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Bundestagsmehrheit akzeptiert Verarschung freudig und dankt ab

Der deutsche Bundestag
Foto: whitehouse.gov
Lizenz: Public Domain
Es war immer schon Lieblingstrick der Regierungen, den Parlamenten so wenig Zeit wie möglich zu lassen, um den Genehmigungsstempel zu erhalten. Dieses Mal hat Merkel die Frist zur Kenntnisnahme praktisch auf Null gebracht. Vor allem, da sie bei den angeblich nur staatsrechtlichen Verhandlungen mit den Eu-Staaten Bestimmungen akzeptierte, die den am Vortag dem Bundestag mitgeteilten offen widersprachen. Hatte am Vortag Merkel den Rest ihrer Lebenszeit daran gesetzt, dass es niemals Direkthilfen für Banken geben sollte - ohne Staatsvermittlung - „solange sie lebe“, so hat sie am Tag darauf ihre Lebenszeit mutwillig verkürzt. So eine Direkthilfe sollte es nun doch geben. Aber erst viel, viel später. Und dann könnte der Bundestag ja wieder Einspruch erheben. So die Ausreden während der Pressekonferenzen am Freitagnachmittag.

Dass eine Abstimmung über den Vortagsantrag dann besonders humoristisch ausfallen musste, wenn zugleich dafür ein Ewigkeitsanspruch erhoben wurde, hätte unter anderen Umständen klar sein müssen. Es kann nur eine einzige Regelung am Ende gelten, egal, ob im Vertrag zwischen Staaten festgelegt – oder über parlamentarische Abstimmung.

Die Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages hätte schon wegen der damit völlig ungeklärten Faktenlage eine Abstimmung ablehnen müssen. Woher die Zeit nehmen, um in ein paar Stunden herauszubekommen, was sich geändert hat. Allerdings: Was hilft Bundestagsbeteiligung, wie das Verfassungsgericht sie fordert, wenn die Kontrolleure sich lieber die Daumen in die Augen bohren als hinzuschauen. Man musste nur im Lauf des Freitagnachmittags die Äußerungen der Opposition hören. Etwa die der GRÜNEN Roth. Nach Sieg oder Niederlage Merkels zu fragen, lehnte sie unter Augenrollen ab. Sie ist um alles froh, was Merkel in ihrem Sinne den anderen EU-Ländern zugestanden hat. Und stimmt deshalb um so freudiger zu.

Die SPD gab sich staatsmännisch, aber zugleich um so unterwürfiger. Gabriel malte Apokalypsen, wenn nicht zugestimmt würde. Dass all diese Schleimer im Augenblick der Abstimmung - „für die Ewigkeit“ - keine Ahnung hatten, in welchen Formen sich die Widersprüche auflösen würden, durfte nicht beirren. Wer große Koalition will, muss schon jetzt zeigen, dass er das Parlament genau so mit Füßen treten wird, wie die jetzige Regierung es seit geraumer Zeit betreibt.

Das Parlament hat damit als Aufsichtsorgan abgedankt. Wissend und wollend. Das lässt sich behaupten, ohne zwischen den zwei unheilvollen Möglichkeiten zu entscheiden: der von vornherein geübten Hegemonialpolitik Merkels oder der schuldenbegünstigenderen der Franzosen. Wer gar nicht wissen kann, nein: wissen will, worüber er abstimmt, kann seinen Job auf keinen Fall erfüllen. Mag er Posaunenbläser werden oder Jammerlappen - als Abgeordnete und Abgeordneter hat er auf jeden Fall ausgedient.

Wie konnte es so weit kommen? Weil schon die Grundbegriffe der verschiedenen Resolutionen, mit denen der Bundestag befasst wurde, ihren Inhalt verloren hatten.

