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Guy Debord (* 28. Dezember 1931 -  30. November 1994) - Überlegungen anlässlich seines achtzigsten Geburtstags

Guy Debord
Foto: marxists.org
Debord - nun schon so lange tot. Er galt als einer, der mit seiner Theorie vom Spectacle, in das die gesamte Welt sich verwandelt haben soll, 1968 vorweggenommen zu haben schien. Verkürzt wurde diese Theorie oft so rezipiert: Die ganze Welt der Erscheinungen ist zur Vorführung geworden. Vorführung eines Zusammenhangs des zwanghaft Stimmigen.Des stimmig Gemachten. Dass die Verfügung über die Medien dazu beiträgt, versteht sich. Aber diese richtige Bestimmung reicht keineswegs aus.

Oft wird Debord zu kurz verstanden, in der Unterstellung, es ginge ihm einfach um die Verwandlung des Seienden in Schein, Magie, Voodoo usw. Damit bliebe der von ihm erhobene Anspruch, den Materialismus der Moderne aufzugreifen und fortzusetzen, unberücksichtigt.

Debords auf jeden Fall mitgedachte, wenn auch nicht immer offen ausgesprochene Voraussetzung besteht gerade darin, dass brutalste und blutige Eingriffe "von oben" in die Gegebenheiten der materiellen Welt nötig sind, um den Widerspruch auszutilgen. Den Widerspruch nämlich, der sich der unmittelbaren, unverfälschten Wahrnehmung aufdrängen würde. Beispiel: Die Schauvernichtung Griechenlands. Dass alles Sparen nie das angestrebte Ziel erreichen kann, ist jedermann klar. Aber Griechenland behält seinen Wert im Sinne des Gesamtkapitals. Vergegenwärtigung der Vernichtungsdrohung, die alle angeht, die sich ererbte Umgangs-und Organisationsformen nicht ohne weiteres nehmen lassen wollen. So entsteht das einheitliche Bild einer Ödnis, einer Wüstenei. Schlachtung einzelner zur Erstickungsangst vieler.

Nicht immer deutlich antwortet Debord auf die Frage, wie denn dann noch Wirkliches überhaupt sich einstellen kann und Wirkung erzeugt. Wieder mehr zu erschließen als tatsächlich ausgesprochen bleibt als sicher nicht Spektakuläres der menschliche Körper übrig. Mit seinen Schmerzen, seinen Empfindungen, seiner Lust. Körper nicht als ruhendes Sein gedacht, sondern als bewegtes und bewegendes Mittel der Interaktion in der Arbeit. Von daher lässt sich verstehen, dass Debord vor allem in den "Kommentaren" nach Erscheinen von Spectacle an den Kämpfen der italienischen Arbeiterklasse Interesse fand und festhielt. Würde nicht in dem Zusammenhang menschlicher Produktivität sich eine unanfechtbare Gewissheit, Wirklichkeit höheren Grades herausbilden?

Als sich herausstellte, dass auch zwischen den einen Proletarier und den anderen sich das "Bild" schob - die manipulierte Vorstellung von Welt - hat Debord den Kampf wohl aufgegeben. Seine letzten Bücher stecken voll wehmütiger Erinnerung an frühere Zeiten, die Kneipen voller Unterschiede, die verschiedenen Speisen in den Kaschemmen der Vorstädte. Alles voller Sinnlichkeit im Versinken. Aber bedeutsam nur noch für den Erinnernden selbst.

Debords Resignation - zu früh akzeptiert?

Die Frage ist, ob nicht die atomisierten Mitglieder der Klasse auch außerhalb der Arbeitserfahrung zu neuer gemeinsamer Erfahrung vordringen konnten. Die zuerst in Frankreich, dann überall auftauchenden raps scheinen eine Welt zu eröffnen, in welcher gerade die Arbeitslosen mit den Arbeitenden zusammen einen Block bilden. Etwas Unzersetzbares. Ein Etwas, das im Aussprechen der Leere den Anspruch auf Inhalt, auf Fülle und Überfülle erhebt.

In einem kleinen Reclam Büchlein für den Schulunterricht hat Eva Kimminich von der Universität Freiburg schon 2002 auf die besondere politische Bedeutung aufmerksam gemacht, die RAP in den französischen Banlieues erhalten hat. Besonders ausgeprägt auch in der Region Strasbourg, wo es seit den neunziger Jahren ein kommunal unterstütztes Studio "sons de la rue" gibt (www.sonsdlarue.fr). Nach dem Antritt der Rechten im Provinzparlament ab 2002 sollen ihm laut der genannten website Mittel gestrichen worden sein , doch mit vielen kleinen Clips und Songs nimmt es sich immer noch ansehnlich aus.

Rap, stellt Eva Kimminich fest, verbindet sich in den Vorstädten zu einer festen Einheit mit der Kultur der Graffiti und des break-dance, ergänzt durch einen besonderen Kleidungsstil, wie ihn die Photos der website "sonsdlarue" zeigen. In dieser Einheit ergibt sich offenbar ein Zusammenhalt, eine Festigkeit und Unbeugsamkeit, die bisher jedem erzieherischen und polizeilichen Eingriff widerstand. Und dies inmitten der Leere, der Empfindung totalen Beraubtseins. Wie passt beides zusammen?

