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Prozess gegen Nazigegner in Heilbronn

Achung! Terminänderung!


Der Anwalt des Beklagten bekam die Ladung zu spät von Gericht zugeschickt, weswegen er den Prozesstermin verschieben ließ. Der neue Protzesstermin ist nun am 13.10.2011 um 14:30. Er hatte sich an den Aktionen gegen den Naziaufmarsch am 1.Mai in Heilbronn beteiligt.

Zu dem Fall eine Pressemitteilung des Aktionsbündnisses gegen Rassismus und Faschismus "Heilbronn Nazifrei":

Am Dienstag, den 2. August 2011, wird um 10.00Uhr vor dem Amtsgericht Heilbronn (Saal 148) ein Prozess gegen einen Antifaschisten stattfinden. Ihm wird vorgeworfen, bei den Protesten gegen den Naziaufmarsch am 1.Mai 2011 in Heilbronn ein Polizeigitter überstiegen und gegen die darauf folgenden Übergriffe durch Polizeibeamte Widerstand geleistet zu haben.

Der Naziaufmarsch am 1.Mai wurde von Stadt und Polizei mit allen Mitteln durchgesetzt: im Vorfeld wurden antifaschistische Kundgebungen verboten und friedliche Blockaden als „Gewalttaten“ diffamiert und schließlich machte ein martialisches Aufgebot von 3900 Polizisten mit der Absperrung ganzer Stadtteile und der Ingewahrsamnahme und Einkesselung hunderter GegendemonstrantInnen den Faschisten den Weg frei. Diese Kriminalisierung von engagierten NazigegnerInnen wird jetzt fortgesetzt, indem einzelne herausgegriffen und vor Gericht gestellt werden. Wir solidarisieren uns mit dem angeklagten Antifaschisten und rufen dazu auf, den Prozess zu besuchen und zu beobachten.

Dazu erklärt unsere Pressesprecherin Lena Hornung: „Der Prozess am 2.August ist ein weiterer Versuch, den aktiven Widerstand gegen die menschenverachtende Propaganda der Nazis als illegitim und kriminell darzustellen. Illegitim sind aber nicht diese antifaschistischen Aktionen, sondern die Maßnahmen, die die Stadt und die Polizei am 1.Mai ergriffen haben, um den Faschisten ihren Aufmarsch zu ermöglichen und sie von jeglichem Protest abzuschirmen. Wir bleiben dabei: Wenn Nazis aufmarschieren, ist es unbedingt notwendig, sich ihnen in den Weg zu stellen!“

Stuttgart: Solidarität mit angeklagtem Antifaschisten!
Erklärung des Stuttgarter Bündnisses für Versammlungsfreiheit

Historikerstreit: Spülwasser im Cocktailglas! Bitte Selbersaufen

Zum Buch "Singuläres Auschwitz? Ernst Nolte, Jürgen Habermas und 25 Jahre "Historikerstreit"", herausgegeben von Matthias Brodkorb in der Reihe: Endstation Rechts 3, erschienen im Adebor-Verlag.

Um es gleich zu sagen: Überflüssiges Aufwärmen ältesten Waschwassers. Neues ist nicht zu erfahren: weder über Noltes angebliches Recht noch über Habermasens Unrecht.

Interessant dabei nur eins: die Frankfurter Allgemeine hatte seit Jahren dem einstigen Favoriten Nolte die kalte Schulter gezeigt. Nun erübrigt sie ziemlich viel Raum, um dem größten Schreihals unter den Beiträgern des Sammelbands -“ Egon Flaig -“ Platz für lärmende Breitseiten gegen Habermas einzuräumen.

Woher der Meinungswechsel?

Worauf sie bei der FAZ aus sind, muss dahingestellt bleiben.Worauf es Brodkorb ankam, dem verdienstvollen Bekämpfer aller Extremismen, vor allem des eingebildeten von links, war wohl Ansehensgewinn. Vorboxen in die erste wissenschaftliche Reihe. Deshalb sein unendlich umständlicher Andeutungsstil, dem alten Nolte peinlich abgeschaut. In der Hauptsache geht es ihm darum, dass Habermas eines drüber bekommt. Brodkorb greift nicht etwa den allerlahmsten Begriff Habermas' an: “Verfassungspatriotismus-. Hätte es den wirklich mal gegeben, also Anhänglichkeit an die rechtlich gefasste Freiheit, hätten alle 1989 aufjaulen müssen, als die wichtigsten Bestimmungen des Grundgesetzes über Bord geworfen wurden - durch Trick und Erpressung einer Volkskammer. So ohnmächtig Habermasens Zielvorstellungen vom Verfassungspatriotismus heute wirken, in einem Punkt hatte er auf jeden Fall recht. Dass nämlich Nolte und die anderen angegriffenen Historiker Hilfsbataillons darstellten im Kampf für Kohls "andere Republik". Für den Rückweg zum neuen Nationalismus, wie er sich inzwischen als quasi selbstverständlich durchgesetzt hat.