Ich wähle als Beispiel nur „Wachstum“. Das sollte ja für Merkel den Ausschlag geben, um die Opposition herumzukriegen. Folgte man den vorbereitenden Erklärungen, hieß es immer: „Wachstum muss gar nicht viel kosten“. Als Beispiel wurden Schröders Brutal-Erfindungen herangezogen. Diese hätten für Deutschland vorweggenommen, was von Griechenland, aber auch von Italien erst noch zu erwarten wäre. Das hätte zu mehr Anstrengung des Einzelnen geführt, zu verbesserter Verlagerung von Arbeitskräften zu produktiverer Verwendung usw. Das ließe sich in langen Parlamentsreden weiterführen. Nur löst dieser Begriff von Wachstum das Rätsel nicht, warum Länder wie Griechenland, Italien und Spanien, die Schröder-„Reformen“ seit drei Jahren oder mehr durchführten, in der ganzen Zeit nicht befriedigend weiterkamen. Also muss für Wachstum in früherer Bedeutung doch mehr stattfinden als nur kollektives Zwiebeln. Die alte Vorstellung von Wachstum: es entstehen mehr Waren als vorher in einer Form, die andere zum Kauf anregt, der sich wieder in weiterer Produktivität niederschlägt. Wenn – wie in Spanien - die Anzahl der jugendlichen Arbeitslosen sich dadurch vermehrt hat, dass die Stellen der Bauarbeiter beim Immobilienhochziehen wegfielen, ist schwer zu sehen, wie mehr Druck auf diese die Lage verbessern könnte. Dass die Baupleiten in Spanien – wie Jahre vorher in den USA - einfach Ausdruck einer Überproduktionskrise waren, unvermeidlich im Kapitalismus, durfte in Merkels Selbstlob nicht eindringen. Wer selbst nicht bis zum Grund der gegenwärtigen Schwierigkeiten vordringen kann und will, wird es begrüßen, wenn seine Parlamentsangehörigen im selben Nebel rudern.

Aus diesem wird uns auch ein möglicher Einspruch des Verfassungsgerichts nicht für lange befreien. Solange keine breite Bewegung entsteht zum Wegblasen aller selbstverbreiteten Dunkelheiten, ächst immer dichter die Nacht. Nicht nur über dem Bundestag.

Kiel: 1.000 wegen Streik gekündigt! Streikende + Streikrecht verteidigen!

Aufruf zur Demonstration

Samstag, 30. Juni 2012, 12 Uhr, Kiel

Gewerkschaftshaus, Legienstraße

Beim Krankenhauskonzern Fresenius Helios kämpfen die Beschäftigten derzeit um den Erhalt von existenzsichernden Tariflöhnen in den Servicebetrieben. Am ersten und zweiten Tag des Arbeitskampfes haben 70 Beschäftigte der Zentralen Servicegesellschaft Damp mbH (ZSG) aufgrund der Streikplanung von ver.di & NGG gestreikt.

Dies nahm der Konzern zum Anlass, allen 1.000 Beschäftigen der ZSG zu kündigen.

Dieses Vorgehen ist in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ohne Beispiel.
Es erinnert an frühkapitalistische Methoden. Fresenius Helios will den gerechten Streik mit 1.000 fristlosen Kündigungen brechen.

Nicht nur die Streikenden in den Servicebetrieben, sondern auch alle anderen Streikenden in den Krankenhäusern und Rehakliniken bei der Fresenius Helios Tochter Damp Holding AG sollen eingeschüchtert werden, damit sie ihr grundgesetzlich garantiertes Streikrecht nicht wahrnehmen.

 

Wehret den Anfängen!

Das ist ein Angriff auf alle Arbeitnehmer/innen, die von ihrem Streikrecht Gebrauch machen.

Wir demonstrieren für
  • Solidarität mit den betroffenen Kolleginnen und Kollegen
  • Wiedereinstellung der 1.000 Gekündigten
  • Respektierung des Streikrechts durch Fresenius Helios
  • Weg mit dem Renditedruck in privatisierten Krankenhäusern!

Schlusskundgebung

am Anleger Reventlou

Redner/innen

  • Frank Bsirske, Vorsitzender ver.di
  • Franz-Josef Möllenberg, Vorsitzender NGG
  • Ellen Paschke, Mitglied des ver.di-Bundesvorstandes
  • betroffene Kolleg/innen

Aufrufe von Ver.di & NGG

Griechenland: Verleihung des Tugendpreises für anständige Wähler

Ein Klingelbeutel wird für die Opfer nicht reichen...

