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Wendezeiten: Weltpolitische Umbrüche - Chance oder Gefahr?

Am 5. und 6. November 2011 findet im Schlatterhaus, Österbergstr. 2, 72072 Tübingen, der diesjährige Kongress der Informationsstelle Militarisierung (IMI) statt.

„Mögest Du in interessanten Zeiten leben“, dieses alte chinesische Sprichwort wird fälschlicherweise zumeist als Segen interpretiert, ist jedoch eigentlich als Fluch gemeint. Ambivalent hingegen stellen sich die zahlreichen gravierenden Umbrüche der letzten Jahre dar: Sie eröffnen Chancen für eine friedlichere, sozialere Welt, bergen aber auch die Gefahr, einer weiteren Militarisierung und sich verschärfender Konflikte. Dieses Spannungsverhältnis wollen wir anhand verschiedener Themenbereiche auf dem diesjährigen IMI-Kongress diskutieren.

Was bedeutet der machtpolitische Abstieg des Westens? Eröffnet er Perspektiven für eine friedlichere Welt oder ist er Ausgangspunkt für neue geopolitische Konfliktkonstellationen? Ist die zunehmende Militarisierung der Weltmeere ein Ausdruck dieser neuen geopolitischen Konflikte oder ein (verzweifelter) Versuch zur repressiven Kontrolle der Bevölkerung, die mit anderen Mitteln nicht mehr gewährleistet werden kann? Auch die nordafrikanisch-arabischen Revolutionen bergen sowohl große Chancen als auch Gefahren. Verliert der Westen durch die Demokratiebewegungen in der Region seine Kontrolle über die dortigen Volkswirtschaften und Gesellschaften oder dienen sie ihm als Gelegenheit, seine Kontrollstrategien zu intensivieren und neue Formen der Unterdrückung zu entwickeln? Muss man nicht angesichts der verheerenden Bilanz der Kriege in Afghanistan und dem Irak von einem Scheitern des westlichen Interventionismus sprechen oder sollte diese Antwort nicht differenzierter ausfallen? Vor allem aber: welche Folgen haben diese Interventionen für die künftige westliche Kriegspolitik?

Ein wesentlicher westlicher Versuch, sich neue Interventionsmöglichkeiten zu erschließen und bestehende Interventionsformen zu „effektivieren“, stellt die Militarisierung der Vereinten Nationen dar. Auch hier sind die „Erfolge“ aber zwiespältig. Einerseits gelingt es zwar immer häufiger, die Vereinten Nationen zu instrumentalisieren, wie u.a. ihre Rolle bei den Interventionen in Libyen und der Elfenbeinküste zeigt. Andererseits diskreditieren sich die UN mit dieser Politik in immer stärkerem Maße, sodass Absatzbewegungen und Widerstände zunehmen. Wird es also gelingen, die UN vor den (westlichen) Kriegskarren zu spannen oder ist dieser Versuch über kurz oder lang zum Scheitern verurteilt?

Diese und viele weitere Fragen wollen wir auf dem diesjährigen IMI-Kongress diskutieren und abschließend auch die Auswirkungen dieser Umbrüche auf die künftige Rolle Deutschlands, insbesondere vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Umbaus der Bundeswehr, in den Blick nehmen.

Programm:
Samstag:

• Abstieg des Westens, NATO gegen BRIC(s)? Neue Konfrontationslinien oder neue Allianzen? (Erhard Crome und Uli Cremer)

• Umkämpfte Meere (Andreas Seifert)

• Umbrüche in Nordafrika und auf der Arabischen Halbinsel: Emanzipation oder neues imperialistisches Einfallstor? (Claudia Haydt und Christoph Marischka)

• Afghanistan und Irak: Scheitern des Interventionismus? (Joachim Guilliard und Jürgen Wagner)


Sonntag:

• Die Militarisierung der Vereinten Nationen (Thomas Mickan)

• Die Rolle der UN in Libyen und der Elfenbeinküste: Militarisierung und Delegitimierung? (Martin Hantke und Christoph Marischka)

• Umbau der Bundeswehr und Perspektiven für die antimilitaristische Bewegung (Tobias Pflüger)

Genauere Informationen gibt es auf der IMI Homepage

S21: "... wer entscheidet?"

Bei der 88. Montagskundgebung gegen Stuttgart 21 sprach der bei Behr gekündigte Betriebsrat Mehmet Sahin zu den DemonstrantInnen:

"(...) Wenn es bei S21 darum ginge Arbeitsplätze zu schaffen, dann könnte mit dem Geld ein Mehrfaches an sinnvollen öffentlichen Arbeiten finanziert werden. Und zwar nach Tarif und nicht mit Billiglöhnen, wie das jetzt von Bahn und Baufirmen geplant wird! (...)