Was dem Aufwärmer kalt gewordener Streitigkeiten äußerst missfällt, ist die Weigerung des Philosophen Habermas, am Brodkorb mitzunaschen. Das wird als Charakterfehler erkannt und gemäß der Nikomachischen Ethik des Aristoteles verurteilt (Brodkorb ist wie Flaig Gräzist und zitiert anfallsweise auf griechisch). Dafür kann Brodkorb mit Nolte zusammen in wohligem Dunkel den Grundgedanken von Hitlers sekundärer Antwort auf Stalins (eigentlich Lenins-) Erstschlag ausbreiten. Kein klarer Standpunkt - alles Meinung, Fragen. Wie Hannah Arendt beim ersten Besuch in Berlin nach dem Krieg feststellte: Alle Tatsachen waren verschwunden. Es gab nur noch Meinung. Auch Nolte - in die Defensive getrieben - kennt in einem seiner letzten Bücher (Streitpunkte) nur noch Fragen. Ausgelegt auf dem Wühltisch für Nackte. Und andere Bedürftige. Im traulichen Gespräch mit Brodkorb wird alles aufgetragen. Der moniert manchmal zart, mit einem Zitatenzettel in der Hand. Und immer noch geht es um die "Singularität".

Singularität der deutschen Verbrechen


Singularität - Einmaligkeit. Warum soll es so wichtig sein, was anderswo - in anderen Ländern und Zeiten - an Schlimmem passiert ist? Und für wen? Einmaligkeit interessiert den einzelnen Menschen, weil er nur einmal lebt. Wurde ich von Mongolen im zwölften Jahrhundert gepfählt? Traf mich der Schwertschlag als Gegner der englischen Revolution? Verreckte ich im Schlamm eines Schützengrabens? - Was kann mich da kümmern, was anderen passiert? Mich trifft der Schlag auf jeden Fall unwiderruflich. Mein Bewusstsein erlischt. Für mich ist der Film aus. Wenn alles, was geschieht, in einem einzigen, unwiederholbaren Leben geschieht, dann ist nichts verrechenbar. Auf dieser Ebene läuft die Theorie Noltes (Hitler schlimmer oder nicht so schlimm wie Stalin) und anderer von vornherein ins Leere. Eine andere Bedeutung könnte "einmalig" gewinnen, wenn wir den Ausdruck in die geschichtliche Entwicklung stellen. Den Athenern Flaigs - im selben Band - kann Männerherrschaft und Frauenunterdrückung kaum vorgeworfen werden: In der geschichtlichen Umwelt gab es nichts anderes. Wenn aber nach Jahrhunderten der Aufklärung und angeblich christlicher Gesinnung ganz offiziell die Ungleichheit der Menschen - vor aller Ohren - verkündet wird, dann wird eine Entwicklung nicht nur zurückgenommen, sondern ein Versprechen gebrochen. Und nicht nur in Meinungen, sondern in Handlungen, die - lange vor Auschwitz - weithin gebilligt wurden. Den einmaligen Bruch in diesem Sinn nicht mehr geschehen zu lassen, ist dann freilich etwas, das jede und jeden angehen sollte, denen die Einheit der Menschheit - die gemeinsame Menschwerdung - am Herzen liegt.

Noltes Fall

Das in gewissem Sinn Erschütternde am Weg Noltes ist der Bruch in seiner eigenen Lehre. 1963 als sein Buch Der Faschismus in seiner Epoche herauskam, war das wirklich ein großer Wurf. Ich damals Assessor hatte mühsam mit Bracher vom Machtvakuum geredet - und damit allerhöchstens erklärt, dass die Lehre von "checks and balances" nicht funktioniert. Nolte mit seinem Buch verschaffte allererst das gute Gewissen, von einer einheitlichen europaweiten Bewegung namens "Faschismus" sprechen zu dürfen. Zugleich damit die Anerkennung, dass Antifa-Kampf gegen Faschismus international immer noch seine Berechtigung hatte. Das Unglück Noltes: Während er geistesgeschichtlich richtig die Verwandtschaft aller europäischen Faschismen herausarbeitete, und damit eine mehr oder weniger aktive Tätergruppe benannte, können Noltes spätere Beschuldigungen nicht einmal alle deutschen Nazis, sondern am Ende nur die einsame Person Hitlers betreffen. Dass Hitler die Rattenphobie aus irgendwelchen Gruselkrimis über Russland aufgeschnappt hatte, mag ja so gewesen sein - oder auch nicht. Nur: Wer hatte solche Phobien noch? Umgekehrt gedacht: Was trieb die vielen Vernichtungsbetreiber an, die keine Rattenphobie hatten und doch enthemmt mordeten? Und was ist mit den italienischen Faschisten, die zwar die Rassengesetze von Deutschland übernahmen, aber selbst nach deutschen Mit-Nazi-Urteilen es an Verfolgungseifer außerordentlich fehlen ließen?

Mit seiner Hitler-Fixierung zerstört Nolte die ehemalige Einsicht: Ja, es hatte Millionen gegeben, die Faschisten sein wollten. Auch ohne die Zentralfigur Hitler. Und die Antisemitismus-Erklärungen, die Nolte einfielen - und die Brodkorb teilweise zu teilen scheint! Gab es denn ausschließlich den östlichen Juden - den phantasierten Bolschewiken - als Feind? Man muss nur einmal die volkstümlichen Karikaturen anschauen aus der Nazizeit. In fast allen zeigt sich ein Wesen mit Doppelgesicht: Eine Hand schwenkt die Sowjet-Fahne, eine andere aber hält den Dollarbeutel hoch. Dass der Kapitalist mit dem Kommunisten - und dem Gewerkschafter - heimlich zusammenarbeiten, so sehr sie sich offen bekämpfen, gehörte zu den Grundphantasien der offiziellen Propaganda. Und passte viel besser zum Überreden einer Weltkriegsnation - "dazwischen" - als alle einseitige Beschuldigung nur der Sowjet-Union.

