Skip to content

Rezension: Unterwerfung als Freiheit. Leben im Neoliberalismus

Seit den 1970er Jahren hat sich die Form des Kapitalismus in den Industriestaaten deutlich gewandelt. Die Finanzmärkte wurden entfesselt, von einem nachfrageorientierten Modell auf ein angebotsorientiertes umgestellt, die gewerkschaftlichen Rechte der Arbeiter und Angestellten eingeschränkt und unter der Maßgabe der Deregulierung Privatisierungen vorangetrieben. Die Folgen sind heute unübersehbar: Die Ungleichheit steigt seit den 1970er Jahren rapide − sowohl innerhalb der Staaten als auch global.

Die eben genannten Entwicklungen werden häufig unter dem Begriff des Neoliberalismus subsumiert. Ursprünglich ging es neoliberalen Wirtschaftswissenschaftlern in den 1930er Jahren um eine Wiederbelebung des neoklassischen Wirtschaftsliberalismus. Nach dem Zweiten Weltkrieg organisierten sich Neoliberale im zunehmenden Maße gegen den nachfrageorientierten Keynesianismus, der in Folge der Krise von 1929 zum Stichwortgeber der Wirtschafts- und Sozialpolitik wurde − mit Erfolg: Die Regierungen Reagan in den USA, Thatcher in Großbritannien und zum Teil auch Kohl in Deutschland richteten ihre Politik weitgehend nach neoliberalen Prämissen aus.

Doch der Neoliberalismus ist weit mehr als ein wirtschafts- und sozialpolitischer Ansatz. Er ist eine Ideologie, die sich in Denken und Handeln der Menschen festsetzt. "Der Neoliberalismus will die ganze Persönlichkeit, die ganze Person mit Haut, Hirn und Haaren", schreibt der Politikwissenschaftler Patrick Schreiner in seinem gerade erschienen Buch "Unterwerfung als Freiheit", in dem er sich der Alltäglichkeit unter neoliberalen Vorzeichen widmet.

Es geht Schreiner in seiner Analyse nicht darum, die neoliberale Ideologie einem Faktencheck zu unterziehen. Vielmehr möchte er die Mechanismen in den Blick nehmen, die diese für Menschen plausibel erscheinen lassen. Entsprechend sucht er die neoliberale Ideologie nicht da, wo sie allzu augenscheinlich ist, sondern dort, wo sie sich erst auf den zweiten oder dritten Blick offenbart. Er trieb sich auf Esoterik-Messen herum, klickte sich durch Soziale Netzwerke, las Lebensführungs-Ratgeber, Autobiographien und schaute Castingshows, Werbespots sowie Sport-Filme im TV. Überall fand er versteckt oder ganz offen die immergleichen Anforderungen: Sei flexibel! Diszipliniere dich! Handele wie ein Unternehmen! Schau auf dich selbst! Diese Imperative führen zu einer permanenten Selbstthematisierung, Selbstoptimierung und Selbstdarstellung.

Die Analyse zeigt: Stets werden aus sozialen Problemen wie Arbeitslosigkeit, sozialem Abstieg und Armut individuelle Problemen. Wer schuld trägt, weiß ein Neoliberaler: Die betroffene Person selbst. Hätte sie sich mehr angestrengt, würde sie sich jetzt nicht in entsprechender Problemlage wiederfinden. Deutlich wird dies etwa in Ratgebern für positives Denken: Gesundheit, Glück und Erfolg werden dort als Ergebnis einer optimalen Lebensführung und richtigen Einstellung umgedeutet. Die Ausblendung der gesellschaftlichen Faktoren, die Menschen von Gesundheit, Glück und Erfolg alltäglich abhalten, ist entscheidende ideologische Funktion des Neoliberalismus.

Noch einen Schritt weiter geht die Esoterik-Szene. Hier ist die Individualisierung sozialer Probleme nicht ideologischer Effekt, sondern Ausgangspunkt: Das "wahre" Ich steht im Mittelpunkt; wer zu sich selbst findet und im Einklang mit sich lebt, ist leistungsfähiger. Das Gesellschaftliche wird explizit zum Feind erklärt und ins "falsche" Außen geschoben. Dem gegenüber steht das "richtige" Ich, das ausschließlich von Innen kommt.

