Skip to content

Argumente gegen die Tieferlegung

Stuttgart 21 - oder: Wem gehört die Stadt
Kurz vor der Verkündung von Heiner Geißlers Schlichterspruch erschien im Kölner PapyRossa-Verlag das Buch "Stuttgart 21 - oder: Wem gehört die Stadt". Der Sammelband, herausgegebenen von Volker Lösch, Gangolf Stocker, Sabine Leidig und Winfried Wolf, widmet sich dem milliardenschweren Immobilienprojekt mit tiefergelegtem Bahnhof, hinterfragt es kritisch und zeigt Alternativen auf.

Im Vorwort erklärt der Schauspieler Walter Sittler, worum es bei dem Protest geht: Es soll „der Wille und die Interessen der Bevölkerung, des Souveräns, die von unseren gewählten Vertretern eigentlich geschützt werden sollten, wieder ins Recht gesetzt werden.“ Das Buch wolle den Protest aus verschiedenen Blickrichtungen beleuchten und soll unter anderem auch helfen, ihn besser zu verstehen.

„Lügenpack, Lügenpack“ schallt es durch die Stuttgarter Straßen, wenn die S21-Gegner demonstrieren. Winfried Wolf, ein ausgewiesener Bahnexperte, der in den neunziger Jahren verkehrspolitischer Sprecher der PDS-Bundestagsfraktion war, und bei „Bürgerbahn statt Börsenwahn“ und „Bahn für alle“ aktiv ist, beschäftigt sich in seinem Beitrag mit sieben Lügen der Projektbefürworter. Detailliert erklärt er, warum Stuttgart 21 weniger leistungsfähiger ist als der optimierte Kopfbahnhof, sich die Neubaustrecke Stuttgart - Ulm nicht rechnen und das Projekt eben kein „grünes“, ökologisch sinnvolles, Projekt ist.

Dass sich an dem Projekt eben nicht nur die gern von den Medien präsentierten wohlsituierten Bürger beteiligen, zeigt das Interview des junge Welt-Journalisten Daniel Behruzi mit drei Aktivisten der Jugendoffensive gegen Stuttgart 21. Diese organisierte auch den Schulstreik gegen das Projekt am 30. September, der in einem brutalen Polizeieinsatz endete. Mehrere hunderte Menschen wurden verletzt. Polizei und Landespolitikern versuchten gleich, den Protestierern den schwarzen Peter zuzuschieben. Damit scheiterten sie jedoch auch dank der offensichtlichen Beweise, die über die Bildschirme der Republik flimmerten. Auf die Frage, welche Wirkung die Erlebnisse auf sie und ihre Mitschüler gehabt hätten, antwortet Florian, dass er denke, solche Erfahrungen würden Menschen extrem politisieren. An diesem Tag habe sich gezeigt, dass es die Aufgabe der Polizei sei, gefällte politische Entscheidungen auch gegen den Willen und das Interesse der Bevölkerung durchzuboxen.

Egon Hopfenzitz weiss, was der Stuttgarter Kopfbahnhof leisten kann. Der Bundesbahn-Oberrat a.D. leitete 14 Jahre den Hauptbahnhof der Landeshauptstadt und beschreibt an Hand von Zahlen, dass der Kopfbahnhof nicht nur leistungsfähiger ist, sondern auch im Zukunft noch ausbaubar. Mit einem tiefergelegten Durchgangsbahnhof sei eine Erweitung nicht machbar.

In den neunziger Jahren war Stuttgart 21 keine einzigartige Idee. Überall wollte die Bahn 21er-Projekte durchsetzen, so zum Beispiel in München oder Frankfurt am Main. Auch in der Bankenmetropole gab es die Idee, den Bahnhof unter die Erde zu legen und 90 Grad zu drehen. Wie hier die Bürgerinitiative Frankfurt 22 die Tieferlegung verhinderte, berichtet der Autor und Regisseur Klaus Gietinger.

Am Ende des Buches setzt sich Winfried Wolf mit der Bahnprivatisierung auseinander, die 1993 mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen verabschiedet worden war. Durch einen Trick sei es der Bahn gelungen, dass nicht mehr bahnbetriebsnotwendiges Gelände im Eigentum der Bahn bleiben konnte. Diese konnte die privatisierte Bahn verkaufen und so mit den Milliarden ihre Bilanzen aufhübschen.

