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Wenn Arbeitgeber nach mehr Staat rufen: Mit Kurzarbeit wertvolle Arbeitskräfte in viralen Zeiten hamstern und die Unternehmen auch bei den Sozialbeiträgen entlasten?

“... "Wegen der Corona-Epidemie rechnet die Metall- und Elektroindustrie mit drastischen Einbußen. Die Arbeitgeber fordern Geld für Kurzarbeit -“ noch großzügiger als in der Finanzkrise (...) Die Bundesagentur für Arbeit soll bei Kurzarbeit die vollen Kosten übernehmen, und zwar ab Tag eins. (...) Natürlich könnte man sich angesichts des Überbrückungscharakters der „klassischen“ Kurzarbeit fragen, was denn eine Verlängerung auf 24 Monate wirklich substanziell bringen soll, denn das Instrument funktioniert vor allem dann besonders gut, wenn ein überschaubarer Krisenzeitraum überbrückt werden muss. Hinsichtlich der von den Arbeitgebern während der Kurzarbeit grundsätzlich zu leistenden Anteile an den Sozialversicherungsbeiträgen geht die aktuelle Forderung der Arbeitgeber über den Öffnungen, die 2009 vorgenommen wurden, hinaus. Das kann man ja fordern und aus Sicht der Arbeitgeber ist das auch verständlich, folgt es doch der Logik einer faktischen Sozialisierung betrieblicher Risiken auf Kosten der Beitragszahlergemeinschaft. (...) Und was kaum in der Berichterstattung auftaucht, sowohl im Krisenjahr 2009 als auch jetzt: Man kann die Arbeitgeber noch weiter entlasten, das kostet dann aber nicht nur die Beitragszahler Geld, sondern auch die Arbeitnehmer haben einen Preis zu zahlen, denn sie bekommen für die Zeit der Kurzarbeit nur einen Teil des bereinigten Arbeitseinkommens, die Differenz müssen sie in Form des nicht-kompensierten Verdienstausfalls selbst tragen...- Artikel vom 8. März 2020 von und bei Stefan Sell externer Link und dazu “Kurzarbeit und Corona- -“ Sonderseite beim Bund-Verlag externer Link und im Dossier beim LabourNet.

Der Kampf um den Dannenröder Wald. Ein Fotorückblick.

Foto: © Jens Volle: Das Tripod "Roter Oktober" im Barrio "Morgen" bei Nacht am 20.11.20
Am 1. Oktober begann die über zwei Monate andauernde Räumung und Rodung für den Bau der A49 in Hessen. Zahlreiche Baumhäuser und Plattformen, auf denen die Aktivistinnen teilweise seit über einem Jahr lebten, wurden unter massivem Polizeiaufgebot geräumt. Große Teile des Maulbacher Waldes, des Herrenwaldes und des Dannenröder Waldes sind bereits für den Ausbau der A49 gerodet.

Die Aktivistinnen, die im Dannenröder Wald für eine radikale Verkehrswende und eine lebenswerte Zukunft für alle eintreten, zogen am 9.12. auf einer Pressekonferenz ein erstes Resümee: „Ihr könnt uns aus unseren Baumhäusern räumen, ihr könnt unser Zuhause zerstören, ihr könnt die Bäume fällen und weiter an ein zerstörerisches Verkehrssystem glauben. Doch was ihr uns nicht nehmen könnt, ist die Kraft, weiter für eine gerechtere Zukunft zu kämpfen. Die A49 ist noch nicht gebaut und wir werden weiter dafür einstehen, dass das auch nie passiert!“

Alle Statements der Aktivist*innen könnt ihr hier nachlesen.

Die Fotos für diesen Rückblick erhielten wir von Channoh Peepovicz und Jens Volle. Vielen Dank dafür. Sie sind an zwei Wochenenden entstanden, an denen Unterstützer*innen von „Ende Gelände“ mit im Wald unterwegs waren. Die Bilder zeigen nur einen kleinen Ausschnitt des vielfältigen Widerstandes im Dannenröder Forst.

Zu den Fotos beim Umbruch Bildarchiv

Der folgende Text stammt vom waldstattasphaltbuendnis:

Wir haben das Jahr 2020 und wir haben gerade einen gesunden Mischwald in einem Trinkwasserschutzgebiet an eine Autobahn verloren. Wir alle haben diesen Wald verloren. Wir befinden uns in einer Zeit des Waldsterbens, der Hitzesommer und der Dürrejahre. Die Klimakrise ist heute schon Realität. Und trotzdem hat die schwarz-grüne Landesregierung Hessens diese Schneise in einem der wenigen in Deutschland noch gesunden, intakten Mischwäldern gerodet. Das haben sie wirklich durchgezogen -“ und das werden wir nie vergessen.

Viele Menschen haben uns danach gefragt: Seht ihr es als Erfolg, was ihr hier gemacht habt? Natürlich ist es ein Erfolg. Es ist krass, wie weit wir es mit unserem Protest geschafft haben. Wir haben uns hier mit dem Endgegner angelegt. Innerhalb von nur einem Jahr haben wir Waldbesetzungen mainstreamfähig gemacht, wir haben das Zeitalter der Mobilitätswende eingeleitet, wir haben einen Kristallisationspunkt der Klimagerechtigkeitsbewegung geschaffen. Nicht zu vergessen ist die ganze Arbeit von lokalen Anwohner*innen seit 40 Jahren. Darauf aufbauen zu können, ist was uns stark macht.

