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Stuttgart 21: Ein Brief aus dem Baskenland zum Schlichtungsverfahren

Protest Aufkleber gegen den LGV
Im Baskenland kämpft eine breite Bürgerbewegung seit 1996 gegen den Bau weiterer Hochgeschwindigkeitsstrecken (LGV), siehe auch diesen Beitrag. Martine Bouchet ist Sprecherin von CADE (Collectif des Associations de Defense de Environnement du Pays Basque), einem Zusammenschluß von 43 Organisationen und Vereinigungen, die gegen das LGV-Projekt im französischen Teil des Baskenlands kämpfen. Im folgenden Brief berichtet sie über ihre Erfahrungen mit der Schlichtung (Mediation) im Baskenland:

Guten Tag,

Wir freuen uns sehr, Nachricht von Euch zu erhalten, denn wir verfolgen so gut wir es können, was in Stuttgart passiert, und sind mit Eurem Kampf ganz und gar solidarisch.

Was die Schlichtung betrifft, so war im Baskenland von der Regierung eine Schlichterin ernannt worden. Wir sehen das folgendermaßen:

Das Hauptziel war es, die Bevölkerung in Erwartung der nahenden Regionalwahlen zu beruhigen und Zeit zu gewinnen. Für die gesonderte TGV-Hochgeschwindigkeitsstrecke sind hier die beiden größten Parteien (PS-Sozialistische Partei und UMP -“ die Partei, die in Frankreich an der Macht ist). Es gab keine wirkliche Schlichtung (das Wort „Mediation“ wurde benutzt, aber selbst nach der Mediatorin war es ein „Auftrag“, um zu sehen, wie die neue Bahnlinie ins Baskenland integriert und dabei die „empfindlichen Zonen“ (an die Stadt angeschlossene Gebiete oder Naturgebiete) vermieden werden könnten.

Natürlich konnten wir unsere Argumente vorbringen, aber wir haben das „Thema verfehlt“, denn ihr Auftrag war es eben nicht, das Projekt in Frage zu stellen, sondern möglichst zu beweisen, dass es die empfindlichen Zonen nicht verwüsten
würde.

Die Gegner der Schnellstrecke stehen aber auf dem Standpunkt, dass ihr Nutzen komplett bestritten werden muss, da das bereits existierende Eisenbahnnetz bei weitem nicht ausgelastet ist. Die Mediation hat also nur dazu gedient, in der Zeit der Wahlen ein 4-monatiges „stand by“ zu schaffen...

Frankreich (und Deutschland) haben so genannten „Vertrag von Aarhus“ unterschrieben. Wenn ein Projekt die Umwelt berührt (was sowohl für S 21 wie für die TGV-Schnellstrecke, abgekürzt LGV gilt), sieht dieser Vertrag vor, dass dann wir Bürger befragt werden müssen, so lange noch alle Optionen offen sind. Um den Anforderungen des Vertrages gerecht zu werden, hat Frankreich ein Verfahren der „öffentlichen Debatte“ eingerichtet. 2006 fand diese öffentliche Debatte im Baskenland statt, aber das war eine komplette Täuschung, da die vorgelegten Gegebenheiten, die das Projekt rechtfertigen sollten, falsch waren, ob es um den bestehenden Verkehr ging (die Zahlen wurden verdoppelt), um Entwicklungsperspektiven (mit Plänen für irrsinnige Wachstumsraten) oder um die (weit herunter geschätzten) Kosten.

Die gewählten Pro-LGV-Kandidaten stützen sich jetzt auf die Legitimierung durch die öffentliche Debatte, um ihr Projekt durchzusetzen -“ das ist die große Falle. Ich glaube, dass eine Schlichtung gemacht werden sollte, wenn zwischen den beiden Parteien ein Minimum von Vertrauen bestehen kann, sonst ist es eine Falle, weil die Seite, die eine falsche Debatte führt, sich anschließend auf ihre Legimität stützen kann. In Wirklichkeit ist das ein reiner Missbrauch von Demokratie.

Ich kenne den Stuttgarter Kontext natürlich nicht genügend. Aber ich denke trotzdem, dass es sicher eine kräftige Absprache zwischen der Macht und den Unternehmen für die Bauarbeiten der öffentlichen Hand gibt und die politischen Parteien in Deutschland so wie in Frankreich in den sehr großen Projekten sicherlich Finanzquellen erkennen...