Eva Kimminich gibt einen Text wieder, den die Gruppe "Hard Life & Le Déclic" publiziert hat. Déclic heißt laut Kimminichs Kommentar ungefähr: "Es hat geschnackelt".

Eine Eigenheit aller Texte, auch der bekanntesten, ist der - absichtliche oder unabsichtliche - Verstoß gegen sämtliche Regeln der französischen Rechtschreibung und Grammatik. Schon in der Schule nicht allen zugänglich, gelten diese als Domäne der feinen Leute, der Etablierten. Doch das ist hier nicht weiter vorzuführen. Stattdessen im Folgenden ein Ausschnitt aus einem Song aus den Vorstädten von Strasbourg, bei Kimminich im Original dokumentiert, schwer zu übersetzen und hier, mehr dem Sinn als den Einzelbedeutungen folgend, etwas holprig übertragen.

Titel und zugleich erste Zeile lauten:

"Schnapp dir die Sechzehn-Millimeter-Kamera"

Das Viertel ist noch immer da
Das Leben fließt gleich, die Tage so gleich
Die gleichen Jungs ziehn um die gleichen Silos
Gleicher Monat, gleiches Jahr- schleppst immer die gleichen Kilos
Die Tage am Seil, jeder dem andern verwandt
Gleiche und gleiche geben einander die Hand

Wie krieg ich diesen Tag noch rum
Der Ringelreihen macht mich dumm
Einen Tag länger rumhängen im Treppenhaus
ein Tag mehr, der trickst mich aus
Abgezählt, Tag für Tag - und du bist raus

Der gleiche Film spult immer gleich sich ab
Der gleiche Scheiß von der Krabbelstube bis ins Grab
Den gleichen Tag von Tag zu Tag rumkriegen
Und schließlich tief im Straßengraben liegen
Wo es mich gibt, heißt es Überleben
Warum dann nicht gleich sich die Droge geben?

Die Schuld holt dich ein
Irgendwann will sie bezahlt sein
Als Preis blätterst Du das Leben hin
Bei Verlust, ganz egal, oder bei Gewinn
Öffne dem Schrei der Mütter die Ohren
Die einen Sohn, eine Tochter verloren
Ein Toter mehr gestorben
ein Tag mehr verdorben

Die Tage folgen ohne Unterlass
Ein jeder wischt Liebe aus, brütet den Hass
Liebe und Tod stützen sich beiderseits
Die Liebe zeugt mit dem Tod das Aids
Todesschritte zu hören sind

Des Menschen Blick dabei für eines blind:
Es geht die Zeit, es läuft die Uhr
Die Zeit lässt hinter sich eine Spur,
Ein neuer Tag - die Zeit nimmt ihren Lauf
Ein neuer Tag - Sheitan lauert uns auf
Ein neuer Tag, um abzuschlaffen

Der Beton fordert: Kies heranzuschaffen
Es ist so eingerichtet, und von allen
Dass wir im Schwindel auf die Schnauze fallen
Und man stopft ins ewige Schweigen
Solche, die Hunger nach Wissen zeigen

Die Tage entweichen
Die Träume verbleichen
Wie halte ich Stand?
Zeit ist davon gerannt


Ein wiederkehrender Refrain aus drei Strophen:

Neuer Tag dauert lang.
Tage gehen ihren Gang
Leben eile oder schleich!
Alle Tage immer gleich.

Alle Tage immer gleich,
Das Leben spielt uns einen Streich
Lauf, Leben, oder schleich!
Die Tage immer neu
Sie ziehn an dir vorbei

Zu übereilt, zu jäh
Der neue Tag hängt zäh
Der Tag, der Tag, der Tag, der schleicht,
Einer dem andern gleicht.
Der Tag.....?"
(Kimminich, S. 25ff)

Der Text, um 2002 entstanden, scheint zunächst völlig unpolitisch. Ein einziger Ausdruck durchzieht den Song: Tag, leerer Tag, immergleicher leerer Tag. Beim "armen Mann im Toggenburg" bäurischer Herkunft aus der Schweiz findet man um 1780 den Ausspruch: "Gestern wie heute, heute wie gestern. Es hätte immer so weiter gehen können". Dem Bauern ist das Immergleiche das Gesicherte. Keine Überraschung durch Gewitter und Dürreperioden. So wurde das Immergleiche in bäuerlichen Zeiten ganz anders erlebt als hundert Jahre später.

Da lässt Grillparzer den "Armen Spielmann" in seiner gleichnamigen Novelle sagen: "Heute, wie gestern. Gestern wie heute" - Ausdruck tiefster Trostlosigkeit. Grillparzers Spielmann ist aus gutem Hause, jetzt abgesunken und jeder Perspektive beraubt. Genau das kennzeichnet dann das proletarische Schicksal, soweit es nicht - vorübergehend - durch ein "Mit uns zieht die neue Zeit" aufgehellt wird.

Guy Debord bringt in seinem Buch über das Spektakel eine verblüffende neue Bestimmung des Proletariats: "Zum Proletariat gehören die, die unter keinen Umständen eine eigene Perspektive entwickeln können, was ihre Umwelt - den Raum ihres Lebens - und was ihre Zeit (Zeitplanung) betrifft - und die das wissen."

