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1. Anarchistische Buchmesse Mannheim vom 8. bis 10. April 2011

1. Anarchistische Buchmesse in Mannheim am 09. und 10. April 2011

Programm zur 1. anarchistischen Buchmesse Mannheim vom 8. bis 10. April 2011 - Schlafplatzbörse uvm. auf der Webseite zur Buchmesse.


Freitag, 08.04.11
Jugendzentrum „Friedrich Dürr“ in Selbstverwaltung
Käthe-Kollwitz-Straße 2-4 (am Neuen Meßplatz)

Eröfnungskonzert mit:
Guts Pie Earshot
The Aliçka Problem

Außerdem wird vor Ort die Schlafplatzbörse organisiert. Schlafsäcke und Isomatten mitbringen!

Samstag, 09.04.11
Jugendkulturzentrum FORUM
Neckarpromenade 46, 68167 Mannheim

Beginn der Messe:
09.00 Uhr
Programm:

10.00 Uhr
Raum 1:
„Von Jakarta bis Johannesburg -” Anarchismus weltweit“
Lesung mit Sebastian Kalicha

11.30 Uhr

Raum 1:
„Abel Paz. Biographie“
Lesung mit Andreas W. Hohmann
Raum 2:
„Radikal Mutig“
Lesung mit Hanna Poddig

13.00 Uhr
Raum 1:
„Politik oder Klasseninteressen? Zum Verhältnis von Anarchismus und
Marxismus“
Vortrag mit Roman Danyluk
Raum 2:
„Beruf: Hure“ von Lily Zografou
Lesung mit dem Übersetzer Ralf Dreis

14.30 Uhr
Raum 1:
„Kritik an Knast und Strafe -“ von einem frisch Entlassenen“
Vortrag mit Jörg Bergstedt
Raum 2:
„Staudamm oder Leben! Indigene gegen großindustrielle Anlagen am Beispiel
von 30 Jahren Kampf an der Narmada/Indien“

Lesung mit Ulrike Bürger

16.00 Uhr
Raum 1:
„Abend in der Stadt. Der Kampf um Wohnraum im Kapitalismus“
Diskussionsveranstaltung der „Direkten Aktion“
Mit Holger Marcks & Sebastian Frei
Raum 2:
„Lebensunwert? Paul Wulf und Paul Brune
NS-Psychiatrie, Zwangssterilisierung und Widerstand“

Lesung mit Bernd Drücke

17.30 Uhr
Raum 1:
„Anarchie und Tierrechtsbewegung“
Vortrag mit Lou Marin
Raum 2:
„90. Jahrestag des Mitteldeutschen Aufstandes“
Vortrag mit Bernd Langer

19.00 Uhr
Raum 1:
„Ja! Anarchismus“
Lesung mit Bernd Drücke
Raum 2:
„Das Frauenkommunebuch: Alltag zwischen Patriarchat und Utopie“
Lesung mit A. Glenk, B. Hapke-Kerwien, A. Kraus, D. Krutisch

Ab 20.00
Abendprogramm:
„Die Wirklichkeit zerreißen wie einen misslungenen Schnappschuss!“
Anarcho-Poetry mit Michael Halfbrodt und Ralf Burnicki
Danach: LIVEMUSIK mit:
Berlinska Dróha

Sonntag, 10.04.11
Jugendkulturzentrum FORUM
Neckarpromenade 46, 68167 Mannheim

Beginn der Messe:
09.00 Uhr
Programm:

10.00 Uhr
Raum 1:
„Ausgewählte Schriften Gustav Landauers. Band 4: Nation, Krieg, Revolution.“
Lesung mit Siegbert Wolf

11.30 Uhr
Raum 1:
„Anarchie und Sex“
Vortrag mit Rudolf Mühland
Raum 2:
„Die Füchse der Ramblas“
Lesung mit Oliver Steinke

13.00 Uhr
Raum 1:
„Kollektivarbeit“
Vortrag mit dem Café Libertad Kollektiv
Raum 2:
„Die Situation der Flüchtlinge in Calais“
Vortrag mit CalaisMigrantSolidarity

14.30 Uhr

Raum 1:
„Anarchie -“ ein Update ist nötig!“
Thesen zu einem noch nicht veröffentlichten Buch mit Jörg Bergstedt
Raum 2:
„Woher der Wind weht“
Lesung mit Guido R. Schmidt

Westerwelle: Napoleonische Rückkehrphantasien?

Dr. Philipp Rösler
Foto: Fdp NDS
Lizenz: Creative Commons-Lizenz Namensnennung 3.0 Unported.
Sie sind so einig bei der FDP. Sie haben den Ältesten unter den Jungen ausgeguckt. Der soll wieder aufwärts führen. Aus den Engen der Fünfprozent. Rösler, der Grüß-Gottsager. Der Allversteher. Der Schulterklopfer. Girlandenflechter aus verwelkten Blüten der Freiheitslyrik.

Bei der FDP kommt es schon lange nicht mehr auf überprüfbare Veränderungsabsichten an. In irgendeine Richtung. Wie beim Fernsehen - nur noch auf Optik. Optische Erfüllung verbreiteter Wünsche. Westerwelle hatte vor allem die Aggressiven zu befriedigen. Optisch, versteht sich. Zu mehr reicht es nicht. Heiser geröchelt: Ihr kauft mir den Schneid nicht ab! Tausend Zuschauersessel erbebten zum letzten Mal. Dagegen kommt eine Lachlerche wie Rösler niemals an.