Die Freiheit zum unternehmerischen Handeln, zu Flexibilität, Selbstdisziplinierung, Selbstoptimierung und Selbstverantwortung ist eine trügerische. Schreiner macht in seinem Schlusskapitel deutlich, dass viele Menschen keineswegs glücklich und zufrieden sind. "Noch nie war die wirtschaftliche Produktivität so hoch wie heute. Und doch war die gesellschaftliche Armut seit vielen Jahrzehnten nicht mehr so hoch. Noch nie war die Produkt- und Markenvielfalt so groß wie heute. Und doch bleiben immer mehr Bedürfnisse der Menschen ungestillt. Noch nie waren Menschen so gut ausgebildet wie heute. Und doch gehen die Löhne der ArbeitnehmerInnen seit Jahren oder Jahrzehnten zurück. Noch nie gab es so viele Ratgeberbücher, TherapeutInnen und -ºspirituelle-¹ Angebote wie heute. Und doch litten noch nie so viele Menschen an Burnout und Depression, war der Gebrauch von Alkoholika, Drogen und Psychopharmaka noch nie so verbreitet wie heute."

Patrick Schreiner ist ein gelungener Überblick über die Kerben neoliberaler Ideologie im Alltagsbewusstsein gelungen. Es gehört zu den Vorzügen des Buches, dass er Analysen aus Soziologie und Kulturwissenschaft in eine verständliche Form gegossen hat, die auch denjenigen einen Einblick in die Problematik vermittelt, die nicht den ganzen Tag an Hochschulen und in Bibliotheken verbringen. Dass sich die Ergebnisse der einzelnen Analysen teilweise überschneiden, stört zwar ein wenig den Lesefluss, ist aber weniger dem Aufbau des Buches anzulasten als der Omnipräsenz der Ideologie.

Bibliographische Angaben

Patrick Schreiner: Unterwerfung als Freiheit. Leben im Neoliberalismus. Neue Kleine Bibliothek 206, PapyRossa-Verlag. 127 Seiten, ISBN 978-3-89438-573-6, EUR 11,90 [D].

Der Text erschien in einer überarbeiteten Fassung zuerst in der Tageszeitung junge Welt. Wir danken für die Genehmigung zur Zweitveröffentlichung.

Aufruf: Tragen wir den Protest auf den Gipfel nach Elmau!

Am 7. und 8. Juni 2015 trifft sich die „Gruppe der Sieben“ (G7) auf Schloss Elmau in den bayerischen Alpen. Dort wollen die Staats- und Regierungschef*innen Deutschlands, der USA, Japans, Großbritanniens, Frankreichs, Italiens und Kanadas über Außen- und Kriegspolitik, Weltwirtschaft, Klima und „Entwicklung“ beratschlagen. Die Repräsentant*innen der reichsten und mächtigsten Staaten der Welt erheben den Anspruch, über die Geschicke der gesamten Welt zu entscheiden, ohne eine Legitimation dafür zu haben. Die Politik der G7-Staaten bedeutet neoliberale Wirtschaftspolitik, Krieg und Militarisierung, Ausbeutung, Armut und Hunger, Umweltzerstörung und Abschottung gegenüber Flüchtenden.



Viele Einzelpersonen, Organisationen und Parteien unterschiedlichster Spektren und politischer Anschauungen werden diesen Gipfel nicht ungestört lassen.

Wir werden uns mit vielfältigen und kreativen, offenen und entschlossenen Aktionen, mit Demonstrationen, Blockaden und Versammlungen direkt am Schloss sowie der Großdemonstration in Garmisch-Partenkirchen und dem Gegengipfel in München der Politik der G7 in den Weg stellen. Beteiligt euch, kommt zahlreich, macht mit!

Bekämpft die Politik der G7:

  • Weg mit den Freihandelsabkommen TTIP, TISA und CETA -“ die Welt ist keine Ware
  • Gegen Militarisierung und Krieg -“ Schluss mit den Kriegen der NATO-Staaten
  • Grenzen auf für alle Menschen -“ Solidarität mit den Migrant*innen und Flüchtenden
  • Stoppt die Ausbeutung von Mensch und Natur -“ Entzieht die natürlichen Lebensgrundlagen der Profitwirtschaft
  • Gegen den sozialen Kahlschlag -“ Die Konzerne sollen ihre Krise selbst bezahlen
  • Stop watching us -“ Gegen Überwachungsstaat und den Abbau demokratischer Rechte

Wir betrachten die Mobilisierung gegen den G7-Gipfel als Teil vielfältiger Protestbewegungen für soziale Gerechtigkeit, für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, für Frieden und für ungeteilte Menschenrechte. Wir stellen uns damit auch an die Seite der Blockupy-Bewegung, der Anti-Kriegs-Bewegung, der antirassistischen Bewegung, der Kämpfe für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen und der Proteste gegen Umweltzerstörung.