Der Song der Gruppe "déclic" zeigt einen Ansatz dieses Wissens. Man ist - räumlich - gefesselt an die enge Vorstadt. Schon ein Ausfall ins Zentrum Strasbourgs, zwischen Münster und Fachwerkgemütlichkeit, geschieht selten, gruppenweise, immer in Gefahr, auffällig zu sein und polizeilich behandelt zu werden. Dasselbe gilt der Zeit nach. Wie bitter der Hinweis auf den Aufstieg über Bildung, der ja hüben wie drüben der Rheinufer mundfusslig empfohlen wird: Wissbegierige zum Schweigen gebracht. Der Lebensvorgang: ein einziges Abnutzen. Die Träume verbleichen...

In der Sammlung dieser Trostlosigkeiten findet sich trotzdem der Stolz, das auszusprechen, es zu wissen, weitersagen zu können. Es ist in der Vernichtung Ausdruck der Gemeinsamkeit, auf die sich alle einigen können, welcher Herkunft auch immer. Im Gefühl des Zunichte -“ Gemacht - Werdens sammelt sich die Kraft, dem Vers der Internationale zu entsprechen "Ein Nichts zu sein, tragt es nicht länger / Alles zu werden kommt zuhauf".

Es hat Strafanzeigen Sarkozys gegen die Verfasser aggressiverer Raps als gerade diesen gegeben. Zwei Lehrerinnen erhielten etwas, das einem Berufsverbot sehr nahe kam, als sie im Unterricht politische Raptexte behandelten. Es half nichts. Über CDs, private Sender und das Internet kann die neue Musik der Ortsgefesselten ihren Ort verlassen und verbreitet sich wie die Luft.

Ein Problem ergibt sich nämlich aus Debords Definition der revolutionären Klasse. Die hergebrachte der bisherigen sozialistischen Tradition hob vor allem auf eine Eigenschaft des Proletariats ab: Da die Proletarier in Wirklichkeit alles produzieren, können sie gerade deshalb ihre Arbeitskraft zurückhalten, und sie können aus den im Produktionsprozess erworbenen Kenntnissen am Ende den ganzen Laden schmeißen, ohne das Fach- und Geschäftswissen der Bourgeoisie.

Das Problem der Banlieue - Insassen ist aber, dass sie systematisch außerhalb der als Mehrwerterzeugung gedachten Arbeit gestellt werden.

Doch was ist heute Produktion? Ohne auf Negris unsinnigen Begriff der immateriellen Arbeit, wie er ihn versteht, hereinzufallen, muss doch zugegeben werden, dass die Arbeit die Fabrik vielfach verlassen hat und dass ihre Organisation - just in time etc. - ein dichtes Netz von Verständigungen, Verständigungsregeln und Kommunikation erfordert. Gleichwohl ist auch diese Produktion nicht immateriell, denn sie hängt an ihrem Beitrag zur Ermöglichung materieller Produktion. Aber es handelt sich um genau das Gebiet, in das auch die Produktion und Verbreitung von Rap eindringt. Private Radioketten leben mittlerweile schon davon, drängen sie damit von ihrer Position des Nichts doch ins Zentrum vor: Ziemlich viele Rapperinnen und Rapper verdienen ihr Brot inzwischen als Djs dieser Sender. Zusätzlich werden CDS gepresst und Songs über das Internet verbreitet. Durch Streik können Rapper und Rapperinnen wenig ausrichten, aber durch eine andere Art der Arbeit, eben unter Ausnutzung der elektronischen Notwenigkeiten heutiger Produktion.

All das heißt freilich nicht, hier sei jetzt endlich der sichere Weg zum Sieg gefunden, kein Gegner mehr zu erwarten, keine Vorsicht mehr geboten.

Merkwürdig bleibt, dass die Songs ihre Lust und Poesie keineswegs aus dem lärmenden Draufschlagen beziehen. Die - meist - Farbigen in den Slums klagen vielmehr gerade die von der bürgerlichen Revolution allen versprochenen Rechte ein - zum Teil naiv, zum Teil in der richtigen Erkenntnis, dass die bürgerliche Gesellschaft, wie Hegel schon andeutete, in all ihrem Reichtum nicht fähig ist, ihr eigenes Versprechen der Gleichheit und des Aufstiegs zu erfüllen. Sie klagen gerade das ein, so wie zwischen 1830 und 1848 die Arbeiter immer wieder das Recht auf Arbeit forderten, bis die Bourgeoisie im Juni 1848 die Bundesgenossen aus der Arbeiterschaft genau deshalb blutig massakrierte, weil sie einsah, dass sie nichts weiter gewähren konnte, ohne Lohnarbeit als Grundlage des Kapitals aufs Spiel zu setzen.

Umgekehrt erkannte die Arbeiterklasse in ihren fortgeschrittensten Elementen im Manifest von 1848, dass sie ihr Recht auf andere Weise erkämpfen müsse und könne - nur im Bruch mit der Herrschaft der Bourgeoisie über die Produktionsmittel.

Derselbe Schritt steht den BewohnerInnen der Banlieues noch bevor. Im Augenblick schreiben sie Songs an "Marianne", Inbegriff eines Frankreich, das für alle da sein sollte, aber es nicht sein kann. Oder einen "Brief an den Präsidenten" als Rap. Immer wieder findet sich dabei der Dreischritt aus Klage, Anklage, Abkehr.