Warum dann diese Wahl zulassen? Die Kumpel im Parlament haben alle nichts gelernt außer Selbstdarstellung. Der Arsch auf Grundeis träumt Frühling - die Augen voller Sorgentränen.

Dass Westerwelle unter gleicher Kurzatmigkeit leidet, ist kaum anzunehmen. Er hat bei Möllemann gelernt. Das heißt bei einem, der auch Katastrophen in den Kalkül miteinbezieht.

Westerwelle ist zuzutrauen, dass er den Untergang seiner Partei miteingerechnet hat. Nicht nur der seinen. Anne Will am Sonntag hat gezeigt, dass auch Seniorchef Henkel nicht weiter weiß als: Weitermachen. Positionen behaupten, so lange es eben geht. Ich Brücke - Du Krücke - wir alle: Lücke. Oder auch umgekehrt.

Es ist Westerwelle zu unterstellen, dass er mit dem grausigen Untergang beider Koalitionsparteien rechnet. Spätestens 2013. Dann - jetzt beginnt der Phantasie-Teil - wird er wiederkommen. Napoleon, schnaubend aus Elba zurück. Dann voll auf Möllemann-Kurs. Im Bund mit abgesprungenen Rechten aus CDU/CSU. Mappus - Messer-im-Maul - immer voran. Er wird behaupten, den Liberalismus neu zu erfinden. Es wird zwar nur zum uralten der National-Liberalen reichen - aber immerhin. Eigentum plus Staatsgewalt. Staatsgewalt in Vollformat. Für Andersdenkende dann machtgeschützte Innerlichkeit - oder eins in die Fresse. Dann noch einmal: Ihr-kauft-mir-den-Schneid-nicht-ab. Aber mit Stiefelgetrappel im Hintergrund.

Könnte bei der zu erwartenden verschärften Krise 2013 schon klappen. Die jetzige Wirtschaftsblüte besteht ja nur im Differentialgewinn zwischen dem einen Prozent Schuldzins bei GEZ - und den bis zu zehn Prozent Ausleihkrediten bei anderen. Muss wegen Inflation beim Grundzins was geändert werden, bläst sofort ein eisiger Wind - und alle Sonnenblumen sind Pusteblumen geworden.Dann ist die Stunde des Zähnefletschers gekommen.

Wahrscheinlich nur kurz. Bei Nap nach Elba reichte es auch nur für hundert Tage. Mal gucken, wie lange dieses Mal. Und was danach kommt?

Solche Fragen darf sich freilich der Schlaue unter den Mitläufern im Trappelgalopp nicht stellen. Hauptsache erstmal: Voran. Den zweiten Schritt nach dem ersten oben behalten, wo bei anderen der Kopf sitzt.

"Leidenschaft"- Keuschwort für Bereitschaft zu Überstunden und politischem Vorfühlen

Die "Berliner Zeitung" gedenkt, die Hauptteile der Redaktionsarbeit in Berlin zu bündeln und entsprechend Stellen in Frankfurt bei der dortigen "Rundschau" einzusparen. Angeblich wegen der Finanzkrise, die oben bei Merkel immer schon erledigt ist, unten für allerlei immer noch herhalten muss.

Die bedrohten Redakteure versuchen sich zu wehren. In jener schamhaften Weise, wie das in gebildeten Kreisen heute zu geschehen hat. Sie sehen die "Leidenschaft" in Gefahr. Ihre Leidenschaft, die sich nicht wie früher bei Goethe mehr privat libidinös auszuleben hat, sondern angeblich unaufhörlich in die Berufsarbeit eingedrungen ist.

"Leidenschaft" - inzwischen eine Zugabe, die wir bei jedem Einkauf zu erwarten haben. Meine  Tüten aus der Backstube "peters.gutebackstube" enthalten zum Beispiel immer die Mitteilung, dass dort mit "Qualität und LEIDENSCHAFT" gearbeitet wird. "Unsere Leidenschaft", heißt es weiter auf der Tüte, "spiegelt sich wider in der Liebe zum traditionellen Backhandwerk...So geben wir unseren Teigen viel Zeit zum Reifen..."

Die Anspielungen auf den  überlieferten Bildungsroman sind unübersehbar.

Woher die Herzwärme? Der Überschwang? Karl Kraus wehrte sich schon gegen die Werbung von Cafés mit ihrer Gemütlichkeit. Gemütlich wollte er schon aus eigener Kraft bleiben, so weit möglich. Gemütlich reicht für den heutigen Kunden nicht mehr aus. Ohne Leidenschaft geht gar nichts. Nur Ware ist zu wenig. Ein wenig Einwickelpapier fürs Gemüt ist unerlässlich.

Real bedeutet es leider für die Hervorbringerinnen und Hervorbringer von Käsestrudeln und Kleinartikeln Bereitschaft zu unbezahlten Überstunden. Und vorwegeilender Gefälligkeit in der Beurteilung der Lage.

Warum das dann nicht gleich sagen? Als die dju noch selbständiger war als heute - als Teilbetrieb in anderen Gewerkschaften - wurde noch offen gefordert: Keine Kündigungen! Gegen unbezahlte Mehrarbeit!
 
