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Verlegt - Krankenmorde 1940-41 am Beispiel der Region Stuttgart

Buchvorstellung mit Elke Martin

29.11.2011, 19.00–21.00 Uhr

Staatsarchiv Ludwigsburg

In langjähriger Arbeit hat Elke Martin die Biografien der Stuttgarter Opfer der Krankenmorde in der NS-Zeit insbesondere anhand von Archivalien aus dem Staatsarchiv Ludwigsburg erforscht und Dokumente und Fotos darüber zusammengetragen. Ihr neues Buch enthält auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Medizin und Diagnostik heute sowie Anleitungen für Schüler, die sich selbstständig mit dem Thema beschäftigen wollen.

Eintritt frei

In Zusammenarbeit mit DieAnStifter

Freiheit für Chris - Gegen Repression und Polizeigewalt

Am 9. Dezember finden verschiedene Solidaritätsaktivitäten für den inhaftierten Antifaschisten Chris statt, unter anderem ein Solikonzert im Linken Zentrum Lilo Herrmann in der Böblingerstr. 105, 70199 Stuttgart:

Am Freitag, den 16. September wurde Chris zu einer Haftstrafe von 11 Monaten verurteilt, gegen die er Berufung einlegte. Vorgeworfen wird ihm die Beteiligung an antirassistischen Protesten gegen einen „islamkritischen Kongress“ und den Gründungsparteitag des Landesverbandes der Partei „Die Freiheit“ Anfang Juni diesen Jahres. Im Rahmen dieser Aktivitäten soll der Antifaschist an zwei Körperverle-tzungsdelikten beteiligt gewesen sein. Chris sitzt nun seit etwa vier Monaten in U-Haft in Stuttgart-Stammheim.

Haftstrafen sind schon immer ein Mittel gewesen politische AktivistInnen von ihrem Umfeld zu isolieren, andere abzuschrecken und von politischem Engagement abzuhalten. Nicht zuletzt sollen so bestehende fortschrittliche Strukturen geschwächt werden.

Gerade in Zeiten in denen die kapitalistischen Widersprüche für immer mehr Menschen spürbar werden und die Destruktivität des Systems stärker ersichtlich wird, wächst das Potential für Widerstand.

Davor haben die Herrschenden natürlich Angst -“ insbesondere dass sich der Widerstand nicht mehr systemkonform entwickelt, sondern eine andere Gesellschaftsordnung zum Ziel hat, die die bisherige von der nur wenige profitieren, abschaffen will und statt Armut, Rassismus und Krieg für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Diskriminierung steht.

So sehr wie die Krise immer breitere Teile der Gesellschaft treffen wird, nehmen Repression und die Kriminalisierung von linkem Widerstand zu. Wir werden in Zu-kunft vermutlich häufiger damit konfrontiert sein, dass GenossInnen kriminalisiert und mit Hilfe von Haftstrafen von uns isoliert werden sollen.

Das werden wir nicht zulassen!

Unsere Solidarität gegen ihren Knast und ihre Mauern!

Überwachen beibehalten! Wie vor zehn Jahren.

Alles muss man selber machen...

Antifaschistische Demo gegen die Nazikneipe "Linde" in Schorndorf - Weiler unter dem Motto: "Kein Platz für Faschisten! Weder in Weiler, noch anderswo!"
Innenminister Friedrich will es allen recht machen: NPD-Verbot beantragen und V-Leute behalten. Ein Rückblick lohnt sich. (Der Artikel ist ein Jahr vor dem Urteil des Verfassungsgerichts entstanden. Der Schluss auf Mahlers und der Partei Wissen um die Zuträger des Amts erfolgte rein aus dem Vergleich der selbstmörderischen Argumentation Mahlers im Plaidoyer und den damals schon bekannt gewordenen Meldungen über V-Leute.)

Wie kommt Friedrich auf seine Versöhnlersoße, nachdem das Verfassungsgericht 2003 dankenswerterweise das letzte Mal an etwas erinnerte, das seither verdrängt wurde? Was meinte das Gericht: Man könne nie wissen, ob eine Aussage von den Staatsorganen stammt- oder aus Original-NPD-Produktion? Damit mitgedacht: Bei allen Tätigkeiten des sogenannten Verfassungsschutzes- eigentlich Überwachungssystems- darf man sich nicht bei Ausdrücken wie "Panne" "Versehen" "Fehler" ausruhen. Es muss vor allem von "Absicht" und "Willen" geredet werden.Genauer: Von einem gezielten Willen des gesamten Apparats muss geredet werden. Das rechtliche System, das unbequem stören kann, soll durch das Verhältnis von von Schäferhund und Herde ersetzt werden. Damit ist Einsatzwillen jederzeit hervorzurufen, wo es passt.Und zu dämpfen, wenn nicht. Und zwar, ohne eine besondere Vorliebe für inhaltliche Zielsetzungen. Also nach links, rechts oder islamistisch. Wichtig- wie bei jedem Rudel- der Zusammenhalt. Genau wie bei der STASI, die inzwischen als das scheußliche Gegenbild zu unseren freiheitsliebenden Unordnungsverbellern herhalten muss.So wenig wie die STASI sozialistisch war, so wenig ist die Klumpenbildung, die man Verfassungsschutz nennt, rechts oder links. Alle Dienste sind gegenüber den Massen vor allem unterdrückerisch. Unter sich auf absolute Kameradschaft und wachsende Ausdehnung im Selbsterhalt bedacht. Zu jeder Verdeckung bereit.

Wieviel die Informationen, die "uns" über geheime Bewegungen erreichen sollen, wert sind, zeigen die Erkenntnisse über die Zwickauer jeden Tag. Nichts.

Der einzige Vorteil der V-Leute: wenn gerade unangenehme Bewegungen gegen die Regierung die Aufmerksamkeit gefangen halten, wird rasch ein unerfahreneres Schaf losgescheucht, das sich vor einem Regierungsgebäude umtut. Letztes Beispiel: das angebliche Attentat in den USA- gerade in dem Augenblick, als die Occupy-Bewegung zu laut von sich reden machte.Großes Geschrei eine Woche lang: Wahrscheinlich Al-Kaida-Vorbote. Nachher: Nichts.

Vom gloriosen Erfolg gegen die Sauerland-Gruppe in Deutschland wollen wir in dem Zusammenhang gar nicht mehr reden.

Nutzen? Ja,für die jeweilige Herrschaft. Wir gewöhnlichen Leute können gern darauf verzichten.

Auch vor zehn Jahren lief es nicht anders. Schon als ein würdiger Herr namens Frenz dabei erwischt worden war, dass er -vor Gründung der NPD- schon lange im Dienst der Ausforschungsorgane- als Gründungsmitglied der neuen rechten Partei abgestellt wurde.Er praktizierte freudig, ohne merkliche Selbstüberwindung, mit dem rechten Grundgemüse weiter, das er seit langem in sich vorfand. Die angeblich verratenen NPD-Kameraden hatten ihn trotz allem lieb.Einstimmige Meinung-vor zehn Jahren- :So was darf es nie wieder geben. Säuberung bei allen Überwachungsorganen! Sofort!!

Was in den zehn Jahren sich daraus ergeben hat, kann jede und jeder leicht überprüfen. Aus einem Frenz wurden zwanzig Frenze. Nahmen das Geld, sprachen ihre Gesinnung rückhaltlos aus und lebten froh.
Innenminister Friedrich möchte nun den zuträglichen Kuchen behalten- und zugleich loswerden. Wie soll das gehen?

Sein Rezept: Aus den Leitungsorganen der NPD die V-Leute entfernen! In die unteren Ränge aber fleißig die Frettchen weiter einsetzen.

Bescheidener Einwand, für den Fall, dass jemand Friedrichs Ausreden ernst nehmen sollte: die NPD verfügt vermutlich über tapfere Schläger, zielstrebige Planer und stramme Organisatoren. Aber an Leuten, die tolle Programme zusammenstellen und zündende Reden halten, scheint es zu mangeln. In dem Punkt Personalmangel. Also hätten auch untere Ränge große Beförderungs-Chancen. Und kämen in die Partei-Leitung. Was dann, Herr Friedrich? Jedes Jahr Personalkappung! Würde das nicht auffallen? Nicht noch den bescheidenen Nutzen -ausschließlich für die Obrigkeit- restlos beseitigen?

Martin Denso: "Macht nicht schlapp. Nach den Serienmorden der Neonazis: Müssen die Geheimdienste jetzt abgeschafft werden?"

Frank Jansen: "Der schwierige Weg zum NPD-Verbot. Wegen V-Leuten platzte das erste NPD-Verbotsverfahren, jetzt plant die Politik einen zweiten Anlauf -“ ohne V-Männer abzuschalten. Geht das?"