Damit es nicht so weit kommt, setzen die Verteidiger der bestehenden Ordnung auf Abstumpfung. Sie organisieren in den Gefängnissen selbst Rap - mit angeschlossenen Schreibbüros und Studio. Einen der Texte aus dieser Produktion gibt Eva Kimminich ebenfalls zum besten. Gefangene aus einem Knast bei Strasbourg rappen:

"Knastbrüder geben den einen Tipp
Leb Dein Leben mit Liebe für jeden Augenblick
Stürz dich für später nicht ins Unglück
Kopf hoch, und das Hirn ausprobieren
Und mich in das elende System integrieren

Jahrlang hatte ich nur Hunger und Fressen im Sinn
Mit dem Mikro zeige ich jetzt, wer ich bin
Ich acht' auf die Worte, halt zusammen die Taten, bin voll in action
Jetzt blick ich, Junge, des Lebens wahre direction

Sohn, du sollst an die Zukunft denken
Das Schlimmste, der Knast, wird dir nichts schenken
Klauen - das bringt dir bloß Schererei
Mein einziges Ziel: für mich ist so was vorbei.

Dieser Rap sei all den Typen im Knast geweiht,
Ich rappe hier, weil mich das befreit,
Sohn, denke an die künftige Zeit!"
(Kimminich, S. 113, übersetzt von fg)

Die pädagogische Absicht wird überdeutlich: Glaub an den Aufstieg, auch wenn er unmöglich ist! Im Kommentar führt Kimminich Jugendliche aus Colmar an, die nach einem Open-Air-Konzert der Knastgruppe dem beseligten Reporter ins Mikro bekannten: "Als ich das hörte, bekam ich Lust, mich auf den Hosenboden zu setzen und mehr zu lernen" (Youssef Elabari), oder auch: "Als ich das hörte, bekam ich Lust auf eine eigene Band und eigene Texte" (Tomma Yapapa). Die Familiennamen verraten alles über Herkunft und erzwungenen Ehrgeiz für den Aus- und Aufstieg ins Leere. Angesichts der Erfahrungen, die der jetzige und der künftige Sarkozy-Staat den Jugendlichen in Neuhof bei Strasbourg und anderswo in den Slums vorbehalten, scheinen die Aussichten der neuen Heilsarmee, diese Erfahrungen umzubiegen, gering. Es ist ein Zusammenhalt, der sich mehr aus dem Bewußtsein der Erniedrigten und Beleidigten speist als aus dem Selbstbewusstsein der Produzenten. Aber eben als dieser unverbrüchlicher als manches andere.

Insgesamt werden es Sarkozy und die seinen schwer haben, die Orte der Ausgestoßenen zu stürmen und in ihrem Sinn umzusiedeln, Orte, die die Untersten durch Graffiti, Break und Rap im Augenblick der äußersten Verlassenheit und Beraubung in der Souveränität der Zeichensetzung trotz allem neu zu ihrem Ort gemacht haben. Es steht noch dahin, wer beim Ansturm auf der Strecke bleiben wird.

Sachsen dreht frei. On- und Offline-Überwachung: Weil sie es können

Sehr sehenswerter Vortrag von Anne Roth auf dem 28c3:

"Die Meldungen aus Sachsen in diesem Jahr wirkten für alle, die nicht dort wohnen, ein bisschen, als kämen sie von einem sehr weit entfernten Stern. In regelmäßigen Abständen werden Dinge bekannt, die jeweils einzeln früher zum Rücktritt von Ministern geführt hätten. Funkzellenabfrage, §129-Verfahren, die Durchsuchung eines Pfarrers, Aberkennung der Immunität eines Fraktionsvorsitzenden wegen Rädelführerschaft: umfassende Kriminalisierung von Protesten gegen Nazis, und zwar weit bis in die "Mitte der Gesellschaft". Offline-Überwachung und -Drangsalierung sind in Sachsen Alltag. Der Talk gibt einen Überblick über den Stand der Dinge und warnt davor, sich (außerhalb Sachsens) gemütlich schaudernd zurückzulehnen. Denn: Wenn Sachsen damit durchkommt, setzt das Maßstäbe für andere Bundesländer. (...)" Weiterlesen

Verbrechen beenden! Freiheit für das kurdische Volk!

Download der Erklärung: Bild anklicken
Erklärung der Förderation Demokratischer Arbeitervereine DIDF, Stuttgart zu den Luftangriffen der türkischen Armee:

"Die Luftangriffe der türkischen Armee auf kurdische Städte, Dörfer und Landschaften haben wieder Dutzende unschuldige Zivilisten in den Tod gerissen. Bei einem jüngsten Bombenangriff auf das Dorf Ortasu nahe der kurdischen Stadt Sirnak sind nach aktuellen Angaben mindestens 35 Menschen getötet worden. Die Leichen sind verbrannt und durch den massiven Bombenaufschlag größtenteils nicht mehr zu identifizieren.