Es wirkte auch damals nicht immer. Aber es trug bei zu etwas, das jeder Medienkritik vorausgehen muss: zum Willen zur Klarheit. Zum offenen Aussprechen dessen, was Leserinnen und Leser als ihre, unsere, gemeinsame Angelegenheit verstehen können. Überstunden kennt jeder. Sie bedrohen alle. Bei Leidenschaft ist man am müden Feierabend schon ziemlich aufgeschmissen. Persönlich würde ich gerne tauschen zwei Kilo Leidenschaft gegen zehn Gramm Genauigkeit.

Blogkino: Frankenstein's Daughter (1958)

In unserem heutigen Beitrag der Reihe Blogkino zeigen wir "Frankenstein's Daughter" aus dem Jahr 1958. Auch zwei Generationen nach Victor ist die Familie Frankenstein voll mit der Erschaffung künstlichen Lebens ausgelastet. Sein Urenkel Oliver hilft dem senilen Carter Morton bei seinen Experimenten. Ohne dessen Wissen ist Oliver, der inkognito unterwegs ist und seinen Familiennamen zur Tarnung in "Frank" abgekürzt hat, nach alter Großväter Sitte in einem geheimen Raum damit beschäftigt, aus den Teilen Verstorbener einen Menschen zusammenzuschrauben. Zugleich lässte er aber auch Mortons Nichte Trudy Nachts entstellt durch die Gegend rennen. Für das Monster fehlt nur noch ein mehr oder weniger entscheidendes Teil - ein Kopf. Wie gut, dass Trudy eine Freundin - Suzie hat...

Rechte Kleptomanie?

In diesem Sammelband finden sich neben profunden Analysen zu den vermeintlichen Übernahmeversuchen von Inhalten, Ausdrucksformen und Strategien seitens der extremen Rechten sehr ergiebige Ansätze für offensive linke Politik.
Die Übernahme von vermeintlich linken Themen, Codes und Strategien durch extreme Rechte ist kein neues Phänomen, dennoch scheint die Problematik in letzter Zeit innerhalb der Linken nicht nur durch sogenannte Autonome Nationalisten an Bedeutung gewonnen zu haben. Eine der umfassendsten und tiefgreifendsten Publikationen der letzten Jahre zu diesem Thema ist der im Herbst 2010 beim Unrast Verlag erschienene Sammelband Rechte Diskurspiraterien. Es handelt sich um den Reader eines im November 2009 stattgefundenen Colloquiums des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS). Doch nicht nur die Aktualisierung der dort gehaltenen Referate und die Ergänzung durch weitere Beiträge machen den Sammelband zu mehr als einer schlichten Tagungsdokumentation. Im Zentrum stehen Adaptionen, Umdeutungen und Deutungskämpfe von rechts. Dort werden Symbole linker Bewegungen genutzt und mit eigenen Aussagen verknüpft. Diese Operationen finden laut den Herausgeber_innen Regina Wamper, Helmut Kellershohn und Martin Dietzsch insbesondere auf drei Ebenen statt: Auf der inhaltlichen geht es um Deutungskämpfe in Themenfeldern, die traditionell links besetzt sind, auf der kulturell-ästhetischen um die Adaptionen von Codes und Symbolen und drittens um die Übernahme strategischer Optionen. Dieses weite Feld wird im Sammelband in 15 Beiträgen umfang- und kenntnisreich behandelt.

Kontext

Zunächst wird eine aktuell-politische Kontextualisierung vorgenommen. Neben der Strategiediskussion innerhalb der „faschistischen Weltanschauungspartei“ NPD (S. 39), bei dem der Kampf um die Parteispitze Anfang 2009 laut Martin Dietzsch vor allem eine Auseinandersetzung um taktische Optionen war, geht Helmut Kellershohn auf das Netzwerk des Jungkonservatismus im Umfeld der extrem rechten Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) und dem Institut für Staatspolitik (IfS) ein. Hier zeigen sich ebenso unterschiedliche Positionen: Während das IfS-Umfeld auf den Aufbau einer Gegenelite setzt, ist die JF an dem Aufbau einer rechten Sammlungsbewegung interessiert. Sowohl bei NPD als auch JF und IfS sind die Differenzen im Wesentlichen strategischer Natur. Die gemeinsame ideologische Klammer ist der völkische Nationalismus. Christina Kaindl untersucht desweiteren die Zustimmung von extrem rechten Positionen und Parteien im Lichte von Krisenzeiten. Ihr Befund: Die extreme Rechte konnte aus der Krise keinen Profit schlagen, was daran liegt, dass die Lücke der Repräsentation für herrschende Parteien geschlossen wurde. Die Bevölkerung misstraue zwar den Banken mehr, baue aber zugleich mehrheitlich auf die Regierung. Eine mögliche Stärkung der Rechten stehe auch im Zusammenhang mit der Arbeit der politischen Linken. Diese müsse sich bemühen, „Freiheit, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung jenseits der autoritären und nationalen Momente des Fordismus in einem neuen Projekt globaler Solidarität aufzuheben.“ (S. 52)

