Skip to content

Rassismus in der Filmindustrie - Das Beispiel "Panther"

Plakat zur Solidaritätsdemonstration für Mumia Abu-Jamal am 11. Dezember in Berlin
Aus Anlass der Aufhebung der Todesstrafe gegen Mumia Abu Jamal am 30. Jahrestag seiner Verhaftung die Besprechung eines Kinofilms über die "Black Panther Party", deren Mitglied Mumia Abu-Jamal in seiner Jugend war, und die Entstehungsgeschichte des Films:

Rassismus in der Filmindustrie - Das Beispiel "Panther"

Mumia Abu-Jamal, damals noch Wesley Cook, war von der Zeitung der Panther begeistert. Den Ausschlag dafür, Mitglied zu werden, gab eine persönliche Erfahrung: Bei einer Kundgebung des rechtsradikalen Präsidentschaftskandidaten George Wallace protestierte er mit seinen Freunden. Sie wurden von Wallace-Anhängern angegriffen und Wesley war froh, als er einen Polizisten sah. In "...aus der todeszelle" erzählt Mumia über diese Begegnung: "Der Cop sah, wie ich am Boden lag und zu Brei geschlagen wurde, kam zügig zu mir herüber - und trat mich ins Gesicht. Ich bin diesem anonymen Polizisten seither immer dankbar gewesen, denn er hat mich in die Black Panther Party getreten."

Wer war die "Black Panther Party for Selfdefence" (so der vollständige Name)?


Gegründet wurde sie 1966 in Oakland/Kalifornien von Huey P. Newton und Bobby Seale zu einem Zeitpunkt, als die Forderungen der schwarzen Bürgerrechtsbewegung zu einer regelrechten Explosion weißer, rassistischer Gewalt führten. Martin Luther King und Malcom X waren ihre prominentesten Opfer, zahllose namenlose Aktivisten teilten ihr Schicksal und wurden, wie sie, ermordet.

Die weiße Polizei bewegte sich in den schwarzen Ghettos wie Besatzungstruppen, die Schwarzen waren Freiwild. Dieser rassistischen Gewalt traten die Panther in einem Akt der Notwehr bewaffnet entgegen. Ihre eigentliche Gefährlichkeit für das rassistische System bekamen sie aber dadurch, dass sie es verstanden, tiefe Wurzeln unter den Bewohnern der schwarzen Ghettos zu schlagen, so führten sie Frühstücksprogramme für Kinder durch, ein Bu s-Service Programm für die Angehörigen von Gefängnisinsassen etc.

Sie waren antirassistisch, sie setzten nicht schwarzen Rassismus gegen weißen Rassismus, sondern schlossen Bündnisse mit weißen Gruppen, mit dem Ziel, alle Unterdrückten, gleich welcher Hautfarbe, gegen das kapitalistische System zusammenzuschließen.

Sie waren antikapitalistisch, sie wollten nicht weißen durch schwarzen Kapitalismus ersetzen (das war das Konzept der Bürgerrechtsbewegung), sondern der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ein Ende machen.

Diese Faktoren bewogen Edgar Hoover, den damaligen Chef des FBI, die "Black Panther Party" (BPP) zum Staatsfeind Nr.1 zu erklären und alle Hebel in Bewegung zu setzen, einschließlich des politischen Mordes, um sie zu vernichten.
An die 50 Mitglieder der BPP wurden von der Polizei ermordet, von ihren 5000 Mitgliedern waren über 3000 wegen ihrer Aktivitäten schon einmal verhaftet worden.

Der Film:

Durch die Figur des Vietnam-Veteranen Judge als Erzähler wird die Geschichte der BPP von 1966 bis 1969 dargestellt. Ausgehend von der Alltagswelt in den Ghettos, dem täglichen Rassismus und der Brutalität der weißen Polizei, beschreibt Judge seinen persönlichen Weg zu den Panthers und verwebt so seine Geschichte mit der der BPP.

Die Versuche des FBI, die Panthers physisch zu liquidieren, sie durch gezielte Provokationen zu kriminalisieren und schließlich der Einsatz von Drogen als ökonomische und soziale Waffe gegen die Basis der Panther in den schwarzen Ghettos, werden in einer Mischung von Dokumentation und dokumentarisch inszenierten Bildern gezeigt. Das verleiht dem Film einen hohen Grad an Authenzität.

Die Geschichte des Films:

Das Buch schrieb Melvin Van Peebles und sein Sohn Mario führte Regie. Er berichtete über die Schwierigkeiten, diesen Film überhaupt in den USA zu produzieren:

"Der Produzent fragte uns, ob wir tatsächlich glaubten, die Rechte der eingeborenen Amerikaner hätten irgendjemand interessiert, wenn nicht Kevin Costner in "Der mit dem Wolf tanzt" die Hauptrolle gespielt hätte." (...) "Um ehrlich zu sein," sagte er "das weiße Publikum ist interessiert, wenn weiße Helden im Mittelpunkt stehen. Politik ist schwer zu verkaufen, ethnische Politik noch schwerer, aber ethnische Politik ohne einen weißen Kassenmagneten ist schier unmöglich zu verkaufen."

Er schlug allen Ernstes vor,wir könnten einen typischen Berkeley-Studenten erfinden, so eine Mario-Savio-Typ (weißer Studentenführer in den 1960iger Jahren), der dann von Tom Cruise gespielt werden könnte.
"Dieser Student könnte dann die Panther lehren, für ihre Rechte einzustehen, an sich selbst zu glauben." (...) "Ich wusste, mein Dad war drauf und dran zu explodieren, aber die Unterhaltung war so unwirklich geworden, dass ich sehen musste, wie weit wir es noch treiben konnten."

"Dann wäre der weiße Schauspieler so eine Art Trainer und die Panther so was wie eine schwarze, militante Basketballmannschaft, die sich mit den Mächten der Unterdrückung herumschlägt?"
"Genau"
, erwiderte er "und ihre Fähigkeit, seiner Führung zu folgen, beweist, dass sie keine Rassisten sind." ("Panther", a pictorial history of the Black Panther Party and the story behind the film, S.136).

Nach diesem Gespräch dauerte es noch weitere vier Jahre bis schließlich ein Produzent für den Film gefunden war.

Das wechselvolle Schicksals des Films in der BRD:
Zweimal stand er 1996 auf der Starterliste für neue Filme: am 1. Februar und am 11. April 1996. Im April wurde er dann schließlich in Berlin gezeigt und im Raum Düsseldorf/Köln, im Rest der Republik Fehlanzeige. Der CI-Verleih hatte so wenig Kopien des Films in Umlauf gebracht, dass für die Aufführung des Films in Stuttgart die Kopie aus Berlin eingeflogen werden musste.

Dann verschwand der Film in der Versenkung. Inzwischen gibt es ihn auf DVD bei amazon für 14,88€.