Das alles spielte für Nolte nie eine Rolle. Verblüffenderweise für Brodkorb auch nicht. In keinem Satz wird Noltes Rolle im ehemaligen "Bund Freiheit der Wissenschaft" erwähnt. Wer damals seine Tiraden mitbekommen hat, wird sich erinnern an Angstwut voller Ekstasen gegenüber der Studentenbewegung, nicht wie sie wirklich war, sondern wie auch sie damals vor allem als eiskalte Zerstörerin phantasiert wurde. In einem fast rührenden offenen Brief an ehemalige Schüler (Nolte war einmal Studienrat gewesen) im Merkur - aus den frühen siebziger Jahren, wie ich mich erinnere - erklärt er, dass er einer der letzten war, die die Universität noch aufgenommen hätte. Jetzt fordere Dankbarkeit von ihm, das wankende Schiff zu retten. Erst damals nahm er die Rettergebärde an, die dessen, der als letzter eine Welt der Werte zu retten hat. Erst seit der Zeit nahmen seine Schriften den angstvoll-verhetzten Zug an - und die partielle Sympathie nicht gerade für den Faschismus selbst, aber für die "Angst um die Kultur", die in dieser ganzen Bewegung angeblich wirksam geworden sein soll. Deren Angst war seine eigene.

Geisteswissenschaft reicht nicht aus

Der Ausgangspunkt der Verirrungen Noltes liegt wahrscheinlich in seinem geisteswissenschaftlichen Zugang zum Problem des Faschismus. So einleuchtend der Nachweis der geistigen Übereinstimmungen - nach Büchern, Lehrern und Lehren, Manifesten - so unzulänglich die Ursachenforschung.

Ein Begriff, den Nolte höchstens als Zitat einmal verwendet: "Imperialismus". Geht man nämlich gar nicht von den angeblich neuen Ideen aus, sondern von den durchgehaltenen Einfluss- und Eroberungstendenzen der herrschenden Klassen, stößt man sofort in Deutschland auf die "Alldeutschen" - auf Ludendorff mit seinen Anschlusswünschen gegenüber dem Baltikum und die Ukraine, auf den deutschen Wirtschaftstag 1930. Da mochten Essenzen mancher Art in den Seelenbräu geschüttet werden. Herauskommen musste immer eins: Wir brauchen das Land im Osten! In diesem grausigen Chor sang Hitler schließlich die erste Stimme. Aber es wäre beim überhitzten Kreischen eines Blähhalses geblieben, hätte die Begleitung in Bass und Sopran gefehlt. Soll das heißen, dass Eindringen in die Psyche einzelner Täter historisch auf jeden Fall verfehlt wäre? Das kann es nicht. Es muss nur von der materiellen Lage einer ganzen Schicht ausgegangen werden. Nicht: Wie ist ein unnennbares Wesen Hitler wirklich? Sondern: Wie geht der vereinzelte und verlorene mit einer Lage um, die ihn wie alle betrifft? Wie kann er - gerade er - sie so interpretieren, dass Tausende sich mitinterpretiert, miterkannt fühlen? Um nur ein Beispiel zu geben: Der Lebensweg Hitlers konnte vielen hingestellt werden als die eines besonderen Tellerwäschers zum Millionär, allerdings nicht amerikanisch gesehen als Lohn der Leistung. Sondern als Kampf, Hochstrampeln gegen finsterste Mächte, die ihn wie alle bedrohen. Ist ein Wesen einmal zu solcher Höhe hochgeprügelt worden, wird es dann seine geheimen Vorstellungen "auch noch" durchsetzen wollen, sich den Mut dazu zusprechen, sich selbst vormachen, er stelle den Inbegriff des "Volksgeistes" dar?

Das nur als Anregung zu einer ganz anderen Behandlung des Problems. Brodkorb und seine Mitarbeiter tragen nichts dazu bei.

Singuläres Auschwitz?: Ernst Nolte, Jürgen Habermas und 25 Jahre "Historikerstreit"
EUR 14,90
180 Seiten
Adebor Verlag
ISBN-10: 3980937593
ISBN-13: 978-3980937597

Weitere benutzte Literatur

Ernst Nolte 1993: Streitpunkte. Heutige und künftige Kontroversen um den Nationalsozialismus. Propyläenverlag
Ernst Nolte 1968: Sinn und Widersinn der Demokratisierung in der Universität. Rombach

Die Rezension ist eine Vorab-Veröffentlichung der Anfang September erscheinenden neunten Ausgabe von kritisch-lesen.de.

Stuttgart: Bündnistreffen gegen Naziaufmarsch in Dortmund

Am 3. September wollen Neonazis aus ganz Deutschland wiederholt zum so genannten „Nationalen Antikriegstag“ in Dortmund marschieren. Sie versuchen den Antikriegstag, der unter der Losung „Nie wieder Krieg - Nie wieder Faschismus“ eingeführt wurde, für ihre menschenverachtende Hetze zu instrumentalisieren.

Faschismus bringt Krieg, Unterdrückung und Elend mit sich und steht somit im Widerspruch zum Antikriegstag.

Im Februar dieses Jahres beteiligten wir uns an den Protesten gegen den Naziaufmarsch in Dresden. Aufgrund einer solidarischen, bundesweiten antifaschistischen Mobilisierung konnte der Großaufmarsch der Faschisten erfolgreich verhindert werden.

In den vergangenen Jahren zeigten sich die Faschisten in Dortmund äußerst aggressiv. Nach immer größer werdenden antifaschistischen Protesten in den vergangenen Jahren gibt es dieses Jahr ein neues Blockadekonzept des Bündnisses „Dortmund stellt sich quer“.