Der Kampf um S21 ist nicht nur ein Konflikt um Verkehr und Umwelt. Es ist ein tiefer sozialer Konflikt! Es ist auch ein Konflikt um die Demokratie, also um die Frage wie entschieden wird. Wie entscheiden, heißt aber immer auch wer entscheidet? (...)"

Umfassende Zerschlagung: Weg mit autonomen Staaten! NATO für alle!

Wie wir dem reaktionären Blatt "Frankfurter Rundschau" sowie dem ZDF entnehmen, ist jetzt Schluss mit allen Despoten, wie früh oder spät sie als solche erkannt werden.

Einen kleinen Vorgeschmack für diese Bestrebungen gab der Aufschrei gegen ein Grußtelegramm der LINKEN zum 85. Geburtstag Fidel Castros. Ungefähr eine Woche zu spät wurde das neue Verbrechen entdeckt. Unfassbar die Entrüstung, als am Sonntagabend Gysi sich der Botschaft halbwegs anschloss.Unglaublich! -Zunächst hält man es nur für Fortsetzung des beliebten Spiels der deutschen freien Presse. Die letzte wirkliche Oppositionspartei in der BRD fertigmachen. Das ist es natürlich auch. Darüber hinaus steckt im Geblök der Freiheitshungrigen und Entrüsteten aber noch viel mehr. Die Aberkennung des Rechts aller einst gegen Kolonialismus und Imperialismus angetretenen Kräfte, denen zeitweise Raum gewährt werden musste. Jetzt ist für eine neue Garde weltweit die Zeit gekommen, damit Schluss zu machen.

Vergessen die Gratulationen an die UDSSR nach 1945 -ja, selbst unter Stalin- zum entscheidenden Beitrag zum Sieg über den Faschismus. Und doch hätte man auch damals einiges über Schauprozesse und Freiheitseinschränkungen im Herrschaftsbereich Stalins sagen können. Nur sagte man es damals nicht. Weil man noch zwei Dinge auseinanderhalten konnte. Den Sieg und die bitteren Bedingungen dieses Sieges.

Ähnlich steht es mit Kuba. Immerhin hat das revolutionäre Land zwei furchtbaren Schlägen bisher standgehalten: dem Würgestrick der Blockade durch die USA und dem Wegfall aller Unterstützung durch die SU, nachdem dort dem Sozialismus das Leben ausgeblasen worden war. Der Anblick naheliegender Länder- wie zum Beispiel der Haitis - hat wohl ziemlich viele Kubaner davon abgehalten, sich so etwas zu wünschen. Lieber ein -zugegeben- schlecht ausgestattetes Armenhaus als ein Chaos voller Räuberbanden.

Die Einwohner Kubas -an die der Glückwunsch sich wohl indirekt richten sollte- haben die Gratulation voll verdient. Ich für meine Person -fg- möchte mich anschließen. Dass -wie Gysi im Interview sagte- es noch demokratischer zugehen könnte dort, ist nicht auszuschließen. Nur:ich weiß darüber zu wenig. Weiß auch nicht, wie ein Regime wie das der Bundesrepublik sich von außen ausnimmt. Vielleicht nicht ganz so freiheitlich, wie wir es uns gern ausmalen.
"Weg mit den Despoten". So eine Karikatur in der FR. Es wird eine Art Jagdtrophäen gezeigt. Wie viele sind schon erlegt! Und jetzt angeblich Gaddafi. Vergessen die langen Jahre, in denen freudig mit ihm gehandelt wurde. Vergessen die letzte -schmähliche - Zeit, als der jetzt nur noch als "Machthaber" titulierte für die Mittelmeermächte den Uferwächter machte .Damals immer noch hochgeschätzt.

Jetzt erledigt von einer Betrügerbande, die ihn humanitär zur Strecke brachte. In seit dem Kosovo-Krieg nicht mehr aufgebrachter Verlogenheit wurden sämtliche Gewalttaten verübt, die sich denken lassen. Alles um dem Menschenrecht zur Geltung zu verhelfen. Vergessen dabei nur, dass das allererste Menschenrecht das auf Leben sein sollte. So kleinlich darf keiner denken, dem es Ernst ist mit der Neuverteilung der Erde unter NATO-Obrigkeit. Dass die deutsche Regierung ihren einzigen lobenswerten Schritt bitter bereut ,sich beim Einmarsch enthalten zu haben, versteht sich. Unsere Merkel, die die Sanftmut sonst gepachtet hat, wünscht blutschmatzend baldige Kapitulation.