"So, Herr Kretschmann, sieht die Wirklichkeit aus"

Dokumentiert: Ein offener Brief an Ministerpräsident Kretschmann vom 16.11.2011. Darin haben von "polizeilichen Maßnahmen" gegen engagierte Kopfbahnhof-Befürworter Betroffene auf die in den Stuttgarter Nachrichten zitierten Äußerungen des Grünen Ministerpräsidenten reagiert, in denen dieser die Aufstellung von Containern als Gefangenensammelstelle für Stuttgart 21 Gegner als "Vorsorgemaßnahme" im Interesse der Demonstranten begrüßt hatte.

An

Ministerpräsident von Baden-Württemberg
Winfried Kretschmann
Staatsministerium Baden-Württemberg
Richard-Wagner-Str. 15
70184 Stuttgart

Offener Brief an den Ministerpräsidenten Kretschmann

Sehr geehrter Herr Kretschmann,

Sie werden bei Stuttgarter Nachrichten online vom 8.11.2011 wie folgt zitiert: "Kretschmann verteidigte die Pläne der Polizei, für einen solchen Großeinsatz Container aufzustellen, in denen vorübergehend Personen festgehalten werden könnten. Dies sei besser, als wenn sie zur Aufnahme der Personalien draußen warten müssten und etwa eingekesselt werden müssten. Innenminister Reinhold Gall ( SPD) sei verpflichtet, Vorsorge zu treffen."

Wir, die Unterzeichnenden, hatten am 1.2.2011 das zweifelhafte Vergnügen, Opfer dieser "Vorsorge" der Polizei zu werden:

Unter Verletzung des Versammlungsrechts (keine Auflösung der Versammlung, keine Aufforderung, sich zu entfernen) wurden wir morgens um 7.30 Uhr vor dem Grundwassermanagment eingekesselt. Einige von uns standen nur auf dem Gehsteig.

Die Einkesselung bei klirrender Kälte zog sich über drei Stunden hin. Wir wurden dabei wie Schwerverbrecher behandelt: Aufnahme der Personalien, Foto mit Nummer fürs Verbrecheralbum, unsre gesamte persönliche Habe wurde asserviert, d.h. in Plastiktüten verpackt und in einer Liste erfasst, wir wurden einzeln hinter den Polizeibus geführt und einer Leibesvisitation unterzogen. Es fehlte eigentlich nur noch, dass uns Fingerabdrücke genommen und ein DNA-Test gemacht wurde.

Danach wurden wir auf die extra an diesem Tag geöffnete Wasenwache gefahren, wo wir dasselbe Procedere nochmal über uns ergehen lassen mussten (außer der Asservierung unsrer Habe). Ohne richterliche Anordnung wurden wir gesetzwidrig bis 14.30 Uhr in Gewahrsam gehalten. Wir bekamen nichts zu essen und nur auf Nachfrage Leitungswasser zu trinken.

Die Polizei hatte in einer Pressemitteilung zu unsrer Gewahrsamnahme Lügen verbreitet. Auf eine Gegendarstellung unsrerseits hat weder die Polizei noch die Presse reagiert.

So, Herr Kretschmann, sieht die Wirklichkeit aus.

Wir sind empört über ihre Äußerungen und fordern Sie dazu auf, statt Gewahrsamscontainer am Wasen aufstellen zulassen, dafür zu sorgen, dass Ihre Minister des Inneren und der Justiz,die Kriminalisierung des Widerstands gegen S21 stoppen, die Verfahren gegen S21-Gegner einstellen , eine Amnestie für die bereits Verurteilten verhängen und Oberstaatsanwalt Häußler entlassen.

Wir fordern, dass Justiz und das Innenministerium endlich gegen die kriminellen Machenschaften der Bahn vorgehen.

Wir sagen aber auch ganz deutlich: Wir lassen uns durch Gewahrsamnahmen nicht einschüchtern und vom Widerstand abhalten. Wir haben beim Verwaltungsgericht Klage erhoben wegen der Rechtswidrigkeit der Gewahrsamnahme am 1.2.2011

Mit freundlichen Grüßen

Ursel Beck
Wolfgang Hänisch
Silke Krause
Guntrum Kuschner
Nina Picasso
Heike Weidner
Gerhard Wick

"Freiwillige der Freiheit" - die Entstehung der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg 1936

Vor 75 Jahren, am 14./15. Oktober 1936 trafen die ersten internationalen Freiwilligen in Albacete ein, um der spanischen Republik gegen den Putsch der Generäle zur Seite zu stehen. Die folgende historisch-fiktive Reportage schildert Impressionen der Entwicklung, die dem vorausging.

Republikanische Matrosen
Foto: Gerda Taro [Public domain], via Wikimedia Commons
8.November 1936:
Wir fahren von Madrid kommend in Richtung Valencia. Plötzlich geht es nicht mehr weiter. Lastwagen um Lastwagen kommt uns entgegen. Auf ihnen, dicht gedrängt, Männer in Uniformen. Sie singen. In welcher Sprache singen sie? Es sind keine Spanier. Woher kommen sie? Unser Fahrer schreit : "Das sind Franzosen, Ich hab´s immer gesagt, dass Frankreich uns nicht im Stich lassen kann!"

Lastwagen und noch mehr Lastwagen. In welcher Sprache singen sie? Auf französisch, ja. Diese hier singen auf italienisch. Und die dort? Ist das russisch? Deutsch? Tschechisch? Und die hier, auf englisch! Die Soldaten der Internationalen Brigaden fahren hinauf nach Madrid.

Wer waren diese Männer, was führte sie nach Spanien und wie kamen sie dorthin?

Rückblende: Am 18. Juli putschte das Militär unter General Franco gegen die demokratisch gewählte Volksfrontregierung.

Die Nacht vom 18. auf den 19. Juli 1936, Madrid, der Platz vor dem Innenministerium.
"Armas, armas, armas" ( Waffen, Waffen, Waffen ). Ein einziger Schrei brandet einstimmig durch die Nacht, unterstützt von rhythmischem Füßestampfen und wütend hochgereckten Fäusten, einige mit Pistolen bewaffnet, mit Gewehren, Knüppeln, Vogelflinten, mit Säbeln. Darüber erhebt sich ein neuer Ruf in der Nacht, der keine zwei Silben mehr hat, sondern drei, UHP, die donnernd in die Bauchhöhle fahren wie das Dröhnen der Räder eines Zuges unter einem eisernen Gewölbe, U, Ha, Pe. (Unios Hermanos Proletarios = Vereinigt euch, proletarische Brüder)

Wir werden von den Scheinwerfern eines Lastwagens geblendet, der direkt vor uns bremst. Dann setzt der Laster mit heulendem Motor zurück und wendet, die Menge stürzt herbei und umringt ihn. An der Rückseite des Wagens wird eine Plane hochgeschlagen, und Männer in Zivil mit Soldatenmützen und Helmen fangen an, lange Holzkisten aufzuhebeln. Waffen, das Wort macht die Runde, verbreitet sich, und jedes Mal, wenn es einer ausspricht, wird die Menge kompakter.