Foto: GFreihalter (Eigenes Werk)

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Im MORGENMAGAZIN nach dem Wahltag in Griechenland wurde lobend ein Rentner erwähnt, der gerade seinen Zettel für die Neue Demokratie abgegeben hatte. Sein Grund: "Ich hatte Angst um meine Rente!" Also deshalb gerade den wählen, der vorher versprochen hat, Lohn- und Rentensenkungen gehorsamst nach EU-Vorschrift weiter zu vollziehen. Nicht die Unlogik des Verhaltens wurde hervorgehoben, sondern der Opfersinn.

Und damit fügte diese kleine Bemerkung sich in einen Chor. Kaum jemand erwähnte noch, dass die neu gewählten Parteien gerade die gewesen sind,denen man einmütig Misswirtschaft nachsagte. Die Misswirtschaft, die den gegenwärtigen Zustand erst hervorgerufen haben sollte.Dabei hat Patrick Schreiner nachgewiesen, in welchem Umfang immerhin selbst die bisherige griechische Verwaltung schon den einfachen Leuten das Fell geschoren hat. Viel näher an der Haut konnten sie kaum das Schermesser ansetzen.

Allgemein gerühmt wurde der Opfersinn der Griechen. Unerhörte Lasten müssten sie auf sich nehmen. Bravo! Kaum jemand fand den traurigen Mut, zu erfinden, in absehbarer Zeit würde die Produktivität Griechenlands zunehmen. Je aussichtsloser die Lage, um so tugendhafter die Fügung ins Europäische. Heilig, wer auf irdischen Lohn gleich ganz verzichtet.

Als Kinder wurden wir gelobt, wenn wir in der Fastenzeit oder auch im Advent auf etwas an sich Erlaubtes verzichteten. Ein Eis oder ein Schokoladen-Stückchen... Im Kindergarten durften wir dafür einen Strohhalm für die Krippe niederlegen. "Öpferles bringen" hieß das mit dem Fachausdruck. Daraus sind wirkliche Opfer geworden. Unter der religiös eingefärbten Begeisterung aller, die noch mal davongekommen sind. Wie sie sich freudig einreden.

Woher die religiöse Verherrlichung aussichtsloser Handlungen? Nach den veralteten Vorstellungen der Aufklärung, nach offen wirtschaftlichen Maßstäben wäre einfach von Dummheit zu reden gewesen. Oder - realistischer - von den Auswirkungen gnadenloser Erpressung. Davon war kaum die Rede. Es lässt sich nur so erklären, dass wie in den ältesten Zeiten die Religion herhalten muss, wenn jede irdische Hoffnung fahren gelassen werden muss. Gestrichen von den Inhabern der wirtschaftlichen Macht. Irrationalismus wird aufs Neue Pflicht. Nicht für die, die sich heute noch für die Verfügungsgewaltigen halten, aber für die unter den Sohlen. Diejenigen, die gerade plattgetreten werden.

Der erste Schritt zur Besserung kann deshalb nur darin liegen, die falschen Begriffe wegzuschälen von den wirklichen Vorgängen. Von Ökonomischem ökonomisch sprechen! So irreführend wie die Rede vom Schuldendämpfen durch die EU ist die Rede vom kollektiven Opfersinn - für die Zukunft des EURO.

Volk: Mehr etwas zum Aufblasen - oder zum Luftablassen?

Horst Seehofer
Foto: J. Patrick Fischer (Eigenes Werk) via WikiPedia
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Die längste Zeit meines Lebens galt es als sehr rückständig, das Volk selbst zu befragen, wenn etwas Wichtigeres anstand. Wir in Deutschland brauchten kein Volk weder für das Grundgesetz noch für die Wiedervereinigung. Obwohl es dafür sogar fahrlässig versprochen worden war. Immer hieß es, dass wir eine repräsentative Demokratie zu sein haben- und stolz darauf sein müssen.

In letzter Zeit scheint das anders geworden sein. Nachdem in Baden-Württemberg das Volk hatte sprechen dürfen, sollte ewiger Friede eingezogen sein.

Nun hat um München herum eine weitere Abstimmung stattgefunden. Sie lehnten mit wahrnehmbarer Mehrheit eine dritte Lärmflugbahn im Flughafen ab. Dabei war bei der Erduldung dieser demokratischen Abstimmung mit ziemlich viel Tricks Schlimmerem vorgebeugt worden. So durften gerade die Ortschaften nicht mit abstimmen, die den Geräuscherzeugern am nächsten lagen. Warum? Sie waren nicht von Stimmberechtigten bevölkert. Abstimmen durften nur gemeldete Münchener.