Es gilt den Faschisten am 3.September zu zeigen, dass ihre geschichtsrevisionistische Hetze nicht hingenommen wird und sie nicht marschieren werden!

Um gemeinsam mit einem breiten Bündnis eine Mobilisierung und eine Busfahrt nach Dortmund zu organisieren und dort im Rahmen des Bündnisses „Dortmund stellt sich quer“ an den Protesten gegen die Faschisten teilzunehmen, findet am Dienstag, den 2.August 2011 um 19Uhr im Linken Zentrum „Lilo Herrmann“ in Stuttgart-Heslach, Böblinger Str. 105 ein Bündnistreffen statt.

Quelle: VVN-BdA Esslingen

Weiler: Mahnwache und Kundgebung gegen Nazi-Gewalt

Seit Jahren veranstaltet das Bündnis Weiler schaut hin e.V. eine Mahnwache in Weiler (Schorndorf), nahe Stuttgart, gegen ein dortiges, überregionales Nazizentrum. Auch an diesem Freitag, 29.07.2011 um 18:30 Uhr, Schorndorf-Weiler, Lindenplatz heißt es wieder:

KEIN PLATZ FÜR FASCHISTEN! WEDER IN WEILER, NOCH ANDERSWO!
REMS-MURR NAZIFREI! Gegen den Nazitreffpunkt "Linde"!
 
Weiteres Thema: Bericht über die antifaschistische Demonstration in Eppingen vom 19.07.2011


Die "Linde" in Weiler. Foto: Thomas Trueten / arbeiterfotografie.com

Freitag, 27.05.2011, 2011, 18:30 Uhr auf dem Lindenplatz (gegenüber der Winterbacher Str. 8), 73614 Schorndorf-Weiler



Treffpunkt zur gemeinsamen Fahrt ab Stuttgart HBF: 17.45 h, S-Bahn-Gleis 102 beim Glaskasten der Fahraufsicht in der Mitte. Die S-Bahn fährt um 17.50 Uhr.



Es gilt auch weiterhin: WEILER SCHAUT HIN!
Lasst uns gemeinsam ein deutliches Zeichen gegen die Naziszene im Rems-Murr-Kreis setzen!

Stuttgart: Solidarität mit angeklagtem Antifaschisten!

Wir dokumentieren den Solidaritätsaufruf der Roten Hilfe Stuttgart e.V. für einen in Zusammenhang mit den Protesten gegen den Naziaufmarsch am 1. Mai 2011 in Heilbronn angeklagten Antifaschisten und fordern zu solidarischer Prozessbegleitung und - beobachtung auf.

Solidarität mit angeklagtem Antifaschisten!


Am Dienstag den 02. August 2011, soll  um 10:00 Uhr im Saal 148, Gerichtsgebäude 1. Stock im Amtsgericht Heilbronn dem Angeklagten der Prozess gemacht werden. Er hatte an einer Gegendemonstration gegen den  Aufmarsch des „Nationalen und Sozialen Bündnisses 1. Mai“ teilgenommen.

Für den 1. Mai hatten faschistische Gruppen aus dem süddeutschen Raum in Heilbronn eine Demonstration unter dem Motto „Fremdarbeiterinvasion stoppen“ angekündigt.

Das Bündnis „Heilbronn stellt sich quer“ rief dagegen zur friedlichen Blockade des Aufmarsches auf. In der Folge verbreitete die Polizei mit zehntausenden Flugblättern und Plakaten, dass diese Blockaden gewalttätig und damit illegal seien.

Schon in der Nacht zum 1. Mai glich Heilbronn einer belagerten Stadt: Personenkontrollen, mehrere Kilometer Absperrgitter, Polizeiketten, Polizeisperren.

Im Einsatz waren etwa 3000 Polizisten inkl. Beweissicherungs- und Festnahme Einheiten (BFE), Hunde- und Pferdestaffeln, zwei Polizeihubschrauber.  Wasserwerfer und Räumpanzer standen bereit. Zusätzlich waren 900 Beamte der Bundespolizei im Einsatz, die rechtliche Grundlage dafür ist noch unklar.

Die um 08:00 h begonnene Demonstration in Richtung des Hauptbahnhof, dem Versammlungsort der Nazis, wurde von der Polizei gestoppt und etwa 200 Menschen festgenommen. Noch am Morgen wurde eine Blockade auf der Route der Nazis von der Polizei geräumt und die beteiligten AntifaschistInnen in Gewahrsam genommen.

Minderjährige wurden festgehalten und stunden lang ohne Verpflegung, Toiletten, Sonnenschutz und Wasser auf einem Sportplatz festgehalten.

Eine für den Nachmittag angemeldete antifaschistische 1. Mai Demonstration wurde dadurch verhindert, dass die TeilnehmerInnen zum Großteil in Gewahrsam oder im Polizeikessel waren.

Die mit Zügen angereisten Gegendemonstranten wurden von ca. 1000 Polizisten   empfangen.  Martialisch wurden Menschen geschubst, mit Hunden eingeschüchtert, einige die Bahnhofstreppen hinabgestoßen; es gab Festnahmen,  Beschlagnahmung von Fahnen etc.

Direkt vor dem Hauptbahnhof wurden die AntifaschistInnen schließlich ab 10:15 eingekesselt. Die etwa 750 Nazis reisten mit mehreren Zügen an und wurden direkt am Hauptbahnhof über einen abgesperrten Ausgang zu ihrer abgeschotteten Auftaktkundgebung geleitet.