Vermutlich handelte es sich um eine Gruppe von jungen Männern, die Zucker und Gas über die türkisch-nordirakische Grenze brachten und von der türkischen Armee für Kämpfer der Kurdischen Arbeiterpartei gehalten wurden. Die Getöteten trugen keine Waffen bei sich. Ihre Schuld: Sie waren Kurden.

Auf die Forderung des kurdischen Volkes nach Freiheit, Gleichberechtigung und Solidarität antwortet der türkische Staat mit willkürlichen Morden und Verbrechen.

Durch den jahrelangen Krieg in dieser Region leiden Hunderttausende Männer, Frauen, Jugendliche und Kinder u.a. an Armut, Hunger, Wohnungslosigkeit und alltäglicher Gewalt durch Militär, Polizei und Sicherheitskräfte. Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit haben viele Menschen keine andere Möglichkeit als sich an Schmuggelgeschäften von Gütern wie Nahrung oder Heizgas anzuschließen.

Die staatliche Ignoranz gegenüber der Not der Menschen macht sich auch in der aktuellen Situation der Erdbebenopfer in Van deutlich. Seit Monaten harren Menschen in miserablen Unterkünften bei Schnee und Kälte aus. Ihnen fehlt es an Nahrungsmitteln und Heizung, um den harten Winter überstehen zu können.

Das Blutvergießen in den kurdischen Regionen muss endlich beendet werden!

Trotz unzähliger Friedensangebote des kurdischen Volkes und seiner politischen Vertreter setzt die AKP-Regierung unter Präsident Tayyip Erdogan auf seinen Kriegskurs. Während Erdogan als NATO-Handlanger in Syrien, Libyen, Tunesien als vermeintlicher Demokratie-Botschafter agiert, kommandiert er das Militär zum Bombardement auf kurdische Regionen und Menschen.

Wir, die Föderation der Demokratischen Arbeitervereine, protestieren zutiefst das militärische Verbrechen und bekräftigen unsere Solidarität mit dem kurdischen Volk, das seit Jahrzehnten für Freiheit, Gleichberechtigung und Frieden kämpft.

Gleichzeitig rufen wir die demokratische Öffentlichkeit auf, die militärischen Handlungen der AKP-Regierungen zu protestieren sowie Protestbekundungen an die türkische Regierung zu richten. Die Beendigung des Blutvergießens kann nur gelingen, wenn wir uns solidarisch mit der Demokratie- und Friedensbewegung in der Türkei zeigen und Druck auf die staatliche Willkür und Militärhandlungen der AKP-Regierung stärken."

DIDF Stuttgart, Spreuergasse 45, 70372 Stuttgart, didf-bw@gmx.de

Noch einmal Syrien: Gegen den täglichen Wehrmachtsbericht!

Wie wenige andere skizziert Angelika Gutsche im FREITAG die gemeinsame Erwartung eines Angriffskriegs gegen Syrien im Jahre 2012, um den Endstoß gegen den Iran vorzubereiten.

Soweit Leute auf das gewöhnliche Gewölle der privaten und öffentlichen Erregungen angewiesen sind, werden sie dem bevorstehenden Krieg so wenig entgegenzusetzen haben, wie den vorangegangenen gegen Libyen und gegen den Irak.

Wer täglich Grausamkeiten der gegenwärtigen Machthaber aufgetischt bekommt, wie kann der anders reagieren als mit Zustimmung zur bevorstehenden Befreiung, die mit ererbten Parolen der europäischen Bewegungen garniert wird.

Ein Beispiel für die Einheitsfront bei den Hirnbetonierern. Kaum hatten die Abgeordneten der arabischen Liga sich nicht entrüstet genug über die syrischen Zustände geäußert, brach ein Gewitter der Empörung los. Offensichtlich wussten alle Schreiber schon im vorhinein, wie die Botschaft auszufallen hatte. Wie sie enden musste. Nämlich in einem Aufruf an die Völkergemeinschaft, unverzüglich loszuschlagen. Erst Flugverbotszone, dann Anerkennung einer Misch-Gruppe aus Irregeleiteten und Söldnervagabunden. Dann... aber das weiß schon jeder.

Bleibt nur ein Problem: Warum noch Untersuchungen veranstalten, wenn man pflichtgemäß alles immer schon vorher weiß.

Entsprechend wird ohne weitere Prüfung verbreitet, die Angreifer eines GRÜNEN- Kriegsvorbereiters in Berlin müssten zweifelsfrei vom syrischen Geheimdienst herkommen. Andere erregbare Herren scheint es in der ganzen Hauptstadt nicht zu geben. Westerwelle tat unverzüglich das Seinige: er bestellte den syrischen Botschafter ein. Natürlich nicht, um etwas zu erfahren. Aber um den Regierungsstempel auf das bloß Vermutete zu drücken.

Noch einmal: Was tun gegen die Lawine der Kriegsvorbereitung? Auf einen Bundestag voller Gekaufter, Verängstigter und Angepasster ist nicht zu rechnen. Die LINKEN allein in ihren kriegsgegnerisch gebliebenen Teilen werden wenig ausrichten können.