Die kann schon kommen. Es wird auch sicher mehrere Handvoll Betrogener geben, die sich der einzig bisher sichtbaren Kampftätigkeit der NATO-Mitläufer aus Libyen selbst anschließen wollen: dem Jubeln auf Lastwagen. Wie lange? Bald wird sich zeigen, dass alles, was bisher geschah, nur Auftakt sein wird für einen Bürgerkrieg,der vielleicht länger dauern wird, als mein Leben noch währt. Schon überlegen einige Mordknechte, dass man das Verfahren KOSOVO neu auflegen könnte. Friedenssoldaten in Zusammenarbeit mit einer oder mehreren unerschrockenen Banden. Teilung des Landes nicht ausgeschlossen.

Libyens Milliarden im Ausland sind schon einmal eingefroren. Und werden den ausgewählten Warlords natürlich nicht einfach ausgehändigt. Nur nach Wohlverhalten! Damit ist nach dem Uraltrezept "Teil und Herrsche" der NATO-Zugriff auf alles, was das Land zu bieten hat, für die nächste Zeit gewahrt. Hauptsache, die NATO selbst hält zusammen.

Insgesamt: Kampfruf einer neuen Zeit: Keine andere Diktatur mehr dulden auf dieser Welt- als eine unter NATO-Aufsicht.

PS: Wer jetzt noch in der LINKEN davon faselt, man solle doch wenigstens UNO-Aktionen unterstützen, wenn man sonst schon so antimilitaristisch tun muss, der sollte am besten rechtzeitig bei der SPD um ein Pöstchen anstehen. Und wenigstens nicht das letzte Gebliebene der LINKEN- Friedenspolitik- auch noch verkoten.

Which Way Home - Kinder auf der Flucht

Die deutschsprachige, gekürzte Version des beeindruckenden Dokumentarfilms, der am 19.4.2011 auf Phoenix gezeigt wurde, ist auch auf gratisdokus.de online abrufbar.

Zum Film "Which way home - Kinder auf der Flucht" der Regisseurin Rebecca Cammisa, der für den Oskar 2010 in der Kategorie bester Dokumentarfilm nominiert wurde, schreibt Phoenix:

"Während die USA seit Jahren an der Schliessung der offenen Grenze zu Mexiko arbeiten, versuchen weiterhin Millionen Flüchtlinge aus Lateinamerika, den Grenzzaun zu überwinden -“ darunter jedes Jahr auch rund hunderttausend Kinder. Abseits von Statistiken und aus der Sicht seiner jungen Protagonisten erzählt der erschütternde, für den Oscar nominierte Dokumentarfilm "Which Way Home" vom Schicksal Minderjähriger, die tausende Kilometer auf maroden Güterzügen reisen, um illegal ins "Gelobte Land" USA zu gelangen. (...) Sechs Jahre haben Rebecca und ihr Team verschiedene Kinder begleitet. Entstanden ist ein erschütternder Film, in dem kindliches Glück und Verzweiflung oft nahe beieinander liegen."

Szene aus dem Film Mehr Informationen über den Film, seine Enstehung und die verschiedenen Preise, die er bisher gewonnen hat, finden sich auf der Seite des Films auf Englisch sowie auf Spanisch, sowie auf Facebook.

UK Riots: Was die BBC nicht mehr senden wird...

Der Autor und frühere Black Panther Darcus Howe in einem BBC Interview mit bewegenden Worten zur Polizeibrutalität der letzten Tage und zur Ignoranz der herrschenden Klasse in Britannien. Im Verlauf des Interviews unterstellt ihm BBC Nachrichtensprecherin Fiona Armstrong, dass er sich ja mit Ausschreitungen auskenne, diese seien ihm nicht fremd, er hätte daran ja sicher teilgenommen. Darcus Howe reagiert darauf: "Ich war nie Teil individueller Randaleaktionen. Ich nahm an Demonstrationen teil, die in einem Konflikt endeten. Hören Sie auf, mich als Randalierer zu beschuldigen und haben Sie etwas Respekt vor einem "old West Indian negro", ich lasse mich von Ihnen nicht missbrauchen. Sie hören sich einfach idiotisch an - haben Sie etwas mehr Respekt". Woraufhin er abgewürgt wird. Und wie immer: "Weiter geht's mit Sport".

Die BBC entschuldigte sich umgehend, sie wollten "nicht respektlos sein".


Krise: Die Medizin ist die Krankheit

Andrang von Sparern vor der Sparkasse der Stadt Berlin am Mühlendamm nach dem Zusammenbruch der Darmstädter- und Nationalbank, 1931
Quelle: Bundesarchiv, Bild 102-12023 / CC-BY-SA
Lizenz: Creative Commons-Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0
Krise
Es wurde tagelang verboten, sie beim Fernsehen beim Namen zu nennen. Sobald am Montag - 8.8. - die Rede auf die Erscheinungen an den Börsen kam, wurde bis spät abends - erzieherisch wertvoll - wiederholt, dass man sich alles viel schlimmer vorgestellt hätte - und das, was sich wie Crash anfühlt, das sei gar keiner. Worauf dann detaillierte Mitteilungen folgten, die sämtlichen gerade aktiven Börsen genau den Fall bescheinigten, der nicht stattgefunden haben durfte. Offenbar ist  den zahlreichen Experten entfallen, dass auch die allerberühmteste Krise - die vom Oktober 1929 - sich keineswegs so vollzog, dass da ein Strich senkrecht auf der Wertetafel niederfuhr - als Blitzschlag. Sondern das Ganze verlief in Treppchenart, mit kleinen Pausen dazwischen. Sogar minimalen Aufschwüngen.