Auf dem Plaza del Callao stehen Lastwagen mit laufenden Motoren, die Seitenwände mit provisorisch befestigten Blechen gepanzert, auf den Dächern mit Seilen festgebundene Matratzen als Kugelfang.

Wir stehen auf einem Hochhaus und schauen mit dem Fernglas den langen, fast schwarzen Tunnel des letzten Stücks der Gran Via hinunter, von dem jetzt näher kommende Autoscheinwerfer zu sehen sind. Ganz am Ende, noch hinter dem vage zu erkennenden, nur schwach beleuchteten Rechteck der Plaza de Espana ist die Montana- Kaserne, ein großer schwarzer Block mit leuchtenden Punkten kleiner Fenster. Bewaffnete Männer gehen an den Strassenecken hinter Laternen in Stellung, an der rechten Ecke der Kaserne wird ein Geschütz herangerollt. Sobald es Tag wird, werden sie die Kaserne stürmen. Die Gewehrsalven und der Geschützdonner bei der Erstürmung der Montana-Kaserne am 19.Juli in Madrid sollten überall in der Welt ihren Widerhall finden. Zuerst bei den aus den faschistischen Ländern emigrierten Antifaschisten, die in ganz Europa verstreut waren:

"Als wir vom Aufstand des spanischen Volkes gegen die putschenden Generäle hörten und obendrein noch erfuhren, dass deutsche und italienische faschistische Verbände auf der Seite Francos kämpften, gab es für uns Emigranten kein Fragen und kein Halten mehr. Wir mussten einfach nach Spanien. Einige Kameraden waren schon über Irun in den Norden gegangen und kämpften dort."
( Emigranten in Südfrankreich)

"Alles steht unter dem unmittelbaren Eindruck der Ereignisse in Spanien, in der Arbeiterbewegung wird breit darüber diskutiert, es gibt kein Halten mehr. Es entwickelt sich eine breite Solidaritätsbewegung." (Emigranten in Paris)

"Viele Diskussionen über Spanien, ein Teil der Genossen ist sofort gefahren, nur die Besonneneren hatten eine Stellungnahme der Partei abgewartet. Jeder hat plötzlich eine militärische Ausbildung und alle sind sich einig darüber, dass wir in Spanien dem Faschismus einen Schlag versetzen können. Endlich aus diesem dauernden Versteckspiel herauskommen und diesem gehetzten Leben ein Ende machen. Wenn wir erst in Spanien sind, das Gewehr in der Hand, werden wir aufatmen können, wie von einer bedrückenden Last befreit"
( Emigranten in den Niederlanden)

Und sie machen sich auf den Weg - erst viele einzelne, jeder für sich.

"Ich habe in der Fabrik gearbeitet. Als Hitler zur Macht gekommen ist, habe ich versucht, Zellen der Kommunistischen Partei wieder aufzubauen. Das ging schief. Alle sind hochgegangen. Nur ich war zufällig auswärts und wurde rechtzeitig benachrichtigt. Dann habe ich noch eine zeitlang bei Genossen gewohnt, bis ich über die Grenze gebracht wurde. So kam ich nach Paris. Als es in Spanien los ging, hat es mich nicht mehr gehalten. Ich besaß ja fast nichts, und was zu schwer und zu alt war, habe ich einfach liegengelassen. So bin ich hinunter zu den Pyrenäen und zu Fuß weiter, ohne Karte, nur nach Süden. Natürlich bin ich nicht gerade dorthin gelaufen, wo ich dachte, dass Grenzer sein könnten. Dadurch geriet ich aber in die schrecklichste Einöde, und zu essen hatte ich auch nichts mehr, so bin ich aus Frankreich heraus. Drüben - ich wusste noch gar nicht, dass ich in Spanien war - kommen zwei Kerle in Uniform an. Verstecken konnte ich mich dort nicht. Das waren spanische Grenzer, und die haben gleich geahnt, was mit mir los ist. Gute Kerle waren das. Sie haben mich zuerst zur Grenzwache gebracht. Dort bekam ich zu essen und Wein. So also bin ich nach Spanien gekommen."


"Ich war aus Nazideutschland geflohen und arbeitete zu der Zeit in einem Hotel im belgischen Grenzgebiet als Kochlehrling. Als Flüchtling ein französisches Transitvisum zu bekommen, war schwierig. Trotzdem versuchte ich es beim französischen Honorarkonsul. Schüchtern bat ich, mir ein 14-Tage- Besuchsvisum zu bewilligen, denn ohne Erfahrung mit der unverwechselbaren französischen Kochkunst würde ich später auf verlorenem Posten stehen. Ich befürchtete bereits eine Ablehnung, als der weißhaarige Herr hinter seinem Schreibtisch aufblickte und mich fixierte. Schließlich hörte ich ihn sagen: "Zwei Wochen? Junger Mann! Das genügt nicht!" Ich bemerkte, wie er einen massigen Stempel hervor kramte und in eine freie Seite meines deutschen Passes prägte. Erst vor dem Konsulat wurde ich gewahr, Besitzer eines langfristigen Gratisvisums geworden zu sein.

In den folgenden Tagen ordnete ich im Schlafsaal heimlich meine Sachen, sammelte Proviant, packte ein Reisebündel. Eines Nachts, die abgearbeiteten Kollegen schliefen längst, stahl ich mich davon. Am Bahnschalter von Houyet erstand ich ein Billet, nahm verstohlen den Frühzug nach Paris. Am selben Abend stieg ich dort in den Express nach dem südfranzösischen Grenzort Hendaye. Als der Zug am Vorabend des 5. September in die kleine Station eindampfte, hörte ich erstaunt irgendwo über den Häusern ein seltsames Vorbeiflattern; Kanonengeschosse sausten über einen Zipfel Frankreichs von Spanien nach Spanien. Für den Unwissenden scheinbar harmlos Geräusche. So begann für mich der Krieg."