Kein Wunder, dass ausgerechnet das staatstragende Organ ZEIT Friedrich feurig unterstützt. Kurzfassung beider Beiträge: WEITERMACHEN WIE BISHER!

Wiedervorlage: Nach weiteren zehn Jahren!

Bis dahin: Schärfstes Misstrauen gegen sämtliche Verlautbarungen der Obrigkeit in all ihren Abteilungen - ob Parlament, Behörde oder Überwachungsminister!

Neue Stolpersteine in Esslingen

Heute verlegte der Kölner Bildhauer Gunter Demnig mehrere Stolpersteine in Esslingen. Vor dem Haus Hindenburgstrasse 48 wurden unter Beisein von Verwandten, VertreterInnen von Parteien, Gewerkschaften und antifaschistischen Initativen, unter anderem der VVN-BdA, Stolpersteine für Odette und Carlo Schönhaar verlegt. Schülerinnen einer 9. Klasse verlasen Zitate aus dem Abschiedsbrief Carlo Schönhaars an seine Mutter. Beide waren Ehefrau und Sohn des bekannten Kommunisten und Organisators der Roten Hilfe, Eugen Schönhaar. Eugen Schönhaar wurde zusammen mit John Schehr, Rudolf Schwarz und Erich Steinfurth, nachdem sie auch nach der Machtübertragung illegale antifaschistische Arbeit verrichteten, verhaftet und in der Nacht vom 1. auf den 2. Februar 1934 „auf der Flucht erschossen“. In dem Kontext verfasste der Schriftsteller Erich Weinert Ihnen zu Ehren das Gedicht "John Schehr und Genossen":

Es geht durch die Nacht, die Nacht ist kalt,
Der Fahrer bremst, sie halten im Wald.
Zehn Mann geheimer Staatspolizei.
Vier Kommunisten sitzen dabei,
John Schehr und Genossen.

Der Transportführer sagt: "Kein Mensch zu sehn."
John Schehr fragt: "Warum bleiben wir stehn?"
Der Führer flüstert: "Die Sache geht glatt!"
Nun wissen sie, was es geschlagen hat,
John Schehr und Genossen.

Sie sehn, wie sie ihre Pistolen ziehn.
John Schehr fragt: "Nicht wahr, nun müssen wir fliehen?"
Die Kerle lachen: "Na, wird es bald?"
Runter vom Wagen und rein in den Wald,
John Schehr und Genoosen.

John Schehr sagt: "So habt ihr es immer gemacht!
So habt ihr Karl Liebknecht umgebracht!"
Der Führer brüllt: "Schmeißt die Bande raus!"
Und schweigend steigen die Vier aus,
John Schehr und Genossen.

Sie schleppen sie in den dunklen Wald.
Und zwölfmal knallt es und widerhallt.
Da liegen sie mit erloschenem Blick,
Jeder drei Nahschüße im Genick,
John Schehr und Genossen.

Der Wagen saust nach Berlin zurück.
Das Schauhaus quittiert: "Geliefert: vier Stück."
Der Transportführer schreibt ins Lieferbuch:
"Vier Kommunistenführer, beim Fluchtversuch.
John Schehr und Genossen"

Dann bringt er sie in den Marmorsaal
Zum General, der den Mord befahl.
Er stellt ihn, mitten im brausenden Ball.
"Zu Befehl, Exzellenz! erledigt der Fall
John Schehr und Genossen."

Erledigt der Fall? Bis zu einem Tag!
Da kracht seine Tür zum Kolbenschlag.
Er springt aus dem Bett. "Was wollt ihr von mir?"
"Komm mit, Exzellenz! Die Abrechnung für
John Schehr und Genossen!"


Während Schönhaars Sohn Carlo 2001 zusammen mit seinen ebenfalls vom Wehrmachts-Kriegsgericht verurteilten und ermordeten 23 Kampfgefährten der französischen Résistance in Paris auf einer großen Gedenktafel namentlich gewürdigt wurde, gibt es bis heute nichts dergleichen an Würdigung in seiner Heimatstadt. Die Forderung, den Schönhaars oder anderen WiderstandskämpferInnen wie z.B. Hans Rueß einen Straßennamen zu widmen wird seit Jahrzehnten erhoben.

Der Verein "Denkzeichen e.V." sammelt zur Zeit Unterschriften für einen Antrag an die Stadt Esslingen, damit diese "bei neuen Straßennamen im Gedenken an den deutschen Widerstandskämpfer Eugen Schönhaar (geb. 29.10.1898 in Esslingen - gest. 1.02.1934 in Berlin) eine "Eugen Schönhaar Strasse" einrichtet."

Lärm im Spiegel

Kampf gegen den V-Mann vor ziemlich genau zehn Jahren (31.3.2002)

Das Folgende stellt einen Auszug dar aus einem Aufsatz der Gruppe Theorie-Praxis-Lokal/Frankfurt im Zusammenhang mit einer Demo gegen einen NPD-Aufmarschsversuch in Frankfurt.

Dass die NPD damals mit Rechtsanwalt Mahler den vorausgesehenen Fall der V-Leute in ihren Reihen keineswegs als "Austrocknung des Sumpfs" (Steinmeier), sondern als Quellwasserzufuhr erfuhren und behandelten, zeigt das Prozedere eines Mahler überdeutlich. Er konnte sich als beauftragter Rechtsvertreter der Partei einen selbstmörderischen Beweisantrag gegen die ganze Bundesrepublik samt Verfassungsgericht leisten, weil er sicher sein durfte, dass es wegen der V-Leute zum Prozess gar nicht kommen würde. Wird es dieses Mal anders kommen?

Agenten des Verfassungsschutzes als Zeugen vor dem Verfassungsgericht.


Panne? Sabotage? Notbremse? Oder: Das Legitime Theater. Einen ganzen Tag arbeitete die Bügler-Innung von Berlin, um aus der Sabotage im Verfassungsschutz eine Panne, aus der Panne einen Fehler zu machen. Am Ende eine kleine Verzögerung der wichtigsten Sache vor den Wahlen: dem Verbotsantrag gegen die NPD.

Angeblich war Frenz, der als erster geoutete einzelne V-Mann, vor langer, langer Zeit einmal Kontaktmann der Dienste in Nordrhein-Westfalen. Und dann wurde er ihnen mit einem Mal zu wild. Da der Mann inzwischen 66 ist, muss er im Augenblick des Ausbruchs unerwünschter Tendenzen im Jahre '95 gute sechzig gewesen sein. Nicht eben der Zeitpunkt für ein überraschendes coming-out. Und vorher über fünfundzwanzig Jahre lang treu zu Diensten?

Frenz hatte eine Aussagegenehmigung vom Verfassungsschutz. Seit wann braucht ein NPD-ler so eine, wenn er mit dem Amt gebrochen hat? Inzwischen sind viele solche treue Kameraden hinzugekommen. Und das Merkwürdige: die Partei ist den Verrätern nicht besonders böse. -Unsere Ehre heißt Treue- stand auf den Koppelschlössern der SS. Und jetzt das? Wie ist das Zusammengehen von Staatsdiener und angeblichem Staatsfeind zu erklären?

NPD - Partei der Rebellion für das Bestehende

Die alte NSDAP wollte vom bestehenden Staat der Weimarer Republik nichts wissen. Sie wollte ihn zerschlagen. Und als sie an die Regierung kam, da schuf sie ein Gebilde, das nach dem Urteil von Franz Neumann in seinem grundlegenden Werk Behemoth gar kein Staat im eigentlichen Sinne mehr war. Tatsächlich wurde das Dritte Reich durch einen Restbestand alter Gesetze, Führerweisungen und Erlasse von Teilorganisationen wie der SS zusammengehalten. Die Expansion des Reichs wäre durch ein formal überprüfbares Regelsystem gebremst und behindert worden. Der Regellosigkeit oben antwortete von unten zum Teil ein oft anarchischer Wille zur Selbstbehauptung ohne umständliche Rechenschaftslegung.

Die neuen Rechtsgruppen - und unter ihnen besonders die NPD - sind da doch anders. Man muss nur einmal auf die Motivation der berichteten Gewalttaten achten. Hauptvorwurf der Aktivisten von unten: -Der Staat füttert Schmarotzer durch!-. Das gilt nicht nur für Angriffe auf Asylbewerber. Sondern zum Beispiel auch für die zahlreichen auf Obdachlose. Aus der Zeit vor 1933 ist so etwas nicht bekannt .

Der Angriff auf Obdachlose, die angeblich -mir- die staatliche Zuwendung kürzen, ist nur denkbar, wenn der Staat als -unserer- - als gemeinsame Nährinstanz - aufgefasst wird. Als Eigentum. Darin hat keiner was zu suchen, der -mir- die Zuteilung kürzt.

