzen haben linke, alternative Fußballfans das Bündnis antifaschistischer Fußballfans das „Bündnis antifaschistischer Fußballfans“ (BAFF) gegründet. Allerdings wurde das Bündnis bereits nach kurzer Zeit in  „aktive Fußballfans“ umbenannt. Die antifaschistische Richtung blieb allerdings erhalten. Neben regelmäßigen Treffen und Fußballturnieren hat das Bündnis auch eine Ausstellung mit dem Titel „Tatort Stadion“ erarbeitet. In ihr werden exemplarische rassistische und ausländerfeindliche Vorgänge in deutschen Stadien dokumentiert. Linke und Antifaschistische Fußballfans zeigen ihre Positionen oft durch Transparente im Stadion. Immer wieder werden sie mit der Begründung beschlagnahmt, dass das Stadion politisch neutral ist.

Die Fans von St. Pauli berichten immer wieder, dass bei Auswärtsspielen ihre Fahnen und Transparente beschlagnahmt werden, die der rechten gegnerischen Fans aber nicht.

Es ist zu begrüßen, dass nach langem Wegschauen einige Vereine das Treiben ihrer rechter Anhänger nun genauer unter die Lupe nehmen. Leider sind sie aber in der Minderheit und die Nazi-Fans können jedes Wochenende auf den Rängen ihre Hetze betreiben.



Zuerst veröffentlicht in: Antifa - Magazin der VVN-BdA für antifaschistische Politik und Kultur. Ausgabe Mai / Juni 2012
Via VVN-BdA Esslingen
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