"Der Gare d` Orsay erstreckte sich über mehrere Etagen. Der spanische Zug fuhr ganz unten ab. Der Bahnsteig, gedrungen und grün, befand sich am Ende einer Treppe, und Fahrgäste drängten sich im letzten Moment zuhauf durch die Fahrkartenkontrolle. Wir waren so ziemlich die letzten in der Schlange.
Der Bahnsteigschaffner hielt meine Fahrkarte in der Hand. Ich schaute hinab. Sein Handteller war tief zerfurcht von harter Maloche und langen Arbeitszeiten. Er fingerte eine zeitlang an der Fahrkarte herum, beäugte sie und las `Barcelona`, während ich in dem dunklen Kreis zwischen dem Schirm seiner Mütze und seinem Schnurrbart seine Augen zu lesen suchte.
"Ist das ihr Fahrziel?"
"Ja", antwortete ich.
Er schob die Mütze aus der Stirn und schüttelte mit plötzlich die Hand.
"Genossin", sagte er, während er mir weiter fest die Hand drückte und mich anschaute, "viel Glück, Genossin. Und allen anderen auch", fügte er hinzu.
"Ich wünschte, ich wäre an deiner Stelle."
Ich hätte beinahe den Zug verpasst. Ich sprang in den letzten Wagen.
Er war voll besetzt.

Die französische Zollabfertigung war eine Formalität. Durch die Gebirgskette führte ein Tunnel Richtung Spanien. Der Zug verschwand tatsächlich in dem großen Berg und tauchte auf der anderen Seite in Katalonien wieder auf, wo plötzlich alles ganz anders war.

Wir stiegen aus und spazierten durch die Strassen von Port Bou, auf denen ein gelassenes Treiben herrschte. Die Schatten der Platanen krochen über den weißen Staub. Unter den Bäumen befanden sich Cafes, und hier und da saßen die Milizionäre mit dem Rücken an die Baumstämme gelehnt, die Gewehre von 1914 auf den Knien, während sie aus langhalsigen Flaschen tranken oder zusahen, wie Rauchkringel von ihren Zigaretten in die ruhige Luft aufstiegen.
Es war bewegend, als ich unter diesen jungen Katalanen in ihren blauen Milizoveralls und den über die braunen Arme hochgerollten Ärmeln umherging. Wir erwiderten ihren Gruß mit bereitwillig erhobener Faust oder indem wir ihnen die Hände schüttelten.
Ich zögerte, Port Bou zu verlassen. Hier war ich zum ersten Mal der Revolution begegnet, und die Stadt war so schön."


So wie viele einzelne Tropfen schließlich ein Rinnsal bilden, zu einem Bach werden, dann zu einem Fluss - so strömten sie nach Spanien. Keiner hatte sie rekrutiert, geschweige denn es ihnen befohlen. Tausende aus der ganzen Welt sollten ihnen folgen, der Fluss zum reißenden Strom werden, alle beseelt von dem Wunsch, Spanien möge zum Grab des Faschismus werden.

18. September 1936, Moskau, Präsidiumssitzung des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale.
Unter Punkt 7 und 8 der Tagesordnung wird beschlossen:
"7) Unter den Arbeitern aller Länder ist eine Werbung von Freiwilligen, die im Militärwesen ausgebildet sind, zu betreiben, um sie nach Spanien zu schicken.
8) Durch die Entsendung von gelernten Arbeitern und Technikern ist eine technische Hilfe für das spanische Volk in die Wege zu leiten."


Republikanisches Sprengkommando
Foto: Gerda Taro [Public domain], via Wikimedia Commons
Oktober 1936, Paris, Rue Lafayette:
Im Rekrutierungsbüro der Internationalen Brigaden drängen sich die Freiwilligen. Ihre Personalien werden aufgenommen, von besonderem Interesse sind militärische Kenntnisse und Fronterfahrung im 1. Weltkrieg. Nach dieser Aufnahmeprozedur werden sie auf verschiedene Gewerkschaftshäuser (maison de peuple) verteilt.

10.Oktober 1936 morgens, Paris, Gewerkschaftshaus in der Rue Mathourin-Moreau Nr. 8:

Die Freiwilligen treffen zu zweit oder zu dritt im Maison du peuple ein. Einige werden von der Frau, andere von den Kindern und wieder andere von den Brüdern und Schwestern begleitet. Sie tragen Köfferchen und kleine Bündel. Die meisten kommen von der Pariser banlieue, andere von weiter her. Ein Metallarbeiter bringt auch sein Motorrad mit. Er weiß, dass Spanien nicht nur Arme, sondern auch Transportmittel braucht, ein Motorrad kann an der Front sehr wertvoll sein, er stellt das seine zur Verfügung.

Andere hingegen kommen allein, ohne irgendwelche Ausrüstung, als ob sie sich zu einem Spielchen oder zum Plauderstündchen ins nahe Cafe begeben wollten. Das sind im allgemeinen die Jüngeren, deren Familienangehörige den Idealen, für die in Spanien gekämpft und gestorben wird, feindselig gegenüber stehen. Sie haben sich heimlich und unauffällig von zuhause weggeschlichen, sie haben niemandem etwas gesagt, um keinen Ärger zu haben.

In dem sich schnell füllenden Saal, wo die Abreisenden sich sammeln, teilen Frauen und Mädchen Kleidungsstücke und Toilettenartikel an die aus, die am bedürftigsten sind, sie übernehmen letzte Aufträge und versprechen den Freiwilligen, mit ihnen Briefe zu wechseln.

Die Uhrzeiger rücken schnell vor. In einigen Augenblicken heisst es abfahren. Es geht los. Die bisher unterdrückte Erregung macht sich in Umarmungen, in lärmenden Grüßen und Gesang Luft.

Die Freiwilligen besteigen den Autobus, der sie zum Bahnhof bringt. Doch schon hier müssen sie den Mut des Kämpfers besitzen, der den Feind wittert, auch wenn dieser vorläufig nur von dem Gendarmen verkörpert wird, der ihn am Bahnhof oder im Zug erkennt und aus Achtung vor der Nichteinmischung beim Kragen packen, nach Hause zurückschicken oder ins Gefängnis sperren kann, wenn zufällig - was bei den Emigranten nicht selten vorkommt - nicht alle Papiere in Ordnung sein sollten.
Daher fahren die Autobusse in aller Stille vom Volkshaus ab.

10.Oktober 1936, früher Vormittag, Paris, Gare d` Austerlitz:

500 Freiwillige drängen sich auf dem Bahnsteig vor dem Schnellzug Nr.77. In wenigen Minuten werden sie sich auf den Weg nach Perpignan machen, von dort nach Barcelona und am 14. Oktober werden sie in Albacete, der Basis der Internationalen Brigaden ankommen. Der Schnellzug Nr. 77 wird später den Namen "Freiwilligenexpress" bekommen.

Februar 1937, New York:

"Es war der Abend vor unsrer geplanten Abreise nach Spanien, und meine Gruppe war für die letzten Anweisungen zusammengerufen worden. Ungefähr fünfundzwanzig Freiwillige waren erschienen.

Der Vorsitzende eröffnete die Versammlung. Er sprach langsam und versuchte offenbar, uns damit die Wichtigkeit seiner Informationen vor Augen zu führen.
"Euer Schiff geht morgen mittag. Alle müssen bis 11Uhr an Bord sein. Ihr werdet in Fünfergruppen aufgeteilt, jede mit einem Verantwortlichen."
Er machte eine Pause und sein Blick schweifte durch den Raum.