Diesem meist sprachlosen Denken unten entspricht in den oberen Rängen eine noch strengere Hinwendung zum Staat. Kennzeichnend schon der Name einer von der NPD oft zitierten Monatsschrift: Staatsbriefe, herausgegeben von dem deutsch-messianischen Erweckungsvölkischen Dr.Sander. Kennzeichnend auch eine Diskussion von Rechtsanwalt Mahler, dem Prozessvertreter der NPD, mit einer Gruppe, die noch im altnazistischen Sinn auf "dem Volk" als natürlicher Einheit besteht, das ohne Bürokratie, ohne gesetzlich gebundene Organe handelnd sich selbst ausspricht.

Frage: Ist es nicht grundfalsch von einer revolutionären, völkischen Bewegung, sich als Opposition im parlamentarischen Glashaus (nicht wörtlich) zu bezeichnen?

Dem erwidert Mahler scharf :

"Ich stoße mich schon an Ihrer Selbstdefinition als revolutionär und völkisch. Völkisch ist ideengeschichtlich besetzt mit der äußersten antisemitischen Rechten der Weimarer Republik, die Hitler erst einmal überwinden musste. Die Völkischen sind also Verlierer von Vorgestern." (Gespräch Mahlers mit Herrenhaupt März 2001, veröffentlicht in das -Herrenhaupt- 3/2001)

Mahler also versucht sich von seiner völkischen Grundsuppe abzusetzen und setzt winner-orientiert auf den Staat. Allerdings als Rebell. Der Sheriff aus alten Filmen, der den Stern sich abreißt, um jetzt erst ungehemmt die Feinde des Staates und seine zu jagen - der ist Mahlers Modell.

So erklärt sich sein juristisch selbstmörderischer Schriftsatz gegen das Verbot der NPD. Er argumentiert an keiner Stelle mit dem juristisch überprüften und deshalb recht zahmen Programm seiner Partei. Gerade umgekehrt: der Kernbestand der Verfassung -“ unsere FDGO - wurde nach '45 uns von den Alliierten aufgedrängt und so fremdinterpretiert, dass das eigentlich gar keine deutsche Verfassung ist. Mahler und die NPD werden erst den unverstellten Kern herausarbeiten. Ihr Kampf dient also der Rettung des wahren Staates! In dieser Denkfigur ruft Mahler zum Aufstand - für das Bestehende. Revolte als Gebärde, nicht als gezielte Handlung hin auf einen anderen Zustand.

Das nur Gebärdenhafte wird deutlich, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass Mahler nachweislich früh von den Spitzeln wusste, insofern gefahrlos in den Prozess gehen konnte. Wenn dieser sowieso platzte, dann hatte er seine Unbedingtheitsattitude als Gratisbonus. Und mit ihm den Appell zur Sammlung an die, denen wie Mahler selbst die jetzige NPD noch immer zu lasch, zu legalistisch war. Vor allem auf die Kameradschaften um die norddeutschen Worch und Hupka setzt Mahler.

Schily : Recht als Panzerung nach außen


Soviel zur widerstrebenden Bindung der NPD an den bestehenden Staat, der sie bekämpft. Sie werden sich beide nur nie los.

Schily hat wohl aus Rücksicht aufs Ausland und die mürrisch gewordene Rest-Linke das NPD-Verbotsverfahren in die Wege geleitet. Jetzt muss er es freilich durchhalten. Er muss gewinnen wollen. Das gilt jedoch schon nicht im gleichen Maße für die unteren Ränge im Verfassungsschutz. Die würden wohl ganz gerne die indirekte Lenkung der Herde durch die V-Leute fortsetzen.

Über diese Komplikationen hinaus braucht aber Schily die -extreme Rechte-, wie der Verfassungsschutz sie nennt, ob Verbot oder nicht, egal, wie der Organisationsname dann lautet.

Man muss es im Rahmen des ganzen Gesetzespakets sehen, das seit dem 11. September teils verabschiedet wurde, teils noch in der Planung ist.

Im Sinne der staatlichen Vorstellung -Angriff an der Heimatfront- werden die Gesetze und Verordnungen wesentlich so wirken, dass es möglichst kein Zusammengehen zwischen deutschen und ausländischen Gruppen mehr geben soll.

Was traditionell Internationalismus genannt wurde und ganz einfach die Notwendigkeit bezeichnete, sich über Grenzen hinweg gegen Ausbeutung und Unterdrückung zu wehren, soll unmöglich gemacht werden.

Beispiel Rasterfahndung.

Mussten sich nicht die zurücklehnen, welche die Rasterfahndung nicht betraf, weil deutsch ? Erwies es sich nicht als ratsam, den Kontakt mit Leuten sorgsamer zu gestalten, die schon einmal gerastert worden waren? Wer einmal erfasst wird, den/die trifft es leicht wieder - und sein/ihr Umfeld mit. Wer wollte dazugehören?

Die Unterdrückung internationalistischer Zusammenarbeit wird für einen Staat um so dringlicher, der sich an Kriegen beteiligt. Angehörige der angegriffenen Länder werden den Versuch unternehmen, sich zusammen mit UNS solchen Kriegen entgegenzustellen.

Gesetze allein können aber nicht genug Druck schaffen. Es braucht ein zusätzliches Drohpotential von unten: die potentielle Pogrom-Meute. Die soll beileibe nicht gleich so weit von der Leine gelassen werden im Deutschen Haus wie vor zehn Jahren in Rostock etc. Es genügt, auf sie zu verweisen.

-Wer Schily nicht will, bekommt Schill-: ein Merksatz des Kanzlers Schröder zu kritischen Genossen. Schill ist zwar -nur- ein rechtskonservativer Staatsanbeter. Aber seit der faktischen Abschaffung des Asylrechts unter Verweis auf die sonst drohenden Pogrome ist das Durchsetzungsverfahren immer das selbe geblieben. Der Baseballschläger in der Hand der Unordentlichen rechtfertigt den Polizeiknüppel in der Bürgerhand der Ordnungsmacht.

Ausverkauf fahrlässig verwahrter linker Fundstücke

Mahler und Schily sollen also Arm in Arm gegen traditionell links genannte Bewegungen vorgehen? Wie kann das sein ? Schauen wir in eine beliebige web-site oder Zeitung der Rechten, so finden wir die entschlossensten Aufrufe gegen den Jugoslawienkrieg wie gegen den in Afghanistan, Protest gegen die Globalisierung, Unterstützung des Freien Wendland usw. Also alles, was ursprünglich von der Linken thematisiert worden war - allerdings in immer klischeehafterer, beliebigerer Gestalt. Ohne Einfügung in einen übergeordneten Zusammenhang, weil "Links-sein", "die (radikale) Linke" usw. sich scheinbar von selbst versteht, sich kaum je auf ein konkretes Anderes dieser Gesellschaft, auf eine realistische Alternative von machbaren, möglichen Produktionsverhältnissen bezieht.

So war rechts leicht abzuernten und umzudeuten! Denn eben wo konkrete revolutionäre Perspektiven fehlen, da stellt zur rechten Seite "die Nation" sich ein. Die linke Begriffslosigkeit hinsichtlich Ausbeutung und Unterdrückung in dieser Klassengesellschaft wurde um die Wende des 20.Jh. verstärkt von den neuen nationalen Sozialisten ausgenutzt und in die entleerten Worthülsen "Kapitalismus", "Imperialismus", "Volk" und "Identität" mit deutschtümelnder Färbung umgemünzt. Besonders "die deutsche Arbeiterbewegung" haben die heutigen Nazis als Objekt ihres Begehrens wiederentdeckt - wohl wissend, dass es weit schwieriger und terroristischer als in den 1930ern werden dürfte, eine Klasse gesellschaftlicher ProduzentInnen, die längst nicht mehr wie damals borniert-national-"fordistisch" als industrielle Armee marschiert,als "Wir Deutsche"-"Gemeinschaft""unserer deutschen Industrie" bedingungslos unterzuordnen. Schließlich sind alle, die in Deutschland arbeiten,mehr denn je als Sektion eines transnationalen Weltproletariats völlig neu zusammengesetzt. So gut es überhaupt geht,hat diese Einordnung das bestehende Co-Management aller Parteien und gesellschaftlichen Mächte dennoch bewerkstelligt. Mit diesen alten Verwaltern und Pächtern der deutsch-staatlichen Arbeiterbewegung allerdings nehmen die Nazis die Rivalität auf, weil die Unterwerfungsleistung absehbar zu wünschen übrig lässt ("Ich arbeite besser, weil ich noch zusätzlich Kunde einer bürokratischen Dienstleistungsgesellschaft fürs Lohnarbeitmanagement bin!"? - ein Luxus, den wir Lohnabhängigen uns ebensowenig auf Dauer leisten können wie das Kapitalmanagement selbst.

