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Der Widerstand gegen Stuttgart 21 - Geschichte, Aktuelles und Perspektiven

Seit Monaten reißen die Proteste gegen das Milliardenprojekt „Stuttgart 21–³ nicht ab. Insbesondere sich politisierende Jugendliche und BürgerInnen, die sich nicht länger alles gefallen lassen wollen, haben einen unerwarteteten Widerstandswillen entwickelt.

Bei „Stuttgart 21“ geht es aber längst nicht mehr nur um ein Bahnprojekt. Es geht auch um den rasanten Politisierungsprozess zahlreicher Menschen, die selbst handeln, zur Konfrontation mit Regierung und Polizei bereit sind und sich mit dem, was hinter der Fassade von „Demokratie“ und „sozialer Marktwirtschaft“ steckt, immer kritischer auseinandersetzen.

Über die Geschichte, den aktuellen Stand und die Perspektiven des Widerstands gegen „Stuttgart 21–³ wollen wir mit Aktivisten der Proteste diskutieren.

Die Veranstaltung findet am Freitag, den 19.11.2010 ab 20:00 Uhr im Raum von Alarm e.V., Lise-Meitner-Straße 10 in Offenburg statt.

Via anarchistische gruppe ortenau

Criminal Intent: Tägliche Einübung in den Massensadismus

Vor einiger Zeit hat Adi Quarti hier das Buch Wacquants besprochen: "Bestrafen der Armen". Darin wird präzis ausgeführt, wie seit Reagans Zeiten systematisch das amerikanische Sozialleben so umgestaltet wurde, dass einer Entfesselung des Marktes oben die Mehrung der Gefängnisstrafen unten genau entsprach. Nur so war es möglich, den Schein einer Ordnung aufrecht zu erhalten, die zugleich durch die Entfesselung aller Kräfte des Haben-Wollens jeden Tag und immer neu angegriffen und zerstört wurde "Das Gefängnis als Staubsauger für 'Sozialmüll'" überschreibt Wacquant einen Abschnitt, in welchem er das Übergreifen des Systems auf Frankreich skizziert. Damit trifft er den Kern: das frei sich in Land und Raum bewegende Elend würde das notwendige Grundvertrauen des Normalbürgers so sehr erschüttern, dass er ganz einfach nicht mehr arglos weitermachen könnte. Die Opfer haben nicht nur ihr Leiden hinzunehmen. Sie müssen aus dem Licht gehen. Verschwinden.

So lange wie möglich.

Bleibt nur eine Frage: Wie bekamen Reagan und die folgenden Machthaber eine Unmenge ganz friedlicher Leute dazu, dieses unmenschliche System des Verschwindenlassens einfach hinzunehmen? Offen propagieren lässt es sich anstandshalber ja immer noch nicht - zumindest in seiner ganzen Brutalität und Härte.

Der Einübung in die zugehörige Haltung der Untertanen dienen eine ganze Reihe von sehr populären Krimi-Serien. Bei uns - so weit ich sehe - in voller Reihe von "VOX" präsentiert. Damit wir schon mal vorüben.

Criminal intent
Die Zeiten von Sherlock Holmes und Dr. John B. Watson sind längst vorbei.
Criminal Intent existiert wohl seit 2001. Der Schock der fallenden Bankentürme musste verarbeitet werden. Zwei Detectives, ihr Vorgesetzter und ein Staatsanwalt schreiten zu Beginn jeder Sendung in Breitfront in die finsteren Viertel, begleitet vom immergleichen Spruch, dass da der Krieg gegen das Verbrechen geführt wird.--"Der Krieg"- "das Verbrechen"- nur in dieser Abstraktion lässt sich die Handlung bürgerlich aneignen. Angesprochen sind Leute in mittlerer Position, in ihren Abrutschgefühlen, in ihrer höllischen Angst. Deshalb richtet sich der Angriff der Serie nicht ausschließlich auf die Bewohnerschaft der Slums. Es können durchaus auch höhere Kreise drankommen. Die nämlich, die sich "immer noch" ein lustiges Leben machen, während die gewöhnlichen Hausbesitzer nicht mehr wissen, wie sie die Hypotheken zahlen sollen.

