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Warum die BRD noch immer ein Klassenstaat ist?

Ein im Jahre 1911 in einer IWW Zeitung veröffentlichtes Bild, das die bürgerliche Klassengesellschaft illustriert. Es basiert auf einem Flyer der "Union der russischen Sozialisten", der ca. 1901 erschien. Heute ist natürlich alles anders...
Im Presseklub am 26.5. kam es an den Tag: unser Staat bleibt immer noch ein Klassenstaat.

Zu Beginn schien alles so einig: Klar, so etwas wie Kohls Absage an den "Beileids" Kurs in Solingen kann es nie mehr geben. Wie hat sich doch Frau Merkel da ganz anders verhalten? Zur Eröffnung der NSU-Prozesse ein Beileid an alle Angehörigen. Sowas gehört sich doch auch.

Doch im Lauf des Gesprächs entfaltete sich eine noch viel größere Gemeinschafts-Gesinnung. Die Lage hat sich wirklich verändert seit der Zeit vor zwanzig Jahren. Aber warum? Weil die deutsche Wirtschaft inzwischen einige -!- Ausländer mehr braucht als vor zwanzig Jahren. Nur damit das neue Problem: Wie auslesen?

Griffig brachte jemand den Unterschied auf zwischen den Ausländern, die wir brauchen - und denen, die uns brauchen. Dass zwischen beiden angemessen und ausgemessen werden muss - das sollte doch klar sein. Die einen ins Kröpfchen, die anderen raus aus dem Töpfchen.Und damit das ganz Entscheidende: Maßstab für das Ganze bleibt nach wie vor der Ertrag. Um es noch deutlicher zu sagen: Die Fähigkeit Mehrwert zu schaffen.Und gerade darin zeigt sich, dass der deutsche Staat nach wie vor auf dieser Eintrittskarte beharrt. Und dass weiterhin - wie vor zwanzig Jahren - der Mehrwert zählt.

Erschütternd, dass diese Mehrwert-Kategorie inzwischen so eingebürgert, so selbstverständlich erscheint, dass sie mit keinem Wort erwähnt wurde. Insofern muss gesagt werden: der deutsche Staatsverband ist ein solcher, in dem die Wertkategorie nicht einfach als drückende Not aufgepflanzt worden ist, sondern sich als selbstverständliche Hürde einem jeden aufzwingt.

Und hier muss man den vier Versammelten - darunter Leyendecker von der SZ - einen Vorwurf machen. Das Schwert der Abwehr Unerwünschter wurde mit keinem Wort erwähnt. Das Schwert der willkürlichen Ausweisungen. Das Schwert der Lagerhaltung mit all seinen Konsequenzen. Das Schwert der Zweitklassierung auch gegen die lang schon Eingewanderten. Einfach weil sie erst seit zwanzig oder dreißig Jahren bei uns wohnen.

Gegengelesen zeigte sich: In der Behandlung der Einwanderer zeigt sich nur ein besonders abschreckender Teil der Gesamtlage. Es wird weiterhin jeder Proletarier nach seiner Chance des Mehrwertgewinns bewertet. Nur - leider - die meisten inländischen Proletarier erkennen diese Gemeinsamkeit nicht. Die ihre. Dass das Problem der Flüchtlinge sich nur lösen läßt, wenn sie selbst den Maßstab der Verwertungsmöglichkeit abwerfen können. Für sich und alle anderen.

Ein Presseklub jedenfalls, der dieser Erkenntnis sich am eindeutigsten widersetzte.

Heute vor 76 Jahren: Little Steel Streik

Am 26. Mai 1937 begann in den US-Bundesstaaten Pennsylvania, Ohio, Indiana und Illinois der Little Steel Streik, der 20 Eisen-, Stahl- und Walzwerke mit etwa 92.000 Arbeitern erfasste. Der mit besonderer Erbitterung ausgetragene auf die Anerkennung ihrer gewerkschaftlichen Rechte zielende, politische Streik brach -“ nachdem Gerichte und Behörden der Einzelstaaten zugunsten der Unternehmer eingegriffen hatten -“ schrittweise zusammen und endete nach 64 Tagen mit einer schweren Niederlage des für seine Auslösung verantwortlichen Steel Workers Organizing Committee. Während des Streiks kam es mehrfach zu blutigen Zusammenstößen zwischen Arbeitern auf der einen und unternehmenseigenen Sicherheitskräften bzw. Polizei und Nationalgarde auf der anderen Seite.

Von dem Streik berichtete der linke Journalist und Zeichner William Gropper, der im Juni 1937 im Auftrag der Zeitschrift The Nation die Stadt Youngstown besuchte. Seine Zeichnungen und Berichte sind in einem Video verarbeitet:



In Youngstown gab es bereits Jahrzehnte zuvor, vom 6. bis 10. Januar 1916 einen großen Streik. Dazu schreibt Irmgard Steinisch in dem leider nur noch antiquarisch erhältlichen Buch "Arbeitszeitverkürzung und sozialer Wandel":

