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Stuttgart 21, Castor, Angriff auf demokratische Rechte, Perspektiven: Schulterschluss suchen!

Heute kommt Besuch aus dem Wendland zu den Stuttgart 21 Protesten. Kerstin Rudek ist Vorsitzende der Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg, seit vielen Jahren aktive Atomkraftgegnerin und heute als Rednerin bei der Montagsdemonstration im Stuttgarter Schloßgarten angekündigt.

Zur Einstimmung eine dokumentarische Animation über CASTOR-Transporte, Zwischenlager, Gorleben, die Demos und vieles mehr.



Mehr Informationen gibt es auch bei: castor-suedbockade.de

Stuttgart 21: Solidaritätserklärung Sozialforum München

Bei Franz ist die Solidaritätserklärung des Münchner Sozialforums mit den S21 Protesten veröffentlicht:

An die Aktivistinnen und Aktivisten gegen Stuttgart 21

Liebe Freundinnen und Freunde,
das Sozialforum München solidarisiert sich mit Eurem Kampf gegen das Mammut-Projekt „Stuttgart 21“, das von der Landesregierung und der Deutschen Bahn AG mit aller Macht gegen den Bürgerwillen durchgezogen werden soll.

Die Bundeskanzlerin hat erklärt, dieses Projekt entscheide über die „Zukunftsfähigkeit Deutschlands“. Mitte der 1980er Jahre haben wir solche Töne auch von der bayerischen Staatsregierung gehört, die mit allen Mitteln, darunter auch brutalen Polizeieinsätzen, in Wackersdorf eine atomare Wiederaufbereitungsanlage errichten wollte. Doch der widerspenstige Wille und die Beharrlichkeit der Bürger und Bürgerinnen der Region haben schließlich obsiegt -“ und Deutschland (oder Bayern) ist nicht untergegangen.

Bei Stuttgart 21 geht es um die Frage, ob Demokratie bedeutet, alle paar Jahre einen Stimmzettel in eine Urne zu werfen -“ oder aber sich aktiv an der Gestaltung der Kommune, der Region und des Landes zu beteiligen. Euer Kampf ist ein Kampf für eine wirkliche Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an den wichtigen alle betreffenden Entscheidungen!

Bei Stuttgart 21 geht es um die Frage, ob der Club der Unternehmer und Finanzgewaltigen, der sich regelmäßig im „Weinberghäusle“ trifft, durch die neue Bebauung der in der Innenstadt frei werdenden Flächen einen riesigen Reibach machen kann, wobei bei Durchsetzung des Konzeptes die einfachen BewohnerInnen immer mehr in Randlagen verdrängt werden -“ oder ob die Stadt für möglicht viele Menschen lebenswert bleiben oder gemacht werden kann.

Bei Stuttgart 21 geht es um die Frage, ob öffentliche Bauwerke nach politischen „Notwendigkeiten“ schön gerechnet werden können und sich am Ende herausstellt, dass statt vier zwölf Milliarden Euro zu bezahlen sind -“ natürlich durch die Steuerzahlerin und den Steuerzahler. Hier kommt es anscheinend auf die Milliarden nicht an, während im Sozialbereich jeder Cent dreimal umgedreht wird.

Bei Stuttgart 21 geht es schließlich um die Frage, ob die natürlichen Lebensbedingungen, wie Parks und Wasseradern, einfach dem Modernisierungswahn zum Opfer fallen sollen, oder ob nicht alle größeren Vorhaben sorgfältig auf ihre langfristigen Auswirkungen auf Klima und Ökologie von Stadt und Region zu untersuchen sind.

Aus allen diesen Gründen bewundern wir Eure Mobilisierungserfolge und wünschen Euch einen erfolgreichen Kampf zur Verhinderung eines Wahnsinnsprojektes.

Stuttgart 21 nie!

"Stuttgart 21" - längst keine Frage der Argumente mehr...

Jetzt konsequent bleiben!
Am 9. Oktober kam es in Stuttgart erneut zu einer Großdemonstration gegen "Stuttgart 21" mit bis zu 150.000 Menschen. Damit verdreifachten sich innerhalb weniger Wochen die Teilnehmerzahlen. Insbesondere sich politisierende Jugendliche, linke AktivistInnen, kämpferische GewerkschafterInnen und BürgerInnen die sich nicht länger alles gefallen lassen wollen, zeigen ein enormes Durchhaltevermögen und haben einen von vielen kaum vermuteten und auch unterschätzten Widerstandswillen entwickelt.

Polizeigewalt am 30. September verbreitert den Widerstand und setzt Kampf um demokratische Rechte auf die Tagesordnung.

Unter dem Motto „Bildung statt Prestigebahnhof“ sind an diesem Tag 2.000 SchülerInnen auf die Straße gegangen. Alarmiert durch die Meldung, dass starke Polizeikräfte zusammengezogen wurden und offenbar das Fällen der ersten Bäume unmittelbar bevorstand, zog die friedliche Schülerdemonstration in den mittleren Schlossgarten.