Dem angeklagten Antifaschisten wird nun vorgeworfen die Gitter, beim Kessel am Hauptbahnhof überstiegen , und  gegen die folgenden Übergriffe der Polizei Widerstand geleistet zu haben. Zudem soll sich angeblich ein Polizist am Handrücken eine Schürfwunde zugezogen haben, nachdem der Antifaschist selbst von mehreren Polizisten brutal zu Boden gerissen, gefesselt und verletzt wurde.

Wir sehen hier das übliche Muster der Polizei und Justiz, Aufmärsche von Nazis werden geschützt, Antifschismus kriminalisiert und verfolgt, und die Tatsachen verdreht.

Nicht der Widerstand gegen den Faschismus, das Blockieren oder die  Überwindung  von Absperrungen  ist illegitim, sondern die Freiheitsberaubung, Einschüchterung und Übergriffe der Polizei auf Antifaschisten sowie der Schutz des Aufmarsches der Nazis, die ungehindert ihre rassistische, antisemitsche und faschistische Propaganda, inklusive zeigen des Hitlergrußes, verbeiten durften.

Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen! Für Nazis darf es deswegen kein Recht auf Versammlungsfreiheit geben.

Darüber hinaus fordern wir die Einstellung sämtlicher Verfahren in Zusammenhang mit den antifaschistischen Protesten am 1. Mai.

Kommt zum Prozess am 02. August, 10:00 Uhr, Saal 148, Amtsgericht Heilbronn, Wilhelmstr. 2-4 !

Broder: Maikäfer auf dem Rücken. Sechs Beine im Hände hoch!

Nach Oslo liefen alle Experten zur Höchstform auf: die wüsten Islamisten. Als das nichts war, waren die gleichen schnell bei der Hand: ein Irrer. Den kennen wir auch schon. Als Hilfspersonal. Der Irre von Bagdad, der von Tripolis, für Ältere: der von Berlin.

Irre sehr nützlich: die gehen uns andere nichts an.Die sind halt so. Mordlust an sich. Also wegsperren und den Schlüssel wegwerfen (Schröder) Dann sind wir das Problem wieder los. Bis zum nächsten Mal.

Nach allem, was man hört,hat sich der Attentäter jahrelang aus dem umschwirrenden Gedankengut bedient,das eben von denen ausgegeben wurde, die jetzt als Irrsinnsexperten auftreten.

In einem umfassenden Artikel im Feuilleton der FAZ hat Hans Hütt den Zusammenhang ausgeleuchtet, ganz im Gegensatz zu Redakteur Hefty, der vorne im politischen Teil des Vortags treulich mit den Wölfen heult und Wahnsinn diagnostiziert.

Wie zum Beispiel auch Broder. Das hat einige Blasen geworfen in den Kloaken der "Achse des Guten".

Broder selbst bekennt, dass sein Geschreibsel an nichts schuld sein kann.Bei dem Mann in Oslo handelt es sich einfach um "Spaß am Töten". Er selber macht sich allenfalls Sorgen um Ersatzteile für seinen Oldtimer. Sonst geht ihn das Ganze nichts an.

Sogar der treue Mitarbeiter Hannes Stein fühlte sich beunruhigt.In einem früheren Augenblick der Erkenntnis schildert er recht genau die Hintergrundgedanken der Leute, die den Humus bieten für solche Attentäter. Am 19. Mai 2009 wusste er noch:

"Unbedingte Solidarität mit dem Staat Israel. Die Solidarität gilt allerdings nicht konkreten Israelis -“ im Zweifel eher säkularen Juden, die am Strand Matkot spielen -“, sie gilt dem heroischen Idealbild des jüdischen Staates als einer belagerten Festung vor den Toren Europas.
Das Grundproblem bei diesen Leuten ist, dass sie nicht von Liebe (Liebe zum Westen, zur Freiheit, zur amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, zum deutschen Grundgesetz, zum Lincoln-Memorial in Washington, zu Moses, zu Jesus, zur Strandpromenade von Tel Aviv, zu Chummus in der Altstadt von Jerusalem, zu jenem kunterbunten Durcheinander von Meinungen und Traditionen, das Amerika heißt) angetrieben werden, sondern vom Hass. Nicht von der Wut, wohlgemerkt -“ die kann ja, wie bei Oriana Fallaci, ihren eigenen Charme entfalten (hier ein schöner islamophober Text von Alan Posener). Nein, was einem auf diesen Internetseiten entgegenschlägt, das ist schwarzer, zeternder Hass. Ich habe übrigens den Verdacht, dass auch das Bekenntnis solcher Leute (nee, keine Namen) zum Christentum nicht echt ist. Die christliche Religion ist hier nur insofern gut, d.h. nützlich, als sie das Abendland mit den notwendigen Werten versorgt."

Das als Punkt fünf einer auch sonst überzeugenden Charakteristik der Sorte, die Stein so verabscheut. Nur: Welcher fleißige und leidgeprüfte Leser von "achgut" wird hier nicht punktgenau alle Züge seiner Qual-Lektüre wiedererkennen?

Da wird es wohl bald zu eng werden für Hannes Stein. Hinzukommt,dass genau einer der von ihm Angesprochenen, - Uli Sahm - es für nötig hielt, an verseuchter Stelle auszubreiten, dass die Jugendlichen im norwegischen Camp, in dem dann geschossen wurde, sich für einen eigenen Staat Palästina ausgesprochen hätten. Und der Ministerpräsident sei auch am Vortag dazugekommen, und hätte das gleiche gewollt (allerdings ohne Boykott). Wer sich von innenheraus getrieben fühlt, an dieser Stelle solche Nahrung auszuwerfen für hartlippige Mäuler, der weiß, was er tut.