Mit den historischen Vorbildern befassen sich die folgenden drei Beiträge. Sabine Kebir zeigt die Kontinuität des Gramscismus von rechts am Beispiel von Napoleon III., Mussolini und Goebbels auf. Sie appelliert, für die Linke nützliche Begriffe, die von rechts vereinnahmt und übernommen wurden, nicht einfach aufzugeben, denn der „Kampf um Hegemonie ist auch Kampf um Begriffe“ (S. 76). Volker Weiss zeigt in seinem Beitrag, wie der Sozialismusbegriff nach dem Ersten Weltkrieg von Moeller van den Bruck und Spengler adaptiert wurde. „Sie okkupierten Begriffe des Gegners und brachten sie, versehen mit einer wesentlich anderen Bedeutung, wieder in den politischen Diskurs ein.“ (S. 95) Anhand der französischen Nouvelle Droite zeigt Volkmar Woelk, dass „verstärkt auf die nationalbolschewistischen Ideen aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts zurückgegriffen wird“ (S. 113). In Deutschland würden sich extreme Rechte jedoch eher in der Tradition der NSDAP verorten, eine ideologische Trendwende hin zu nationalrevolutionären Ideen sei momentan auch aufgrund einer dünnen intellektuellen Personaldecke nicht zu erwarten.

Deutungen, Symbole und Aktionsformen

Rechte Interventionen in Gegendiskurse werden anhand dreier exemplarischer Themenfelder dargestellt. Renate Bitzan analysiert „nationalen Feminismus“ und wie von einer Minderheit innerhalb der extremen Rechten das Feindbild Feminismus aufgegeben und völkisch umgedeutet wird. Sie schlägt vor, den Feminismus-Begriff allgemein auf Herrschaftskritik zu beziehen, da sich somit Anschlussfähigkeit nach rechts minimieren ließe. Richard Gebhardt grenzt völkischen von linkem Antikapitalismus ab. Während letzterer idealtypisch eine „gebrauchswert- und bedürfnisorientierte Produktionsweise“ unter „universeller gesellschaftlicher Kontrolle“ fordere (S. 146), formulierten extreme Rechte einen anderen Antikapitalismus, den Gebhardt in acht Schlussfolgerungen zu fassen versucht -“ und zur Diskussion stellt. Auch in Sachen „Friedenspolitik“ versucht die extreme Rechte linke Themenfelder zu besetzen. „Frieden“ werde laut Fabian Virchow völkisch-nationalistisch, anti-amerikanisch und antisemitisch gefasst. Es werde auf die nationalen Interessen, Großraum- und Reichsideen und Militarisierung der Gesellschaft abgezielt. Die Wirkmächtigkeit rechter „Friedens“-Diskurse ließe sich zum einen durch ihre Dekonstruktion und durch „eine kritische Prüfung und Präzisierung manch linker Beiträge“ beschränken (S. 163). Die drei Beiträge zeigen, dass bei den Adaptionen vor allem Begrifflichkeiten entwendet werden, die Inhalte sich aber aus den vorhanden Traditionen und Wissensvorräten der extremen Rechten speisen.

Ähnlich verhält es sich auf der ästhetischen Seite, wobei hier erschwerend hinzu kommt, dass Zeichen mehr noch als Begriffe ver- und entwendungsfähig sind. Das lässt sich unter anderem am Phänomen der Autonomen Nationalisten (AN) festmachen, mit denen sich Lenard Suermann in seinem Beitrag befasst. Die Suche nach zeitgemäßen Ausdrucksformen der NS-Bewegung begann nicht erst mit den AN. „Vielmehr scheint die Fähigkeit, sich den Umständen gemäß anzupassen, seit dem Entstehen der NS-Bewegung ein -šMotor-˜ gewesen zu sein.“ (S. 189) Christoph Schulze und Regina Wamper zeigen am Beispiel der Hardcore- und Straight Edge-Bewegung, dass es sich häufig nicht um schlichte Vereinnahmungen seitens der extremen Rechten handelt. Vielmehr sei Hardcore nie eine genuin linke Kultur gewesen, auch wenn sich etwa Konzertgäste mehrheitlich politisch links verorten. Dennoch sei der sich isoliert entwickelte „Nazi-Hardcore völlig separiert von der Hardcore-Szene, Misch-Szenen sind nicht existent“ (S. 222). Anhand der marginalen „Konservativ-subversiven Aktion“ um Götz Kubitschek stellt Helmut Kellershohn exemplarisch dar, wie versucht wird, linke Protestformen anzuwenden. Hier wird nicht nur durch direkte Bezüge die Überschneidung von faschistischen und konservativ-revolutionären Begründungszusammenhängen im Sinne Marinettis, Benns, Jüngers und Co. deutlich.

Gegenstrategien

Ein besonderer Vorzug des Sammelbands liegt darin, dass nicht auf der Ebene von Analyse und Kritik verharrt wird, sondern im besten Sinne kritischer Wissenschaft dem Aktivismus Handwerkszeug angeboten wird. Regina Wamper und Siegfried Jäger schlagen als wissenschaftliches Projekt ein Forschungsprogramm zur Untersuchung von Völkischem Nationalismus (VN) in Mainstream-Diskursen vor. Ihre ausführliche Skizze habe eine Untersuchung zum Ziel, die häufige Beschränkung auf extrem rechte Diskurse zu überwinden, denn „Kernideologeme des VN finden sich (...) auch verbreitet in der Gesamtgesellschaft“ (S. 257). Abschließend kritisiert Jens Zimmermann das „Extremismuskonstrukt“ aus forschungspraktischer und -“logischer Perspektive. Er zeigt anhand einer Schrift von Uwe Backes, dass die Begriffsgeschichte des politischen Extremismus „durch eine willkürliche Setzung dessen [geschieht], was als extrem zu gelten habe“ (S. 265). In einem zweiten Schritt schlägt Zimmermann anhand einer Studie zum Globalisierungsdiskurs in der extrem rechten Zeitung Deutsche Stimme methodische Instrumente und theoretische Überlegungen für eine kritische Rechtsextremismusforschung vor. Diese müsse reflexiv sein, indem sich die Forscher_innen als Teil der gesellschaftlichen Praxis verstehen.