Aktionszeitraum: 4. Juni bis 8. Juni 2015 mit Großdemonstration, Alternativgipfel und Aktionen vor Ort

Geplant sind u. a.:

  • Großdemonstration 6. Juni in Garmisch-Partenkirchen
  • Alternativgipfel (Kongress) 4. Juni in München
  • Camps und Aktionen vor Ort 4. bis 8. Juni 2015 nahe am Tagungsort Elmau mit Sternmarsch dorthin und Abschlusskundgebung in Garmisch-Partenkirchen

Mehr Informationen und die Möglichkeit zur Unterzeichnung des Aufrufes

Multifunktionsmenschen

Wer ist eigentlich dieser Sozial- und Erziehungsdienst? Dieser Frage wollen wir auf den Grund gehen. Über 34 Berufsgruppen fordern die Aufwertung ihrer Berufe in dieser Tarifauseinandersetzung - und streiken auch dafür. Susanne, Heilerziehungspflegerin, berichtet von ihrem Arbeitsalltag:

9. Mai Stuttgart: Nie wieder Faschismus und Krieg!

Aufruf zu Demonstration und Kundgebung am 9. Mai in Stuttgart

Beginn 13 Uhr Lautenschlagerstr. ca. 14.30 Mahnmal für die Opfer des Faschismus

Tag der Befreiung -“

Unser Auftrag für

Demokratie, Solidarität und Frieden

Der 8. Mai 1945 war der Tag der Befreiung vom faschistischen Terror und vom Krieg. Die Befreiten von damals erlebten den 8. Mai als „Morgenröte der Menschheit“ wie es Peter Gingold, ein jüdischer Antifaschist und Kommunist, einst formulierte. An diesem Tag hatten die Nazis, ihre Förderer und Parteigänger den Krieg verloren. Für die Mehrheit der Menschen in Europa bedeutete er die Hoffnung auf Frieden, Freiheit und Zukunft.

Damals wurde dieser Tag überall in Europa als Freuden- und Feiertag begangen. Anders in Deutschland: in der westdeutschen Bundesrepublik war das offizielle Vokabular von Begriffen wie „Kapitulation“, „Niederlage“ und „Zusammenbruch“ geprägt. Es dauerte 40 Jahre, bis Bundespräsident Richard von Weizsäcker vom „Tag der Befreiung“ sprach und damit die Perspektive von der Sicht der Besiegten auf jene der Befreiten wechselte. Zum 70. Jahrestag fordern wir, den 8. Mai endlich als Tag der Befreiung der Menschen und Völker Europas von Faschismus und Krieg angemessen zu begehen und ihn als bundesweiten gesetzlichen Feiertag einzuführen.

Tatsächlich gibt es keinen Tag in der Geschichte Europas, der so viel Freude und Erleichterung ausgelöst hat, der gleichzeitig so teuer errungen werden musste, wie dieser 8. Mai 1945.

Mehr als 55 Millionen Menschen fielen Nazi-Terror, Holocaust und Vernichtungskrieg zum Opfer. Sie bezahlten den deutschen Griff nach der Weltherrschaft mit unvorstellbarem Leid und ihrem Leben. Die deutsche Wirtschaft, allen voran Chemie- und Rüstungsindustrie und Banken waren die Hauptgewinner von „Arisierung“, Krieg und der Ausbeutung von KZ-Häftlingen und ZwangsarbeiterInnen.

Die Hauptlast des Krieges und der Befreiung trugen die Menschen in der Sowjetunion. Millionen alliierte Soldaten, Frauen und Männer aus dem Widerstand, PartisanInnen und Kriegsverweigerer haben für diesen Tag ihr Leben riskiert und geopfert. Sie alle kämpften als Teil der Anti-Hitler-Koalition für eine Welt ohne Kriege, Elend und Unterdrückung. Ihnen danken wir.

Ihr Einsatz hat den Menschen in Europa nach den bitteren und schmerzhaften Jahren der Verfolgung und Unterdrückung den Neuanfang, die Gestaltung von Gegenwart und Zukunft, den Aufbau eines Lebens in Frieden, Freiheit und Vielfalt ermöglicht. Mit der Gründung der UNO und der Erklärung der Menschenrechte eröffneten sich weltweit neue Möglichkeiten für das friedliche und solidarische Zusammenleben der Menschen und Staaten.