Was allerdings nichts daran änderte , dass sich nach Tagen und Wochen herausstellte, dass Milliarden immer noch umherschwirrender Geldzeichen nichts mehr im irdischen Leben entsprach: kein anfassbares Gut, keine wohltuende Dienstleistung. Einfach nichts. Alles wie weggepustet.

Damals wie heute waren die wenigsten dem bösen Zauber im Begreifen gewachsen.Es musste doch an einem liegen, der schuld wäre. Die wurden auch reichlich vorgeführt in Blitzlicht und Kommentar-Gewittern.

Als erster der Heilsbringer von vor gerade drei Jahren: Obama. Er klappte die Segensflügel an die Hosennaht und stellt kurzfristig das Umarmen ein. Ärmlicher nichts als seine zerrupften Varianten von "Yes we can". Natürlich sind seine Gegenspieler im Repräsentantenhaus  giftige kleine Kläffer. Und wahrscheinlich wird das Wesen mit den struppig gewordenen Flügeln über weitere vier Jahre eine klägliche Weitermacher-Wirtschaft betreiben. Mangels Alternative.

Aber ganz falsch die Vorstellung, ein anderer Präsident mit einer andersartigen Opposition hätte ganz andere Ergebnisse erzielen können in der jetzigen Katastrophe. Und mit den gegenwärtig gehandelten Methoden.

Entsprechend die Aufzählung anderer Schuldiger. Da musste Barroso herhalten, der offen ausgesprochen hatte, dass alles bisher angebotene Geld den Euro nicht retten könne, wenn es - wie sicher zu  erwarten - hart auf hart kommen würde. Oder die schlimmen Rating-Diktatoren. Die hatten 2008 zwar wirklich den windigsten Manövern der amerikanischen Banken noch ihren Segen gegeben - und waren auf die Nase gefallen. Nur dieses Mal? Dieses Mal wurden sie verhauen für die schlechten Noten, die sie ihren Aufsichtsobjekten gaben. Wie üblich: der Messende wird beschuldigt, wenn einem das Ergebnis der Messung nicht gefällt. Die Spekulanten mussten als nächste herhalten. So widerlich dieses Geziefer sein mag, es könnte nicht aasen, wenn keine Leichen herumlägen. Dann - sehr fein - das Aktienkäufervolk selbst. Alle unvernünftig. Der Panik verfallen. Allerdings: Warum soll es unvernünftig sein, ein sinkendes Schiff so schnell wie möglich verlassen zu wollen? Wenn es nur mehr andere sichere Frachter gäbe. Nur noch rührend die Tröstungen. In der FR riet ein Wohltäter, eine Woche lang gar nichts zu machen.Hilfsmittel dazu: kein Internet, kein Fernsehen, und - am wichtigsten - das Mittel gegen sich selbst: KEINE ZEITUNG!

In der FAZ schaute einer sehr milde von weit oben auf die braven deutschen Facharbeiter. Die kümmern sich um gar nichts, schuften weiter und schauen, dass die Lager immer schön voll stecken. Dieser Ratgeber wurde allerdings sogar vom Morgenmagazin wieder auf den Boden geholt. Dort gestanden Arbeiter in einer Fabrik für Spezialglas in Deutschland ohne weitere Ermunterung, dass sie sich Sorgen um ihre Jobs machten. Das Glas war ausschließlich  für den Export bestimmt. Vielleicht liegt diese Unbotmäßigkeit der Angesprochenen daran, dass sie sich pflichtwidrig an der Lektüre der FAZ nicht beteiligen.

Und so weiter. Alles muss herhalten, um den eigentlichen Grund nicht besprechen zu müssen. Die Geldzeichenlawine wächst.

Krise= Aufschub des eingestandenen Untergangs

Denn aller Jubel über Schirme  und andere Aushilfen gegen die Auswirkungen der Krise können eines nicht verdecken: das Übel, das beseitigt werden soll, wächst durch jeden gereichten Löffel Medizin nur noch mehr.Das Übel: Schulden. Die erzielte Wirkung in jedem Fall: Noch mehr Schulden. Ob das praktisch kostenlose Geldzufuhr über die Zentralbank in den USA bedeutet, oder erweitertes Gelddrucken durch die EZB durch Ankauf wertloser Gutscheine von Spanien und Italien. Es läuft immer auf eines hinaus - Vermehrung von Zeichen, denen auf der ganzen Welt nichts mehr entspricht, das jemand - nicht einfach haben wollte - aber tauschmäßig erwerben könnte.