"Euch ist klar, dass niemand wissen darf, wo ihr hingeht. Erfindet Ausreden für eure Eltern, Verwandte und Freunde. Niemand darf wissen, dass ihr nach Spanien geht. Das bedeutet natürlich auch, dass ihr allein zum Schiff kommt. An Bord dürft ihr kein Aufsehen erregen. Seid unauffällig, ihr müsst euch in Zweier- oder Dreiergruppen zusammentun. Passt auf, was ihr erzählt, und sprecht nicht über Spanien oder Politik im allgemeinen. Es könnten Agenten der Regierung an Bord sein, deren Aufgabe es ist, Euer Durchkommen nach Spanien zu verhindern."

Am nächsten Morgen: "Da lag sie also - die Ile de France, das Schiff, das mich nach Le Havre bringen sollte. Ich begab mich zum Eingang für die Passagiere der dritten Klasse. Zu meinem Erstaunen waren dort ungefähr dreihundert Männer, alle recht jung, die sich angestellt hatten. Normalerweise hätten es zu dieser Jahreszeit nicht mehr als ein paar Dutzend Passagiere in der dritten Klasse sein dürfen.
Alle in der Schlange trugen alte Mäntel und die gleichen Koffer. Auffallend unauffällig! Während sich die Schlange mühsam dem Laufsteg näherte, bemerkte ich mehrere Männer, die ruhig neben uns hergingen und die Passagiere leise ansprachen. Sie waren so gut gekleidet, dass ich sie sofort als Agenten der Regierung erkannte. Einer kam auf mich zu.
"Wohin geht die Reise, junger Mann?" fragte er.
"Ich fahre in die Alpen zum Skilaufen"
"Sind Sie sicher,dass es die Alpen sind und nicht die Pyrenäen?"
"Nein, ich mag die Alpen."
Der Mann starrte mich an.
"Es ist schon komisch, wie viele von Euch die Sozialhilfe sausen lassen und zum Skilaufen in die Alpen fahren"

Endlich war ich auf dem Schiff. Das Deck wimmelte von Verwandten und Freundinnen der Dritte-Klasse-Passagiere, meiner Kameraden. Soviel also zum Thema Geheimhaltung!
Um 12 verlies das Schiff den Hafen. Ich rannte zur dicht umlagerten Reling und schaffte es, das Dock zu sehen. Es mussten so um die tausend Menschen sein, die zu uns aufschauten und uns zuwinkten. Da erhoben sich ein paar geballte Fäuste, dann mehr und mehr, bis ich keine Gesichter mehr sehen konnte."

Joris Ivens und Ernest Hemingway mit Ludwig Renn 1936 während des spanischen Bürgerkriegs
Foto: Bundesarchiv, Bild 183-84600-0001 / CC-BY-SA via Wikimedia Commons
1938, Radiomeldung:
"Der Schriftsteller Ernest Hemingway ist von seinem Wohnsitz in Key West plötzlich aufgebrochen, ist in New York gesehen worden, wo er sich ohne Hut und Koffer einschiffte, um sich wieder an die Front der republikanischen Truppen in Spanien zu begeben."


Oktober 1936, Albacete, Spanien.
Das Städtchen Albacete, eine maurische Gründung, liegt zwischen Madrid und Valencia in der endlosen Öde der Mancha. Es soll zur Basis der Internationalen Brigaden werden. Unterkunft der ersten Freiwilligen ist die Kaserne der Guardia Civil. Im Erdgeschoss sind noch Spuren der Kämpfe mit den Putschisten zu sehen, die hier bis 25.Juli andauerten. Die Anfangsschwierigkeiten sind enorm: Es gibt nichts und von allem zu wenig.

Unterkünfte müssen gefunden und zu Kasernen hergerichtet werden. In der Not werden selbst die Arkaden der Stierkampfarena als Unterkunft und Speiseraum eingerichtet.
Es gibt keine Matratzen, keine Essnäpfe und keine Teller für alle. Löffel sind nahezu unbekannt und wo soll man die Küchengeräte hernehmen? Mit den vorhandenen kann man gerade das Essen für ein Drittel, im Höchstfall für die Hälfte zubereiten, ein Teller und ein Löffel müssen für zwei bis drei Personen reichen.

Gleichzeitig muss eine Militärorganisation aus dem Nichts aufgebaut werden. So muss z.B. der Transport der Freiwilligen an die Front organisiert werden. Grundstock der "Transportabteilung" sind drei Motorräder, persönliches Eigentum von Freiwilligen, die sie dem Stab geschenkt haben und ein paar klapprige Autos der örtlichen Volksfrontorganisationen.

Mechaniker aus den Renault- und Citroen- Werken von Paris machen sich daran, aus dem Nichts und mit an Wunder grenzendem Improvisationstalent eine erste Reparaturwerkstatt einzurichten, die wenigstens die Fahrbereitschaft dieser Vehikel gewährleistet.

Am 14.Oktober kommen die ersten 500 Freiwilligen nach Albacete, zwei Wochen später sind es schon 3000 - 4000 Freiwillige, die versorgt werden müssen.
So wird das verschlafene Provinznest innerhalb weniger Wochen zu einem Heerlager. Tausende von Menschen drängen sich in der kalten Morgenluft, die den Winter ankündigt und beleben das Städtchen wie bei einem Jahrmarkt.

Tatsächlich wird auch alles verkauft, was auch nur entfernt mit militärischer Ausrüstung zu tun hat: Messer, Unterhosen, Riemen,Messbecher, Schuhe, Abzeichen, Kämme, an jedem Schuh- und Stoffladen stehen die Soldaten an.

Ein chinesischer Hausierer bietet seinen Schund an und redet auf einen Wachposten ein. Der Wachtposten dreht sich um und der Hausierer läuft davon: Sie sind beide Chinesen.

Ein stampfender Laut ist an diesem Morgen zu hören, ebenso deutlich abgesetzt wie Pferdegetrappel, aber regelmäßig wie das Hämmern in Schmieden. Das ist das gedämpfte Geräusch der marschierenden Truppen: Die Männer der Brigaden, noch in Zivil, aber bereits in schwerem Militärschuhwerk, mit verbissenen Gesichtern oder Intellektuellenschöpfen: alte Polen mit Schnurrbärten wie Nietzsche und junge Sowjetfilmtypen, Deutsche mit rasiertem Schädel, Algerier und Italiener, die wie unter die Internationalen verschlagene Spanier wirken, Engländer, malerischer als alle anderen, Franzosen, die wie Maurice Thorez oder wie Maurice Chevalier aussehen, alle gestrafft in der Erinnerung an ihre Armee oder den Krieg, in dem sie gegeneinander gefochten hatten, die Männer der Brigaden stampfen durch die enge Strasse, die hallt wie ein Korridor.