Trotzdem wird Broder recht behalten. Was bedeuten seine Äußerungen anderes als: Ich schreibe ausschließlich, um Aufsehen zu erregen und Schocks zu verbreiten. Bedeuten soll alles nichts. Als Leerfuchtler wird er überleben. Wir wissen jetzt: zu sagen hat alles nichts,was er zu sagen - noch - beliebt.

Keine Tat eines Verwirrten...

Faschismus ist keine Krankheit, sondern ein Verbrechen. Die These von der "Krankheit" dient der Verharmlosung, und dazu dazu, einen organisierten Zusammenhang und die systemimmanenten Ursachen für den Faschismus zu verschleiern und den antimuslimischen und antiarabischen Rassismus, die die ganzen Broders, Sarrazins und Consorten seit Jahren in sämtlichen Massenmedien herbeifaseln, schönzureden. Kein Wunder haben die europäischen Rechtsparteien kein Problem sich mit dem Argument, er sei "gewalttätig und krank" und der Einzeltäterthese zu distanzieren.

Zudem ist die Kategorisierung von "krank" im Grunde ebenfalls eine rechte Methode. Wäre Anders Behring Breivik wirklich krank: Wäre er dann für seine Tat nicht verantwortlich?

Anders Behring Breivik hat seine politisch motivierten Morde wohl jahrelang und systematisch unter den Augen der Behörden vorbereitet.

Leitsätze für bestimmte "Qualitätsjournalisten":

• Für Anschläge sind zuallererst "islamistische" Terroristen verantwortlich und die Al Quaida steckte dahinter.

• Wenn's dann doch ein faschistischer Terrorist war, ist der immer ein geisteskranker Einzeltäter. Das hat hier ja Tradition.

Zum Glück gibt es auch im bürgerlichen Blätterwald noch andere, zum Beispiel den österreichischen Standard: "Der Moslem war's!".

"(...) Die norwegische Polizei gibt bekannt, internationale Zusammenhänge als Hintergrund für die Anschläge auszuschließen und bestätigt die Verhaftung eines Verdächtigen: ein Norweger, der sich im rechtsextremen Milieu bewegt.

Eine Überraschung sollte das nicht sein: von 249 Terroranschlägen in der EU im Jahr 2010 wurden lediglich drei von Islamisten begangen. Dass alle diejenigen, die bei jeder Gelegenheit Muslime als Schuldige für alles Schlechte in der Welt zur Hand haben, nun für einen Moment innehalten und ihre Vorurteile überdenken, das darf freilich bezweifelt werden."


Hierzulande fühlen sich nichts desto trotz wieder diverse Politiker wie der innenpolitische Sprecher der Union, Hans-Peter Uhl, schon wieder dazu berufen, eine Verschärfung der Gesetze zu fordern.

Als ob die in Norwegen geltende, 6 monatige Vorratsdatenspeicherung Breivik von seinen Taten abgehalten hätte.

Kunsthistorische Führung durch die Ausstellung KRIEGSZEIT

VVN/BdA und Deutscher Freidenker-Verband laden zu einer kulturhistorischen Führung durch die Ausstellung "KRIEGSZEIT" ein:

"Erstmals seit über 40 Jahren präsentiert die Staatsgalerie ihren international bedeutenden Käthe Kollwitz-Bestand von rund 100 Zeichnungen und Druckgraphiken vollständig. Ein eindringliches Bild einer Epoche entsteht durch ergänzende Werke ihrer Zeitgenossen wie Max Beckmann, Ludwig Meidner, Otto Dix und George Grosz. Folgen und Mappenwerke der Künstler, selten im Ganzen ausgestellt, sind ebenso zu sehen wie Selbstbildnisse und andere eindrucksvolle Einzelblätter. Gemälde und plastische Arbeiten ergänzen die Zeichnungen und druckgraphischen Arbeiten."
(Staatsgalerie.de)

Do. 28.07., 17.30 Uhr Staatsgalerie Stuttgart (Die Ausstellung läuft bis 07.08.)

SPD - Troika zum Abschleppen - Karambolageleiter Dohnanyi

Sie muss wahrscheinlich nach den Berlinwahlen nachgeholfen kriegen - die bewährte Zugmaschine Merkel. Wenn der Drei-Prozent-Hilfs-Dackel abgeschnappt hat. Jedenfalls steht eine Troika aus der SPD zum Abschleppen bereit, die sich Mut macht, anderen aber große Angst. Schließlich hat Schröder die ersten Schienbeinschläge verpasst. Seither hat Rot-Gelb die Lage weiter vermasselt. Beide zusammen: Super-Horror.

Sie denken bei den SOZIALEN wieder einmal nur an Deutschland, nicht an die Partei. Wie 1914. Man hört schon Steinbrück die Vorderzähne feilen.

Das Ganze für die Karambolage vorbereitet von Dohnanyi. Die FAS hat ihm letzten Sonntag Riesenraum zugebilligt - zum Antänzeln und Hürdennehmen - trotz klappriger Knochen.

Erstmal zum wiederaufgepeppten Schnauber. Sarrazin. Freitag abend dürfen wir ihn bei ASPEKTE wieder begrüßen - als Opfer. Die schönste Rolle, die sich ein berufsmäßiger Peitschenschwinger denken kann. Nach eigener Aussage ist er "gemessenen Schritts" - "davongeschlichen wie ein geprügelter Hund". Selbstwahrnehmungsbeschwerden. Ein schwermütiges Grunzen zog wohlig durch den Stall.

