Skip to content

Über strukturelle Gewalt

Bertold Brecht, 1954
Quelle:
Bundesarchiv, Bild 183-W0409-300 / Kolbe, Jörg / CC-BY-SA
„Es gibt viele Arten zu töten. Man kann einem ein Messer in den Bauch stechen, einem das Brot entziehen, einen von einer Krankheit nicht heilen, einen in eine schlechte Wohnung stecken, einen durch Arbeit zu Tode schinden, einen zum Suizid treiben, einen in den Krieg führen usw. Nur weniges davon ist in unserem Staat verboten.“

(Me-Ti. Buch der Wendungen. Bertolt Brecht - Dramatiker und Lyriker, 1898-1956)

Reichsrundfunkkammer: Gemeindebrüllerin und Stichwortgeber

Trinculus, Trunculus und Trimalchio: Fragment aus Titus Livius In Karthago nach dem zweiten Punischen Krieg: "Senatoren, wir sind besorgt, weil die fälligen Tribute nicht eingelaufen sind. Wir machen deshalb von unserem Zugriffsrecht Gebrauch. Ab sofort sind alle Hafengebühren an uns zu überführen. Die Verwaltung haben wir einstweilen übernommen..."

So ähnlich wird sich das Verhältnis zu Griechenland entwickeln, wenn es nach der Bundeskanzlerin geht. Am Sonntag trat sie zur Stimmungsmache und Regierungserklärung auf. Artig unterstützt von Jauch, der sich als Stichwortgeber erwartungsgemäß bewährte. Jauch, eingesetzt für die späten Feiertagsstunden, um das schädliche Diskutieren ein für allemal zu unterbinden. Dafür der Monolog der Sprecherin für ganz Deutschland. Von einigen verstockten Widerständlern abgesehen.

NACHDENKSEITEN geben einen Überblick über das, was vom Öffentlichrechtlichen übriggeblieben ist: eine Neufassung der exklusiven Meldungen der Reichsrundfunkkammer. Was das Verfassungsgericht Adenauer einst untersagt hatte- ZDF als Eigensender- wie hat es sich jetzt ganz ohne Putsch erfüllt. Propaganda ohne Einspruch.

Inhaltlich hatte Merkel nur eines zu sagen: sie hat die Sache in der Hand. Und sie macht alles nicht für Griechenland. Sondern für Deutschland. In dem freilich wieder keiner gefragt wurde.

Weitere Mitteilungen: Deutschland hat auch über seine Verhältnisse gelebt. Genau wie Griechenland, von welchem unsere Kanzlerin noch vor Wochen genau wusste, dass dort die Urlaube länger und die Renteneintritte früher ausfallen als irgendwo sonst.

Wer die triumphale Solistin geben darf, bekommt die Lizenz zur Lüge gleich mit.

Tatsächlich muss sich Merkel keine Sorgen machen: sie wird ihr Paket am Donnerstag absenden - egal, wie viele Nachtraber der Regierungsfraktionen sich einstellen. SPD und GRÜNE betteln um die Erlaubnis zur Nothilfe. Was auch kommen mag.

Zum Befehlsempfang ist heute der Tributpflichtige Papandreou in Berlin einbestellt worden. Er versprach alles, was sich denken ließ. Ohne Rücksicht auf die Möglichkeit, die griechischen Schulden jemals so weit zu senken, wie die Eintreiber es erwarteten. Oder zu erwarten gemeinsam vorgaben.

"Yes, we can". Nachgekräht hinter dem größten Suppenhuhn der neueren Geschichte. Obama. Dürfen wir annehmen , dass von diesem Schwur soviel zu halten ist wie vom Original seinerzeit in Berlin?

Die Falle wird zuschnappen. Am Donnerstag. Erpressung und Nötigung werden helfen, den angeblichen Vertretern des ganzen Volkes die bösen Ahnungen auszutreiben.

Was ist da noch zu tun? Die LINKE wird sich - vielleicht ein letztes Mal - standhaft erweisen und die Tributerpressung verweigern. Reicht das aus? Nichts hat man gehört von Kontakten zu den griechischen Gewerkschaften im Abwehrkampf. Gleichgültig, was die Machthaber Europas mit Griechenlands Regierung noch anstellen werden, es kann nicht schlimmer ausfallen als jetzt schon eingeplant. Die Kanzlerin hat recht: Es geht nicht um Griechenland. Es geht um das ganze Zwangspaket, das unter dem Namen EURO gesichert werden soll. Also kann dieses Ganze auch nur vom Punkt des äußersten Drucks her in Frage gestellt werden. Nur freilich von wem? Zu denken wäre an eine europaweite Erhebung aller Gewerkschaften -und über sie hinaus aller, die erkannt haben, was auf sie wartet, wenn es nach Merkel und ihren Eintreibern geht.
cronjob