Immerhin: abgestimmt ist abgestimmt. Die meisten gaben sich damit zufrieden. Nicht aber Ministerpräsident Seehofer. Der wollte nur eine Abstimmung ernst nehmen, an der alle Mitglieder des bayrischen Volkes teilnehmen dürften. Also - wie in Baden-Württemberg - vor allem solche, die vom ganzen Problem am wenigsten berührt wären. Etwa Feldkircher im schönen Vorarlberg.

Seehofer verblüfft vor allem, weil er sich ungefähr im gleichen Atemzug leidenschaftlich für Volksabstimmungen ausgesprochen hat. Um sich gegen weitere Zahlungen zum Beispiel an das hochverdächtige Griechenland zu verwahren, forderte Seehofer ungebeugt, niemals wieder etwas zahlen zu müssen - es sei denn, das ganze Volk spräche sich per Abstimmung dafür aus.

Die Hintergedanken solcher Bekenntnisse sind zu erraten: da solche Volksabstimmungen verfassungsrechtlich vielleicht nicht verboten, aber auf keinen Fall vorgesehen sind - s.o.- würde über weitere Zahlungen erst abgestimmt, wenn Hellas den Euro-Laden bereits verlassen hätte - oder hinausgetreten worden wäre. Also Seehofer ist einfach gegen weitere Knete für Südeuropäer aller Art. Aber traut sich nicht, das offen zu sagen.

Gerade wenn einer Chauvi ist, möchte er nicht gerne als solcher zu deutlich erwischt werden. Also lieber demokratisch tun als demokratisch sein.

Und das passt ausgezeichnet zum generellen Trend. Auch wenn in den herrschenden Gruppen Uneinigkeit herrschen sollte über die Art, Europa die Schlinge umzulegen - auf keinen Fall dürften solche Streitigkeiten öffentlich behandelt werden. Schon gar nicht per Volksabstimmung.

Euro: Erpresser besorgt um die Moral der Getretenen

Das griechische Parlament
Foto: Gerard McGovern
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Merkel sagt es inzwischen ohne Hand vor dem Mund: sie will sich nicht am Nasenring durch die Arena führen lassen. Grund: sie hat gemerkt ,dass sich die Getroffenen in ganz Europa nicht an die erpressten Regeln halten. Zum mindesten nicht den erforderlichen Jubel dazu ausstoßen. Vertrag ist schließlich Vertrag, unter welchen Umständen er auch einmal abgeschlossen wurde.Ohne Vertragstreue keine Verlässlichkeit unter den Staaten. "PACTA SERVANDA SUNT" - wie Lehrmeister Strauss uns seinerzeit einhämmerte. Also ohne Vertragstreue: nur Krieg? Diese Frage immer in den Hintergrund gestellt. Angeblich hätten wir den ohne EURO schon lange.

Auf dem Boden dieser juristischen Denkweise alles fugenlos und widerspruchsfrei. Und mit naturrechtlichem Zorn unterfüttert. Damit auf vielen Sofas zustimmend auf den Ablagetisch gehauen wird. "Widersteht den Demagogen" - wie die Financial Times auf Griechisch ihre hellenischen Leser ermunterte. Sie sollten alle die Nea Demokratia wählen, also die konservative Partei, die die bisherige Politik an den Punkt getrieben hat, an dem sie heute steht.

Der Schwachpunkt dieser Haltung: die Geschichte wird herausgefixt. Entwicklung, Veränderung der Umstände darf in die Betrachtung überhaupt nicht einfließen. Wir hatten im Gymnasium einen Geschichtslehrer, der unerbittlich darauf bestand, dass die Weimarer Republik noch bestand, weil man versäumt hatte, sie nach 1945 aufzulösen. So lächerlich das damals schon war, es lebte aus dem Denken, das Merkel heute noch zur Schau trägt.

