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Das Mittelalter ist in das Val di Susa zurückgekehrt

Um zwei Uhr morgens herrscht in Chiomonte Stille. Nur der Mond erhellt die Nacht, von der alle wissen, dass sie die letzte vor dem Angriff der Polizei sein wird. Im Wald oberhalb der Republik Maddalena: blinkende Fackeln der Wächter, während die anderen versuchen, etwas Ruhe zu finden, der kommende Tag wird anstrengend werden. Gegen sechs Uhr werden Kolonnen von gepanzerten Fahrzeugen und Baufahrzeugen auf der Autobahn sichtbar. Dann, eine Stunde später, kommen Polizei und Carabinieri in einer Kolonne auf dem Weg von Giaglione. An der Spitze der Bulldozer, der gegen acht Uhr die erste Barrikade unter dem "Schutz" von Tränengas und Schlagstockeinsatz der Polizei das blockierte Tor durchbricht.



Die Eroberung des Berges hat begonnen. Nach etwas über einer Stunde sind die TAV GegnerInnen gezwungen, zu kapitulieren. Kurz nach neun Uhr sind alle Blockaden überwunden, der Ort, in dem die Arbeiten beginnen sollen, ist erobert.



Am 28. Juni haben über 20.000 Menschen mit einem Fackelmarsch gegen die Räumung protestiert. Unter anderem die Frühstücksblockade in Stuttgart gegen S21 zeigte sich solidarisch.



Die Räumung des Lagers zeigen die folgenden Videos (via Nullpunktfeld / "Die Schlacht von Val di Susa"):





Val di Susa: Solidaritätserklärung des S21 Blockiererfrühstücks an die NoTAV Bewegung

Proteste gegen den TAV im Val di Susa am 6. November 2005
Foto: Ocelon1444 / wikipedia.it
Lizenz: GNU Free Documentation License, Version 1.2
Gestern wurden die Blockaden im Val di Susa gegen das TAV Projekt mit Wasserwerfern und Tränengas geräumt. Heute morgen hat das Blockierfrühstück am Grundwassermanagement in Stuttgart einmütig eine Solidaritätserklärung für die AktivistInnen im Susatal verabschiedet:

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,
wir sind entsetzt über die erneute Polizeigewalt gegen eure beeindruckende Bewegung: das riesige Polizeiaufgebot, die Wasserwerfer, das Tränengas, die Zerstörung der Mahnwache. Uns erinnern die Berichte, die wir erhalten an unsere schlimmsten Erlebnisse, an den „schwarzen Donnerstag“ am 30. September 2010.
Aber die Informationen, die wir bisher bekommen haben über Aktionen wie Straßenblockaden und Proteststreiks machen uns zuversichtlich, dass ihr euch durch die erneute Polizeigewalt genauso wenig klein kriegen lasst wie wir nach dem 30.9. und wie ihr selbst bei verschiedenen Gelegenheiten. Unser Protest hat nach dem 30. 9. seine größten Demonstrationen mit über 100.000 TeilnehmerInnen erlebt, ihr habt 2005 ein von der Polizei in einem brutalen Einsatz besetztes Gelände mit einer entschlossenen Massenaktion wieder befreien können. Wir sind zuversichtlich, dass ihr auch auf diese Polizeigewalt eine angemessene Antwort finden werdet.

Wir werden euren Kampf in Stuttgart weiter bekannt machen und hoffen, mit vielen AktivistInnen zu eurem Forum von 26. bis 30. August zu kommen. Wir denken, dass wir viel von euren Erfahrungen lernen können. Zum Beispiel sind Gewerkschaften, die zu Streiks gegen Stuttgart 21 aufrufen, für uns noch Zukunftsmusik.

Unsere Proteste haben viele Gemeinsamkeiten. Unter anderem haben wir es beide mit Gegnern zu tun, für die die besseren Argumente und die Bedürfnisse der Bevölkerung und der Umwelt nicht zählen, sondern nur Macht und Profite -“ und die deshalb immer neue Anläufe unternehmen, ihre zerstörerischen Projekte gegen den Widerstand der Bevölkerung durchzusetzen. Wir wünschen euch und uns den erforderlichen langen Atem.

Alle gemeinsam gegen zerstörerische Großprojekte
Oben bleiben!

Val di Susa: "Wie im Krieg, fehlt bloss noch der Luftangriff"

Wir hatten hier und dort über die Situation im italienischen Susatal berichtet. Seit 20 Jahren protestieren die BewohnerInnen dort gegen ein Hochgeschwindigkeitsnetz, das zwischen Turin und Lyon für 20 Milliarden Euro gebaut werden soll. Vor kurzem erreichte uns eine Mail zur Mahnwache an der Maddalena. Heute früh wurde nach einer Demonstration mit 3000 TeilnehmerInnen geräumt:

"Liebe Freunde,
heute früh um 6 sind sie gekommen, mit Wasserwerfern und Tränengas, mit Wannen und Planierraupen. Unsere Barrikaden haben so einem Aufgebot nicht standhalten können. Sie haben von 3 Seiten angegriffen und sind mittlerweile auf dem Platz wo unsere Mahnwache war. Nach meinen Informationen (meine BI ist fast komplett an der Maddalena) gab es bisher keine Verletzte. Die vielen Hunderte von NO TAV versuchen im Augenblick, sich zu sammeln, nachdem sich alle mehr oder weniger im Wald zerstreut hatten, um sich zu beraten. Die Bürgermeister vor Ort, zusammen mit den Rechtsanwälten, scheine zu verhandeln, aber wir wissen ja, was das bringt. In der Zwischenzeit ist der Verkehr im Tal offensichtlich, zumindest weiter oben, blockiert, die Autobahn ist von der Polizei geschlossen.