Abgerundet wird der faktenreiche Sammelband mit einer Chronologie des Projektes, der Ausschnitten aus Bundestagsreden vom September und Oktober 2010 und einer Linksammlung.
Das Buch ist verständlich geschrieben und stellt die Positionen der S21-Gegner und ihre Kritik an dem Megaprojekt dar und ist somit ein gelungenes Agitationsmittel.

Der für Dienstag erwartete Schlichterspruch wird keine Einigung bringen. Es kann keinen Kompromiss zwischen oben und unten geben. Der Kampf um den Erhalt des Kopfbahnhofes wird noch etwas andauern, das Buch liefert die Argumente ihn fortzusetzen und auszuweiten. Die Milliarden gehören nicht verbuddelt sondern investiert in eine soziale Infrastruktur, Bildung, Kultur, ...

Volker Lösch/Gangolf Stocker/Sabine Leidig/Winfried Wolf (Hg.): Stuttgart 21 –“ Oder: Wem gehört die Stadt, PapyRossa-Verlag, 200 Seiten, 10,00 Euro, ISBN 978-3-89438-450-0

Inhaltsverzeichnis [pdf]
Autorinnen und Autoren [pdf]

Erfolgreiche antifaschistische Demonstration in Schorndorf trotz Polizeischikanen

Über 300 Demonstranten aus verschiedenen Gruppen demonstrierten gegen das Nazizentrum „Linde“ in Schorndorf-Weiler. Die Auflagen (namentliche Erfassung aller Ordner, ein Ordner je zehn Teilnehmer) nahmen geplante Einschränkungen des Versammlungsrechts in Baden - Württemberg vorweg. Die unverhältnismäßig hohe Anzahl von Polizisten samt vier aggressiv kläffender Hunde zeugten außerdem von grundsätzlichem Misstrauen gegen die Demonstranten. Trotzdem blieb die Demonstration friedlich und verlief zur Zufriedenheit der Veranstalter ohne größere Zwischenfälle.

Dazu gibt es einen Bericht der AG Demobeobachtung des "Bündnisses für Versammlungsfreiheit":

Am gestrigen Samstag fand in Schorndorf eine antifaschistische Demonstration unter dem Motto „Kein Platz für Faschisten! Weder in Weiler noch anderswo!“ statt. Auf Anfrage des Veranstalters stellte das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit Demobeobachter auf.

Auflagen, Vorgespräche etc.

Bereits im Vorhinein hatte das Ordnungsamt der Stadt Schorndorf eine Vielzahl an Auflagen erlassen. Auffällig hierbei war die Strenge der Verpflichtungen für den Versammlungsleiter. So wurden für die angemeldete Teilnehmerzahl von 150 Menschen 15 Ordner gefordert. Ebenfalls ungewöhnlich waren die Anforderungen an die Ordner. So wurden diese verpflichtet, an einer Besprechung kurz vor Beginn der Demonstration teilzunehmen und sollten laut Auflagenkatalog „verkehrserfahren“ und „zu ihrem Eigenschutz mit signalfarbenen Warnwesten bekleidet sein“.

Der Veranstalter wurde des Weiteren verpflichtet, „die öffentliche Verkehrsfläche in den Zustand herzurichten wie sie angetroffen wurde“. Hierdurch wurde der Veranstalter widerrechtlich für die Reinigung haftbar gemacht.

Für das Fronttransparent gab es darüberhinaus die Vorgabe, dass es eine maximale Breite von drei Metern nicht überschreiten durfte.

Anreise und Auftaktkundgebung

Die Polizeisprecherin bestätigte gegenüber Demobeobachtern, dass auf Weisung der Bundespolizei vereinzelt S-Bahnen nicht an den Haltestellen Winterbach und Schorndorf-Weiler hielten, da davon auszugehen wäre, dass „Potentielle Störer“ sich im Zug befänden.