Schulden weg!

Wobei der Begriff der Schuld noch einmal besonders untersucht werden müsste. Wäre einer von uns vor hundertdreißig Jahren Nachbar des fleißigen Mechanikers Benz gewesen- und hätte dem ausgeholfen mit Barem gegen Beteiligung am Gewinn: das wäre nicht nur eines der lohnendsten Geschäfte geworden, sondern auch eines, das die Produktion einer damals ganz neuen Sache mit riesigen Aussichten befördert hätte.  Trotzdem: zunächst mal in den Kontobüchern als Schuld auszuweisen.

Das Brutale in der jetzigen Schuldenbekämpfung - wohlgemerkt immer an anderen wie z.B. Griechenland - liegt darin, dass technisch überhaupt kein Unterschied gemacht werden kann zwischen Geldaufnahme zur Förderung produktiver Anlagen und Bankschuld - zur Deckung früherer Ausgaben. Wohin die Merkel-Methode des Spar-Appells "an sich" führt, lässt sich eben die Woche nächtelang an den Nachrichten aus England studieren. Schulen geschlossen, Ausbildungsräume und Treffpunkte in den ärmsten Gegenden weg, Aneignung produktiver Fähigkeiten in Lehrwerkstätten gestrichen - und schon sammeln massenhaft sich die Eintreiber einer Schuld an ihnen, den Arbeitslosen, Unausgebildeten, Herumhängern - und nehmen mit Zins und Zinseszins alles zurück.

Als Prinzip herrschte das schon immer: an den Unteren sparen, damit die Oberen weniger gehemmt sind. Als offene Praxis wurde es betrieben seit der Doppelära Thatcher und Reagan. Gerade Reagan entwickelte das System bis zur blendenden Sichtbarkeit. Mit der Absage an Keynes begann es. Die Chicago-Boys schon predigten das Sparen. An andern. Bekanntlich traf es damals die Chilenen. Nach der organisierten Zugrunderichtung der Regierung Allende.

Fürs Inland bekämpfte Reagan erbittert alle staatliche Förderung privater Unternehmen. Diese hatte bisher zu annähernder Vollbeschäftigung geführt. Zugleich allerdings den Gewerkschaften die Macht verliehen, Lohnsteigerungen zu erzwingen und sogar einen gewissen Aufstieg für die gelernten Arbeiter zu ermöglichen. Diese Gewerkschaftsmacht sollte gebrochen werden und wurde gebrochen.
Damit das Kapital aber nicht mit den Gewerkschaften zusammen unterging, erhöhte Reagan in Wirklichkeit das "deficit spending"- die Wirtschaft der nur noch durch Kredit gedeckten Ausgaben. Es wurde also nicht weniger, sondern mehr ausgegeben. Über Staats-Schulden. Nur dass all das Geld an den Betrieben der Massengewerkschaften vorbei vor allem fürs Militär und neue militärische Erfindungen hinausgeworfen wurde. Wer erinnert sich nicht gern an den jahrelang betriebenen "Krieg der Sterne", der Milliarden kostete und angeblich die Niederlage des Sowjetsystems einbrachte. Die Schulden von damals liegen der heutigen Pleite der US-Wirtschaft immer noch zu Grunde.

Export: Mühlrad des Fortschritts? Inzwischen: Mühlstein am Hals!
Die große Rettungslehre: Mehr für den Export produzieren! Griechenland, Portugal, Irland - das holt euch aus der Grube!
In den Jahren nach 1980/ 1990 - begannen die Sparkassen mit Kursen für die wissbegierige Schülerin, den gewinnorientierten Schüler. Bald kamen Jugendliche in die Schule zurück, gemästet von Gewinnen beim imaginären Investitions-Spiel, und sahen sich mit 25, spätestens 30 als Millionäre im Liegestuhl. Und schwärmten alle schon damals vom Export. Natürlich gibt es Fälle, in denen Importeur und Exporteur gleichermaßen vom Handel profitieren. Z. B. Ananas aus einem Tropenland werden immer billiger kommen als heimgezüchtete aus dem Treibhaus. Und Holz aus den finnischen Wäldern  könnte in einem Wüstenstaat produktiv verwertet werden. Nur: wie ich damals schon bescheiden anmerkte und als Supppenspucker von der vereinigten Schülerschaft verachtet wurde, wenn alle nur exportieren wollen - und niemand importieren: muss da nicht ziemlich schnell bei sehr vielen Abnehmern der Boden der Schüssel sichtbar werden? Das traurige Ende des freudigen Mahls.