Broder hatte wieder einmal Gelegenheit, heldisch und vereinsamt vorzutreten. Und gab einen unverdienten Preis zurück. ASPEKTE hatte alles so schön abgesprochen - und erntete Undank. Starke Unlust gegenüber Dauerhetze.

Buschkowsky rückte wieder nach rechts auf und vermisste "Toleranz".

Eine Seelenverwandte des Dulders erkannte für ihn an allen Türken die Begeisterung fürs "kollektive Beleidigtsein". Was Deutschen, Franzosen, Tugendbolden generell ja total fremd ist. So lässt Sarrazin in Fremdarbeit beleidigen. Er selbst hat wie immer das reine Gewissen des Wissenschaftlers.

Sein letztes Wort allerdings beim Propheten Jesaias entliehen: Wehe uns, wenn, wie viele hoffen, Kreuzberger Zustände die Werkstatt des künftigen Deutschland sind.

Vormund Dohnanyi versucht im Beitrag sein Mündel noch zu übertrumpfen. Hatte Sarrazin seine Theorie zum jüdischen Gen zwischendurch zumindest relativiert, überbietet ihn der Hamburger leichthin. Seine Begründung allerdings überholend rassistisch: das Superintelligente komme von der Inzucht unter den Juden.

Die freilich hielt Sarrazin noch - altrassistisch - für den Grund häufiger Behinderungen - allerdings nur bei Stämmen, zusätzlich geschädigt durch islamischen Glauben. Hoffentlich wird das demnächst mal geklärt.

Wuchtig Dohnanyis anderer Vorwurf gegen Gabriel und seine Verstockten. Eine Enthüllung: Der Rassismus hatte mit uns Deutschen gar nichts zu tun. Kam von den Engländern! Eine Pointe wurde noch vergessen: Darwin war auch Engländer. Also trifft alle seine Deuter und Fehldeuter in anderen Ländern keinerlei Schuld. Gut, dass wir es wissen. Hoffentlich merkt sich ein Gabriel das auch.
Das aber nur -zugegeben- stark angeschlagene Geistesfrüchte des Hamburgers. In der Hauptlinie ist er forsch. Unverkennbar auf Frontgewinn aus. Und entschlossen imperialistisch, wie gewohnt. Dazu musste er auch niemals neu nachdenken.

Seine Theorie: die SPD ist sich immer treu geblieben. (Gemeint Noske - Ebert). Sie kämpfte einmal gegen Ausbeuter und Ausbeutung. Die gibt es heute - nur im Inland? - nicht mehr. Dagegen neue Ausbeuter: im Ausland. Diejenigen, die uns Deutschen die Angebots-Chancen mindern.

Also: Wirtschaft ist inzwischen alles. "Es ist eine Welt des Kommerzes - finito". An Schröders Schlägen ist nichts zu bedauern. Schon gar nichts zurückzunehmen.

Damit ergibt sich: Steinbrück erst in die Troika, später zum Spänehobeln. Steinmeier in Ordnung. Aber Schädelknacker Steinbrück empfiehlt sich dem deutschen Masochisten doch am meisten. Und ganz wichtig: restliche Linksfrontler unbarmherzig niederstimmen. (Ausschlüsse mitgedacht, noch nicht ausdrücklich verlangt. Steinbrückler werden auch so verstehen).

Das also die Aussichten. Wenn es nach Dohnanyi geht. Er wird die Karambolage schon hinbekommen.

Reck-Malleczewen (1884-1945): Widerstand aus Massenfeindschaft - ehrenhaft und verhängnisvoll (Zum 20.Juli)

Anmerkung zum Recycling (Erstveröffentlicht bei stattweb am 18.Juli 2008): Der Mut eines jeden, der widerstand, ist bewundernswert. Nicht immer alle seine Meinungen.

An einen ganz Vergessenen soll an dieser Stelle erinnert werden. Reck-Malleczewen, aus ostpreußischer Adelsfamilie, Offizier, Arzt, Gutsbesitzer. Am Ende in Bayern als Preußenfeind und fanatischer Anhänger der Wittelsbacher-Dynastie noch 1945 nach Dachau eingeliefert, wo er starb.

Um es vorwegzunehmen: das Hauptmotiv seines Hasses auf das Nazi-Systems war Angst vor und Hass gegen das, was ihm als wühlende und wimmelnde Masse vor Augen stand.

Sein einziges äußeres Hervortreten gegen den Nazismus, wie er ihn verstand, war das Buch “Bockelson- (1937) - über die Wiedertäufer in Münster.

Als wissenschaftlich gemeintes Geschichtsbuch, mit vielen ernsthaft untersuchten Details erschienen, mit dem geheimen Sub-Text: in dem Delirium der Wiedertäufer am Ende sollt ihr - vorweggenommen - das Ende der Hitler und Goebbels erkennen. Das Buch wurde nach gewisser Zeit verboten. Reck-Malleczewen beschränkte sich - ein anderer Klemperer - aufs Tagebuchschreiben. Nur dass ihm dessen unbestechliche Genauigkeit fehlt, trotz wesentlich größerer Informationsquellen. Er fällt auf alle Latrinenparolen hinein, wenn sie nur seinem Hasswunsch entsprechen

Die Massen also sind schuld. Mit Spengler und mit einem nicht weiter bekannten Privatdozenten unterhält sich der Tagebuchschreiber. Die Dialogpartner verstehen Masse als Produkt einer reinen Mengenvermehrung, diskutiert wie heute die “demographische Explosion-, nur dass die von diesen konservativen Denkern erbittert abgelehnt, als Unglück betrachtet wird. Die rein numerische Erklärung reicht Reck-Malleczewen nicht aus für seinen Ekel und seine Empörung. Es geht ihm peinlicherweise um dasjenige, das auch seine Feinde - die Nazis - und schon ihre Vorgänger als Entartung geißelten.