Nation als Sozialkitt und Zwangsklammer


Der immer lautere Appell ans "deutsche Wir" reichert in der Tat den wirtschaftsrassistischen Mief in den bestehenden Gewerkschaftsapparaten an und lässt ihn ungehemmt raus, vervollkommnet die schwarzrotgoldene "Standort"-Mentalität zum Pestgestank der offen rassistischen, schwarzweissroten Arbeitsfrontkonkurrenz.

Und wo ist eigentlich der große Unterschied zwischen dem jetzt noch einmal von einem Voigt neuverkündeten Programmschwerpunkt der NPD:

"Ein Arbeitsplatzschutzgesetz stellt für alle Deutschen das Recht auf Arbeit sicher."


und einem Müntefering ? Der kennzeichnet: den Zweck des neuen "Zuwanderungsgesetzes" folgendermaßen:

"Wir haben ein Gesetz, das das individuelle Asylrecht bestätigt, das aber die Arbeitsmigration bindet an zunächst mal die Qualifizierung und die Einbeziehung der Menschen, die schon im Lande sind, und wir haben ne vernünftige Integrationsregelung. (...) Wir wollen, dass Zuwanderung gesteuert wird, dass sie gelenkt werden kann, dass sie nicht willkürlich stattfindet, dass sie da stattfindet, wo sie erforderlich ist, dass aber im übrigen die Menschen, die bei uns im Lande sind, ganz gleich welcher Herkunft sie sind, dass sie die erste Chance auf die Arbeitsplätze in diesem Lande haben; darüber müssen wir in Deutschland sprechen, und dann ist dieses Zuwanderungsgesetz, wie wir es jetzt beschliessen wollen, sehr hilfreich (...); dass wir auch in der Sache der Integration vorankommen müssen, das wissen aber die Städte und die Gemeinden in den Ländern in ganz besonderer Weise". (SWR2,26.3.)

Das Asylrecht ist in diesem Lippendienst "aller handelnden Demokraten" (Müntefering) schon längst zum Hohn geworden; da sind die Nazionaldemokraten bloß realistisch-ehrlich-konsequent mit der Forderung nach seiner auch nominellen Abschaffung.. Schon das Wort "Zuwanderung" ist unbewusst dem NS-Deutschen, dem Wörterbuch des Unmenschen entlehnt: die Deportationen in die Arbeits- und Vernichtungslager hießen bei den Nazi-Behörden schliesslich auch "Abwanderung". Zu- und Abflussregulierung der benötigten/nicht benötigten Arbeitskraft, das ist der Pannwitz-Blick (Primo Levi) des Kapitals, der Rahmen, in dem wir als Ware Arbeitskraft, als "freie" LohnarbeiterInnen in dieser bürgerlichen Welt das Menschenrecht der Freizügigkeit geniessen dürfen.

"Und gleiche Exploitation der Arbeitskraft ist das erste Menschenrecht des Kapitals." (Marx, MEW 23,309).

Die Tradition, das Modell des deutschen Kapitalismus wird in der "Zuwanderungs"-Gesetzgebung aufgenommen und als Selektion für die "Standortsicherung" des Kapitals von der Demokratur "aller handelnden Parteien" und gewerkschaftsbürokratischen Firmen integrationsmenschelnd weiterentwickelt - schon eine Art "Faschismus mit menschlichem Antlitz" für alle, die von diesem Aus- und Eingrenzungsterror betroffen sind.

Die "Standortsicherung" aber wächst sich ganz folgerichtig zur militaristischen "Burgfriedens"-Arbeitsgemeinschaft und totalen Kriegskonkurrenzperspektive der ach so neuen Berliner "Deutschland-in-der-Welt"-Rolle aus.

Die Rolle eines kriegsfähig-selbständigen (europäisch-hegemonialen!) Deutschen Reiches - diese Vision ist es, die von den Nazis heute "gegen den Krieg, gegen den Imperialismus" in Anschlag gebracht wird.

Alle Kritik der NPD-Blätter etwa gegen den Afghanistankrieg richtet sich nicht wirklich gegen den imperialistischen Angriffskrieg und Überfall, sondern dagegen, dass da deutsches Blut vergossen wird im Dienste des verwerflichen US- Imperialismus.

In dieser ganz einäugigen Anheftung an die USA als einzigen Träger des gegenwärtigen Kapital-Imperialismus werden diese rechten "Antikapitalisten" allerdings genau in die Falle tappen, in der diejenigen schon festsitzen, die sie am meisten verabscheuen: die SPD-ler. Denn nach derselben Methode starrten die sozialistischen Reichstagsmitglieder 1914 ausschließlich auf das unbestreitbar imperialistische Russland, und schon waren die Kriegskredite fürs Deutsche Reich bewilligt. Man hatte den eigenen Imperialismus unterstützt und rettete damit den Weltkapitalismus vor dem Feind-im-eigenen-Land (durch ein erstes bürgerlich-zivilisatorisches Umfunktionieren des letzten Gefechts: "Proletarier aller Länder, zermetzelt euch"

Mahlers Ausbruchsversuche zeigen schon jetzt die Enge der Verkettung. In seinem Deutschlandkolleg "beweist" er hochtrabend "mit Hegel", dass Kopf und Hand voneinander abhängen: der Kopf bliebe inhaltlos ohne das von der Hand Ertastete und Ergriffene, die Hand führungslos ohne den lenkenden Kopf !: was folgt für Mahler daraus (ganz anders als für den Geistes-Jakobiner Hegel übrigens)? Dass in einem Organismus jedem sein Platz zugewiesen sei; das Ganze kann dann vom Einzelnen alles verlangen, bis hin zur Aufopferung. Die abgestandendste Schote aus dem alten Rom wird hier vom Nazi pseudohegelianisch aufgewärmt! Menenius Agrippa legte mit dem Gleichnis vom Bauch und den Gliedern schon die Plebejer herein, die streikten und den Patriziern den Dienst versagten. Wie könnten sie ohne den Bauch überleben, der doch alle Glieder nährte! Die Nazis von 33 gingen da noch einen Schritt weiter und interpretierten das Volk biologistisch wirklich als einen riesigen Leib: da war wohl klar, dass der Blinddarm nicht gegen das Hirn meckern durfte.

Mahler arbeitet in dem Punkt noch an sich.Hegel wirkt da immer noch hinderlich. Biologisch lässt gerade er sich am schwersten uminterpretieren!

(...)

"Nur wer sich selbst aufgibt, ist verloren"

Die folgende Rede hielt Ilse Kestin, Landessprecherin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA), am Volkstrauertag bei der Gedenkveranstaltung für die auf dem Friedhof in Esslingen - Sulzgries beerdigten ZwangsarbeiterInnen:

"Nur wer sich selbst aufgibt, ist verloren" - das ist das Lebensmotto, mit dem Alfred Hausser sein Leben überschrieb.

Alfred Hausser wurde 1912 in Stuttgart Gablenberg geboren. Nach dem Besuch der Volkschule und der Wagenburg Realschule macht Alfred eine Ausbildung als Mechaniker bei Eckhardt in Stuttgart. Er engagiert sich für die Rechte und Belange seiner Mitlehrlinge. Im April 1932 wird er entlassen und gehört zum sechs Millionen Heer der Arbeitslosen im deutschen Reich. Er lernt soziales Elend und Ungerechtigkeit am eigenen Leib kennen. Schon während seiner Ausbildung gelangt er zu der Überzeugung, dass Not und Ungerechtigkeit nicht hingenommen werden dürfen. Er erlebt, wie auf dem Nährboden des sozialen Elends die Wahlerfolge der Nazis gedeihen und entscheidet sich für den Weg in die organisierte Arbeiterschaft.

Er wird 1930 Mitglied des KJVD und 1932 Mitglied der KPD. Mit der faschistischen Machtübernahme beginnen die Verhaftungen der Nazigegner, besonders der Mitglieder der Kommunistischen Partei. Mit den Reichstagswahlen vom 5. März 1933 beginnt auch für Alfred Hausser die Zeit in der Illegalität. Er nimmt an verschiedene Einsätzen im Untergrund teil. Die Widerstandsgruppe wird aber 1934 aufgedeckt und Alfred Hausser verhaftet. Unter unmenschlichen Bedingungen verbringt Alfred Hausser sieben Zuchthausjahre in Ludwigsburg.

1939 unter dem Druck der Kriegsvorbereitungen wird Alfred Hausser Zwangsarbeiter bei Bosch. Die folgenden Jahre sind gekennzeichnet von Entbehrungen, Hunger, Krankheiten und dem Kampf um die psychische Gesundheit. Die Produktionsstätten werden mehrfach verlegt.

