Die wirtschaftliche Entwicklung im deutschen Maschinen- und Anlagenbau hat zu einem überraschend
starken Anstieg der Beschäftigtenzahl geführt, schreibt die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 20. Dezember 2007. Der größte industrielle Arbeitgeber wird zum Jahresende schätzungsweise 935.000 Menschen fest angestellt haben. Dazu kommen noch einmal rund 46.000 Zeitarbeitskräfte. Im Jahresvergleich ist deren Anteil an der Gesamtbelegschaft von 4,3 auf 4,8 Prozent gestiegen.
Wie sieht eigentlich die Entwicklung in der Region Stuttgart aus? Dieser Frage geht der inzwischen 6.
Strukturbericht des
Institutes für Medienforschung und Urbanistik (IMU) und des
Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung e.V. (IAW) nach, der im Auftrag vom Verband Region Stuttgart, der Handwerkskammer Region Stuttgart, Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart sowie derIG Metall Region Stuttgart erstellt wurde.
Es wird darin herausgestellt, daß zwischen 2002 und 2006
50.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze vernichtet wurden.
Dieser Gesamtverlust ergibt sich aus einem Verlust von 52.000 Arbeitsplätzen im produzierenden Gewerbe (Stand 2006: 410.000 Arbeitsplätze) und einer leichten Zunahme von 2.000 Arbeitsplätzen im Dienstleistungssektor (Stand 2006: 609.000 Arbeitsplätze).
Seit Ende 2006 führte die Entwicklung wieder zu einem Anstieg der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Laut der Analyse entwickelt sich ein ein
zunehmender Mangel an Fachkräften, was mit dem Rückgang der Ausbildung in der Vergangenheit zu tun hat.
Während die Zahl der Arbeitsplätze für die sogenannten "gering qualifizierten Arbeitnehmer", d.h. vor allem in Produktion und
einfachereren Bürotätigkeiten abnimmt, steigt der Bedarf an hoch Qualifizierten. Im Zeitraum 2004 bis 2006 wurde dies besonders deutlich:
Während allein in diesen zwei Jahren insgesamt rund 28.000 Arbeitsplätze einfacher und mittlerer Qualifikation abgebaut wurden, entstanden gleichzeitig rund 4.000 zusätzliche Arbeitsplätze für Beschäftigte mit einem akademischen Abschluss. Das wiegt die Zahl der vernichteten Arbeitsplätze in keiner Weise auf. Es führt zu einer zunehmenden Verdrängung der klassischen Produktionsarbeiter aus der Fertigung und ist
eine materielle Grundlage für einen steigenden Konkurrenzdruck unter den KollegInnen selber. Das findet seinen Ausdruck auch in dem Rückgang des gewerkschaftlichen Organisationsgrades. Mit Sicherheit die
falsche Konsequenz.
Bundesweiter Organisationsgrad, bezogen auf Beschäftigte:
1980: 32,7%
1984: 31,6%
1988: 29,4%
1992: 28,7% (West) 39,7% (Ost)
1996: 26,6% (West) 26,7% (Ost)
2002: 23,8% (West) 20,4% (Ost)
(Quelle:
Uni Erlangen)
Der Arbeitsplatzvernichtung im produzierenden Gewerbe steht ein Aufbau im Dienstleistungssektor gegenüber, so arbeiten mittlerweile knapp 60 Prozent der Beschäftigten in der Region in sogenannten Dienstleistungsbetrieben. Allerdings wird dadurch noch nicht das ganze Ausmaß der Vernichtung von Produktionsarbeitsplätzen sichtbar, denn 74 Prozent aller Beschäftigten üben inzwischen Dienstleistungstätigkeiten aus.
In Folge der Auslagerung "produktionsferner Tätigkeiten" und der Verringerung der Fertigungstiefe oder auch der Verlagerung einfacherer Tätigkeiten wie Programmierung, Buchhaltung, Service usw. in vielen Unternehmen zieht der Bereich der sog. "unternehmensbezogenen Dienstleistungen" wieder an. Vom Callcenter bis zur Gebäudereinigung, Maschineninstandhaltungen, EDV Dienste usw. Die meiste Steigerung gab es bei den Beratungsdienstleistern und Zeitarbeitsfirmen, obwohl der Gesamtanteil an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bei diesen Firmen lediglich bei 1,7% liegt. Das wird sich mit Sicherheit unter dem Druck von Hartz IV weiter verschärfen und wiederum Druck auf Lohn und Arbeitsverhältnisse der regulär Beschäftigten bewirken.