Ich werde jedoch keinen klaren Standpunkt über die Schlichtung in Stuttgart abgeben können. Vor allem weil Deutschland hier den Ruf hat, ein Land zu sein, wo der soziale Dialog in den Sitten und Gebräuchen des Landes stärker verankert ist als in Frankreich -“ hier sind wir immer schneller beim Kräftemessen. Trotzdem muss ich Euch aufgrund meiner örtlichen Erfahrung zu größter Vorsicht raten...

- Unsere eigene „Legitimität“ haben wir uns erworben, indem wir selbst Volksabstimmungen organisiert haben, bei denen über 90 % der Abstimmenden zur Schnellstrecke „Nein“ gesagt haben; ist das nicht die beste Lösung, dass schließlich die betroffenen Bürger selbst sagen, was sie wollen?

Ich hoffe, diese Antwort ist ein wenig nützlich für Euch, und ich wäre wirklich sehr froh, wenn wir Euch ein bisschen helfen könnten: Einheit macht stark!

Ich warte auf Eure Nachrichten, bis sehr bald!

Ganz herzliche Grüße,
Martine Bouchet

Castor: Bericht der Demobeobachter zu den Blockaden in Berg

Dokumentiert: Bericht der Demobeobachter des Bündnisses für Versammlungsfreiheit zu den Blockaden in Berg:

Gleisblockade in Berg
"Proteste gegen den Castor-Transport in Berg / Rheinland-Pfalz (bei Karlsruhe) am Samstag, 06.11.2010

Die Demonstrationsteilnehmer versammelten sich ab 9.30 Uhr im Zentrum von Berg.

Die Polizei filmt vom Polizeibus aus, stellt dies nach mehrfacher Aufforderung durch Demonstranten ein.

Nach der Kundgebung im Zentrum von Berg bildete sich ein Demonstrationszug in Richtung Bahnhof. Es war ein Demonstrationsverbot in einem 50m-Streifen entlang der Gleise ausgesprochen worden.

Schon von Beginn der Kundgebung an wird das Geschehen bis zum Ende des Demonstrationstags aus der Luft durch abwechslungsweise zwei Polizeihubschrauber beobachtet.

Ab 11.30 scherte ein Teil der Demonstranten aus dem Demozug aus und gelangte über Wiesen unbehelligt auf die Gleise. Ein anderer Teil der Demonstranten durchfloss die Polizeiabsperrung. Es kam dabei zu vereinzelten Übergriffen von einzelnen Polizeibeamten in Form von Schubsen und Stoßen, sowie Anbrüllen der Demonstranten. Die Polizeiabsperrung wurde seitens der Beamten schnell aufgegeben.

Ca. 600m Gleis wurden durch mehr als 1000 Menschen besetzt. Die Räumung durch die Polizei begann, nach mehreren Lautsprecherdurchsagen, mit der Aufforderung die Gleise zu räumen und dem Zusatz, bei Folgeleistung würden die Ordnungswidrigkeiten (Betreten der Gleisanlagen) nicht geahndet.

Gegen 12.35 wurde die Versammlung durch die Polizei als beendet erklärt.

13.20 forderte das Kommunikationsteam der Polizei die Demonstranten einzeln auf, die Demonstration zu beenden, das Gleisfeld zu räumen und sich hinter das Absperrband der Polizei zu begeben.

Es kam durch einen namentlich bekannten Polizeibeamten zu Behinderungen von Pressearbeit.

Auch unser Demobeobachtungsteam wurde aufgefordert den unmittelbaren Blockadebereich zu verlassen.

Um ca. 13.25 wurde die Polizei verstärkt und begann mit der Räumung der Blockade durch Wegtragen bzw. Wegführen einzelner Gleisbesetzer.

Von den weggetragenen Gleisblockieren wurden die Personalien festgestellt und während dessen Film- und Tonaufnahmen erstellt.

13.55 rückte der Großteil der eingesetzten Polizei, nach Räumung von ca. 100 Gleisblockierern, vom Demobereich der Gleise in Richtung Berg ab. Und der Großteil der Polizeifahrzeuge verließ ebenfalls den Demobereich.

Der Grund des Abzugs der Polizei war offensichtlich die Umleitung des Castor-Transportes über Straßburg nach Kehl auf eine andere Route.