Dieses Vermächtnis des 8. Mai 1945 ist heute mehr als gefährdet:

Der Frieden ist brüchiger denn je. In vielen Ländern der Welt wie in Afghanistan, im Irak, in Syrien, in der Ukraine, in Libyen und anderen Ländern Afrikas toben Kriege. Während es 1945 hieß: „Nie wieder Krieg vom deutschen Boden!“ sind heute deutsche Waffen und auch wieder deutsches Militär fast überall beteiligt. Die Bereitschaft, „deutsche Interessen“ zur Sicherungen von Rohstoffen, ihren Transportwegen, Exportmärkten und Einflusssphären erneut mit militärischen Mitteln durchzusetzen, ist gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung in Regierung und Bundestag wieder politische Praxis geworden.

Regierung und Bundespräsident rufen zur Übernahme von mehr „Verantwortung“ auf und meinen damit mehr Aufrüstung und Militär. Tatsächlich ist die konfrontative Politik gegenüber Russland, die Aufstellung einer NATO-Eingreiftruppe für Osteuropa und die Führung dieser „Speerspitze“ durch die Bundeswehr ein unverantwortliches Spiel mit dem Feuer.

Gleichzeitig erleben wir einen rasanten Aufstieg neofaschistischer Kräfte. So konnte die Naziterrorgruppe „NSU“ jahrelang unbehelligt eine blutige Spur faschistischen Terrors durch unser Land ziehen. Im Zuge der schleppenden Aufklärung dieser Verbrechen werden Hinweise auf Vertuschung und Verflechtungen mit Geheimdiensten und Sicherheitsbehörden immer dichter.

Rassismus, Chauvinismus, Antisemitismus und Antiziganismus, Islamfeindlichkeit -“ alle möglichen Ideologien zur Begründung sozialer Ungleichheit und gesellschaftlicher Ausgrenzung haben Konjunktur. In Parteien, sogenannten Kameradschaften und vermeintlichen Bürgerinitiativen versuchen rechte Kräfte dieses Potential zu organisieren und zu bündeln.

Die soziale Spaltung der Gesellschaft verschärft die Angst vor dem Abstieg in die Armut und ist zunehmend mit der Bereitschaft zu gesellschaftlicher Ausgrenzung und Gewalt verbunden. Wir erleben, dass Grundrechte immer weiter eingeschränkt werden und wir unsere Privatsphäre kaum noch schützen können.

Das Vermächtnis und der Auftrag des 8. Mai gebieten es, die Forderung „Nie wieder Faschismus -“ nie wieder Krieg!“ in den Mittelpunkt aller politischen Kämpfe zu rücken.

Die vielen Opfer, die für den Tag der Befreiung erbracht werden mußten, geben uns diesen Auftrag:

„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens ist unser Ziel.“

So lautete der Schwur der befreiten Häftlinge von Buchenwald. Diesem Schwur fühlen auch wir uns weiterhin verpflichtet: Nie wieder Faschismus und Krieg!

Download flyer (3MB) : Flyer 9. Mai

UnterzeichnerInnen:

● Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart & Region (AABS)
● Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart
● Antifaschistisches Bündnis Kreis Esslingen
● Antifaschistische Gruppe Göppingen
● Antifaschistische Jugend Rems-Murr (AJRM)
● Arbeitskreis Asyl Stuttgart
● Backnanger Initiative für Frieden und Abrüstung
● Bruchsaler-Friedensinitiative
● DFG -“ VK Baden-Württemberg
● DGB Stadtverband Stuttgart
● Die LINKE Baden Württemberg und Stuttgart
● DKP Baden Württemberg
● Freundschafts- und Solidaritätsverein Stuttgart e.V. (DIDF Stuttgart)
● Friedensnetz Baden Württemberg
● Gesellschaft Kultur des Friedens
● Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V.
● IG Metall Esslingen
● IPPNW Regionalgruppe Stuttgart
● Linksjugend[´solid] Baden-Württemberg u. Ortenau
● Multicolor e.V.
●NaturFreunde Landesverband Württemberg e.V.
● Ohne Rüstung Leben
● Pax Christi Rottenburg-Stuttgart
● Rote Peperoni -“ sozialistische Kinderorganisation
● Stadtjugendring Stuttgart e.V.
● ver.di Jugend Stuttgart
● ver.di Landesbezirk Baden Württemberg
● VVN -“ Bund der Antifaschisten Baden Württemberg KVs Stuttgart, Heidelberg u.a.
● Waldheim Gaisburg e.V.
● Waldheim Stuttgart e.V. -“ Clara-Zetkin-Haus



Quelle: VVN-BdA Baden-Württemberg
cronjob