Bleibt nur eines: sich der allerbittersten Erkenntnis stellen. Dass nämlich in einem seit 1945 befreiten Land mit guten Ansätzen in den allerersten Jahren eines geworden ist, in welchem die Lüge zentnerweise ausgeschüttet wird, die Wahrheit aber krümelig im Fingerhut dargeboten, unter sehr viel Schutt. Ein ganzer Tag Zeitungslektüre ergibt ein Tütchen voll brauchbarer Erkenntnis. An der wenigstens wäre festzuhalten. Um der Schwellflut der staatlich erwünschten Lüge ein Geringes - das Geringste - entgegenzusetzen.

Silvesterdemo am 31.12.2011 in Stuttgart

Foto: Sebastian Ritter (Eigenes Werk) [GFDL, CC-BY-SA-3.0 oder CC-BY-2.5], durch Wikimedia Commons
Dieses Jahr gibt es zwei Aufrufe zu einer revolutionären Silversterdemo in Stuttgart. Wir zitieren mal:

"(...) Das Jahr 2011 war geprägt von vielfältigen und kämpferischen linken Mobilisierungen. Mit dem Widerstand gegen Nazis und Rassisten, gegen Kriegstreiber und -profiteure, sowie mit klassenkämpferischen Aktionen gegen die Krisenpolitik der Herrschenden und für die Überwindung des Kapitalismus, konnten Kämpfe weiterentwickelt und linke Bewegungen gestärkt werden.

Viele der Aktivitäten hatten jedoch mit einem ausufernden Problem zu kämpfen: Staatliche Repression in verschiedensten Formen. Die staatlichen Kriminalisierungsversuche gegen linken Widerstand nahmen gerade in unserer Region in den letzten Monaten immer umfassendere Ausmaße an. Die seit August andauernde Untersuchungshaft eines Stuttgarter Antifaschisten wegen antirassistischer Proteste stellt nur den Höhepunkt der Repression dar.

Die Angriffe und Provokationen von Staat und faschistischer Bewegung gegen die Bestrebungen für eine fortschrittlicher Gesellschaft können nicht unwidersprochen bleiben. Wo auch immer sie versuchen uns zu treffen, gilt es sich gemeinsam und solidarisch zu verteidigen und politisch zurückzuschlagen. Am Silvesterabend werden wir uns noch einmal in diesem Jahr die Straße nehmen und deutlich machen, dass wir uns weder einschüchtern, noch einmachen lassen. Auf die Straße gegen Klassenjustiz und für ein revolutionäres 2012! (...)"


Weiterlesen im Aufruf http://-‹silvesterdemo0711.-‹tk-‹ und im Interview zur Demo

"(...) Wir rufen alle auf, sich geschlossen, solidarisch und Spektren übergreifend an der diesjährigen Silvesterdemo in Stuttgart zu beteiligen. Mit diesem Aufruf zu einem libertären Block wollen wir uns nicht von anderen Gruppen und der Demo abgrenzen, sondern verstärkt in und aus unserem Spektrum heraus dazu mobilisieren, um so der Zersplitterung der Linken eine kraftvolle und kämpferische Demo gegenüber zu stellen. Faschisten, die herrschende Klasse und ihre Repressionsorgane müssen 2012 mit einem starken Bündnis aller fortschrittlichen und revolutionären Gruppen rechnen. (...)"

Weiterlesen im Aufruf "Hinein in den libertären Block!"

Nebelschweif-Flechter an der Arbeit! Telefonüberwacher - ran!

1984 war gestern...
So wie wir die Arbeit der Verhüller und Nebelwerfer beobachten können, über öffentliche und private Medien weg, werden wir wohl nie erfahren, wie die Zwickauer wirklich für sich allein und mit dem Verfassungsschutz zusammen gearbeitet haben.

So haben die Abendnachrichten als wichtigstes Argument für Telefonüberwachung beigebracht, der Verfassungsschutz hätte schon lange alles über die Zwickauer herausgebracht, wenn er nur mehr Telefonate hätte abhören können. Wenn nur der Verfassungsschutz willig gewesen wäre, sich dieser Arbeit zu unterziehen. Dass es wohlwollende Unterstützer der Tätigkeit der Mörder innerhalb der Obrigkeit gegeben haben muss, steht inzwischen außer Zweifel. So oft auch noch von Panne, Schlamperei und Missgeschick geredet wird. Absicht wird weiterhin von öffentlich und privat nicht einmal mehr erwogen. Aber wenn es ums Abhören geht, muss der eigene böse Wille noch als Argument herhalten.

Ähnlich steht es mit der Überlebenden, die in ihrer Zelle in Karlsruhe bisher nichts aussagt. Am Anfang fand der neue Generalbundesanwalt es noch unwürdig, mit einer Tatgenossin über eine Kronzeugenregelung zu verhandeln. Jetzt wird allen Ernstes so getan, als hätte eine Mitbewohnerin - seit Jahren- nie etwas von den Taten der anderen gewusst. Geschweige denn, darüber geredet und dazu geraten. Wenn nur ein einziger damals so milde angeschaut worden wäre von Leuten, die zum Beispiel für die RAF eine Wohnung gemietet hatten. Da war man stracks und ohne Rückfragen Mittäter. Und bekam Saueres. Offenbar besteht jetzt die Notwendigkeit, die potentielle Kronzeugin zum kleinen Fisch zu machen, um dann - ohne Schamgefühl - mit ihr auszumachen, was sie gefälligst zu Protokoll zu geben hat. Kleines juristisches Problem allerdings: in einem Anfall von Großzügigkeit wollte der Gesetzgeber seinerzeit immer mindestens drei Mittäter. Sonst könne von "terroristischer Vereinigung" keine Rede sein. Wie das geregelt werden soll? Findige Juristen werden auch da eine Lösung finden!