Den beiden Beiträgen vorangestellt wird ein Beitrag von Britta Michelkes und Regina Wamper. In Bezug auf die ästhetische Ebene verweisen sie auf die ständigen Auseinandersetzungen um Zeichen und ihre Deutungen. Es mag zwar sinnvoll sein, leicht vereinnahmbare Elemente aufzugeben, jedoch gebe es „keinen absoluten -šSchutz-™ vor Adaptionen und Umdeutungen“ (S. 252). Bezüglich der Inhalte machen die Autorinnen konkrete Vorschläge, ohne dabei Masterpläne oder gar Handlungsanweisungen liefern zu wollen. Es müsse zum einem darum gehen, Anschlussstellen zu verhindern, indem etwa nicht einem personalisierten Verständnis gefolgt werde, sondern die strukturellen Gegebenheiten zum Beispiel im Kapitalismus im Vordergrund stünden. Außerdem sollte Ein-Punkt-Politik vermieden und die Verschränkung von Herrschaftsdiskursen anerkannt werden. Durch die Betonung der Differenz von Rhetorik der extrem Rechten und deren faschistischer Praxis sei es überdies möglich, rechte Deutungsangebote zu dekonstruieren. Schließlich müssten offensiv linke Inhalte geschärft und nicht Themenfelder wie die „soziale Frage“ aufgegeben werden, weil sie etwa die extreme Rechte aufgreift.

Rechte Piraten und Chancen

In diesem profunden und sehr durchdacht konzipierten Sammelband wimmelt es geradezu von Anregungen für Theorie und Praxis. Allenfalls verwirrend erscheint der Titel. Diskurspiraterie ist eine Begriffsprägung des 2006 verstorbenen DISS-Mitarbeiters Alfred Schobert, der den Begriff 2005 in einem Beitrag über den französischen „neurechten“ Alain de Benoist verwendete. Schobert sprach damals von Beutestücken, die in einem Diskursmix untergebracht würden. Der Begriff kann durchaus kritisiert werden, bezeichnet Piraterie doch die feindliche Übernahme eines Kommandos über ein Schiff, also von Eigentum. Bezogen auf das Thema ist das problematisch. Zum einen hat die Wegnahme von Eigentum und das gleichzeitige Nichtanerkennen dessen gewisse subversive oder emanzipatorische Potentiale. Zum anderen gibt es keine Diskurse, auf die die Linke die Urheberschaft hat, vielmehr handelt es sich um ständige Deutungskämpfe von vorhandenen -“ für alle mehr oder minder zugänglichen -“ Diskursen.

Offensichtlich bergen gegenwärtige inhaltliche und ästhetische Modifikationen der extremen Rechten Gefahren.
Ein möglicher diskursiver Effekt der Auseinandersetzungen um Autonome Nationalisten und vermeintliche inhaltliche Überschneidungen liegt zum Beispiel in der Stärkung von extremismustheoretischen Positionen, was sich aktuell in der Debatte um die Demokratieerklärung bei der Verteilung von Geldern für Anti-Rechts-Projekte äußert. Außerdem ist nicht die Anziehungskraft für Jugendliche zu verachten, wenn die extreme Rechte ihr faschistisches Produkt als revolutionäres, modernes verkaufen versucht und sich an jugendlichem Mainstream orientiert. Wie auch in vielen Beiträgen explizit oder implizit angesprochen wird, ist jedoch insbesondere darauf zu achten, nicht auf rechte Deutungsangebote reinzufallen und Ästhetiken, Themenfelder oder Konzepte der extremen Rechten zu überlassen. Gelingt dies, werden Inhalte geschärft, Themenfelder intensiviert, Ausdrucksformen reflektiert und umfassend Herrschaftsstrukturen kritisiert. So kann sich aus einem vermeintlich problematischen Phänomen eine Stärkung für linke Perspektiven und Positionen entwickeln.

Regina Wam­per / Hel­mut Kel­ler­s­hohn / Mar­tin Diet­zsch (Hg.) 2010: "Rechte Diskurspiraterien: Strategien der Aneignung linker Codes, Symbole und Aktionsformen".
Edi­tion DISS Bd. 28. Unrast Verlag, Münster.
ISBN: 978-“3-89771-“ 757-“2. 287 Seiten. 20.00 Euro.

Erstveröfffentlichung von Sebastian Friedrich bei kritisch-lesen.de.