Sie nähern sich jetzt den Kasernen und stimmen ein Lied an: Zum ersten mal auf der Erde singen Männer aller Nationen in militärischer Formation die Internationale.

28. Oktober 1936, Albacete:
Die bisher aufgestellten vier Bataillone werden in Nachbardörfern untergebracht, mit Gewehren und Maschinengewehren bewaffnet, und beginnen mit der militärischen Ausbildung und Organisation. Es gibt weder einen Kommandeur, noch Kommissar, keinen Stab, noch die Männer für die übrigen Dienststellen der Brigade. Dazu sind noch mindestens 10 bis 14 Tage notwendig.

5.November 1936, Albacete:

Heute kommt der Befehl, sofort alle bereitstehenden Bewaffneten nach Madrid zu schicken. Die Hauptstadt ist in Gefahr. Auf alle die schön ausgedachten Pläne mit all ihren Terminen muss verzichtet werden. So geht die erste Internationale Brigade, einundzwanzig Tage nach dem Eintreffen der ersten Freiwilligen in Albacete, an die Front. Sie sind es, denen wir am 8. November auf der Strasse von Valencia nach Madrid begegnen.

Nach Motiven aus den Arbeiten von Max Aub, Angela Berg, Harry Fisher, Luigi Longo, Mary Low, Jakob Lorscheider, Antonio Munoz Molina, Andre Malraux, Gustav Regler, Ludwig Renn, Frank Schauff, Fritz Teppich, Hugh Thomas.

Ein Gespenst geht um in Stuttgart...

Facebookseite der Jugendoffensive
Die Jugendoffensive gegen Stuttgart 21 ruft via Facebook auf zur Blockade am Grundwassermanagement. Alle Mächte der alten Welt haben sich zur Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet: der Stuttgarter Polizeipräsident, zwei sozialdemokratische Minister, der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, die Stuttgarter Zeitungen, die Vorsitzende des BUND, der Chef der "Grünen Jugend"... stündlich wird die Liste der Verurteiler und Distanzierer länger.

Eine wahrlich gespenstische Szenerie. Seit Wochen wird die Baustelleneinfahrt zum Grundwassermanagement blockiert: von den Unternehmern gegen S 21, von den Gewerkschaftern gegen S 21, von den Senioren gegen S 21, von den Christen gegen S 21 etc., etc.

Kein öffentlicher Aufschrei der Empörung, nichts, keine Verurteilung, keine Distanzierung. Aber jetzt, die Jugend, das ist zu viel: obwohl S 21 ja gerade die Jugend betrifft. Die Jugend, die in baufälligen Klassenzimmern aufpassen muss, dass ihr nicht der bröckelnde Putz auf den Kopf fällt, die Jugend, die noch zahlen muss für dieses Wahnsinnsprojekt, wenn die heute verantwortlichen Betreiber von S 21 schon längst nicht mehr in Amt und Würden oder tot sind.

Ja, und dann dieses "Internetdingens", diese Facebook - Teufelszeug. In Ägypten, Tunesien hat das ja schon den treuen Verbündeten aller Bundesregierungen der letzten 30 Jahre den Kopf bzw. ihre Diktatoren-Posten gekostet. Aber da war man ja - nach einer Schrecksekunde - sehr begeistert von den "Facebook - Rebellen". Als diese Facebook - Rebellen dann in Spanien Furore machten, kühlte die Begeisterung schon merklich ab - aber jetzt vor der eigenen Haustür, in Stuttgart?

Die Jugendlichen würden "instrumentalisiert" - von wem, von sich selber?

Außerdem sind die Jugendlichen Wiederholungstäter, denn - so die zwei sozialdemokratischen Minister - "die Schülerdemonstration am 30.9.2010 hat zu der Auseinandersetzung mit vielen Verletzten geführt."

Zur Erinnerung: Am 30.9. fielen Schülerhorden mit Wasserwerfern, Pfefferspray und Schlagstöcken über völlig eingeschüchterte BFE-Einheiten der Polizei her und jagten sie mit einem Hagel von Stuttgarter Plastanien (einer einmaligen Kreuzung des gemeinen Pflastersteins mit der gewöhnlichen Kastanie) in die Flucht, um dann in einem Akt zügellosen Vandalismus 25 Bäume im Schlossgarten mittels mitgebrachter Kettensägen zu fällen.

Und unsere Fahrt auf der Gespensterbahn geht weiter. Mitten im Sommer ist es Weihnachten in Stuttgart: "Frieden für Stuttgart" und den Menschen ein Wohlgefallen - das hat der sommerliche Weihnachtsengel Geissler am 29.07. verkündet.

Herr Kefer von der DB lieferte eine fulminante Schauspieler-Leistung ab und zeigte sich "überrumpelt" und "überrascht" über Geisslers Friedensmission. Eine Stunde später: Geissler auf die Frage, warum er seinen Vorschlag nicht mit der DB vorher abgestimmt habe: "Natürlich habe ich das mit der DB abgestimmt, die habe ich als erstes informiert."

Gleichzeitig verlautet aus "gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen", dass die Polizei landesweit in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt wurde, schweres Gerät sei angefordert.

Ein Schuft, der Böses dabei denkt!

Gebirgsjäger im Val di Susa

Hier wurde bereits mehrfach über die Situation im italienischen Susatal berichtet1. Seit 20 Jahren protestieren die BewohnerInnen dort gegen ein Hochgeschwindigkeitsnetz, das zwischen Turin und Lyon für 20 Milliarden Euro gebaut werden soll. Inzwischen sind im Val di Susa 120 Gebirgsjäger des 3. Bataillons Susa stationiert. Letzter Einsatzort: Kabul. Das ist an Symbolik nicht mehr zu überbieten...





Siehe auch die weiteren Beiträge zum Val di Susa:



Links zu verschiedenen Initiativen gegen den TAV:

Val di Susa: "Wie im Krieg, fehlt bloss noch der Luftangriff"

Wir hatten hier und dort über die Situation im italienischen Susatal berichtet. Seit 20 Jahren protestieren die BewohnerInnen dort gegen ein Hochgeschwindigkeitsnetz, das zwischen Turin und Lyon für 20 Milliarden Euro gebaut werden soll. Vor kurzem erreichte uns eine Mail zur Mahnwache an der Maddalena. Heute früh wurde nach einer Demonstration mit 3000 TeilnehmerInnen geräumt:

"Liebe Freunde,
heute früh um 6 sind sie gekommen, mit Wasserwerfern und Tränengas, mit Wannen und Planierraupen. Unsere Barrikaden haben so einem Aufgebot nicht standhalten können. Sie haben von 3 Seiten angegriffen und sind mittlerweile auf dem Platz wo unsere Mahnwache war. Nach meinen Informationen (meine BI ist fast komplett an der Maddalena) gab es bisher keine Verletzte. Die vielen Hunderte von NO TAV versuchen im Augenblick, sich zu sammeln, nachdem sich alle mehr oder weniger im Wald zerstreut hatten, um sich zu beraten. Die Bürgermeister vor Ort, zusammen mit den Rechtsanwälten, scheine zu verhandeln, aber wir wissen ja, was das bringt. In der Zwischenzeit ist der Verkehr im Tal offensichtlich, zumindest weiter oben, blockiert, die Autobahn ist von der Polizei geschlossen.