“Der große Goethe hätte sein Werk verbrannt, hätte er jene Zeit geahnt, da man auch den Herybert Menzel und den Joseph Magnus Wehner als Dichter feiern würde, Friedrich hätte bei Kunersdorf den Tod nicht nur gesucht, sondern ihn ganz bestimmt auch gefunden, hätte er jene schamlose und als deutsches Schandmal zu erhaltende Plakette vorausgesehen, die ihn Seite an Seite mit einem möblierten Zimmerherrn aus der Münchner Barerstraße zeigt- [Zimmerherr = Untermieter, einer der erbittertsten Vorwürfe des Gutshausbewohners gegen Hitler] ... Ich bin weit davon entfernt, mit dieser Verschlammung und Verschlackung hoher Begriffe nur an die Nazis und den deutschen Termitenhaufen zu denken. Ich sehe, wie fast in allen Ländern der Troglodytismus [=Höhlenmenschentum] die letzten Inseln einer Kultur bedroht und wie fast allenthalben, England in seiner stoischen Haltung vielleicht ausgenommen, die Bedrohten, als stünden sie vor einem unabwendbaren Fatum, zur Kapitulation bereit sind, die sie doch durch Bekenntnis und Martyrium jederzeit abwenden könnten! Wo es sich doch nicht mehr, wie einst im Jahre 1789, um eine notwendige Evolution... wo es sich doch schließlich nur um einen Aufstand der Entarteten handelt und wo eigene Härte und Festhalten am Geist... wo nötigenfalls selbst das Martyrium den Ansturm der Bakterien aufhalten könnte- (S.140 f, Eintrag Januar 1942)

Die Sprache des Nazi ist die seines Kritikers geworden. Nur, dass er die Nazis selbst zu den Entarteten rechnet. Aber die Kategorien bleiben die gleichen.

Das Aussichtslose einer solchen Kritik liegt offen. Das Schlimme nur: Gerade diese Art Kritik an der Vermassung überlebte 1945 sehr lange. Noch die Geschichtsbücher, die mir nach 1961 als Lehrer zur Verfügung standen, erklärten alles mit den Massen, ihrer Verführbarkeit, ihrer Neigung zum rauschhaften Zusammentreten nach dem Befehl großer Männer.

Es ist sehr merkwürdig, aber muss gesagt werden: Es bedurfte eines richtigen Purzelbaums in sozialistischere Zeiten, als auf einmal das Wort von den “Massen- im bejubelnden Sinn auftauchte - “Heran zu den Massen- usw.

Dem Reck-Malleczewen hat seine manische Verachtung der Massen natürlich auch- und nebenbei- den Blick geschärft für die komische Anmaßung derer, die sich für nordische Wikinger und Nachfahren der salischen und staufischen Ritter hielten, und dabei über den Geschmack von Emporkömmlingen nie hinauskamen. Nur hat er das Wesen dessen, was er fürchtete und verachtete, nie verstanden.

Was er an den Leuten als Massenhaftigkeit verurteilte , war keine Natureigenschaft, keine Erkrankung. Es war Folge der Atomisierung, der Auflösung aller traditionellen Bindungen. Verstärkt in der Zeit des Nazismus durch die terroristische Unterdrückung und Umlenkung jeder kritischen Kommunikation zwischen den Leuten.

Marxismus, den Reck-Malleczewen und die Theoretiker nach 1945 für einfach noch einmal ein Blubbern der morastigen Massen hielten, war und bleibt der Versuch, die Atomisierten nach ihren Interessen neu zu ordnen, sie im Kampf zu gliedern und ihnen im Verlauf der Auseinandersetzungen eine eigene neue Stimme zu verleihen.

Reck-Malleczewen blieb nach dem Krieg fast vergessen. Zwei Versuche, seine Bücher noch einmal unter die Leserschaft zu bringen, endeten umweglos im Ramsch.

Aber die Denkweise dieses Unglücklichen beherrschte die ersten Jahre nach dem Krieg. Noch das unverhohlene Misstrauen gegen Referendum oder Volkswahl des Präsidenten bei den Verfassungsdiskussionen 1949 entspringt genau dieser Massenverachtung. Die so von den anderen sprachen, erwarben damit gratis ein Elitebewusstsein. Schuld am Krieg und an der Shoah waren immer die anderen. Der verkommene Führer und die grölenden Haufen, die ihm nachliefen.

Wir haben im Rahmen von stattweb von Ernst v.Salomon gesprochen, von Best und von Meinecke. Sie alle haben eines gemein. Sie sortierten das Gedankengemenge des Nazismus, nahmen ein Stück heraus und versuchten von diesem aus, sowohl das Vergangene maßvoll zu verurteilen, und zugleich von dort eine Brücke zu bauen in die Adenauerzeit der Westbindung und der Anspruchsermäßigung, was Weltherrschaft anging. Die musste damals wieder einmal ein paar Jahrzehnte warten.

Die Massenverachtung eines Reck-Malleczewin ist zwar nicht über ihn selbst, aber als Denkweise dieser Art zu einer der schlimmsten Brücken gewesen zwischen 1945 und 1955.

Quelle: Reck-Malleczewen: Tagebuch eines Verzweifelten. 1947/1966
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