Allerdings nur zur Schau. Bei zuzubilligender normaler Intelligenz wird sie verstanden haben, dass ihre Politik keinen Gewinn einfahren wird. Jedenfalls nicht ohne den kriegsartigen Zugriff, den sie zugleich - selbstverständlich - erbittert ablehnt. Die Aufstände in Griechenland, egal wie die Wahl heute abend ausfallen wird,die Ergebnisse werden staatlichen Zugriff mit Gewalt einfach nicht zulassen. Damit aber auch kaum Enteignungsgewinne investierender deutscher und anderer Firmen, die ohne Aufsehen abzuführen wären. Also geht es Merkel nach allen Drohungen um nichts als :Aufschub. Zeit gewinnen, bis die eigentlichen Herrscher - die Märkte - ihre nagende Zermürbungstaktik durchgeführt hätten.

Wenn nur nicht eine Gewalt sich ihr und ihren Mit-Politikern entgegenstellen könnte: die vereinigte Macht der Getretenen und Unterdrückten. Die offen die Tribute ablehnen, die den vorigen Politikern aufgezwungen wurden. So weit wie zu Lenins Zeiten ist es im heutigen Griechenland sicher noch nicht. Es müssten dazu außer einem Sieg in den Parlamentswahlen Gesetzesänderungen eintreten, die weit über die Verweigerung der Schuldenrückzahlung hinausgehen müssten. Verschiedene Schlaumeier haben schon darauf hingewiesen, dass nach einer Rückkehr zur Drachme sofort der Ausverkauf der schöneren Terrains in Griechenland losgehen müsste. Bei dann natürlich hoch gestiegenen EURO-Kursen im Verhältnis zu einer mickrig gewordenen Drachme. Es gibt in der Schweiz Kantone, in denen Gelände an Ausländer nicht verkauft werden darf. Eine ähnliche Regelung müsste sofort für ganz Griechenland erfolgen. Und zwar ohne die Umgehungsmöglichkeiten, die in der Schweiz wie in allen kapitalistischen Staaten offenliegen. Nur um ein kleines Beispiel zu nennen für gewaltige Umstürze,die nötig wären.

Soweit wird es sicher nicht kommen an diesem Abend. Nötig bleibt aber: Unterstützung eines noch unzureichenden, noch schwachen Willens im ganzen Rest-Europa. Weitertreiben des Triebs der Geschichte - gegen die Beharrungs-und Erstarrungspolitik Merkels und ihrer Garde.

Streikverbot in der Türkei

Foto: DIDF
Nachdem die Tarifverhandlungen nach mehreren Monaten zu keinem Ergebnis führten, wollten die Beschäftigten bei den Turkish Airlines (THY) dem Aufruf ihrer Gewerkschaft Hava-Ä°ÅŸ folgen und in einen Streik treten. Die Antwort der türkischen Regierung auf die Streikvorbereitungen ließ nicht lange auf sich warten. Die Regierungspartei AKP (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) brachte kurzerhand einen Gesetzentwurf, der ein Verbot der Streiks in der zivilen Luftfahrt vorsieht und inzwischen verabschiedet worden ist, ins türkische Parlament ein. Nach dem ersten Tag des Streiks wurde 350 THY-Beschäftigten gekündigt. Seitdem kämpfen sie für die Rücknahme der Kündigungen. Wir rufen die Öffentlichkeit in Europa auf, sich mit ihrem Kampf zu solidarisieren.

Nachdem bei den Tarifverhandlungen zwisc­hen der Gewerkschaft und THY keine Eini­gung erzielt wurde und sich ein Streik abze­ichnete, krempelte die AKP-Regierung die Ärmel hoch und setzte mit einer Blitzaktion ein Gesetz durch, das Streiks in der zivilen Luftfahrt verbietet. Der Gesetzentwurf wurde am 24. Mai 2012, also wenige Tage vor dem Streikbeginn ins Parlament eingebracht und erlangte bereits neue Tage später Rechtskraft. Das neue Gesetz, dass internationales Recht aber auch gegen das türkische Grundgesetz verstößt, wurde in aller Eile durch den parla­mentarischen Gang durchgepeitscht, um den Arbeitskampf von Beginn an zu verhindern. Denn die THY-Beschäftigten stellen mehr als ein Drittel der insgesamt 33.000 Beschäftigten in der Branche und der Tarifvertrag wäre auch für die restlichen Betriebe verbindlich.