Keine schnelle Hilfe denkbar!
Die Forderung von  ATTAC und vieler anderer Organisationen ist sicher berechtigt: Umverteilung von unten nach oben umkehren! Besteuerung der Reichen!

Aber das wird nicht ausreichen. Es muss hinzukommen die  Abkehr von der ausschließlichen Export-Orientierung.  So lange es mit Recht heißt, dass Europa im Keuchhusten liegt, wenn die USA Schnupfen melden, kann das Grundübel der jetzigen Form von Globalisierung nicht behoben werden. Dass nämlich immer externe Faktoren wichtiger genommen werden müssen, auf die man wenig bis keinen Einfluss hat.  Umkehrung der Orientierung nach innen! Das bedeutet natürlich nicht Verzicht auf Importe.Auch nicht auf Exporte. Aber eine Ausrichtung auf das Vorhandene. Das, was man in Deutschland selbst aus- und anbauen könnte.

Das wird sicher zunächst zur Senkung des allgemeinen Lebensstandards führen. Und - trotz aller Steuerpläne - die Unteren in der ersten Zeit schärfer treffen als die oberen. Und die Einsicht in die Notwendigkeit der Umkehr der Blickrichtung wird sich vermutlich erst durchsetzen nach Aufstandsbewegungen, die überraschender einschneiden werden als alles, was sich jetzt in Griechenland, Spanien, England ereignet. Aber es ist wichtig, sich jetzt schon darauf einzustellen. Damit dann bei uns sich allererst Erkenntnis durchsetzt, anstatt - wie jetzt in England - bloß das Knüppelgerede und der polizeiliche Telespkop-Schlagstock.

Korea: Verfolgung von öffentlichen Angestellten muss aufhören!

Die Regierung Südkoreas wirft fast 1400 öffentlichen Angestellten und Lehrer/innen, alle Mitglieder der Gewerkschaft der öffentlichen Angestellten Koreas (KGEU) und der Lehrer/innen Gewerkschaft (KTU), vor, ein Gesetz gebrochen zu haben, dass es öffentlichen Angestellten verbietet, politische Parteien zu unterstützen oder zu kritisieren. Diesen und tausenden weiteren öffentlichen Angestellten droht eine strafrechtliche Verfolgung. Die KGEU und die KTU sind mit den globalen Gewerkschaften Internationale der öffentlichen Dienste und der Education International verbunden. Der Sonderbotschafter der Vereinten Nationen zum Schutz der Meinungsfreiheit hat die südkoreanische Regierung dafür kritisiert, mit diesem Gesetz fundamentale Menschenrechte nicht zu gewährleisten. Die IÖD, die EI, die KGEU und die KTU bitten Gewerkschaften und Individuen, der koreanischen Regierung zu schreiben, um die strafrechtliche Verfolgung der Gewerkschaftsmitglieder einzustellen und Menschenrechte zu gewährleisten.

Bei LabourStart.org kann die Kampagne unterstützt werden.

Kapitalismus tötet. Über Hunger und die Spekulation mit Nahrungsmitteln

Welchen zivilisatorischen Stand hat die Gattung Mensch erreicht, wenn im Juli 2011 rund um den Globus rund eine Milliarde Menschen hungern? Innerhalb von nur knapp drei Jahren hat sich die Anzahl der hungernden Menschen verdoppelt und dabei handelt es sich um Hunderte von Millionen an Tragödien mit Tränen, Trauer, Leid und ganz individuellem Siechtum bis zu einem einsamen, qualvollen Tod. Wir können versuchen uns rauszureden, indem wir auf Weltklima, lokales Wetter, die Frage der Verteilung von Weide- und Ackerland, auf Stammeskonflikte usw. als alleinige Ursachen verweisen.

Aber das ist eine Mär und nur die halbe Wahrheit: All das sind zwar Faktoren, die eine wichtige Rolle spielen, gewiß, aber sie sind nicht alleine entscheidend für Tod und Elend rund um den Globus. Und selbst zu diesen Ursachen hat die sog. westliche Zivilisation einen erklecklichen Teil beigetragen, zunächst einmal in historischer Hinsicht: Jahrhundertelang haben die europäischen Länder den afrikanischen Kontinent im Würgegriff gehalten, ihn er- und ausgepresst durch Menschen- und Rohstoffraub sowie die verschiedenen Ethnien gegeneinander ausgespielt, aufgehetzt und bewaffnet. Diese Methoden werden bis heute angewandt, auch wenn sie im Laufe der Zeit teils subtiler wurden. Die europäischen Nationalstaaten maßten es sich damals an, Grenzen für Länder und Gesellschaften zu ziehen, die den Gedanken teilweise absurd fanden, sich in staatlichen Strukturen zu organisieren und sich jenseits ihres Stammesverbandes zu bewegen und "nationale" Identifikationen zu bilden.