Und was soll man von den Neuigkeiten aus Heilbronn halten? Also die Terroristen wollten "nur" die Dienstwaffe der ermordeten Polizistin. Sonst steckt da gar nichts dahinter. Bloß - warum Leute, die ein schönes kleines Waffenlager angesammelt hatten, auf so eine Dienstpistole so angewiesem gewesen sein sollen, dass sie einen zusätzlichen Mord auf sich nahmen, wird nicht verraten. Und warum diese dann doch eher peinliche Tat zusammen mit den Anschlägen auf Kleinhändler von ihnen in das Ruhmes-Video aufgenommen wurde, bleibt auch ein Geheimnis der Nebelkünstler.

Schließlich die Todesumstände der zwei Haupt-Täter in ihrem Kleinbus. Angeblich weiß der Verfassungsschutz genau - woher? - dass erst der eine den anderen aus nächster Nähe, aber zugleich aus Versehen erschoss, dann noch Zeit fand, den Wagen anzuzünden, aber auch bei Person Nummer drei anzurufen, um sein baldiges Ableben zu vermelden. Damit die dann die Wohnung in die Luft sprengte. Alles in Windeseile - und ohne dass jemand sich durch das brennende Auto zum Löschen aufgerufen fand.

Alles Spinnwebentechnik. Hüllakrobatik. Uns kurzfristig Beunruhigten zugedacht, damit wir das lästige Nachbohren unterlassen.

Lehre: Wer ein braver Staatsbürger sein will, muss sich gern anlügen lassen. Kampf dem Wunderfitz.

Der immerwährende Kalender kommt seinem Ende näher!

Erich Mühsam kurz vor seinem 50. Geburtstag.
Quelle: Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 146-1981-003-08
Anno 1913 schuf Erich Mühsam einen im Grunde noch heute gültigen Kalender. Die Tage, in denen diese Zustände auf dem Müllhaufen der Geschichte landen werden, rücken näher. Um dafür Kraft und Zuversicht zu tanken, wünschen wir allen LeserInnen, FreundInnen, GenossInnen und KollegInnen noch ein paar erholsame Tage!

KALENDER 1913

Januar:

Der Reiche klappt den Pelz empor,
und mollig glüht das Ofenrohr.
Der Arme klebt, daß er nicht frier,
sein Fenster zu mit Packpapier.

Februar:

Im Fasching schaut der reiche Mann
sich gern ein armes Mädchen an.
Wie zärtlich oft die Liebe war,
wird im November offenbar.

März:

Im Jahre achtundvierzig schien
die neue Zeit hinaufzuziehn.
Ihr, meine Zeitgenossen wißt,
daß heut noch nicht mal Vormärz ist.

April:

Wer Diplomate werden will,
nehm sich ein Muster am April.
Aus heiterm Blau bricht der Orkan,
und niemand hat`s nachher getan.

Mai:

Der Revoluzzer fühlt sich stark.
Der Reichen Vorschrift ist ihm Quark.
Er feiert stolz den ersten Mai.
(Doch fragt er erst die Polizei.)

Juni:

Mit Weib und Kind in die Natur
zur Heilungs-, Stärkungs-, Badekur.
Doch wer da wandert bettelarm,
Den fleppt der würdige Gendarm.

Juli:

Wie so ein Schwimmbad doch erfrischt,
wenn`s glühend heiß vom Himmel zischt!
Dem Vaterland dient der Soldat,
kloppt Griffe noch bei dreißig Grad.

August:

Wie arg es zugeht auf der Welt,
wird auf Kongressen festgestellt.
Man trinkt, man tanzt, man redet froh,
und alles bleibt beim status quo.

September:

Vorüber ist die Ferienzeit.
Der Lehrer hält den Stock bereit.
Ein Kind sah Berg und Wasserfall,
das andre nur den Schweinestall.

Oktober:

Zum Herbstmanöver rücken an
der Landwehr- und Reservemann.
Es drückt der Helm, es schmerzt das Bein.
O welche Lust, Soldat zu sein!

November:

Der Tag wird kurz. Die Kälte droht.
Da tun die warmen Kleider not.
Ach, wärmte doch der Pfandschein so
wie der versetzte Paletot!

Dezember:

Nun teilt der gute Nikolaus
die schönen Weihnachtsgaben aus.
Das arme Kind hat sie gemacht,
dem reichen werden sie gebracht.

Erich Mühsam, 1878-1934

Blogkino: Alice in Wonderland (1903)

In unserer beliebten Reihe Blogkino zeigen wir ab heute ein Minifeature zum Thema "Alice im Wunderland" und beginnen mit dem ältesten Streifen, namlich dem 1903 von Cecil Hepworth und Percy Stow gedrehten mit Mary Clark als Alice sowie Cecil Hepworth, Mrs. Hepworth und Norman Whitten in weiteren Rollen. Die Hintergrundmusik 'In A World Of My Own' wird gesungen von Emilie Autumn.