Nachdem monatelang verhandelt und anschließend die Schlichtung auch ohne Er­folg zu Ende ging, war ein Streik unvermeid­bar geworden. Gewerkschaft Hava-Is beab­sichtigte 6 Tage nach dem Schlichterspruch zum Streik aufzurufen. Der Arbeitgeber und die Regierung versuchten juristisch den Streik abzuwenden. Das Gericht akzeptier­te die Anzeige und vertagte die Hauptver­handlung auf September 2012, womit der Streik juristisch bis dahin verhindert wurde. Im Klartext heißt es; in der Hochsaison, in der der Streik seine größte Wirkung zeigen würde, können die Beschäftigten nicht stre­iken. Doch die Beschäftigten wollten dieser Entscheidung des Gerichtes nicht hinneh­men. Daraufhin beantragte die Regierung eine Gesetzesänderung, womit der Streik im Luftverkehr verhindert werden soll.

Die Beschäftigten kämpfen gegen das Streikverbot


Hava-Ä°ÅŸ ist einzig organisierte Gewerks­chaft in dieser Branche. Die Mitglieder dieser Gewerkschaft kämpfen von An­fang an gegen das Verbotsvorhaben der AKP-Regierung. Sie legten für einen Tag die Arbeit nieder als der Gesetze­sentwurf im Parlament behandelt wur­de. Um den Kampfgeist der Arbeiter zu schwächen, wurde gegen Hunderte von ihnen die Kündigung ausgesprochen. Die Beschäftigten jedoch setzen unbeeind­ruckt ihren Kampf fort. Die Regierung ze­igte auch in diesem Fall ihr wahres Gesicht. Die Beschäftigten fordern Lohnerhöhun­gen und bessere Arbeitsbedingungen. Die Regierung hält mit faschistischen Metho­den dagegen. Diese Angriffe der Regierung sind auch als eine Mahnung gegen die ge­samte Arbeiterschaft zu verstehen. Falls die Regierung, sowohl im Inland als auch aus dem Ausland, nicht genügend Widerstand spürt, wird Streikverbote sicherlich auch in anderen Bereichen ausgeweitet.

Solidarität jetzt!


Auch in vielen Ländern Europas werden die Beschäftigten, welche die Lasten der Wirtschaftskrise nicht tragen wollen, unter massiven Druck gesetzt. In Italien, Portugal, Spanien und Griechenland werden die hart erkämpften Rechte abgebaut, Streiks verbo­ten und die Tarifvereinbarungen aufgehoben.

Die Angriffe der AKP-Regierung gegen die Beschäftigten ist als ein Teil der neoliberalen Politik in europäischen Ländern zu verste­hen. Deshalb rufen wir alle Arbeiter und die Werktätigen auf, sich mit der Arbeiter der THY zu solidarisieren und gegen das Streik­verbot zu protestieren.

Föderation demokratischer Arbeitervereine (DIDF)
Genovevastraße 8, 51065 Köln
Tel: 0221/ 9255493 Fax: 0221/ 9255495, Web: www.didf.de

Quelle: DIDF Flugblatt / DIDF

Die Gewerkschaft Hava-Ä°ÅŸ bittet um Unterzeichnung einer Protesterklärung an den Pemierminister, den Arbeitsminister, den Minister für Transport und Verkehr sowie das Turkish Airlines Management via LabourStart.

Spanien: Merkels Würgeeisen lotterig?

Angela Merkel
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Armin Linnartz
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NACHDENKSEITEN haben uns gestern streng ins Verhör genommen. Haben wir wirklich unbedacht immer noch von Sparmaßnahmen Merkels und ihrer Konsorten gesprochen? Damit hätten wir die Wahrheit auf den Kopf gestellt. Tatsächlich wäre von Erdrosselung zu reden.Vom Schwachmachen der Länder, die in Europa aus eigener Kraft nicht mehr mitkommen.

Die Vorgänge um Spanien scheinen dem krass zu widersprechen. Schließlich schwänzelten doch alle europäischen Staaten - genauer ihre Banken - um die spanische Regierung herum. Damit diese doch bitte, bitte die bereitstehenden Beträge als Darlehen für ihre notleidenden Banken endlich aufnähme. Ist das nicht Wohltat statt Erpressung? Und - noch erstaunlicher - Spaniens Obersparigel musste nicht die Aufsicht der Troika hinnehmen über die Gesamtwirtschaft wie sonst die erwischten Staaten, sondern nur eine über das Bankenwesen.