Wie im Krieg, fehlt bloss noch der Luftangriff.

A sarà düra!
S.
"

Videos des heutigen Tages:



"Wir haben viele Argumente einen Zug zu stoppen, stoppen wir den LGV!"

Im Baskenland kämpft eine breite Bürgerbewegung seit 1996 gegen den Bau weiterer Hochgeschwindigkeitsstrecken (LGV). In dieser Auseinandersetzung gibt es deutliche Parallelen zum Kampf gegen Stuttgart 21. Aus dem südlichen Baskenland in Arrasate (auf Spanisch "Mondragon" - ca. 48 km von Bilbo (Bilbao) und 78 km von Donostia (San Sebastian) entfernt, der baskischen Provinz Gipuzkoa) erreichte uns ein Brief, den wir hier in einer eigenen Übersetzung dokumentieren. Der Brief ist an alle Gruppen, Zusammenschlüsse, Vereine usw. gerichtet, um zur Beteiligung an der nationalen Demonstration des Baskenlandes gegen den LGV am kommenden 11. Juni in Arrasate auzurufen:

"Wir haben viele Argumente einen Zug zu stoppen, stoppen wir den LGV!"

Guten Tag. Wir schicken Euch den Aufruf zur nationalen Demonstration des Baskenlandes, die am kommenden 11. Juni in Arrasate (Mondragon), im Inneren der Provinz Gipuzkoa) stattfinden wird, unter dem Slogan: "Wir haben viele Argumente um einen Zug zu stoppen, halten wir den LGV an!!"

Wir bitten Euch, diese Demonstration zu unterstützen. Sie beabsichtigt alle zusammenzuschließen: die Betroffenen von staatlichen Kürzungen (Sparmaßnahmen) im Gesundheitswesen, der Bildung, den Rentnern, Bauern, den geschädigten Dörfern, sowie alle Menschen, die direkt mit anderen verheerenden (zerstörenden) Projekten konfrontiert sind: wie der Superhafen von Jaizkibel, die Wärmekraftwerke, das Atomkraftwerk von Garona, die Hochspannungsleitungen usw.
Wir bitten Euch, den Aufruf zur Demonstration zu unterstützen und dafür aufzurufen, an der Demonstration am 11. Juni teil zu nehmen, sei es mit einer Pressemitteilung, einem Leserbrief oder was Ihr für notwendig findet. Wir bitten auch um Eure Beteiligung an der Demonstration, indem Ihr Eure eigenen Forderungen, Plakate oder Spruchbänder mit Euch tragt.

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit
AHT GELDITU ELKARLANA


News aus dem Val di Susa

Proteste gegen den TAV
Fotograf: MicerinoV
Lizenz: Public Domain
Wir hatten hier und dort über die Situation im italienischen Susatal berichtet. Seit 20 Jahren protestieren die BewohnerInnen dort gegen ein Hochgeschwindigkeitsnetz, das zwischen Turin und Lyon für 20 Milliarden Euro gebaut werden soll. Nun erreichte uns eine Mail:

"Liebe Freunde,
wir warten immer noch. Die EU hat der ital. Regierung nochmal einen Monat zugestanden! Letzte Woche waren unsere Bürgermeister beim Präfekt, natürlich ohne Ergebnis. In Kürze bekommt Turin einen neuen Polizeipräsidenten und das verheisst nichts Gutes, denn falls der sich erstmal profilieren muss, kriegen wir das ab. In der Zwischenzeit rufen die Politiker, rechts und links (ja, auch die übriggebliebene pseudolinke PD), lautstark nach dem Militär! Mittlerweile sind auch die Enteignungsverfahren anglaufen, vor 3 Tagen kamen die ersten Briefe an (wohlgesagt nach dem ersten Versuch, die Baustelle einzurichten); wegen der Gegenklagen dauert das aber nochmal 80 Tage, bis sie endgültig sind, was jedoch offensichtlich kein Hindernis darstellt.

In Kürze: es geht einzig und allein darum, der EU zu zeigen, dass es die erste Baustelle gibt, damit der Euro rollt. Der Staat hat überhaupt kein Geld, um das Projekt voranzutreiben und Berlusconi hat ganz andere Sorgen... er hat gerade erst sämtliche Komunalwahlen verloren. Am Wochenende ist Volksabstimmung gegen Atomkraft und Wasserprivatisierung, danach rechnen wir mit einem neuen Versuch.

Die Mahnwache an der Maddalena ist nichtsdestotrotz 24 h am Tag besetzt - gestern hatte meine BI Dienst von 12 bis 24 Uhr. Es gibt jetzt eine Feldküche, wo 2mal täglich warme Mahlzeiten gereicht werden ( gestern gab's Pasta mit Seitanragout und Gemüsesuppe), es gibt Lokalwein (die Maddalena ist inmitten von Weinbergen),wir haben eine eigene Müllabfuhr (der SI-TAV Bürgermeister von Chiomonte weigert sich, mitzuarbeiten), abends gibts Livemusik und Tanz, am Nachmittag auch kulturelle Vorträge, jeden Tag um 18.30 Uhr ist "Assemblea", da darf dann jeder seinen Senf zu allem abgeben und die Anderen hören zu. Im Wald nebenan stehen dutzende Zelte, viele Leute gehen tagsüber ihrer Beschäftigung nach und schlafen nachts an der Mahnwache. Das alles, obwohl es seit einer Woche in Strömen regnet und die Temperaturen überhaupt nicht Juni-mässig sind.

Soviel aus dem feuchten Valsusa
S."

Einstellung aller Verfahren gegen S21 - GegnerInnen und Gegner - Amnestie jetzt!

Liebe Stadtplanredaktion,
erst einmal vielen Dank, dass ihr das juristische Nachtreten gegen S21-Gegnerinnen und Gegner in eurer letzten Nummer thematisiert habt. Inzwischen wurde ja auch einiges in der Stuttgarter Zeitung veröffentlicht.

Ich möchte den Gedanken von Hannes Rockenbauch im Brief an Heiner Geissler in derselben Ausgabe aufgreifen, wo er schreibt: "Bei jeder gewerkschaftlichen Schlichtung gibt es eine Maßregelungsklausel. In der Regel werden alle in der Auseinandersetzung angestrengten Strafverfahren gegen Streikende eingestellt."