Und gleichzeitig habe ich keine Lust unsere Geschichte im Danni als Erfolg zu verkaufen. Denn es ist kein Erfolg. Wir haben nämlich alle verloren. Wir haben alle einen gesunden Wald verloren, weil keine Politiker*in das Rückgrat hatte, dagegen aufzustehen. Ich merke, da sind noch so viel mehr Emotionen in mir. Trauer, aber vor allem Wut, eine ganz ganz tiefe Wut. Nachts, wenn ich nicht schlafen kann, sehe ich immer noch die fallenden Bäume vor mir. 300 Jahre alte Buchen und Eichen, die längst vor den ersten beschissenen Autos da waren. Die schon so viel erlebt haben. Und ich merke, dass diese Wut irgendwo hin muss.

Ich habe auch noch etwas anderes gemerkt: Wenn ich diese alten Bäume fallen sehe, dann sehe ich in ihnen nicht nur ihre eigene Schönheit und Pracht sterben, ich sehe auch die abgeholzten Wälder in Brasilien. Ich sehe die tausende von Dörfern, die wegen der Kohle abgebaggert wurden oder werden sollen. Ich sehe die Typhoons auf den Philippinen und die Orang-Utans, deren Zuhause der Palmöl-Gier in Indonesien zu Opfer fällt. Ich sehe die Waldbrände in Kalifornien.

Ich habe das Gefühl, dass diese ansonsten so abstrakte Klimakrise im Danni so richtig greifbar geworden ist. Im Danni konnten wir mit eigenen Augen erleben, was Ökozid genau bedeutet. Wir alle haben die Ohmacht im Angesicht der Staatsmacht gefühlt, die auf Biegen und Brechen diesen Wald zerstören wollte. Wir alle haben die zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit erlebt, die unter die Haut geht.

Ich glaube wirklich, dass sie sich wirklich keinen Gefallen damit getan haben, uns diesen Wald zu nehmen. Denn sie haben uns noch so viel mehr genommen: Unsere letzte Hoffnung darauf, dass die Verantwortlichen das tun, was richtig ist. Dass die Verantwortlichen das Pariser Klimaabkommen höher werten, als einen Straßenbauvertrag. Was unsere Regierung betreibt ist kein Klimaschutz. So wie es strukturellen Rassismus gibt, betreibt sie strukturellen Anti-Umweltschutz. Es gibt Rechte und Gesetze, die den Bau der A49 aufhalten können, aber sie werden nicht genutzt, weil die Kapitalinteressen der Konzerne als wichtiger gewertet werden. Wir müssen das erkennen, benennen und bekämpfen.

Diese Wut, die sich hier jetzt bei uns aufgestaut hat, muss irgendwo hin. Und sie wird sich verbreiten, wie ein Unkraut, das überall zu wachsen beginnt. Es wird immer wiederkommen. Je mehr sie unsere Äste absägen, je mehr sie unsere Wälder und Wiesen zerstören, desto mehr und desto wütender werden wir zurückkommen. Und wir werden erst aufhören, wenn der letzte Baum gefallen ist.

Lasst uns die nächste Zeit nutzen, um zu lernen und genau zu verstehen, wie dieses Auto-System funktioniert. Genau verstehen, welche Geldflüsse wohin gehen, welche Kapitalinteressen und Logiken wo versteckt sind. Nochmal: Wir legen uns hier mit dem Endgegner an, dem Herz des deutschen Kapitalismus. Darauf müssen wir gefasst sein. Aber durch unsere Recherchen, unsere Intelligenz, unsere Geduld und unser Durchhaltevermögen können und werden unsere Aktionen genau ins Herz treffen.

Wir werden noch so oft Bäume beschützen, uns verzweifelt an sie fest klammern, und wir werden sie immer wieder verlieren. Wir werden noch so viele Niederlagen erleiden müssen. Aber je öfter wir verlieren, desto stärker kommen wir zurück. Und irgendwann werden wir es schaffen.

Wir sind der Beginn der Anti-Auto-Bewegung, einer Bewegung für eine sozial-gerechte Mobilitätswende und Klimagerechtigkeit. Wir sind gekommen, um zu bleiben.

Links

"Murder Incorporated". 500 Jahre Kolonialismus, Massenmord und White Supremacy.

Buchreihe von Mumia Abu-Jamal und Stephen Vittoria
Online & Radio Lesung mit Stephen Summers

Die USA nach den Präsidentschaftswahlen - woher kommt die gewalttätige "White Supremacy"? Und warum geht das weit über Trump hinaus?

Spurensuche nach der Geschichte der Amerikas von unten - Lesung (und Gespräch) aus den ersten beiden Bänden von "Murder Incorporated": Kolonialismus, Massenmord und White Supremacy aus Perspektive der Betroffenen seit Beginn der europäischen Landnahme bis zur zugespitzten Gegenwart - von den Autoren Mumia Abu-Jamal (gefangener Journalist seit 1981) und Stephen Vittoria (Filmemacher aus New Jersey).

Lesen wird Stephen Summers - Vietnam Veteran, Zeitzeuge der Black Power Bewegung in den USA und Anti-Kriegsaktivist.

Veranstaltung auf englisch mit deutscher Simultanübersetzung. Corona-bedingt wird leider niemand vor Ort teilnehmen können. Zwei Internet-Livestreams für jeweils die englische und deutsche Version sind eingerichtet:

deutsche Version:

englische Version:

Das Freie Radio Berlin-Brandenburg (ebenfalls mit Internetlivestream) wird die dt. Simultanübersetzung live übertragen: Berlin 88,4 FM & Potsdam 90,7 FM

Datum: Mi, 9. Dezember 2020 -“ 19:00 Uhr (39. Haftjahrestag von Mumia Abu-Jamal)
veranstaltet von: Buchladen Schwarze Risse & Free Mumia Berlin

Eine gleichlautende englische Version dieses Textes befindet sich hier.

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