Informationsveranstaltung: Nazistrukturen in Baden-Württemberg

Am Donnerstag, 14.04.2011 wird Robert Andreasch über Neonazi-und Altnazi Strukturen in Süddeutschland referieren. Er berichtet aus seiner Arbeit als Enthüllungs-Journalist und gibt weiter, was er bei Veranstaltungen und Aufmärschen der rechten Szene erfahren hat und erfährt. Dabei stellt er die Vielzahl von Organisationen und Gruppen der extremen Rechten in Baden-Württemberg dar. Ein besonderer Augenmerk soll bei der Infoveranstaltung auf die süddeutschen Kameradschaften und die Arbeit des NPD Landesverbands Baden-Württemberg gelegt werden und mit welchen “Inhalten“ versucht wird, noch mehr SympathisantInnen in der Bevölkerung zu gewinnen. Welche Themen werden von der NPD und anderen Neonazis aufgegriffen und versucht wie zu besetzen.

Robert Andreasch zeigt Bilder der neonazistischen Szene jenseits der bekannten Klischees von dumpfen Skinheads. Er erklärt vielmehr die multiplen Stile und Erscheinungsformen, in denen die süddeutsche extreme Rechte mittlerweile auftritt. Rassismus, antisemitische Hetze, Homophobie und andere Ressentiments der Neonazis enden dabei letztendlich immer in Gewalt. Wie sozialwissenschaftliche Studien zeigen, sind diese Ideologien jedoch zunehmend auch in größeren Teilen der Bevölkerung vorhanden. Ursachen dieser Entwicklung und notwendige Gegenmaßnahmen können an diesem Abend anschließend mit dem Referenten diskutiert werden.

Robert Andreasch ist Soziologe, Buchautor und Journalist. Sein Arbeitsgebiet ist seit vielen Jahren die Neonaziszene Süddeutschlands. Zahlreiche Medien im In- und Ausland veröffentlichen seine Recherchen und Beiträge, auch die Bundeszentrale für politische Bildung, der baden - württembergische Landtag und das bayerische „Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus“.

Wann: 14.04.2011, 18:00 Uhr Ort: IG Metall Stuttgart, Theodor-Heuss-Str. 2, 70174 Stuttgart, Saal A

Die Veranstalter behalten sich das Recht vor, Personen des rechtsextremen Spektrums den Zugang zur Veranstaltung zu verweigern!

Quelle: VVN-BdA Kreisvereinigung Esslingen / Flyer DGB Jugend

Lotta #43 erschienen

Die antifaschstische Fachzeitschrift LOTTA ist mit ihrer dreiundvierzigsten Ausgabe erschienen. Schwerpunktthema ist dieses Mal:

Erziehung von rechts - NS Kontinuitäten und konservativ-autoritäre Pädagogik.

Außderdem in dieser Ausgabe:

• Nachbetrachtungen zu Dresden 2011
• Internationale Bündnisse der europäischen extremen Rechten
• Interview mit Volker Maria Hügel



Die "Lotta" ist zum Einzelpreis von 3 Euro oder im Abo zu beziehen:

"LOTTA"
Am Förderturm 27
46049 Oberhausen

Zur Webseite

Erdal Eren - Symbol des Kampfes der antifaschistischen Jugend in der Türkei

Im Jahre 1980 kam es am 12. September zu einem weiteren faschistischen Putsch in der Türkei. Durch diesen Putsch wurde das Volk aller bisher erkämpften Rechte beraubt. In diesem Jahr wurde die Welt auch Zeuge des Kampfes von ERDAL EREN, der als 17-jähriger zum Symbol des Kampfes gegen Faschismus und Terror wurde.
 
Vor der faschistischen Machtergreifung wurde gegen ihn ein Prozess geführt, der sämtliche demokratischen Rechte mit Füßen trat und mit seiner Hinrichtung endete. Gegen die Hinrichtung von Erdal Eren wurden in der Türkei und im Ausland breite Kampagnen geführt. Der Weltöffentlichkeit wurde verdeutlicht, dass der türkische Staat mit der Hinrichtung des 17-jährigen Erdal Eren seine eigenen Gesetze gebrochen hatte.
 
Es sind nunmehr 30 Jahre vergangen, nach dem der erst 17-jährige Erdal Eren vier Monate nach dem Militärputsch hingerichtet wurde. Der als Angehöriger von "Halkin Kurtulusu" angeklagte Erdal Eren wurde beschuldigt, nach einer Demonstration einen Polizisten ermordet zu haben. Das Todesurteil wurde drei Mal durch den Militärischen Kassationshof (MKH) zurückgewiesen. Neben der Tatsache, dass er dem ermordeten Polizisten unmittelbar gegenüber gestanden hatte, der Schuss aber aus großer Entfernung von hinten abgegeben worden sein sollte, spielte auch das Alter des Angeklagten eine Rolle. Das Gericht befand, dass Erdal Eren zur Tatzeit über 18 Jahre alt gewesen war und verhängte immer wieder die Todesstrafe, die schließlich trotz internationaler Proteste und Wiederstände dennoch bestätigt und vollstreckt wurde.
 