"(...) Kurz nach Weihnachten trat die ungelernte Arbeiterschaft, fast ausschließlich Immigranten, in der Abteilung Röhrenwerke der unabhängigen Republic Iron Steel & Co. in Youngstown, Ohio, in den Streik, um ihre Forderung nach einer 25%igen Lohnerhöhung durchzusetzen. Es gelang, den gesamten Betrieb stillzulegen, ca. 6000 Arbeiter des Hütten- und Walzwerkes befanden sich im Ausstand. Während der Streik sich hinzog und hastig herbeigeeilte Vertreter der AFL die Ausständigen zu organisieren versuchten, griff der Streik eine Woche später auf die im nahen East Youngstown gelegene Youngstown Sheet & Tube Co. über. Mit der gleichen Forderung nach 25%iger Lohnerhöhung und wiederum auf Initiative der Immigranten verließ am 5. Januar 1916 die Arbeiterschaft das Werk, das ca. 8000 Leute beschäftigte. Ausgelöst durch ein blutiges Handgemenge zwischen den Streikenden und der Werkspolizei am Werkseingang der Youngstown Sheet & Tube Co., kam es am zweiten Tag des Ausstandes zu einer gewalttätigen Revolte der Immigrantenarbeiter, die plündernd und brandstiftend durch die Straßen von East Youngstown zogen und in ihrem Protest gegen die politische wie wirtschaftliche Vorherrschaft der Youngstown Sheet & Tube Co. selbst vor der Zerstörung werkseigener Wohnungen nicht haltmachten. Erst mit dem Eintreffen von Bürgerwehr und Nationalgarde am nächsten Tag kehrten Ruhe und Ordnung wieder ein.

Der Verlauf der Streiks überzeugte den Leiter der USSC, Elbert H. Gary, von der Notwendigkeit raschen Handelns, denn noch waren die in Youngstown gelegenen Werke der zur USSC gehörenden Carnegie Co. nicht vom Ausstand erfasst. Entgegen seiner zu Beginn des Streiks gegenüber dem Präsidenten der unabhängigen Konzerne Republic Iron & Steel Co. und Youngstown Sheet & Tube Co. eingenommenen Haltung, daß die USSC keine Lohnzugeständnisse machen würde, da sie während der Wirtschaftskrise von 1913/14 von Lohnkürzungen abgesehen hätte, verkündigte Judge Gary am 7. Januar 1916 eine allgemeine Lohnerhöhung von 10% für die gesamte angelernte und ungelernte Arbeiterschaft, ca. 150000 Mann, wirksam ab dem 1. Februar 1916. Von den anderen Eisen- und Stahlkonzernen als gute Diplomatie zur Vermeidung weiterer Arbeiterunruhen begrüßt, schlossen sich diese der Entscheidung an. Auf der Basis einer 10%igen Lohnerhöhung, die mit der Wiedereröffnung der Werke am 11. Januar in Kraft trat, wurden auch die Streiks in der Republic Iron & Steel Co. und der Youngstown Sheet & Tube Co. beigelegt. (...)"

Obama: Nicht mal mehr sein Absturz zählt.

Gibt es noch jemand, der sich an den Obama-Kult erinnert, kurz um seine Seligpreisung herum? Als er zur Unzeit den Friedensnobelpreis erhielt. Als er sein "Yes. We can" anstimmte. Und zumindest in Deutschland Tausende und Abertausende in ihm den Erlöser sahen. Rein und glatt den Mann, der uns alle aus den Banden der gewöhnlichen Politik hinausführen sollte.

Die ersten vier Jahre seiner Politik waren dann nicht viel anders als gewohnt. Von Friedensbringer keine Rede. Vor allem die ungerührte Beibehaltung von Guantanamo und die erweiterte Bedienung von Todesschwadronen machten den Glanz des Friedensfürsten zunichte. Nach kurzer Zeit erschien Obama als ein Präsident. Einfach und gewöhnlich: Präsident.

Darin liegt das Problem. Die meisten seiner Zuhörer und ihrer Verbreiter sind von Obamas Versicherungen zur weiteren Kriegsführung sicher nicht begeistert. Nur - dieselben neigen dazu, sich zu sagen: Na ja, was kann er schon viel anderes tun. Unter dem Druck, unter dem er steht. Politik ist eben so.

In dieser Form des Macchiavelismus läßt sich dann allenfalls noch mutmaßen: Redet er wenigstens besser als Bush? Hat er eine Idee zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur, die genauer passt zu den Gegebenheiten als das, was seine Vorgänger ausgegeben haben? Die Antwort wird auf jeden Fall lauten - lauten müssen: mag sein. Zwei Quäntchen besser. Aber ändern tut sich dabei nichts.

In diesem Fall die große Trostlosigkeit. Es ändert sich nichts. Das ist der Lauf der Welt - und unserer Politik.

Immerhin liesse sich auch fordern: Mach es doch einfach. Löse tatsächlich dein Folterlager auf. Versuche, von vornherein herauszubekommen, was die Insassen möglicherweise verbrochen haben. Üb dein Präsidentenamt aus, wie es nun einmal in der amerikanischen Verfassung festgelegt ist. Und wenn Du dann fällst an tausend Widersprüchen der Justizorgane: Du fällst mit Recht. Und erhebst einen Anspruch an alle kommenden Generationen.

So wie etwa Gandhi. Er lehnte sich auf gegen hundert wirtschaftliche Einwände. Und gewann für sehr kurze Zeit. Bis zum bekannten Ende.

Welchen Weg wählen? Den der brutalen Gleichgültigkeit - oder den des unerfüllbaren Wunsches. Oder gibt es noch etwas dazwischen?



Erklärung des Friedensbündnisses World can't wait gegen Folter und zur Schließung von Guantanamo
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