Demonstrationsteilnehmer berichteten, dass bei der Anreise aus Ludwigsburg und Heilbronn Personenkontrollen durchgeführt worden seien. Am Versammlungsplatz in Schorndorf forderte die Polizei, trotz mehrfacher Nachfrage nach der rechtlichen Grundlage für diese Maßnahme, die Abgabe, Registrierung und Überprüfung der Personalien aller Ordner.

Das Vorbereitungsgespräch wurde durch die Polizei aufgezeichnet, obwohl der Versammlungsleiter sein Unbehagen über diese Maßnahme zum Ausdruck brachte. Nachdem die Polizei klarstellte, dass ohne die Personalienangabe der Ordner keine Demonstration stattfinden könne, gaben diese ihre Ausweise unter Protest ab.





Der Aufbau und das Eintreffen der Demonstrationsteilnehmer wurde durchgängig gefilmt, obwohl die Polizeisprecherin von „einem friedlichen Verlauf“ ausging. Der Einsatzleiter der Polizei betonte gegenüber Pressevertretern, dass der voranfahrende Einsatzwagen der Polizei lediglich live in die Einsatzzentrale übertrage und keine Aufzeichnung vornehme.



Mehrere Polizisten dokumentierten darüberhinaus mit einer Handkamera. Ein Hochtransparent durfte nicht mitgeführt werden, da die Befestigungsstangen die festgelegte Maximallänge
von zwei Metern überschritten.



Ein Träger des Transparentes musste seine Personalien angeben. Über 40 Polizeibeamte waren bei der Auftaktkundgebung im Einsatz.

Die Demonstration

Mit Verspätung begann um 14:55 Uhr der Demonstrationszug.



Während des Zugs durch die Innenstadt, wurde die Außenwirkung der Demonstration durch vorausfahrende Polizeifahrzeuge sowie die Begleitung durch Polizisten seitlich und vor dem Demonstrationszug beeinträchtigt. Nach der Zwischenkundgebung zogen die Demonstranten zunächst gemäß der Auflagen auf der rechten Straßenseite weiter, Bald veranlasste die Polizei selbst nach entsprechender Absperrung der Straßen, dass der Demozug die ganze Straßenbreite einnahm. Nach einem kurzen Rennen der Demonstranten bildete die Polizei eine Kette vor dem Zug.



Nach mehrmaliger Aufforderung der Veranstalter über die Lautsprecheranlage. dies zu unterlassen, löste die Einsatzleitung der Polizei die Kette auf, was von den Demonstrationsteilnehmern mit Applaus quittiert wurde.

Die Abschlusskundgebung

Die Abschlusskundgebung fand entsprechend der Auflagen in 30 Metern Abstand zum Nazitreffpunkt Linde statt. Die Polizei sperrte den Zugang mit einer Polizeikette und einer Hundestaffel mit vier Hunden ab.



Ein Demonstrationsteilnehmer wurde von einem Hund gebissen (Videomaterial liegt dem Verfasser vor und kann auf Nachfrage zur Verfügung gestellt werden). Der Veranstalter forderte über Lautsprecher die Beendigung der Einschüchterung von Demonstrationsteilnehmern durch Hunde. Auch die Abschlusskundgebung wurde, trotz friedlichen Verlaufs, visuell durch die Polizei aufgezeichnet.



Der Veranstalter sprach von einem erfolgreichen Verlauf der Demonstration. Die Demobeobachter zählten über 300 Teilnehmer.

Schweizer Ausschaffer: Die MITTE im Delirium des Zusammenschlusses

Heute abend: Demo in Zürich
Sonntag ist es wieder so weit. Die Schweizer SVP entdeckte neuerlich ein dringendes Anliegen des Volkes. Vor genau einem Jahr waren es die vier Minarette, die  dem kalvinistischen und katholischen Teil der Schweiz scharf ins Auge stachen - und wegmussten.

Diesen Sonntag ist es etwas, das währschaft und sinnenfroh "Ausschaffung" genannt wird. Man sieht den Schweizer Polizisten förmlich vor sich, wie er dem Nichtzugehörigen vor der Grenze den letzten nötigen Fußtritt zukommen lässt. Allegorisch dafür halten wieder die an sich unschuldigen Schweizer Schafe her. Auf den Plakaten tritt das weiße noch einmal das schwarze aus dem Schutzgebiet menschlicher Freiheit hinaus.