Die Hoffnung vieler, die Polizei werde sich auch diesmal weitgehend friedlich verhalten, wurde jedoch enttäuscht: Im Schlossgarten wurde die Schülerdemo durch einen brutalen Polizeieinsatz beendet. Unter den mehreren hundert Verletzten waren viele nicht nur körperlich sondern auch seelisch verletzte und traumatisierte Kinder.

Immer mehr Menschen trafen im Laufe des Tages ein und widersetzten sich durch friedliche Sitzblockaden, Baumbesetzungen, Transparente oder einfach durch ihre Anwesenheit.

Mit einer pflichtbesessenen Brutalität, die an Heiligendamm oder Strasbourg erinnerte, wurden Blockaden durch die aus verschiedenen Bundesländern zusammengezogene Polizei geräumt. Hierbei kamen neben Wasserwerfern mit beigemischten Chemikalien auch Reizgase und Pfefferspray sowie Schlagstöcke zum Einsatz. Begründet wurde der Einsatz durch die Polizei mit der "massiven Behinderung durch die DemonstrantInnen".

In der darauf folgenden Nacht wurden die ersten von insgesamt fast 300 Bäumen gefällt. Und das trotz Erlass eines Stopps jeglicher Baumfällarbeiten bis 6. Oktober durch das Eisenbahnbundesamt.

Die Argumente der Befürworter: Wasserwerfereinsatz bei Räumung einer Sitzblockade am "blutigen Donnerstag"
Spaltung und Kriminalisierungsversuche fehlgeschlagen"Der Einsatz von Wasserwerfern, Tränengas und Pfefferspray ist durch nichts zu rechtfertigen, da die Demo-Teilnehmer sich alle friedlich verhalten haben. Die Konsequenz von Hunderten von Verletzten, insbesondere Schüler, ist ein Skandal, den Ministerpräsident Mappus zu verantworten hat und der Baden-Württemberg in ganz Europa einen enormen Imageschaden bescheren wird," sagte der BUND Regionalvorsitzende Axel Wieland, der selbst vor Ort war.

Ein Sprecher der Polizei verteidigte dagegen das Vorgehen der Beamten. Wenn die DemonstrantInnen sich rechtlich nicht einwandfrei verhielten, „dann kann die Polizei auch mal hinlangen“, betonte er.

Ministerpräsident Mappus stellte sich uneingeschränkt hinter das brutale Vorgehen der Polizei. Er nahm den für den Einsatz verantwortlichen und massiv in die Kritik geratenen Innenminister Heribert Rech öffentlich in Schutz und kriminalisierte die DemonstrantInnen.

Die Regierung Mappus zeigt sich trotz breiter Kritik selbst aus den Reihen von Befürwortern von „Stuttgart 21“ uneinsichtig: "Entschuldigen muss man sich, wenn man Fehler begangen hat."

Im Nachhinein versuchte auch die Polizeiführung den Einsatz zu rechtfertigen und den Protest der Jugendlichen zu diffamieren. Der Versuch, die zu erwartende größte Protestdemonstration gegen Repression und "Stuttgart 21" am nächsten Tag noch im Vorfeld mittels der durch die Polizei verbreiteten Mär, dass "7000 Autonome nach Stuttgart kommen" sollten, zu kriminalisieren und zu spalten, schlug jedoch ebenfalls grandios fehl.

Statt dessen  verstärkte sich das Protestpotenzial nach diesen Ereignissen enorm: Bei der Freitagsdemo am 1. Oktober unter dem unmittelbaren Eindruck des „blutigen Donnerstags“ waren es 100.000 DemonstrantInnen, eine Woche später sogar 150.000.

Der Innenminister hat sich verRECHnet. Da er der Verantwortliche für die Polizeitaktik ist, wurde von den Protestierenden  sein Rücktritt gefordert: "Wir sind hier, wir sind laut, weil man unsere Kinder haut!"

Der Delinquent tritt inzwischen die Flucht nach vorne an und lässt seinen Verfassungsschutz die Kinder und Jugendlichen zu "Linksextremisten" erklären. Damit wird nur notdürftig kaschiert, dass sich die Regierung in Baden - Württemberg seit Monaten in einer politischen Krise befindet, die sich durch die Ereignisse am Donnerstag erheblich vertieft und längst auch Berlin erreicht hat.

Bundesregierung ins Visier nehmen
Wie in Stuttgart verhält sich auch die Merkel Regierung und will den Protest aussitzen: "Im Bundestag kam es zu einem Schlagabtausch zu den Ereignissen. Union und FDP lehnten einen Grünen-Antrag für eine Aktuelle Stunde ab - diese soll nach den Worten von Grünen-Fraktionschefin Renate Künast nun kommende Woche stattfinden. "Der Antrag ist politisch schädlich", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Peter Altmaier." (Quelle: NTV)

Auch Bundeskanzlerin Merkel hat ihr Schicksal an das Infrastrukturprojekt gekoppelt. Wer "Stuttgart 21" zu Fall bringen will, muss deshalb die Bundesregierung ins Visier nehmen! Dass die Bewegung dazu auf dem besten Wege ist, zeigten die Solidaritätsaktionen, die inzwischen in vielen Städten stattfinden.

