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Einheitsmahnung: "Andere wären froh drum!"

Jubelfeierlichkeiten

Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1987-0704-015 / Schindler, Karl-Heinz
Lizenz: CC-BY-SA
Hätten wir doch noch den guten alten 17 Juni! Damals dachte niemand mehr an den Anlass, alle an die Freizeit und die mehr oder weniger günstige Lage zwischen gewöhnlichen Feiertagen, zu denen sich Brücken bilden ließen. Vielleicht nicht edel, aber immerhin ohne Pathosaufschwünge und Absturzgefahr.

Das durfte nach der Landnahme im Osten nicht wieder passieren. Seither muss alles getan werden, um uns das Glück der Vereinigung intensiv nahe zu bringen. Da Jubelchöre aus dem gegenwärtigen Osten nicht aufzutreiben sind, blieb nur eins: die Greuel von damals gewissenhaft auszumalen und ein tiefes Dankgefühl in jedem zu erwecken - pflichtmäßig: Gott sei Dank war es bei uns nie so - oder - Variante - ist das nirgendwo mehr so. Nicht gerade originell. Im Grunde die unermüdliche Wiederholung des Spruchs, den wir als kleine Kinder nach dem Krieg zu hören bekamen, wenn uns das dünnbestrichene Margarinebrot nicht schmeckte:

Andere wären froh drum!

Eine Heerschar grauer Gestalten baute sich auf, die alle nach unserem Brot grapschten. Bekamen es aber nicht. Wir mampften entschlossen. Und fanden uns mit dem ab, was der Herr uns gelassen hatte.

Darin erfüllte sich der magere Sinn des Trostwortes,das so bescheiden klang. Wir sollten uns zufrieden geben mit dem, was wir bekamen. Im Großen heute: Hinnehmen dessen, was uns die Oberen noch zu bieten hätten. Wie es das Kapital, das Unersättliche, so an sich hat, kann seinem Verzehrtrieb nichts widerstehen. Nachdem wir eben noch blähbäuchig über Griechen, Spanier und Portugiesen hergezogen waren und unserer Kanzlerin gedankt hatten, dass es uns noch nicht so ging wie "denen da", sollen wir im Innersten uns darauf gefasst machen, dass wir selbst in geringer Frist genau so herumhängen werden wie die heute schon Benagten. Und hätten dabei denen eines voraus: wir sollten dann nicht unverständig durch die Straßen ziehen und streiken. Wie sollte so etwas im Elend helfen? Gottergebenheit und Bescheidenheit, heute trainiert, würden sich im schlimmsten Falle auszahlen. Als Zufriedenheit um den Schnullermund. Und sicher gäbe es auch in diesem Fall immer noch solche im Untergang, die "froh drum wären". Um das Unsere. Bliebe damit ein letzter Trost.

So verstanden, erhalten all die Geräusche der Oberen ihre Bedeutung Sie sind trotz allem mehr als Lall. Vielmehr ernste Mahnung.

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