Kein Wunder, dass Griechenland vom Würgegalgen her halberdrosselt aufjaulte, es wolle auch nicht gleich Haut und Haar abgezogen bekommen. Gleichbehandlung bei der Schindung war bisher allgemein anerkannter Grundsatz in Europa. Woher jetzt auf einmal die Unterschiede?

Nach dem Aufjubeln der Gläubigerbanken haben sich die Nebel inzwischen gesenkt. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Dass die spanische Staatsschuld sich zumindest um die Zinsen für die hundert über den Tisch geschobenen Milliarden erhöhen wird, ist inzwischen klar geworden. Und dass die allgemeine Lage beim bald notwendigen weiteren Schuldenaufnehmen sich verschlechtern wird, bleibt unbestreitbar. Insofern noch einmal: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Und dann muss sich auch Spanien das Würgseil um den Nacken gefallen lassen.

Um so wichtiger für Merkel, dass sich die sogenannte Opposition auch im Inland nicht länger anstellt. SPD und GRÜNE müssen sich noch in diesem Monat zum Treuebund bereit erklären, damit der Fiskalpakt zu einer Fessel wird, die auch diese Opposition legal nicht mehr abstreifen können wird, wenn sie wider Erwarten mal zum Zuge käme.

Unsere Merkel weiß aber, dass sie sich auf Steinmeier verlassen kann. Die Kniefälle hat er schließlich seit Schröder trainiert. Also, Merkel: Lasso bereit halten. Auswerfen! Zuziehen!!

PS: Die Prophezeiung wird schon als erfüllt gemeldet.

kritisch-lesen.de Nr. 18: Körperregeln

Beim Kampf gegen bestehende Herrschaftsverhältnisse geraten mehr und mehr Körper ins Blickfeld. Körper nehmen dabei zwei Funktionen ein: Zum einen werden anhand der Zuschreibung körperlicher Merkmale und Eigenschaften verschiedene Formen von Unterdrückungsverhältnissen legitimiert und begründet, zum anderen schreiben sie sich in Körper ein. Denn Körpernormen und Körperbilder wirken sich auf die Selbstwahrnehmung, aber auch auf den Blick dessen, was als „schön“ oder „attraktiv“ empfunden wird, aus. Das scheinbar individuelle Handeln, das sich in alltäglichen körperlichen Selbstinszenierungen oder Zurschaustellungen manifestiert, ist im Umkehrschluss durchzogen von gesellschaftlichen Normvorstellungen. Körperdiskurse legitimieren Körper anhand bestimmter Maßstäbe als „gesund“, während andere, die diesen Normen nicht entsprechen, als abweichend konstruiert werden. Diese Normen zu hinterfragen und Linien zwischen „krank“/„gesund“, „schön“/„hässlich“, „fit“/„faul“, „stark“/„schwach“ aufzubrechen sind wichtige Aufgaben linker Politiken.

In dieser Ausgabe wird sich dem umfangreichen Thema aus unterschiedlichen Perspektiven genähert. Zunächst empfielhlt Ulrike Roth das Buch Projekt Körper und hält fest, dass es auch als gelungene Analyse einer neoliberalen Gesellschaft am Beispiel Körper gelesen werden kann. Anschließend zeigt Heinz-Jürgen Voß in der Rezension des Buchs Ein Junge namens Sue „Lebensgeschichten von Trans*-Menschen” auf. Die Studie Schönheit als Praxis zeigt anschaulich, dass im Schönheitsdiskurs gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse verhandelt werden, eignet sich aber laut Rezensent Ulrich Peters eher nicht zum Einstieg in die Thematik. Hingegen hält Peps Perdu Fleischmarkt für eine gute Einstiegslektüre. Sie sieht in dem Buch eine Kampfansage gegen die Rolle, die weiblichen Körpern im Kapitalismus zugeschrieben wird. Zwar vermisst sie einen intersektionalen Zugang, sieht aber dennoch neue feministische Perspektiven unterstützt. Thomas Möller bespricht den Sammelband Körper haben, dem das Ziel einer interdisziplinäre Herangehensweise an das Thema zu Grunde liegt. Diese wird laut Möller durch einen zu allgemeinen theoretischen Rahmen jedoch nur unzureichend eingelöst. Den Abschluss des Schwerpunkts liefert Heinz-Jürgen Voßs Rezension des Ausstellungsbegleitbandes 1-0-1 (one ´o one) intersex , der als eine der besten deutschsprachigen Publikationen gewürdigt wird, die für die Rechte der Intersexen eintreten.