Die nach wie vor sprudelnden Profite der stark exportabhängigen Groß- und Kleinbetriebe in der Region hängen entscheidend von deren Vorsprung bei der Forschung, der Entwicklung und der Produktion technologisch führender Produkte ab. Das führt zu einer Verschärfung des Konkurrenzkampfes / drucks unter diesen Unternehmen.
Die Studie stellt fest, daß Teilzeitarbeitsplätze, Zeitarbeit und Minijobs an Bedeutung gegenüber sozialversicherungspflichtigen
Vollzeitarbeitsplätzen in fester, unbefristeter Stellung gewinnen. Wie schon oben angemerkt wird ein immer größerer Teil der Arbeit durch Teilzeitarbeitsplätzen, in Zeitarbeit oder in Minijobs erledigt. Im Jahr 2006 gab es in der Region Stuttgart 246.000 Minijobs. Das heißt, auf 100 sozialversicherungspflichtige Voll- und Teilzeitarbeitsplätze kommen ca. 24 beschränkt sozialversicherungspflichtige Minijobs bei steigender Tendenz.
Soweit die interessanten Fakten der Seiten umfassenden Studie. Die Schlussfolgerungen darin sind ein anderes Thema. Es stellt sich die Frage, warum die Beschäftigten mit Zeitarbeits- bzw. befristeten Verträgen eigentlich nicht fest eingestellt werden. Die Zeiten, in denen sie angeblich "zum Abarbeiten kurzfristiger Produktionsspitzen" eingesetzt wurden sind lange vorbei. Dieses "Argument" entpuppt sich angesichts der oben genannten Zahlen vielmehr als
Einstiegslüge, die dazu benutzt wurde, um den Befürchtungen von Betriebsräten und Gewerkschaftern entgegenzutreten, die den Bestand fester Arbeitsverhältnisse gefährdet sahen. Statt dem verbreiteten einseitigen pragmatischen Umgang mit Zeitarbeit gegen den man angeblich "nichts tun" kann nachzugeben ist eine Umkehr nötig und die Forderung, die
Beschäftigten mit Zeitarbeits- bzw. befristeten Verträgen endlich fest einzustellen hochaktuell, ebenso wie die nach weiterer Arbeitszeitverkürzung, zum Beispiel auf
30 Stunden/Woche bei vollem Lohnausgleich. Auf diesen Gedanken kann jedoch nur kommen, wer sich nicht damit abfinden will, daß der Maßstab des Maximalprofites derjenige sein soll, nachdem sich
alles zu richten hat.
Denn Grund zur Klage gibt es eigentlich nicht, Geld genug ist ebenfalls da:
Nach Angaben des Finanzmagazins Forbes gab es im Jahr 2007 weltweit 946 Milliardäre, deren Vermögen allein im Jahr 2006 um 35 Prozent auf 3,5 Billionen US-Dollar gestiegen war. In Deutschland leben etwa 55 Milliardäre, die zusammen 245 Milliarden US-Dollar besitzen. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere: Zwei Drittel der deutschen Bevölkerung verfügen über wenig oder gar kein Vermögen. Dagegen besitzen allein die reichsten zehn Prozent der Haushalte mehr als zwei Drittel des gesamten Vermögens. Und mehr als ein Viertel des Geldvermögens befindet sich in den Händen der reichsten 0,5 Prozent der Bevölkerung. Das soll nicht in Frage gestellt werden?
Daher bietet die Studie im Grunde zwar eine fundierte Analyse der regionalen Lage, aber weder offensive Forderungen, um die es sich zu streiten lohnt noch eine gesellschaftliche Perspektive, in welcher derlei Ausbeutungsverhältnisse der Vergangenheit angehören.