Besonders erbost hat die Anhänger der SVP das Delikt der Erschleichung von "Sozialunterstützung". Der eigene Geldbeutel ist betroffen. Kein Pardon möglich in so einem Fall. Unverzeihlich nachlässig allerdings das vergessene Schwarzfahren. Sollen Schädiger der städtischen oder kantonalen Einkünfte etwa Schonung erhalten? So etwas kostet - uns alle!

Soviel zum Nachbarnhumor! Ja, ja die Schweizer! Jetzt aber das Erschreckende! Im Kampf gegen die SVP hat die Parlamentsmehrheit einen Gegenentwurf erstellt. Und was steht in dem? Fast das gleiche!
Alle Schweizerinnen und Schweizer dürfen also am Sonntag abstimmen, wie sie ausschaffen wollen! Ein bißchen schneller, ein bißchen lahmer - raus muss das schwarz gefärbte Schaf auf jeden Fall. Zwar bei der SVP auch in Länder, wo die geschulten Folterbeamten am Flugplatz zum Empfang bereit stehen. Die "Gegenentwerfer" haben in dem Fall noch ein wenig Angst - wegen dem Völkerrecht. Aber das Prinzip ist bei beiden Abstimmungen vielleicht für feinsinnige Juristen noch zu unterscheiden. Für den Schübling sicher am wenigsten.

Dabei das Ganze hochdemokratisch. Zivilisiert in der Debatte. Ein ganz wichtiger Punkt: Hat die SVP, die doch so streng sein will, etwa die Auto-Raser vergessen? Die Gegenentwerfer haben sie auf der Schüblings-Liste. SVP empört: Die setzen wir bei den Abstimmungen auch noch drauf. Kleinliche Details gehören nicht in einen Verfassungstext.

Das also sind die Probleme, die in der Mitte des Schweizervolkes gewälzt werden. Leute, die etwa an die hundertfünfzig Jahre lang geübte Asyl-Praxis in der Schweiz erinnern, kommen in den zugänglichen Blogs nicht vor.

Kleiner Tipp dabei für Frau Ministerin Schröder! Wenn sie noch aufnahmefähig wäre, könnte sie an dem Beispiel erkennen, wie  beschränkt ihr Extremismusbegriff ist. In der Schweiz drängen keine verfemten Ränder auf die "Ausschaffung". Nicht sie verlangen die Beseitigung aus dem Wahrnehmungsfeld - sondern die von Merkel, Westerwelle, Steinmeier und Trittin gehätschelten Wesen, die sich nur in der Mitte wohlfühlen. Aber vor keinem staatlich gedeckten Verbrechen zurückschrecken, wenn  Ungemütliche die Ruhe auf dem Mittesofa stören.

Es gibt Gegenstimmen. Die Gewerkschaft UNIA hat zum doppelten Nein aufgerufen. Allen Ausländerfeinden eine gemeinsame Ohrfeige! Recht so!

Aber wie zur höhnischen Erinnerung an deutsche Angsthasen in der Abwehr, die sich einbilden, etwas Mannhaftes gegen ihre Feinde unternommen zu haben, gibt es auch die Gewerkschaftsversammlung des Kantons Aargau. Sie empfiehlt, den Parlaments-Ausschaffern die Stimme zu geben - gegen die SVP-Rabauken. Begründung: "Um Schlimmeres zu verhüten". Wie bei der Hindenburgwahl 1932.

Informationen
• zur Kampagne 2xNEIN zur SVP-Ausschaffungsinitiative und zum Gegenvorschlag unter: www.2xnein.ch|www.2xnon.ch| Solidarité sans frontières
• zu den Abstimmungsvorlagen vom 28. November

Protestdemos:
• Bern: zwischen Heiliggeistkirche und Bundesplatz | Bern | ab 18.00 Uhr
• Zürich: Helvetiaplatz | Zürich | ab 20.00 Uhr
• Lausanne: Manifestation mardi 30 novembre 2010 à Lausanne Départ de la manifestation à 17h30 devant les marches de l'église St-François
cronjob