Unter den aktuellen Rezensionen lobt zunächst Patrick Schreiner die Widerlegung vieler unhinterfragter neoliberaler Mythen, die der Ökonom Ha-Joon Chang in seinem fundierten populärwissenschaftlichen Buch 23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen vornimmt. Zu einem vernichtenden Urteil kommt dagegen Philippe Kellermann in seiner Rezension von Transparenzgesellschaft: Der Autor und Philosoph Byung-Chul Han verbaue sich mit seiner Kritik an dem Konzept eine nuancierte Betrachtung der Fallstricke der Transparenzforderung und verunmögliche damit auch eine emanzipatorische Antwort. Das Buch Wir kommen von Inan Türkmen wurde vor allem in Österreich breit diskutiert. Sebastian Kalicha bemängelt in seiner Rezension trotz des möglichen subversiven Potenzials des Essays das Fehlen eines über Provokationen mit neuen Klischees hinausgehenden Inhalts. Für die Mehrheit der Gesellschaft provokante Thesen enthält auch Markus Bernhardts Darstellung der „Hintergründe, Verharmloser und Förderer“ des NSU-Terrors, die Michael Lausberg in seiner Besprechung Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) und die Inlandsgeheimdienste als gelungene Einstiegslektüre in das Thema empfiehlt. Thomas Trueten bespricht schließlich in Der Kampf ist noch nicht vorbei Mumia Abu Jamals bereits 2004 in den USA veröffentlichtes Buch über sein Leben in der Black Panther Party, das nun auch in deutscher Übersetzung erschienen ist.


Weiterlesen in der am 5.6. erschienenen Ausgabe von kritisch-lesen.

Irland: Abschaffung der Demokratie

Angela Merkels reale Basis bröckelt...
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Armin Linnartz
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Nach den letzten Meldungen hat sich gerade mal die Hälfte der Wahlberechtigten in Irland an der Volksabstimmung beteiligt. Von denen wieder sollen angeblich 60 Prozent sich ein Ja abgequetscht haben zu Merkels Sparpakt. Nach welchem bekanntlich eine Ausgabenbremse verordnet wird, auch wenn das den Lebensstandard der Iren senkt. Mit automatischen Strafen, bei Verstößen gegen das Diktat.

Wenn die Rechnung stimmt, dann haben also von 50 Prozent Wahlberechtigten gerade mal zwei Drittel sich dem Willen der Banken in Europa gebeugt. Macht eine reale Zustimmung von einem Drittel ungefähr der Demokraten in Irland aus. Zwei Drittel sind dann jedenfalls nicht einverstanden. Das beunruhigt aber niemand unter den herrschenden Mächten in Europa. Hauptsache, man hat den Zustimmungs-Stempel.

Wie schon vor Jahren, als die Iren zweimal abstimmen mussten, bis ihr Votum gefällig war.

Als Papandreou am Ende des letzten Jahres eine Volksabstimmung plante über die Annahme des Euro-Diktats, wurde das als schamloser Angriff gegen Europa gewertet. Bis der Versuch abgeblasen wurde. Weil damals vermutlich etwas sehr Unangenehmes zum Vorschein gekommen wäre.

Fazit also: Demokratie soll nicht mehr den "Willen einer Mehrheit" ausdrücken, wie es bei den Erfindern der Idee ursprünglich gedacht worden war. Es darf nicht mehr um das Gewollte gehen. Nur noch um das ordnungsgemäß Akzeptierte. Wenn das in Wut geschah und mit Zähneknirschen - um so besser. Es beweist den Siegenden ihre Macht.

In diesem Sinne sind alle Angriffe gegen Merkel und ihresgleichen berechtigt, dass ihre Politik notwendig und unvermeidlich Demokratie zerstört.

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