Wie im Krieg, fehlt bloss noch der Luftangriff.

A sarà düra!
S.
"

Videos des heutigen Tages:



Weit über 2.000 Streikende bei Versicherungen - Kundgebungen in Karlsruhe und Stuttgart

Demozug über die Theodor Heuss Straße
Weit über 2.000 Beschäftigte der Versicherungskonzerne in Baden-Württemberg haben heute laut einer Pressemitteilung des ver.di-Landesbezirks Baden-Württemberg ganztägig die Arbeit nieder gelegt. Sie protestieren damit gegen die Forderung der Versicherungsunternehmen, eventuelle Lohnerhöhungen durch Kürzungen von Leistungen im Manteltarif auszugleichen. Schwerpunkte des ganztägigen Ausstandes sind Karlsruhe, Mannheim und Stuttgart. In Stuttgart gab es zwei größere Demozüge beginnend von der Allianz in der Reinsburgstraße sowie von der Allianz Uhlandstraße zum Schlossplatz. Am Schloßplatz fand eine Kundgebung statt, bei der das "Angebot" der Versicherungsunternehmer, das deutlich unter der Inflationsrate liegt, unter Beifall kritisiert wurde.

Die bisherigen drei Verhandlungsrunden für die 175.000 Beschäftigten der Branche sind am 31. Mai ohne jedes Ergebnis abgebrochen worden. ver.di verlangt eine Anhebung der Gehälter und Ausbildungsverütungen um sechs Prozent, mindestens aber 150 Euro. Darüber hinaus werden mehr Ausbildungsplätze und besserer Gesundheitsschutz für die KollegInnen gefordert

Die Unternehmerseite schlug zuletzt die ungewöhnlich lange Laufzeit eines neuen Tarifvertrages von 33 Monaten vor. Darin inclusive war eine Nullrunde von sechs Monaten vorgesehen. Die langen Laufzeiten werden in anderen Bereichen, wie der Metallindustrie von vielen IG Metall GewerkschafterInnen kritisiert: Niemand weiß, wie sich die Lebenshaltungskosten innerhalb einer derart langen Laufzeit entwickeln. Das angesichts der Protfitentwicklung in der Versicherungsbranche prekäre zuletzt abgegebene "Angebot" der Versicherungsunternehmen für die Gehälter sah eine Erhöhung ab Oktober um 2,0 Prozent und im nächsten Jahr um 1,5 Prozent vor.

Dessen Ablehnung fanden die meisten TeilnehmerInnen völlig berechtigt. Nicht nur, dass mit dem unakzeptablen Angebot eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt würde: Immer noch wird ein eventueller Abschluss bei den Gehältern durch die Versicherungsunternehmer von der Ausweitung befristeter Beschäftigung sowie von Niedriglohngruppen abhängig gemacht.

Im Streiklokal - dem DGB Haus in der Willi - Bleicher Strasse - endete der Demozug. Die TeilnehmerInnen trugen sich in die Streiklisten ab, es gab etwas zu Essen, anschließend gab es im großen Saal des Gewerkschaftshauses einen Erfahrungsaustausch und Diskussionen über den weiteren Verlauf der Tarifrunde.

Von wegen "schwerverletzt": Enttarnter Zivilpolizist war offenbar Agent Provocateur und Saboteur

Heute morgen musste ich mir manches von KollegInnen wegen der Proteste am Grundwassenanagement anhören. Sie hatten ein paar Rückfragen zu den diversen Medienberichten über die Ereignisse beim Grundwassermanagement im Anschluss an die Montagsdemo gegen S21 gestern in Stuttgart. Die Berichte der bürgerlichen Medien will ich hier nicht wiedergeben, sie scheinen im Großen & Ganzen ihre Informationen aus dem offiziellen Polizeibericht zu beziehen, laut dem ein Beamter wohl einen Arbeitsunfall hatte. Naja, er hatte ja auch nicht die entsprechende Arbeitskleidung an, sondern war in Zivil unterwegs und wollte - laut diversen Augenzeugenberichten - wohl die Menge zu Sabotageakten aufheizen.