Alfred Hausser erlebt die Befreiung vom Faschismus im Gefängnis Wolfenbüttel. Geschwächt und von den Strapazen der Haft gezeichnet, kommt Alfred Hausser im Juni 1945 wieder nach Stuttgart zurück. Er stellt fest: „Die Zukunft gehört denen, die dagegen waren, das war für uns Antifaschisten klar.“

Er nimmt seine Arbeit in der KPD wieder auf, mußte aber von seinen Erwartungen und Hoffnungen bald große Abstriche machen. Er mußte zusehen, wie aus Entnazifizierung Rehabilitierung wurde und wie unter der neu aufgelegten Doktrin zum Antikommunismus die antifaschistischen Kräfte zurück gedrängt und die Lehren aus Faschismus und Krieg ignoriert wurden.

Alfred Hausser wird in den 50-er Jahren zum Kenner und Verfechter von Fragen der Wiedergutmachung. Die folgenden Jahre sind geprägt vom Kampf gegen den Auschluß vieler Kommunisten von Entschädigungen und dem ständigen Bemühen der VVN um verbesserte Entschädigungsbedingungen. Einher mit diesem Kampf gehen die Bemühungen vieler Politiker die VVN verbieten zu lassen. Auch hier zeigen sich die Verwicklungen alter Nazis mit der sogenannten neuen deutschen Gerichtsbarkeit.

Als Zeitzeuge war es für Alfred die wichtigste Aufgabe, die Jungen zu erreichen. Er wollte vor allem die nachfolgende Generation im Sinne von „Nie wieder“ aufklären. Er begleitete die alternativen Stadtrundfahrten des Stadjugendrings, hielt Vorträge in Schulen und diskutierte mit Jugendgruppen. Er unterstützte Geschichtsinitiativen, er ist Mitbegründer der Ulmer KZ Gedenkstätte „Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg“.

Ab 1986 fordert und unterstützt Alfred Hausser alle nur erdenklichen Anstrengungen, den Bundestag, die politischen Parteienund die deutsche Industrie zur Anerkennung der historischen Schuld gegenüber den Sklavenarbeitern von einst und zur Entschädigung der Überlebenden zu bewegen.

Exemplarisch für die jahrzehnte lange Blockadehaltung der deutschen Industrie und deren Weigerung den Geschädigten den vorenthaltenen Lohn für die geleistete Zwangsarbeit zu bezahlen, ist die Firma Bosch. Erst 1998 gelingt es mit der deutsche Regierung und den Firmen Siemens und VW einen Entschädigungsfond zu bilden. Das Gesetz zur Zwangsarbeiterentschädigung wird endlich im Juli 2000 verabschiedet.

Aber das Schuldenkonto der Zwangsarbeit wird dennoch nie geschlossen werden.

Für uns - die VVN-BdA - ist die Arbeit Alfreds Hausser Verpflichtung.

Wir sehen die Schwerpunkte unserer Arbeit im Mahnen und Gedenken, aber auch im Kampf gegen alte und neue Nazis.

Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!

Quelle: VVN-BdA Esslingen

Berlin: Silvio Meier Demo am 19.11.2011

Am 21. November 1992 wurde der Hausbesetzer und Antifaschist, Silvio Meier, am U-Bahnhof Samariterstr. von Neonazis erstochen. Im Gedenken an ihn findet deshalb jedes Jahr eine antifaschistische Demonstration in Berlin statt. Die Silvio-Meier-Gedenkdemo thematisiert aber auch jährlich Themen wie die Bedrohung von Hausprojekten, die regelmäßigen Repressionswellen gegen linke Strukturen durch Staat und Polizei sowie die Verdrängung sozial Schwacher durch die Kiezumstrukturierung.

Aufruf des Bündnis
Aufruf der ALB
Aufruf der Antifa Hohenschönhausen

Mehr Information.

"Polizei verharmlost Heilbronner Neonaziszene und ihre Kontakte nach Thüringen"

Logo der Antifaschistischen Aktion Heilbronn
Die Antifaschistische Aktion Heilbronn hat am 15. November 2011 eine Erklärung veröffentlich, die wir nachfolgend dokumentieren:

Im Zusammenhang mit der Aufklärung des von Nazis begangenen „Heilbronner Polizistenmordes“ und der bundesweiten Mordserie streut die örtliche Kriminalpolizei falsche Informationen.

In mehreren Medien wird ein Sprecher der Heilbronner Polizei mit der Aussage zitiert, es gebe in Heilbronn
„keine strukturiert- organisierte rechte Szene“, sondern nur „Rechtsgesinnte oder Skinheads als Einzelpersonen“.
In der „Heilbronner Stimme“ vom 15.11.2011 behauptet der Heilbronner Kripochef Volker Rittenauer, die NPD sei „nicht allzu stark“ und es gebe ansonsten nur „nicht- strukturierte Grüppchen von drei bis fünf Personen“ und keine Hinweise auf „Gewaltanwendungsgedanken“.

Das Gegenteil ist allerdings richtig: der NPD- Kreisverband Heilbronn und seine Jugendorganisation JN veranstalten regelmäßig Rednerveranstaltungen, Feste und Liederabende auch gemeinsam mit Nazis aus anderen Regionen. Z.B. am 23. Juli 2011 ein Grillfest in Weinsberg bei Heilbronn mit den Nazi- Liedermachern Thomas Eichberg und „Fylgien“ aus Berlin.

Darüberhinaus hat sich in diesem Jahr in Heilbronn eine „Kameradschaft“ sogenannter „Autonomer Nationalisten“ gegründet, die als „Aktionsgruppe Heilbronn“ (AG Heilbronn) auftritt und ebenfalls überregional vernetzt ist. So waren auf der „Gründungsveranstaltung“ der AG Heilbronn am 11. Juni 2011 u.a. der Neonazi Philippe Eglin aus der Schweiz, Mitglieder des NPD- Landesvorstandes und der „Karlsruher Kameradschaft“ anwesend.

Noch irritierender erscheint die Verharmlosung der Heilbronner Polizei, wenn man zurück an den 1.Mai 2011 denkt: an diesem Tag fand in Heilbronn der zentrale Aufmarsch der süddeutschen Naziszene mit rund 800 Faschisten statt. Und auch die Behauptung, es gebe in der Naziszene in Heilbronn keine „Gewaltanwendungsgedanken“, wirkt absurd. Es gab in den letzten 2 Jahren gleich mehrere Vorkommnisse, die deutlich machten, dass es militante Faschisten in der Region gibt:

- Am 21. April 2010 verübten Neonazis in Neckarsulm einen Brandanschlag auf einen türkischen Supermarkt
- Im Mai 2010 gab es antisemitische Morddrohungen und Sachbeschädigungen gegen einen Barbesitzer in Heilbronn
- Im November 2010 erhielt ein gegen Nazis engagiertes Mitglied der Jusos Heilbronn eine schriftliche Morddrohung.
- Im Juli 2011 ging das LKA mit einer Razzia gegen einen gewaltbereiten Nazizusammenschluss vor, der unter dem Namen „Standarte Württemberg“ Übergriffe gegen MigrantInnen plante. Dabei wurden Messer, eine Pistole, manipulierte Luftgewehre, mehr als 100 Schuss Munition und Propagandamaterial beschlagnahmt. Die Durchsuchungen fanden u.a. bei Nazis im Landkreis Heilbronn und in den benachbarten Landkreisen statt.

Die Heilbronner Nazis sind allerdings nicht nur existent und organisiert, sie haben auch gute Kontakte nach Thüringen. Dort waren die mutmaßlichen Mörder von Michèle Kiesewetter in faschistischen Organisationen wie dem „Thüringer Heimatschutz“ aktiv und wurden als „Bombenbauer“ bekannt. Zwei von ihnen wurden jetzt nach einem Banküberfall erschossen in einem Wohnmobil in Eisenach aufgefunden.

Erst vor wenigen Wochen, am 1. und 2. Oktober 2011, führte der NPD- Kreisverband Heilbronn einen Ausflug nach Thüringen durch, bei dem das Kyffhäuserdenkmal in der Nähe von Nordhausen und die Stadt Eisenach mit Wartburg besichtigt wurden.

Die Heilbronner NPDler übernachteten bei „Kameraden“ in Eisenach und hissten dort nach eigenen Angaben die „Reichsflagge“.

Angesichts dieser Fakten stellt sich die Frage, warum die Heilbronner Polizei nicht die Kontakte zwischen organisierten Heilbronner und Thüringer Nazis überprüft, sondern weiter die Lüge von den „rechtsgesinnten“„Einzelpersonen“ verbreitet.