Und nächstes Jahr: Nach libyschem Muster Syrien?

Das Schema hat sich inzwischen eingespielt. Es wird nicht gleich gegen den Iran losgeschlagen. Immer noch zu gefährlich. Erst mal ist Syrien dran. Jeden Tag die treffende Greuelmeldung.

Und gewiss: wer möchte im Augenblick gerne dort wohnen? Nur - ein Blick auf die Eroberungszüge der NATO ergibt immer das gleiche Ergebnis: Übrig gelassene Kammerdiener, die sich ohne ausländische Hilfe keine drei Monate halten könnten. Afghanistan - Irak - Libyen - und jetzt Syrien? Imperialistische Verheerungszüge zur Hinterlassung von verbrannter Erde.

Imperialistisch? Verstand man darunter nicht bisher den Raubzug zugunsten des Siegerlandes? Was haben die USA und die anderen NATO-Länder aber wirklich an Gewinn nach Hause getragen? Bisher. Aufzifferbar kann nur wenig übrig geblieben sein. Worin soll dann der Vorteil liegen der Imperialisten? Der Herrschaftssüchtigen. Der Herrschaftsbewahrer.

Antwort, versuchsweise: die Kraft zur flächenweiten Ausbeutung ganzer Kontinente ist nicht mehr stark genug. Nicht wie für England im neunzehnten Jahrhundert. Es müsste zuviel Militär dauerhaft und unproduktiv platziert werden. Was dann? Ruinengebilde erzeugen. Knickebeinstaaten. Solche, deren eingesetzte Oberhäupter alle Augenblicke nach Hilfe schreien müssen. Für Schnelleinsätze von den Flugzeugträgern aus reicht es gerade noch. Neuer Chef, neues Glück. Bis zum nächsten Mal. Der verbleibende Vorteil liegt dann immer noch in der Aufrechterhaltung der eigenen Supermacht-Stellung. Keiner kommt dagegen an. Eine Wackelfigur wie Obama, wenn er auch vielleicht einmal anders gewollt haben sollte, kommt aus der frewillig übernommenen Position seiner Vorgänger nicht mehr heraus.

Unterstützt das Ganze vom weltbeherrschenden Tugendchor. Können wir wirklich mitansehen, was im jeweils hervorgehobenen Greuel-Land passiert? Wir können es dann - abgehärtet - wenn wir uns klar machen, dass das was eben nach vorn gerückt wird, gerade so schnell wieder im barmherzigen Halbdunkel versinken könnte. Ließe sich zum Beispiel statt Syrien nicht jeden Tag die Militärdiktatur in Ägypten vorführen? So und soviele Tote dort, soviel hier. Nur dass die ägyptischen Militaristen noch westlich gebraucht werden. Und ihren Übergangssold beziehen. Bis sie auch dran sind.

Wir hängen sklavisch an dem, was die verzahnte Medien-Gemeinschaft gerade ins Zentrum rückt. Entsprechend haben dann Regierungen und das zersprengte Publikum nachzujapsen.

Also 2012 wieder ein Angriffskrieg ohne massiven Protest in Europa? Wie gegenüber Libyen? Westerwelles gesundes Drückebergertum, für das er sich pflichtgemäß noch an Dreikönig schämen wird. Immerhin hat er damit ein Minimum an Vorbehalt eingereicht, vor dem Weltgericht. Er hat einen Augenblick lang dem Menschenverstand die Ehre gegeben und nur über die Hintertreppe mitgemacht.

Es werden wieder viele sterben müssen in einer Nacht des Jahres 2012. In Syrien. In einer Nacht, die wir noch nicht kennen. Der Tod derer, die sich dann unter Trümmern, in Staublawinen wälzen, wird darum nicht weniger bitter sein.
Das Entsetzliche daran: die Massen, die den Krieg wirklich nicht wollen, sind zu zersplittert, um aktiv dagegen vorzugehen. Um auch nur davon zu träumen, wegen begangener und geplanter Kriegsverbrechen eine Regierung wegzupusten. Was wir im Augenblick tun können? Den Mechanismus der Weltzerstörung erkennen und denunzieren. Und die letzte verbliebene Rolle auf uns nehmen: die des allgemein verachteten, als weltfremd erkannten Bettelpriesters am Straßenrand, der die Knochen im Reliquienbeutel klappern lässt.

Vielleicht dauert es wirklich noch einmal fünfhundert Jahre, wie Fülberth einst in Aussicht stellte, bis die Enterbten und Entrechteten über erfundene Landesgrenzen hinweg sich zu aktivem Widerstand zusammengefunden haben.Aber würde selbst das einmal kommen können, würde nicht auf dem langen Weg dorthin aus dem Sumpfe am Wegrand ein leises trauriges Quaken sich vernehmen lassen?

Wie es wirklich in Syrien steht, davon hat Karin Leukefeld gerade jetzt in ihren Dezemberbeiträgen für jw berichtet. Und zwar keineswegs - wie die Kriegshetzer von "stop the bomb" erfinden - als bedingungslose Verteidigerin der Zustände im heutigen Syrien. Nur als eine, die nach den bisherigen Beispielen einen "Befreiungskampf" von außen nach libyschem Beispiel für die schlimmste aller denkbaren Lösungen hält.
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