Ich denke es ist an der Zeit, dass alle Kräfte des Widerstands gegen S21 die Forderung "Einstellung aller Verfahren gegen S21-Gegnerinnen und Gegner - Amnestie jetzt" an die neue Landesregierung stellen und mit vielfältigen Aktionen Druck dafür erzeugen.

Dies ist um so dringender, als der absolute Kriminalisierungswille der Staatsanwaltschaft ungebrochen scheint : Im Fall von Birgit Th., über den ihr auch berichtet, wurde von der Staatsanwaltschaft Revision gegen das Urteil eingelegt.

Zur Erinnerung: Birgit Th. wurde wegen eines Schubsers gegen einen Polizisten zu 3600 Euro Strafe verurteilt. Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl wegen versuchten Totschlags gegen sie beantragt . Im Prozess forderte die Staatsanwaltschaft dann 4 Monate Freiheitsstrafe und eine Geldbuße von 1500 Euro. Es  ist zu befürchten , dass die Staatsanwaltschaft diesen ursprünglichen Strafantrag nachträglich durch die Revision noch durchsetzen will.

Dieses Vorgehen der Staatsanwaltschaft beschränkt sich im übrigen nicht nur auf S21 Gegner. Das von strafrechtlicher Verfolgung betroffene Spektrum reicht von Gegnern des Bundeswehrgelöbnisses 2010 bis zum verdi- Jugendsekretär.

Das Bündnis für Versammlungsfreiheit, in dem ich mitarbeite, diskutiert deshalb nicht nur über eine Kampagne zur Einstellung aller Verfahren gegen S21-Gegner- Amnestie jetzt, sondern auch darüber, wie ein fortschrittliches Versammlungsgesetz  auf antifaschistischer Grundlage aussehen kann.

Zu dieser Diskussion möchte ich euch und alle Leserinnen und Leser des Stadtplan einladen.

Oben bleiben!
Wolfgang Hänisch

Zuerst veröffentlicht als Leserbrief in Stadtplan 3 /2011, Fraktionszeitung der SÖS / Linke Stuttgart


Weitere Infos bei www.versammlungsrecht.info


Stellungnahme der No-TAV Bewegung und der Susatal - Bürgermeister zu den Vorkommnissen in der Nacht vom 22. auf den 23. Mai

Aufruf zu einer Volksversammlung der No-TAV Bewegung heute abend in Bussuleno
via lavalleressiste
Wir dokumentieren die Stellungnahme der No-TAV Bewegung und die Pressemitteilung der zum Krisenstab zusammengetretenen Susatal-Bürgermeister zu den Vorkommnissen in der Nacht vom 22. auf den 23. Mai:

Die Stellungnahme der No Tav-Bewegung: heute Nacht der Versuch, das Baugelände einzuzäunen.

Im oberen Susatal ist heute Nacht versucht worden, bis jetzt ohne Ergebnis, das Baugelände  an der Maddalena in Chiomonte einzuzäunen, wo der geognostische Tunnel gegraben werden soll.

Zur selben Zeit wurde im Sitz der Berggemeinschaft Susa- und Sangonetal in Bussoleno ein Krisenstab eingerichtet.

Diese Entscheidung der Bürgermeister stellt einen außergewöhnlichen Schritt dar, da sie den radikalen Dissens des von ihnen repräsentierten Gebiets gegenüber einem unnützen und schädlichen Projekt ausdrückt.

Die Tatsache, dass ein institutionelles Komittee gegründet wird, in dem die No Tav- Bewegung und die Institutionen in perfektem Einklang das Susatal und die anderen von der neuen Bahnlinie Turin-Lyon durchquerten Gebiete verteidigen, bedeutet, dass unsere Bevölkerung auf beiden Beinen steht und bereit ist zum Widerstand, genauso wie 2005 in Venaus.

Europa soll es wissen: Das Tal und die anderen durchquerten Gebiete nehmen nicht an ihrer Selbstzerstörung teil

Wir bitten um eure entschiedene Stellungnahme und euren Einsatz gegenüber der Europäischen Kommission und der Italienischen Regierung, damit umgehend die Konditionen für einen „nicht militarisierten“ Umgang, für einen echten  Dialog mit den lokalen Institutionen (Stadtverwaltungen und Berggemeinschaft Susa- und Sangonetal), die seit längerer Zeit ausgegrenzt werden, und mit der örtlichen Bevölkerung wiederhergestellt werden.

Wir danken euch und danken für eure Reaktionen

Freundschaftliche Grüße

Für die No Tav-Bewegung
Paolo Prieri

Hier die Pressemitteilung der Bürgermeister:

Die Bürgermeister

der vom Projekt einer neuen Bahnlinie Turin- Lyon betroffenen Gebiete, versammelt hier im Sitz der Berggemeinschaft Susa- und Sangonetal in Via Trattenero 15 in Bussoleno;

in Kenntnisnahme der Entscheidung, Polizeikräfte einzusetzen, um das Baugelände des  “Geognostischen Tunnels der Maddalena- einzuzäunen und so den Bürgern eine von der Mehrzahl der Gemeinden nicht geteilte Entscheidung aufzuerlegen, und der großen Spannung, die sich im Tal verbreitet und die jederzeit zur Gefährdung der öffentlichen Ordnung führen kann;

  • kritisieren ein Vorgehen, das starke Mängel im Projektgenehmigungsverfahren, in der Vergabe und im Beginn der Bauarbeiten aufweist, wie bereits im Einspruch beim Verwaltungsgerichtshof der Region Latium durch die Gemeinde Giaglione und die Berggemeinschaft Susa- und Sangonetal niedergelegt;

  • bekräftigen ihre Zweifel am Verhalten der Regierungsreferenten am Institutionellen Tisch und im Observatorium im Hinblick auf die Beziehungen zu jenen Ortsverwaltungen, die sich gegen die neue Bahnlinie ausgesprochen haben und die von jeglichen Verhandlungen ausgeschlossen wurden;
  • zeigen auf, dass die Zusagen der Regierung betreffs der Finanzierung der „Strategischen“ Förderung und der Nahverkehrsplanung nicht eingehalten wurden;

  • teilen mit, dass ein Krisenstab der Kommunalverwaltungen eingerichtet worden ist, um der Bevölkerung, die mobil macht, nahe zu sein, und damit eventuellen akuten Zwischenfällen, die diesbezüglich eintreten können, entsprechend begegnet werden kann;

  • erklären sich bereit, sich mit allen Verhandlungs- und Gesprächspartnern auseinanderzusetzten, die dieser Phase mit korrektem Verhalten begegnen.


Bussoleno, 23. Mai 2011
cronjob