Die Gefängnisse waren Folterzentren. Besonders das Gefängnis von Diyarbakir war für seine Folter berüchtigt. Die Gefängniswächter hatten die politischen kurdischen Gefangenen mit lebendigen Mäusen gefüttert. Die Gefangenen wurden vergewaltigt. Im Widerstand gegen die Folter hatten sich in Diyarbakir 34 Gefangene von 1981 bis 1984 entweder selbst getötet, oder sie wurden getötet.
650.000 Menschen wurden festgenommen. 1.683.000 Menschen als Verdächtigte observiert. 14.000 Menschen wurden aus der türkischen Staatsbürgerschaft entlassen. Hunderttausende mussten das Land verlassen. 50 Menschen wurden hingerichtet. 419 Menschen haben in dieser Zeit ihr Leben verloren. Der Putsch wollte eine Türkei ohne Arbeiterbewegung schaffen. Die demokratischen und sozialistischen Vereine wurden verboten. Die Gewerkschaften wurden verboten und damit das Recht auf Streik. 

„Euer Sohn ERDAL“

Dokumentarfilm

(Doku-Film in Originalsprache, mit deutsch. Untertitel)

Anschließend Diskussion mit

Produzenten  Tevfik TAÅž

09. April 2011 (Samstag)

18.30 Uhr

Altes Feuerwehrhaus

Stuttgart/Heslach

(Soli-Eintritt: 3 €)

Veranstalter:
Freundschafts- und Solidaritätsverein Stuttgart e.V.
Helfergasse 5, 70372 Stuttgart -“ Bad Cannstatt, dost-der@gmx.de

Hallodri, Plusterbacke, Flederwisch und Schlottermaxe vor dem Sprung ins Jauchefass

Es reklamiert da einer Ehrfurcht für sein Denken. Und das seiner alten Kumpel. Die wurden vor Jahren mal gehandelt als "Neue Philosophen". Jetzt wären sie vergessen, wenn sie die Welt nicht voll machten mit Kriegsgeschrei.

Cohn-Bendit
Der eine, der alle niedermacht, voller Denkkraft, ohne je zu erröten, ist Daniel Cohn-Bendit. Und wer hat ihn geschändet? Der Redakteur der Frankfurter Rundschau in einem Feuilleton: "Wo mir doch Stephan Hebel im Feuilleton der Frankfurter Rundschau am Montag noch bescheinigt hat, dass ich nicht nachdenke. Zumindest dann nicht, wenn es um die Luftangriffe auf den libyschen Diktator Gaddafi geht, die ich ausdrücklich unterstütze."

Hebel hatte geschrieben „Die wichtigsten Köpfe der ehemaligen Linken opfern ihre Fähigkeit und ihre Pflicht zum kritischen Denken auf dem Altar eines falschen Friedens, besiegelt ausgerechnet durch einen Krieg.“

Plusterbacke Cohn-Bendit drauf: "Ich respektiere ja jeden, der andere Meinungen hat. Aber ich lasse mir nicht Unfähigkeit zum Denken bescheinigen. Da werden Glucksman, Lévy und Cohn-Bendit genannt, als würden die sowieso immer nur stören. Das ist unverschämt. So behandelt zu werden, ist von einer deutschen Arroganz, die ihresgleichen sucht. Das wollte ich nur mal loswerden."

Hebel hat wirklich einen Fehler gemacht. Bei keinem der drei Rufer in die Wüste handelt es sich um ehemalige "LINKE". Es handelt sich um runzlige Schlaffpuppen, die überall nach Gas suchen, um wieder Form zu gewinnen. Prallform.

Glucksmann
Der neue Philosoph Glucksmann hat in seinen  jüngsten Jahren ein subjektiv ehrliches Buch verfasst, heute fast vergessen: "Köchin und Menschenfresser". Das endete in einer Antinomie größten Ausmaßes. Die Diktatur eines Breschnew auf der einen Seite, die Gefangenen hinter den Gittern des GULAG auf der anderen. Ihre letzte verbliebene revolutionäre Tat: Tätowierung von Flüchen auf die Machthaber in die Stirnhaut. Weiter reichte es nicht. Ein dialektischer Rückblick auf die Auflösung dieser Situation im Lauf der Ereignisse ist Sache eines Glucksmann nie gewesen.

Aufsehen erregte dann 1977 "Les maîtres penseurs". Soll eine Anspielung enthalten auf "maîtres chanteurs" -Meistersinger. Was aber im französischen Argot nicht vom Selbersingen handelt, sondern vom Singen lassen im Knast = Erpressen. Im Blitztempo wird alles abgehandelt, von Fichte bis Nietzsche, was deutsche Philosophen je hervorgebracht haben. Bei allen handelt es sich einfach um den Willen zur Macht. Zum Rechthaben. Das kennt ein Glucksmann schließlich.

Heruntergesaut mehr nach Sprachwitzen als nach Erkenntnis. Ein Beispiel: "Eigentum ist nicht Diebstahl, wie Proudhon meinte. Nach Marx ist es Vergewaltigung der Arbeitskraft des Arbeiters" ("La propriété ce n'est pas le vol, mais le viol", S.236 der französischen Ausgabe). Schon wieder drei Seiten gewonnen, die man mit Varianten des Wortspiels füllen kann. Das Buch wurde vor allem von Leuten mit Genuss gelesen, die kein Deutsch konnten, aber vor der Zeit antideutsch empfanden. Heute redet keiner mehr davon.

Nach den gedanklichen Hervorbringungen ergab sich Glucksmann den Manifesten, Aufrufen und Reportagen aus den blutigsten Ecken der Erde. Immer wieder schnell daheim- vor dem Bildschirm.

Bernard-Lévy
Für Bernard Lévy genügt ein kurzer Auszug aus Wikipedia in der deutschen Fassung. Die französische ist gehässiger.