Im Vergleich zu allen deutschen Krimis legt die US-Serie ein ungeheures Tempo vor. Jeder "Tatort" enthält im Vergleich dazu eine Reihe gemütvoller Verweilstationen. Und Seelenanbohrungen. Der eigentlichen Suchaktion der Polizei voraus geht in jeder Einzelhandlung die Schilderung des Falls. Eine Leiche liegt im gegebenenfalls auf der Straße. Dann gehts voran- im Stationenverfahren. Nirgends wird das Krimischema etwa von "Zehn Negerlein" befolgt: Eine Gesellschaft enthält einen Schuldigen, der zur Strecke gebracht wird. Vielmehr wird immer ein erster Hinweis erzielt. Der führt zum nächsten. Und so weiter.

In aller Unschuld wird der inzwischen erreichte Überwachungszustand der USA vorgeführt. Von fast jeder Person liegt irgendwo ein Fingerabdruck vor. Sämtliche Telefonanrufe liegen parat, zumindest was Anrufer und Angerufene betrifft. Lebensläufe quellen aus sämtlichen Archiven. Geld-Abhebungs-Karten öffnen ihre Geheimnisse. Ganz selten wird einmal ein Richter erwähnt, den man vielleicht vor Einsichtnahme befragen sollte.

Der eine Polizeibeamte ist immer nahezu allwissend und kann sämtliche Behauptungen aus dem Kopf überprüfen und widerlegen. Lügen gegenüber Verdächtigten sind Pflicht. Jeder Betrug quasi vorgeschrieben. Am Ende dann das Schauspiel der Isolierung der am meisten Verbundenen in der Szene. Also Paare. Oder Eltern und Kind. Darauf kommt es ganz entscheidend an. Ort des Verfahrens ist regelmäßig die Verhörzelle mit einer Wand, hinter der Polizisten - aber auch Angehörige - ungesehen mithören können. Dann muss es dem Verhörenden gelingen - und es gelingt ausnahmslos - den Verhörten so in die Enge zu treiben, dass er seine Aussage macht gegen die mit ihm Verbundenen. Die oder der hören das mit - und packen nun ihrerseits aus. Hauptziel erreicht! Am brutalsten durchgezogen in einer früheren Staffel: Kampagne gegen den Furchtlosen, dem vorgeführt wird, dass seine Ehefrau eine Versicherung abgeschlossen hat auf sein zu erwartendes vorzeitiges Ableben. Dabei hatte sein Vertrauen in ihre Zuverlässigkeit ihm die Kraft zu allen kühnsten Unternehmungen gegeben. Übrig bleibt ein zusammengesunkener Haufen Einbildung und Niedergeschlagenheit. Der Zuschauer lehnt sich gestärkt zurück -für einen Augenblick.

Die geheime Angst der Mittelklasse wird für einen Augenblick durch die Vorführung der Isolierung gesänftet. Woraus wächst diese Angst immer neu? Aus der Gewissheit, dass der Zusammenhalt der Untersten, der Bewohner des Slum, am Ende nicht gebrochen werden kann. Durch Zwangsarbeitslosigkeit, Armenverwaltung und Knast hindurch wird immer notwendig neu sich Widerstand ballen. Der Wunde dieser Gewissheit soll in jedem "Criminal intent" ein Trostpflaster übergepresst - ausreichend bis zum nächsten Mal. Der Unzuverlässige als Atom wird uns unterliegen.

Nicht ganz typisches Beispiel
Am letzten Montag wurde aus der Frühzeit der Serie von 2002 gezeigt: "Tödlicher Ehrgeiz" - dem deutschen Titel nach. Ausgangspointe: Es werden - fast zugleich - erschossen ein stellvertretender Bürgermeister und seine Ex-Freundin, die ein - angebliches - Wunderkind zu beurteilen hat. Darf dieses in ein Exquisit-Super-Sonder-College, ohne Schaden zu nehmen an seiner Seele unter so viel Älteren? Der Knabe zählt erst zehn Jahre.