Koloniales Erbe und Nation Building


Der englische Anthropologe John Reader: "Die zivilisierte Art des friedlichen Zusammenlebens in kleinen Gesellschaften ohne Staatenbildung, die nachweislich in Afrika vor dem Beginn äußerer Einflüsse existierte, ist ein wesentlicher afrikanischer Beitrag zur Menschheitsgeschichte." 1

Das Nation Building in Europa im vorvergangenen Jahrhundert fand auf einem Kontinent mit 70 Sprachen statt und führte doch zu etlichen Kriegen mit Dutzenden Millionen von Toten. Es erfolgte in der Regel eine Grenzziehung anhand sprachlicher Identitäten, die Europa über Jahrhunderte in Reinform aber gar nicht kannte. In Afrika hingegen geht man von rund 2000 Sprachen im weiteren Sinne aus.

Die Gliederung Afrikas nach der sog. "Kongo-Akte" der Berliner Konferenz (1885)


Heute bemächtigen sich somalische Clans im Kampf um die Vorherrschaft der Hilfslieferungen für die hungernden ethnischen Minderheiten im Süden des Landes und setzen den Hunger gezielt als Waffe ein. Sie leugnen sogar die Existenz der Hungersnot und verbitten sich eine internationale Einmischung 2. Eine Kausalität zu Europa besteht insofern, als Zentral- und Ostafrika 1885 auf der sog. Kongo-Konferenz zwischen den Kolonialländern aufgeteilt und damit auch Territorien entlang europäischer Interessenssphären zu Hoheitsgebieten zusammengepresst wurden, um diese aus einer zentralistisch-europäischen Sicht besser beherrschen und ausnehmen zu können. Damals wurde zwischen dem italienischen Somaliland und dem britischen Ostafrika (inzwischen: Kenia) die bis heute gültige Grenze gezogen, über die jetzt die Menschen aus Somalia nach Kenia flüchten.

Es ist nicht primär die Dürre, es ist zunächst auch nicht die Frage entscheidend, ob der Boden von Viehzüchtern oder Bauern genutzt wird. Der Hunger dort steht mit unserem System hier in einem reziproken Verhältnis. Dieses Verhältnis ist in Bezug auf die Dürre insofern evident, als dass die westlichen Industrienationen - bedingt durch die rund 200jährige Industrialisierung - bereits in den vergangenen 100 Jahren eine messbare Erderwärmung verursacht haben, die in bestimmten Regionen mehr und mehr zu sinkenden Niederschlägen und Dürren führt.

Alltäglicher Tod und Finanzkapitalismus


Auch ohne die aktuelle Hungersnot in Ostafrika sterben weltweit jeden Tag zwischen 25.000 und 30.000 Menschen den Hungertod. Es sind die Opfer eines nachgerade perversen Systems, dessen täglicher Blutzoll gleichsam. Bis 2008 war die Anzahl der Hunger leidenden Menschen kontinuierlich rückläufig gewesen und das Millenniumsziel der UNO, die Anzahl der Hungernden zwischen 1990 und 2015 zu halbieren, schien nicht ganz unrealistisch zu sein.

Als 2008 der exzessive Finanzkapitalismus in die sog. Immobilien- und Finanzkrise mündete, suchten die großen Anleger ein neues Betätigungsfeld für ihr Kapital: Die Spekulation mit Agrarrohstoffen und Nahrungsmitteln 3 stieg rasant an. Phasenweise sind täglich rund eine Milliarde US-Dollar zusätzlich in den Rohstoffmarkt geflossen, so wird von Experten geschätzt. Da das Angebot an Waren gleich bleibt und auch nicht durch kurzfristige Maßnahmen gesteigert werden kann, gehen die Preise den Marktgesetzen folgend nach oben: Innerhalb von sieben Monaten stieg der Weizenpreis an der Chicagoer Warenbörse von 200 US-Dollar je Tonne auf 360 Dollar im Februar 2011 an, eine Steigerung von 80 Prozent innerhalb eines guten halben Jahres.

Menschen in den sog. Entwicklungsländern, die ihr Einkommen zu einem überwiegenden Teil für Nahrungsmittel ausgeben müssen, spüren dies besonders deutlich. In bestimmten Regionen führt diese profitgierige Preistreiberei fast zwangsläufig zu Katastrophen, wenn die periodisch wiederkehrenden Dürren nicht kompensiert werden können durch Zukäufe vom Weltmarkt. So stieg etwa der Maispreis im Süden Somalias an der Grenze zu Kenia innerhalb eines Jahres um 260 Prozent, weil die Nachfrage auf Grund des fast vollständigen Ausfalls der regionalen Ernte zusätzlich weit über das normale Maß hinaus verstärkt wurde.