Die Zeitung "Die Welt" schrieb als Anerkennung on Lévy, er sehe „Öffentlichkeit als ein Schlachtfeld, auf dem nicht die Wahrheit oder auch nur das bessere Argument zählen, sondern gelungene Kampagnen und Manöver-. Deutliche Kritiken an seinen Philosophie-Schriften stammen unter anderem von dem Philosophen Cornelius Castoriadis, von dem Historiker Pierre Vidal-Naquet und dem Politologen Raymond Aron, die "BHL" für seine ungenaue Arbeit heftig kritisierten. Die Kontroverse erreichte 1979 ihren Höhepunkt in dem Vorwurf "Gedankenpolizei", den BHL an die Adresse der Ersteren richtete, welche unter Angabe der richtigen Quellen durchaus sachliche Kritik geübt hatten.

2010 veröffentlichte Lévy das Buch "Vom Krieg in der Philosophie", in dem er sich, auch unter Bezugnahme auf Jean-Baptiste Botul, sehr kritisch mit Immanuel Kant auseinandersetzt und ihn unter anderem als „wütenden Irren des Denkens“ einordnet. Dies verursachte größeren Spott in Rezensionen, Unterstützer äußerten sich zurückhaltend zu dem Buch, da (von Lévy unbemerkt) Botul und seine angeblichen Werke lediglich ein Fake eines französischen Satiremagazins darstellen. Anfang März 2011 reiste er nach Bengasi, um Kontakt zum libyschen Nationalen Übergangsrat aufzunehmen und wie er selbst äußerte: "einen Krieg mit dem Kriegsziel Gaddafi zu stürzen" zu fördern.Er begrüßte den Militäreinsatz Frankreichs in Libyen und kritisierte die deutsche Zurückhaltung, die zu einer schweren Krise im deutsch-französischen Verhältnis geführt habe (Wikipedia mit letzten Eintragungen, dt.Ausgabe).

In der WELT und im SPIEGEL - stärker noch in der print-Nummer dieser Woche - rühmt sich der große Demokrat Lévy vor allem der Überrumpelung der Öffentlichkeit. Der zuständige Außenminister Frankreichs erfuhr von allem erst, nachdem Schlottermaxe Sarkozy die angekarrten Libyer als Freiheitshelden und Regierung anerkannt hatte und mit ihnen triumphal vor die Tore der Elyséés getreten war. Lèvy dabei. Übertölpeln jeder Kritik: das Rezept des angeblichen Aufklärers Lévy. Bekanntlich haben Voltaire und Lessing noch etwas anders gedacht und gesetzt auf die schrittweise Erhellung des menschlichen Geistes. Durch allgemeine Diskussion über strittige Fragen nämlich. So etwas ist für den Generalschausteller seines empfindlichen Ich nichts mehr.

Begriffs-Schärfe zeigt der zeitgenössische Philosoph vor allem bei der Erkenntnis des Nationalsozialismus. SPIEGEL-print 28.3.2011 S.86: "Es gab das Prinzip,dass so etwas wie der Nationalsozialismus nie mehr geschehen dürfe. Merkel und Westerwelle haben diesen Pakt gebrochen,das ist ein schwerwiegender Vorgang, keine Kleinigkeit."

Im selben Interview, eine Seite weiter: "Ich glaube immer noch, dass die Muslimbruderschaft [in Ägypten] die letzte schwarze Perle der Nazi-Auster ist". Die Muslimbruderschaft wurde laut Wikipedia 1928 von Hasan al-Banna in Ägypten gegründet. Bisschen früh für Hitlereinfluss. Wer sind jetzt die neuen Nazis?

Drei Musketiere und ein Staatsmann
Das also sind die Musketiere, die eine Nation hereingelegt haben. Cohn-Bendit hat ganz Unrecht mit der Bezeichnung der Tätigkeit seiner Mitbrummfliegen als "Stören". Das lässt noch an nervige, aber unschädliche Mistfliegen am winterlichen Fenster denken. Die von Geltungssucht zerfressenen Lärmer stören nicht. Sie zerstören. Sie dienen den ganz anderen Interessen der Oberen als billiger Vorwand.

Und warum können sie das? Weil es bei allem Gerede über Massenbildung in Schulen jeder Art - und Hochschulen - nicht gelungen ist, das eine als Wichtigstes hinzustellen, was einem Diderot einmal als Höchstes galt: Selberdenken! Niemand vertrauen, und trüge er den höchsten Titel, der dich hinterrücks und überfallartig zu etwas bringen will, was Du nicht durchschaust und durchschauen kannst.

Es ist lange her. Aber es gab einmal eine Zeit, als Studenten, noch mit viel Herzklopfen, die Profs und Philosophs auf ihren Kathedern zu verhören begannen, woher sie ihr Wissen eigentlich hätten und  welche Interessen sie verträten. Ist lang vorbei und durch neue Unterwürfigkeit vor den schlimmsten Hohlschwätzern ersetzt worden. Solange denen die Luft nicht herausgelassen wurde, so lange sie sich noch beleidigt äußern dürfen, wenn ihnen Aufgeblasenheit und - wahrheitsgemäß - Denkunfähigkeit, nein: Denk-Feindschaft vorgeworfen wird, so lange kann es in unserem Vaterland nicht einmal anfangen besser zu werden.
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