Rasch lenkt sich der Verdacht des wissenden Poliziisten auf den überehrgeizigen Vater des Jungen, der Tag und Nacht mit dem trainiert. Über Base-Ball-Gespräche bringt der Verhörgewandte das Kind zum Eingeständnis, dass es gar nicht in die Superschule will, weil die ihm am Samstag keine Zeit für die Spiele ließe. Also macht er seinem Vater vor, die Gutachterin - die später erwürgt wird - stimme seiner Aufnahme in die Schule nicht zu. Der Vater macht sich auf, um diese Gegnerin seiner Aufstiegswünsche auszuschalten. Der Bürgermeister, muss man annehmen, geht dann als Augenzeuge einfach mit drauf. Im Einzelabkochverfahren bringt der Kommissar erst das Kind zum Widerruf des Alibis. Er war zur Tatzeit selbst heimlich bei den Spielen, was bei Anwesenheit des Vaters unmöglich gewesen wäre.
Dann wird der Vater entlarvt: Er war selbst in allen möglichen Tätigkeiten fast ein Superstar, aber nie ganz. Er wollte im und am Sohn jetzt alles nachholen. Dieser übertragene Ehrgeiz gilt als schändlich in den Augen der Zuschauer, die ihn allerdings regelmäßig für ihren Nachwuchs nicht anders entwickeln. Auf dem Weg der in den USA weitverbreiteten Deals bringt der Polizist den geknickten Vater zum Geständnis, um seinem Sohn den Auftritt vor Gericht mit dem Geständnis seiner Lüge zu ersparen. Erkauft mit zwanzig Jahren bis lebenslänglich.

Das hört sich nach Mitleid des Kommissars für den geknechteten und dressierten Wunderknaben an. Davon ist nichts zu spüren. Es geht um die Zerschneidung des Menschenknäuels. Um die Auslieferung des nackten, vereinzelten, elenden Menschen an die Maschinerie.

Und das dreimal in der Woche.

PS: Dies alles gilt offenbar nur für die Staffeln 1 bis 9. Letzte Woche war schon der Auftakt von Staffel 10 zu sehen. Da wird der enge Rahmen der Stadt und der Slums verlassen. Es geht um weltweite Verschwörungen. Schon in den bisherigen Folgen gab es immer wieder Konflikte zwischen FBI und Ortspolizei. Dabei setzte sich ganz am Ende immer die angeblich gerechtigkeitsliebende Polizei durch. Nicht so ab jetzt. FBI arbeitet mit allen kriminellen Mitteln gegen den ermittelnden Kommissar - um einen offenkundigen Massenmörder als prinzlichen Erben und künftigen König in Somalia einzusetzen. Grund: Es sollten die selbständig arbeitenden Piraten-Nester dadurch kontrolliert und ausgehoben werden. Die absurde Pointe: Als unser treuer Kommissar, vom FBI überwältigt und fast totgeschlagen, die Wahrheit erfährt, gibt er sofort jeden Widerstand auf und schwört vor Gott und der Welt und allen Zuschauern, dass ihm sein Vaterland so lieb sei wie allen Mitgliedern des FBI. Im Patriotismus lässt er sich von niemand übertreffen. Damit auch in der Billigung aller Verbrechen, wenn sie nur dem "Vaterland" dienen.

Hilft ihm nichts: Er soll am Ende entlassen werden. Vollzug geplant durch seine Nachfolgerin und treue Assistentin, an die hundert Folgen lang. Die zieht es am Ende vor, mit dem alten Partner zusammen zu gehen. Der Staatsanwalt wurde abgeknallt. Insofern stehen uns weitere Schulungen in der Zustimmung zum bedenkenlosen Imperialismus bevor. Mit neuem Personal.
Das Konzept der bisherigen neun Folgen ist damit freilich aufgegeben. Sollte in diesen die Angst der Mittelklasse zeitweise besänftigt werden, so wird jetzt ihr Mut angesprochen. Der zum Denken eines George W Bush jr., der sich seiner Folterbefehle in den Memoiren rühmt, ohne freilich das peinliche F-Wort zuzulassen.

Vorwärts! Kein Verbrechen darf uns zu gemein sein, wenn es dem Vaterlande dient.

Berlin: Silvio Meier Demo am 20.11.2010

Am 21. November 1992 wurde der Hausbesetzer und Antifaschist, Silvio Meier, am U-Bahnhof Samariterstr. von Neonazis erstochen. Im Gedenken an ihn findet deshalb jedes Jahr eine antifaschistische Demonstration in Berlin statt. Die Silvio-Meier-Gedenkdemo thematisiert aber auch jährlich Themen wie die Bedrohung von Hausprojekten, die regelmäßigen Repressionswellen gegen linke Strukturen durch Staat und Polizei sowie die Verdrängung sozial Schwacher durch die Kiezumstrukturierung. Zum Aufruf.

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