Dazu ein Sprecher der Antifaschistischen Aktion Heilbronn:
„Während klar wird, dass in der faschistischen Szene in der BRD auch militante und bewaffnete Zellen existieren, blamiert sich die Heilbronner Polizei ein weiteres Mal mit verharmlosenden Sprüchen wie wir sie schon zur Genüge kennen. Die Naziszene in Heilbronn ist gut organisiert und hat intensive Kontakte in viele Bundesländer. Wer diese Tatsachen bestreitet, der ist entweder schlecht informiert oder will der Öffentlichkeit die Wahrheit vorenthalten. Beides ist fatal und keine Grundlage für Engagement gegen die faschistischen Hetzer und Mörder.“

Die Ermordung Rosa Luxemburgs und die Mörderkarriere eines Konterrevolutionärs

Büchervorstellung von Richard Albrecht:

Klaus Gietinger, "Eine Leiche im Landwehrkanal / Die Ermordung Rosa Luxemburgs". Neu durchgesehene, überarbeitete Ausgabe. Hamburg 2009. - Edition Nautilus Verlag Lutz Schulenburg, 192 S. (ISBN 978-3-89401-593-0; 14.30 €)

Klaus Gietinger. "Der Konterrevolutionär / Waldemar Pabst - eine deutsche Karriere". Vorwort Karl Heinz Roth. Hamburg 2009. - Edition Nautilus Verlag Lutz Schulenburg, 539 S. (ISBN 978-3-89401-592-3; 39,90 €)

Das erste Buch ist die überarbeitete, erweiterte und gekürzte Neuauflage der zuerst 1995 erschienenen und vielbeachteten Dokumentarrecherche zur Ermordung von Rosa Luxemburg in Berlin am 15. Januar 1919 durch konterrevolutionäre Militärs1. Klaus Gietinger klärt nicht nur in detailbezogener Kärrnerarbeit und unter teilweise erstmaliger Veröffentlichung wichtiger Dokumente die Morde an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht („auf der Flucht erschossen“) als Intellektuellen und Leitungsmitgliedern der Ende 1918 gegründeten KPD (SPARTAKUSBUND) in Berlin Mitte Januar 1919 sowie ihre schon damals sofort beginnende Verleugnung, Vertuschung und Verniedlichung auf, sondern präsentiert auch den Raubmord an Rosa Luxemburg mit anschließender Versenkung des Leiche im Landwehrkanal zu Verwischung der Tatspuren als Schlüsselereignis weiterer Soldateska-Morde -“ etwa im März 1919 an ihrem Freund, dem KPD-Organisationsverantwortlichen Leo Jogiches, der als einer der ersten den Mord an seiner Genossin, deren Auftraggeber und Profiteure (in der KPD-Zeitung „Die Rote Fahne“, Berliner Ausgabe vom 12. 2. 1919) aufzuklären versuchte. Zugleich verdeutlicht Gietinger, daß und warum dieser (bis heute) ungesühnte Raubmord über bloße Revolutionswirren hinaus im Destruktionssinn die „politische Kultur“ im bürgerlichen Deutschland bis heute beeinflußt. Leider schade, daß die Neuauflage das politische Essay des Autors („Sieben Gründe, Rosa Luxemburg zu ermorden“) von 1995 nicht mehr enthält.

Das zweite Buch schließt an diese Fallstudie, deren Hauptergebnisse der Autor auch noch mal zusammenfaßt, an und führt zugleich ihre Grunderkenntnisse in Form einer weiteren, auch im dinglichen Sinn gewichtigen (das Buch wiegt 1,110 Kilo) Studie des Autors fort. Über das biographische Fallmaterial hinaus werden weiterreichende Konsequenzen nicht nur für die deutsche Politik im 20. Jahrhundert wie für eine linksunabhängig-syndikalistische und/oder selbstbewußt-sozialistische Arbeiterbewegung und ihre Kritik an einer sozial(staats)integrativ wirkenden deutschen Sozialdemokratie, deren politreformistischer Ideologie und konterrevolutionärer Praxis, angesprochen: Der von Gietinger als führender „Konterrevolutionär“ präsentierte Waldemar Pabst (1880-1970) ist auch in einer Publikation des Bundesarchivs nach Akten der Reichskanzlei erwähnt.2 Und auch hier läßt sich erahnen: Pabst hatte mehr auf dem politischen „Kerbholz“ als nur die terroristische Mordaktion in Berlin Mitte Januar 19193. Der militant-gegenrevolutionäre Ex-Berufsoffizier und Mehrfachputschist im Majorsrang ist, so Gietingers verallgemeinernde und im Vorwort kurzgefaßte These, eine, wenn nicht die Schlüsselfigur, die die barbarisch-gewaltsame, offen-terroristische und destruktiv-kriegsbezogene Kontinuitätslinie -“ nach innen wie nach außen wirksamer -“ faschistischer Vernichtungspolitik verkörpert. Insofern geht Gietingers neues Buch weit über eine politische Biographie des Waldemar Pabst und dessen „deutsche Karriere“ hinaus.

Als konterrevolutionäre Schlüsselfigur von Gustav Noskes Gnaden und diesen militärpolitisch entscheidend stützend erhielt Pabst von diesem mehrheitssozialdemokratischen Berufspolitiker (1919 Volkskommissar, 1919/20 Reichswehrminister) auf Basis von dessen „Ich will säubern“-Erlaß als Oberbefehlshaber (11. Januar 1919) mit der „gegen Spartakus“ gerichteten Suggestivbehauptung: „Raub und Plünderung entpuppt sich als letztes und einziges Ziel der Aufrührer“4 das, was Gietinger „eine Lizenz zum Morden“ nennt. Entsprechend kannte Pabst in seinem von Noske zuerst veranlaßten und später gedeckten Vernichtungsbefehl vom 10. 3. 1919 vor allem das „sofort an die Mauer“ genannte „Erschießen“. Das bedeutete: „Grundsätzlich wurden keine Gefangenen gemacht“. Und so wurde seit Frühjahr 1919 die Pabst-Truppe mit ihren insgesamt etwa „50 000 Mann“ unter Waffen innert weniger Monate „der zentrale Machtfaktor in der Reichshauptstadt“ und übte monatelang als „militärische Verbrecherbande“ ein auf Waffengewalt beruhendes gegenrevolutionäres Terrorregiment gegen wirkliche oder vermeintliche Gegner mittels Bespitzelung, Einschüchterung und Denunziation bis hin zum Raubmord vorher „auf der Flucht“ erschossener Zivilisten aus.

Als Verkörperung der Konterrevolution in Deutschland 1918/19 war Pabst ein überzeugter und militanter deutscher Frühfaschist, der im Hintergrund die Fäden zog. Mit dem letzten deutschen Reichskanzler und Volks(ver)führer Adolf Hitler, der ihm und dem von ihm verkörperten traditionell-preußischen Militärmilieu zu unterklassig-„sozialistisch“ und zu undiszipliniert-populistisch war, lag Pabst überquer, nicht zuletzt, weil er und seine Offiziers-„Kameraden“, darunter auch Noskes „Verbindungsoffizier“ Wilhelm Canaris, stärker im Hintergrund konspirativ wirkten und dazu auch aus taktischen Gründen politstrategisch kooperationswillige SPD-Führer benutzten. Das wird beispielsweise nicht nur an Pabst hintergründiger Beteiligung am gescheiterten Kapp-Lüttwitz-Pusch (1920) deutlich, sondern auch an den von Gietinger nachgewiesenen vielfältigen Politkontakten zu bayrischen rechtsextremistischen Cliquen, Kreisen und Attentätern5 und an Pabsts Wirken für eine euro-faschistische „weisse Internationale“ unter Einbezug ungarischer, österreichischer und italienischer Strömungen, Kräfte und Gruppen.

Um so erstaunlicher, daß Pabst nicht nur die Welle der Massenmorde des 30. Juni 1934 überlebte, sondern nach kurzer Festnahme anschließend zum für das „Dritte Reich“ wichtigen, mit Rheinmetall verbundenen, rüstungsindustriellen „Wehrwirtschaftsführer“ aufsteigen konnte, der sich 1943 in die neutrale Schweiz absetzte, dort als Waffenschieber überwinterte und nach Deutschland erst nach ihrer bundesdeutschen Konsolidierung, Restauration und Remilitarisierung als gut verdienender, wenngleich politisch einflußloser, Bomben-, Raketen- und Minenhändler, zurückkehrte.

Nicht weniger verwunderlich auch, daß Pabst, dessen konterrevolutionäre Rolle zunächst vom Hamburger Montagsmagazin „Der Spiegel“ (1962; 1967) und später in einem im Januar 1969 gesendeten deutschen Fernsehdokumentationsspiel öffentlich wurde, sich so straffrei wie ungeniert zum Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht - „mit Billigung höheren Ortes“, wie Pabst stets formelhaft hinzufügte -“ öffentlich bekennen konnte -“ ein justiz- und politikgeschichtlich skandalöser Sachverhalt, der den bundesdeutschen „Zeitgeist“ als „der Herren eigener Geist“ (Goethe) bis Mitte der 1960er Jahre kennzeichnen mag.