Aufgrund der Änderung der Castorstrecke gab es gegen 17 Uhr eine spontane Demonstration mit ca. 300 Teilnehmern auf dem Bahnhofsvorplatz in Karlsruhe. Die Demonstranten zogen durch den Bahnhof in Richtung einer Autobrücke über der Gütergleisstrecke, die der Castortransport nehmen sollte.

Ein Großteil der Demonstranten wurde nach Verlassen des Bahnhofs durch die Polizei, die entlang der Straße eine Kette bildete, daran gehindert, weiter zur Brücke zu laufen. Etwa 50 Personen gelangten trotzdem bis zur 200m entfernten Brücke. Auch hier bildeten behelmte Polizisten eine Kette, sodass die Demonstranten nicht ganz bis auf die Brücke gelangen konnten, sondern sich auf der Zufahrtsstraße vor der Kette sammelten.

Bis zur Durchfahrt des Castors blieb die Polizeikette bestehen, durchgängig waren etwa 100 Polizisten vor Ort. Trotz friedlichen Verhaltens der Demonstranten, die keine Versuche unternahmen, die Polizeikette zu durchbrechen, hielt ein Großteil der Polizisten Schlagstöcke (teils aus Holz) in der Hand bereit. Mindestens ein Polizist hatte zwei Schlagstöcke in den Händen. Später stießen noch einige Polizisten mit Schilden und etwa fünf Polizisten mit Hunden hinzu, ohne dass das durch das Verhalten der Demonstranten zu begründen gewesen wäre.

Während es vor dem Bahnhof zu vereinzelten Rangeleien zwischen Polizei und Demonstranten kam -“ auch Schläge durch die Polizei wurden beobachtet -“ blieb die Situation auf der Brücke bis nach der Durchfahrt des Castors um 19:35 Uhr ruhig."


Filmtipp: Taxi zur Hölle

Foltern für die "Freiheit"? Wer die aufsehenserregende Dokumentation über die Verhörmethoden der USA in Afghanistan, im Irak und in Guantánamo "Taxi zur Hölle" neulich auf "arte" verpasst hat, kann sich den Film entweder als Wiederholung bei arte am 09.11. um 03:00 Uhr oder bei "1 Festival" am 10.11. um 22.15 Uhr ansehen. Aus der Filmbeschreibung:

"Seit dem Beginn des Kampfs gegen den Terror sind über 100 Häftlinge unter mysteriösen Umständen in US-Gefangenschaft gestorben. Der Dokumentarfilm beschäftigt sich mit dem Fall des afghanischen Taxifahrers Dilawar. Als er eines Nachmittags vom US-Militär festgenommen wurde, nachdem er drei Fahrgäste aufgenommen hatte, fragten sich die Bewohner seines Dorfes, warum gerade er verhaftet und im Gefängnis festgehalten wurde und warum es keinen Prozess gab.

Fünf Tage nach seiner Festnahme starb Dilawar unter nicht geklärten Umständen in seiner Gefängniszelle in Bagram. Sein Tod ereignete sich nur eine Woche nach einem weiteren mysteriösen Todesfall im gleichen Gefängnis. Der Autopsiebericht lässt darauf schließen, dass beide Häftlinge ihren schweren Verletzungen, die ihnen während ihrer Haft durch US-Soldaten zugefügt wurden, erlagen.
Der Dokumentarfilm zeigt, wie die Entscheidungen, die im Zentrum der Macht getroffen wurden, direkt zu Dilawars Tod führten. Und er zeigt, wie der ehemalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gemeinsam mit den Verantwortlichen im Weißen Haus den Kongress überzeugte, Folter gegen Kriegsgefangene zuzustimmen. Filmemacher Alex Gibney berichtet über die tatsächliche Einführung der Folter als Verhörmethode in US-Einrichtungen und legt dabei offen, welche Rolle die Schlüsselfiguren der Bush-Administration in dieser Angelegenheit spielten. Sein Dokumentarfilm ist ein eindringliches Plädoyer für die Einhaltung der Menschenrechte und der Genfer Konvention."


Zu Teil |2||3||4||5||6||7||8||9||10||11|

Taxi zur Hölle
(Deutschland, Usa, Grossbritannien, 2007, 104mn)
Regie: Alex Gibney
quelle: arte
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