Diesen Missernten, die das östliche Afrika seit Langem kennt, kann auch nicht mehr damit begegnet werden, dass die Länder eine ausgeprägte Lagerhaltung betreiben. Wegen künstlich stimulierter hoher Preise, deren Druck durch eine extreme Überschuldung verstärkt wird, können diese Länder sich eine Vorratshaltung schlicht nicht mehr leisten. Auch internationale Hilfsorganisation beklagen sich über die exorbitant hohen Lebensmittelpreise auf dem Weltmarkt, wenn diese ihre Hilfslieferungen einkaufen müssen. Große Anbauflächen in der sog. "Dritten Welt" entfallen dadurch, dass seit einigen Jahren multinationale Konzerne mit europäischen Auftraggebern große Flächen nutzen, um Pflanzen zur Energieerzeugung anzubauen 4 oder reichere Länder dort sogar Flächen erwerben. 5

Foto: Dr. Lyle Conrad
Lizenz: Public Domain
Lediglich drei Prozent der Geschäfte an den Rohstoffbörsen haben noch einen realen Hintergrund, sprich: ein Händler kauft Ware auf und lässt sich diese auch in ein Lagerhaus liefern und verarbeitet oder verkauft diese von dort aus. Alles andere sind inzwischen spekulative und optionale Geschäfte. Bei einem Mindesteinsatz von 100.000 Euro versprechen und realisierten Rohstoffonds eine jährliche Dividende von fantastischen 18 Prozent. Es besteht ein kausaler Link zwischen dem Profit hier und dem Tod dort.

"Chancenkontinent Afrika"


Die UNO warnt schon seit Monaten vor der sich zuspitzenden Situation in Ostafrika: 12 Millionen Menschen sind dort derzeit akut vom Hungertod bedroht. Kanzlerin Angela Merkel tourte vor etwas über drei Wochen durch Afrika, fädelte dabei allerlei Waffendeals ein und fabulierte vom "Chancenkontinent Afrika". Die deutsche Regierung jedoch, immerhin getragen von einer Partei mit dem Begriff "christlich" im Namen, speist Ostafrika insgesamt mit 30 Millionen Euro ab. Die Summe entspricht gerade einmal drei Prozent der von der UNO geschätzten notwendigen Hilfe.

Dabei wurde erst durch öffentlichen Druck die Hungerhilfe für Ostafrika von einer auf 30 Millionen Euro erhöht. Im Verhältnis zu den "Milliarden für die Rettung der Banken und angesichts der Not der Menschen in Ostafrika ist dies nicht mehr als eine symbolische Hilfe", kritisiert Heike Hänsel von der LINKEN Bundestagsfraktion.

Selbst dieser Betrag steht in keinem Verhältnis zur ökonomischen Potenz Deutschlands, zumal die Bundesregierung erst vor einigen Tagen verkündete, den libyschen Rebellen kurzerhand einen Kredit von 100 Millionen Euro zu gewähren -“ vermutlich für illegale Waffenkäufe in Frankreich oder der Schweiz. Man muss sich nachgerade schämen für eine solche Regierung.

Jean Ziegler bilanziert mittel- und langfristig: "Es kommt nicht darauf an, den Menschen in der Dritten Welt mehr zu geben, sondern ihnen weniger zu stehlen." 6

Anmerkungen


Lutz van Dijk: Die Geschichte Afrikas. Frankfurt/Main 2004. S. 16.
Frankfurter Rundschau vom 26.07.2011
Sahra Wagenknecht und Niema Movassat, MdB der Fraktion DIE LINKE: Spekulationen auf Nahrungsmittel verbieten (Video); Zahlen: Monitor: Wetten auf Nahrung (pdf-Datei)
Hintergrund I/2011: Palmöl - Die indonesische Tragödie. In diesem Artikel wird der Fokus zwar nicht auf die Frage eines konkurrierenden Anbaus von Energiepflanzen für den Export versus Nahrungsmitteln für die einheimische Bevölkerung behandelt, so doch die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die sozialen, ökonomischen und ökologischen Folgen der Energiepflanzen gut dargestellt. Matthias Berninger, der GRÜNE Staatssekretär im Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerium, sprach übrigens 2005 in Bezug auf Agrardiesel von der "grünen Zapfsäule". In: Berliner Zeitung vom 09.09.2005.
Dieses Phänomen wird Land Grabbing genannt. Vgl. den Eintrag in: de.wikipedia.org
Jean Ziegler: Das Imperium der Schande. München 2005 (Umschlagsseite); Vgl. a. Jean Ziegler: Nicht gehaltene Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele, 24.07.2011 (Süddeutsche Zeitung)


Erstveröffentlichung bei http://uweness.eu/kapitalismus-toetet.html
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