Der deutsche Zeitgeschichtler und Sozialhistoriker Karl Heinz Roth, der die Studie von Gietinger mit auf den Weg brachte und das vorliegende Buch bevorwortete, hat über transnational-historische Fragestellungen wie etwa die Bedeutung der auch konterrevolutionär verhinderten „proletarischen Revolution“ in Deutschland 1920/22 mit Blick auf das post-leninsche „Projekt“ vom „Aufbau des Sozialismus“ allein in der seit 1923 real-existierenden Sowjet-Union (UdSSR) hinaus in behutsam-fragender Form weiterführende Gesichtspunkte als projektive Aspekte von Gietingers Investigativstudie für selbstbewußt-klassistische Arbeiterbewegungspolitik angesprochen und (als auch künftig nicht auszuschließendes) konterrevolutionär-terroristisches Abwehrbündnis von herrschaftlicher „Bürokratie und Klasse“ gegen „das gesellschaftliche Leben und die egalitären Bedürfnisse der Unterschichten“ angedeutet.

Aber wie auch immer diese innerlinken Debatten sich entwickeln mögen: Gerade weil Gietinger, der sich auf ausgreifende Forschungen der Historikerin Doris Kachulle stützen konnte6, als Recherchejournalist für sein Buch eine auch weltgeschichtlich wichtige dreißigjährige Strecke, vor allem vom Beginn des Ersten bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, zur kritischen Darstellung seines Negativprotagonisten akribisch abschreitet -“ hat dieses Buch, das mehr ist als nur die (an sich schon beachtenswerte) politische Biographie eines meist im verborgenen wirkenden konterrevolutionären Strippenziehers, bei mir einen wissenschaftlich ambivalenten Eindruck hinterlassen: So legitim etwa Gietingers dokumentar-literarische Arbeitsweise immer dort ist, wenn und wo der Autor, auch wegen fehlender authentischer Primärquellen oder/und „Selbstzeugnisse“, beispielsweise zur Kennzeichnung der militärischen - und militaristischen - Kadettenanstalten als preußische Drillschulen mit ihrem durch „kasernierte Vergesellschaftung“ (Hubert Treiber) erzwungenen männlichen Aufzuchts- und Ertüchtigungsritualen, Autorentexte von Leopold von Wiese, Ernst von Salomon und Kurt Tucholsky benutzt, so berechtigt seine - auch harsche - Kritik an angeblich geschichtswissenschaftlich gesicherten Forschungsergebnissen (etwa von Gerd Hankel zur „Haager Landkriegsordnung“ und den Leipziger Nachkriegsprozessen 1920, die Gietinger als Wiedergabe bloßer „Gerüchte“ kennzeichnet) sich darstellt und so argumentativ auch seine rechtslogisch entwickelte These zur „Rolle der MSPD“ als Motor der historischen Staats- und Regierungskriminalität sein mag: „Aus der Rechtswidrigkeit des militärischen Handelns der Freikorps leitet sich nämlich ab, daß auch die MSPD-Regierung verbrecherisch handelte“ -“ so sehr setzt der Autor mehr als einmal, etwa am Beispiel des „Schlieffenplans“ als frühe „Vernichtungskrieg“-Strategie zur Vorbereitung des Ersten Weltkriegs und der bewußten völkerstrafrechtsrelevanten „Verletzung“ der Neutralität Belgiens im August 1914 (zu) viel voraus. So kommen auch Gietingers Wertungen oft begründungslos daher und sind auch mir manchmal nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus sind sowohl Gietingers eigene wie die von anderen Autoren übernommenen Spekulationen darüber, was hätte passieren können wenn ´s politisch anders gelaufen wäre, als auch seine auktorialen Erzählerkommentare zu noch so kritikablen Politfiguren wie dem mehrheitssozialdemokratisch-präfaschistischem „Bluthund“ Gustav Noske (der, so Gietinger im Ausblickskapitel7, 1925 „immer noch nichts begriffen hatte“) wissenschaftsjournalistisch überflüssig.

Als besonders gravierenden Doppelmangel schließlich erachte ich das Fehlen eines einleitenden Übersichtskapitels zum „state of the art“ als Forschungsübersicht zum Stand konterrevolutionärer Politik im 20. Jahrhundert in Deutschland im allgemeinen8 und speziell die fehlende hermeneutisch-quellenkritische Diskussion zweier Texte, ohne die das Buch von Klaus Gietinger so nicht hätte geschrieben werden können -“ nämlich beider durchgängig als zeitgeschichtliche Quelle(n) benutzter Erinnerungstexte bzw. Memoiren im „Nachlass Pabst“ aus den verschiedenen Lebensphasen dieses „Inbegriffs der Konterrevolution“.

Wir erhielten diesen Text (2009) und den Anhang (2011) vom Autor anläßlich der Erstsendung des zweiteiligen Dokumentarfilms Gewaltfrieden. Die Legende vom Dolchstoß und der Vertrag von Versailles (Gesamtlänge etwa 180´), Autor Dr. Klaus Gietinger, Regie Bernd Fischerauer, ARTE, Freitag 11. November 2011, ab 20.15 Uhr. Der Beitrag wurde gekürzt in „Marxistische Blätter“, 47 (2009) 3: 104-107 („Eine Schlüsselfigur der Konterrevolution“) und „Zeitschrift für Weltgeschichte“, 10 (2009) 1: 180-184, gedruckt.

Anmerkungen:
Militär *24.12.1880 Hamburg - 29.5.1970 Düsseldorf / 1899 Offizier / 1919 Generalstabsoffizier der Gardekavallerie-Schützen-Division / 1919 Mitverantwortlich für Morde an Liebknecht und Luxemburg / Geschäftsführer der „Nationalen Vereinigung“, Mitorganisator des Kapp-Ludendorff-Putsches / 1920 Flucht nach Österreich, dort Organisator und Stabschef der „Heimwehr“ / 1927 Mitorganisator des „Heimwehr-Putsches“ in Österreich / 1934 kurzzeitige Inhaftierung nach dem „Röhm-Putsch“ / Chef der Waffenabteilung bei Rheinmetall-Borsig / 1943 Emigration in die Schweiz / 1955 Rückkehr nach Deutschland“ (http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/adr/adrmr/kap1_4/para2_3.html [10.01.2009]).
Klaus Gietinger, Eine Leiche im Landwehrkanal. Die Ermordung der Rosa L., Berlin: Verlag 1900, 1995, 190 S. (ISBN 3-93028-02-02); zusammenfassend Klaus Gietinger, Eberts Terrortruppe [...]; in: junge Welt, 15. 1. 2005 (Wochenendbeilage: http://www.kommunisten-online.de/historie/liebknechtluxemburg.htm [10.01.2009]).
Zur Bedeutung Rosa Luxemburgs und ihrer Ermordung vgl. anstatt weiterer Wolf Abendroth, Rosa Luxemburh. 60 Jahre nach der Ernordung der Revolutionärin am 15. Januar 1919 [1979; in: Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung [iwk], 40 (2004) 4, S. 487; Sebastian Haffner, Der Verrat 1918/19 -“ als Deutschland wurde, wie es ist [1979], Berlin 1994², hier besonders S. 139-150.
Zitiert nach dem erheblich verkleinertes Faksimilé in: Illustrierte Geschichte der deutschen Revolution. Berlin 1929, S. 276. - Noskes Erlaß ist auch dokumentarliterarisch verarbeitet worden: Alfred Döblin. November 1918. Eine deutsche Revolution. Dritter Teil: Karl und Rosa [1950], München 1995³, S. 468-470.
Als frühe politische Kritik vgl. Carlo Mierendorff, Arisches Kaiserreich oder Judenrepublik [1922]; neu herausgegeben und mit Anmerkungen und Hinweisen zum traditionellen Quellsumpf des deutschen Antisemitismus zu Beginn der 1920er Jahre versehen von Richard Albrecht, in: Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 40 (2004) 3, S. 321-337; eine an Hitler von dessen Lazarettentlassung bis zum Münchner Putschversuch (November 1918 bis November 1923) prismierte Milieudarstellung findet sich im Kapitel „Le tremplin“ [Das Sprungbrett] in Marlis Steinerts Hitler-Biographie ( Paris 1991, S. 95-165).
Doris Kachulle, Waldemar Pabst und die Gegenrevolution. Vorträge, Aufsätze aus dem Nachlaß. Hg. Karl Heinz Roth, Berlin 2007; dies., Waldemar Pabst, Brückenbauer zwischen Konservatismus und Faschismus in drei Ländern [2002]: http://www.de.indymedia.org/2008/01/204389.shtml [10.01.2009]
Gekürzt unterm gleichen Titel („Vergangenheit, die nicht vergeht...“) in: junge Welt (10.01.2009: Thema; http://www.jungewelt.de/2009/01-10/008.php [10.01.2009]).
Dokumentation von Klaus Gietinger; Karl Heinz Roth, Die Massaker der deutschen Gegenrevolution, in (der inzwischen eingestellten Zeitschrift): Sozial.Geschichte, 3 (2007) 1, S. 83-102.