Da die "offzielle" Darstellung von keinem unserer LeserInnen an dieser Stelle erwartet wird wollen wir hier auf ein paar Videos und Berichte bei BAA verweisen. Die KollegInnen dort sowie der AK Jura suchen weiterhin Zeugen: Bitte info@bei-abriss-aufstand.de kontaktieren oder auch die Juristen unter jura@unser-park.de.

Dem "Schwerverletzten" geht es offenbar ganz gut...



Siehe auch:

S21: Gedanken zu Blockaden und mehr

Blockade vor dem Grundwassermanagement
Der folgende Diskussionsbeitrag von Niko Zahn zu den Blockaden beim Grundwassermanagement ging uns zu:

"Seit gut neun Monaten blockieren und besetzen wir nun schon Baustellen des Projekts Stuttgart21. Ob Nordflügel, Schlosspark oder Grundwassermanagment, wir waren und sind präsent. Der Protest ist für viele von uns zum Lebensmittelpunkt geworden. Wir, die DauerblockiererInnen sind draußen zuhause.

In der Öffentlichkeit wird unser Treiben sehr differenziert wahrgenommen, aber es wird eben wahrgenommen und fast alle fühlen sich zu einer Stellungnahme berufen. Viele Menschen nenne unsere Form des Protestes etwas empörend, lächerlich, mutig, verrückt oder sogar radikal. Ich nenne sie gesund.

Sicherlich ist es auf den ersten Blick kein sonderlich konstruktiv anmutender Ansatz, mit Besetzungen und Blockaden Baufortschritte zu verzögern, die von derart kleinen Gruppen wie uns niemals verhindert werden können. Gewiss verstoßen wir kontinuierlich gegen (geltendes) Recht und Ordnung. Genau das, unsere Weigerung (der zivile Ungehorsam), uns formal demokratisch beschlossenen Übereinkünften nicht unterzuordnen, bringt uns die schärfste Kritik ein. Sowohl von Befürwortern als auch von Gegner des Projekts. Kooperation gilt als primäre Burgerpflicht in unserer demokratischen Gesellschaft. Dennoch, wer sich einer Verwaltung unterordnet, die er trotz aller Kooperationsbereitschaft nicht ernst nehmen kann, kann sich selbst nicht mehr ernst nehmen. Und wer sich selbst dauerhaft nicht ernst nimmt, ist krank.

Kein Gutachter, kein Experte hat jemals die Existenz der in Verbindung mit S21 stehenden Risiken geleugnet. Und diese sind vielseitig, egal ob geologisch, ökologisch, logistisch oder ökonomisch, niemand möchte sich so weit aus dem Fenster lehnen zu behaupten, sie könnten keinesfalls eintreten. Der Dissens zwischen den Einschätzungen der Sachverständigen besteht in erster Linie in der Frage über die Eintrittswahrscheinlichkeit der genannten Risiken.

Bemerkenswert ist an dieser Stelle, dass die von Projektbetreibern zitierten Experten die Wahrscheinlichkeit derart gering einschätzen, dass praktisch nichts schief gehen könne. Wie im Fall Fukushima.

Dort ist geschehen, was in der Augen vieler hochqualifizierter Fachkräfte mathematisch betrachtet für „unmöglich“ betrachtet wurde. Und trotzdem ist es passiert. Und wer bezahlt in solchen Fällen? Nicht etwa die Konzerne, die Bevölkerung, der nicht geholfen werden kann. Was auch noch Jahrzehnte später passiert, wenn z.B. Kinder auf die Welt kommen, sieht man am Beispiel Tschernobyl.

Wie soll ein vernünftiger Mensch eine Politik ernst nehmen, die bei ihren Auftraggebern solche Fahrlässigkeiten zulässt? Wie kann man einen Rechtstaat respektieren, dessen Gerichte eine solche Fahrlässigkeit einseitig unterstützen?

Das ganze System ist darauf ausgerichtet, dass wir uns unterordnen. Die Schusters und Mappi fordern von uns ein, dass wir uns nicht mehr ernst nehmen. Die Herren Herrenknecht und Grube nehmen wohlwollend in Kauf, wenn Menschen krank werden bzw. krank sind. Kurzfristiger Profit rechtfertigt für sie alles.

Und doch besetzen und blockieren wir weiter, denn wir wollen gesund sein. Wir werden uns weiter ernst nehmen. Darüber hinaus zeigen wir einer breiten Öffentlichkeit, dass es an der Zeit ist, vehement für einen Staat einzutreten, dessen Handeln von Transparenz und Verantwortungsbewusstsein geprägt ist. Für einen Staat, der seine Bürgerinnen und Bürgen ernst nimmt. Indem also das Allgemeinwohl mehr zählt, als der kurzfristige Profit. Menschen sollen nicht mehr vermeidbaren Katastrophen und den damit verbundenen Notlagen wie Beispielsweise momentan in Japan ausgesetzt sein. Und wir machen alle interessierten Menschen auf eines aufmerksam.

Wir können nur deshalb die Baustelle am Grundwassermanagment nicht verhindern, weil wir zu wenig sind. Wir appellieren an Sie, treten Sie für Ihre Interessen aktiv ein!"
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