Anhang


DIE BERLINER MORDE VOM 15. JANUAR 1919

Ein Kurzbeitrag zur politikhistorischen Erinnerungskultur in Ganzdeutschland, geschrieben von Richard Albrecht am 15. Jänner 2011


I. Das von mir vor gut fünfunddreißig Jahren[1] kritisierte Haupt der „Bielefelder Deutschen Gesellschaftsgeschichte“ (Eric J. Hobsbawm), Herr Wehler, polemisierte zuletzt vor zwei Jahren, 2009, im Radiointerview gegen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht anläßlich des 90. Jahrestag von deren Ermordung am 15. Jänner 1919 und unterstrich seine auch als allgemeine politische Apologie verstehbare, damit auch den politischen Mord als solchen und den bald folgenden am Rosa-Luxemburg-Freund und KPD-Funktionär Leo Jogiches[2] rechtfertigenden, in Form seiner politischen Mordthese so - ich zitiere (wie üblich genau und mit Quelle/Fundstelle):

„Wer den Bürgerkrieg entfesselt, lebt immer im Angesicht des Todes"[3].

II. Wolf(gang) Abendroth schrieb dazu und zur politischen Verantwortlichkeit damaliger SPD-Spitzenfunktionäre in der „Deutschen Volkszeitung“ 1979:

„Am 13. Januar 1919 hat - nie darf es vergessen werden - Artur Zickler im „Vorwärts“, damals der wichtigsten Tageszeitung jener Mehrheitssozialdemokraten, die sich ihrer während des Krieges mit Hilfe der kaiserlichen Regierung und ihrer Behörden bemächtigt hatten, geschrieben:

„Vielhundert Tote in einer Reih - Proletarier! Karl, Rosa, Radek und Kumpanei - es ist keiner dabei, es ist keiner dabei! Proletarier!“


Die Freikorps, von einem „Rat der Volksbeauftragten“ und ihrem militärischen Verantwortlichen Gustav Noske herbeigerufen, um die Berliner Arbeiter „zur Ordnung“ zu bringen, haben diesen Wink in der Weise verstanden, wie es zu erwarten war. Am 15. Januar 1919 wurden Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ermordet [...] Darf die deutsche und die internationale Arbeiterklasse, darf irgend einer, der für den Sozialismus oder - ohne auch die volle innere Verbindung zwischen sozialistischen Umgestaltung und diesen Zielen selbst zu erkennen und anzuerkennen -“ für Demokratie und Humanität eintritt, diesen Tag jemals aus dem Gedächtnis verlieren?“[4]

[1] Richard Albrecht, Anmerkungen zur Konzeption der ´modernen deutschen Sozialgeschichte´; in: Marxistische Blätter, 1/1975: 62-67
[2] Eindringlich zu Leo Jogiches
[3] „Hans-Ulrich Wehler zum Mord an Luxemburg und Liebknecht“
[4] Wiederveröffentlicht im Anhang von Richard Albrecht, „...denkt immer an den ´mittleren Funktionär´“... Wolfgang Abendroth (2. Mai 1906 bis 15. September 1985). Erstdruck in: Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung (iwk), 4/2004, 465-487“[erweiterte kostenfreie Netzversion]

Kontakt zum Autor eingreifendes.denken@gmx.net

V-Leute-Krimi - zu Ende phantasiert.

1. Schon jetzt lässt sich die Handlung in einem Punkt weiterdenken:
• die zwei oder drei oder vier aus Thüringen müssten mindestens Zuarbeitende gehabt haben, die das erhaltene Video ausgestalteten. Qualität wird allgemein gerühmt
• Kontaktleute in den Städten der verschiedenen Mordtaten. Es standen überall Fluchträder bereit. Irgendwer muss für die Täter vorher die Bundesrepublik durchforscht haben, welche undeutschen Kleinhändler wann wie leicht zu überraschen und zu erledigen wären. Selbst solche Leute wie die Täter können wohl nicht aufs Geradewohl durch Deutschlands Städte gefahren sein - und Ladentüren aufgereissen. Die Einzeltäter - These wird in Tagen zusammenbrechen.
• Nach Kräften arbeiten schon jetzt verschiedene Informanten fieberhaft gegeneinander. So sollen nach einigen Dokumente im Schutt des angezündeten Hauses gefunden worden sein, die nur Agenten bekommen. Sofort hieß es in der FAZ, es hätte sich nur um eine gefälschte Bahn-Card gehandelt. Warum dann erst von "Dokumenten" (Plural) grummeln? Das Wort Bahn-Card sollte keinerlei Schwierigkeiten beim Schreiben darstellen. Hauptsache - Nebel!

2. Wenn es Absichten eines oder mehrerer Dienste geben sollten, worauf zielten die dann hin?
• Auffällig, dass an den höchsten Stellen nicht von gekillten Personen die Rede ist, sondern wieder einmal von "Deutschlands Schande" (Merkel). Der Staat hat keine zerfetzte Aorta. Wohl aber die Abgeknallten. Um die geht es den Kampfentschlossenen aber am wenigsten.
• Sämtliche Dienste werden Staubsauger. Alle bisher ungeklärten Fälle können jetzt den Rechten aus Thüringen zugeschrieben werden.
• Einige schwärmen schon vom deutschen FBI. Zentralisiert wie in den USA. Eine Behörde, die dann alles dürfte, was uns jeder amerikanische Krimi vorführt.
• NPD-Verbot hat mit den Verbrechen der Thüringer und ihrer Verhütung zwar absolut nichts zu tun. (Tut mir leid, VVN-BdA Berlin. Auch wenn die Partei weg wäre, gäbe es weiterhin die Klüngel und Gangs, die sich zusammenschließen würden). Aber Verbietenwollen würde sich gut machen als gemeinsames Unternehmen von CDU und SPD. Offenbar bricht sich die Erkenntnis gewaltsam Bahn, dass die meisten V-Leute bisher ihren Auftraggebern nichts eingebracht haben. Aber gut gelebt vom Verrat. Wie, wenn man den ganzen Sauhaufen wirklich austriebe - und stolz, gemeinsam und ehrenfest vors Bundesverfassungsgericht zöge? Es würde einer möglichen großen Koalition einen gefühlsechten Sockel unterschieben. Antifa sei dann das gemeinsame Panier. Selbst Linke sollten einknicken vor dem Projekt.

3. Schamlos vermutetes Projekt hinter dem Gewusel (nicht alle Beamte werden schnell genug geschaltet haben, worum es ab jetzt geht): Einheitsfront gegen das, was als rechts-extrem abgestempelt wird. Zugunsten des Normal-Rechten, wie es nach der Maßstabverschiebung durch Sarrazin und die Seinigen sich inzwischen durchgesetzt hat. Aufbau einer massiveren zentralisierten Staatsgewalt gegen die immer noch föderale Organisierung der BRD. Zusammenschluss gegen das Ausland, das - wie in Griechenland - immer noch vom zweiten deutschen Raubzug nach dem der Wehrmacht redet. Wie das noch behaupten, wenn Deutschland sich so antifaschistisch aufführt vor aller Welt?

4. Das einmal als wahr unterstellt - welche Haltung müsste die LINKE dazu einnehmen? Schärfstes Misstrauen gegen die gesamte Staatsgewalt - ohne Zugeständnisse - versteht sich von selbst. ANTIFA ohne Staatshilfe als unerbittliche Untersuchungsarbeit gegen Rechts. Rücksichtslose Veröffentlichung der gemachten Erkenntnisse - unter Ausnutzung der verbliebenen Öffentlichkeit. Organisierung von Schutz-und Austauschketten gegen rechte Überfälle - wie einst das vereinbarte Glockengeläute gegen Besetzung der Startbahn West - durch wen auch immer. Heute zu ersetzen durch verfeinerte Kommunikations-und Alarmierungsmittel.

Gewiss: Alles nur Fischen im gärenden Abfall der Medien. Aber immer noch besser als stumpfes Warten aufs nächste Bombardement durch die Dienste, die noch aus ihrem Verfall Honig saugen wollen.
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