Es ist alles gesagt...
Die größte Gefahr für die Protestbewegung droht nicht von außen...
Bisher sorgte neben dem eigentlichen Anlass vor allem die Landesregierung mit ihrer Arroganz für ständigen Zulauf zur Protestbewegung. Trotz verstärkter Pro "Stuttgart 21" Propaganda und dem Einsatz professioneller PR Agenturen -“ die sogar Gegenproteste organisieren -“ wurde der Widerstand gegen das Projekt nicht geschwächt.

Eine ganz andere Rolle spielen allerdings die Kräfte innerhalb der Protestbewegung, die vor allem auf Legalismus, Appelle an die Regierung, die Landtagswahlen und möglichst wenig Konfrontation wie zum Beispiel auf die Ausweitung der Proteste in die Großbetriebe der Region setzen.

Bei der Abschlusskundgebung am 9. Oktober erhielten die RednerInnen eher verhaltenen Beifall, die die Bewegung zurückzerren wollen, indem sie auf die Schlichtung durch Heiner Geißler setzen. Der durch ihn verkündete und binnen kürzester Zeit von Ministerpräsident Mappus stornierte angebliche Baustopp entpuppte sich bei genauerem Hinsehen denn auch als Mogelpackung: Zum Zeitpunkt seiner Verkündigung waren laut Bauplan sowieso keine weiteren Abrissmaßnahmen geplant. Die zur Vorbereitung der Baugrube notwendige Absenkung des Grundwasserspiegels dagegen wird gegenwärtig offenbar trotzdem durchgeführt und bedroht nicht nur die europaweit zweitgrößten Mineralquellen, sondern alle Bäume im Park, denen damit das Wasser abgegraben wird. Dafür sollten nach Mappus Willen die Proteste ausgesetzt werden.  Konsequenterweise lehnen die "aktiven Parkschützer" die gegenwärtigen Sondierungsgespräche ab. Solange Bahn und Politik keinerlei Verhandlungsbereitschaft erkennen lassen, halten die Parkschützer weitere Gespräche für Zeitverschwendung.
Auch von anderer Seite droht Ungemach: In Berlin hat die Hartz IV und Jugoslawienkriegspartei "Die Grünen" die Proteste gegen "Stuttgart 21" für sich entdeckt und will diese vor ihren Landtagswahlkampfkarren spannen. Trotz ihrer Zustimmung zu "Stuttgart 21" im Bundestag im Jahr 2005. In Baden-Württemberg will der Grüne Winfried Kretschmann, der sich beste Chancen auf den Ministerpräsidentenposten ausrechnet, nicht garantieren, dass ein Ausstieg aus dem Projekt überhaupt noch möglich ist...

Schlussfolgerungen ziehen für andere politische und soziale Kämpfe

Die nächsten Wochen werden entscheiden, ob die Bewegung weiterhin politisch selbständig bleibt, an Entschlossenheit gewinnt und sich dementsprechend auch durchsetzen kann, oder ob Beschwichtigungsversuche und kleinere Zugeständnisse es vermögen, sie zu schwächen oder gar zu spalten. Es geht dabei längst nicht nur um das Bahnprojekt, sondern auch um einen rasanten Politisierungsprozess zahlreicher Menschen, die selbst handeln, bereit zur Konfrontation mit Regierung und Polizei sind und sich mit dem, was hinter der Fassade von "Demokratie" und "sozialer Marktwirtschaft" steckt, immer kritischer auseinandersetzen.

Die neu entstandene Offenheit muss genutzt werden, um nicht nur gegen "Stuttgart 21" zu mobilisieren. Die Auseinandersetzung um "Stuttgart 21" zeigt, dass es möglich ist, eine Massenmobilisierung für positive Ziele und über parteipolitische, weltanschauliche und soziale Grenzen hinweg aufzubauen. Die Frage ist auch, ob die Bewegung gegen "Stuttgart 21" die Schlussfolgerung zieht, dass nicht nur an "Stuttgart 21" etwas faul ist, sondern auch an dem sozialen Dauerbrenner Hartz IV, der Atompolitik, der Kriegspolitik, der Haushaltspolitik und sich mehr und mehr die Frage stellt, ob es nicht positivere gesellschaftliche Perspektiven gibt.

... die Machtfrage stellen!

Die „Fakten“ sind den Projektbetreibern von Anfang an klar. Es geht nicht mehr darum, sie zur „Einsicht“ zu bewegen, sie mit „besseren Argumenten“ zu „überzeugen. Die besseren Argumente der Projektgegner haben die Gegenseite noch nie interessiert, ihr geht es darum, Kasse zu machen.

Vielmehr geht es darum, den Protest zu verschärfen, ihn auch auf andere politische Felder auszuweiten -“ wozu der Herbst einige hervorragende Möglichkeiten bietet -“ und vor allem:

Den vorgegebenen Rahmen zu durchbrechen und die Initiative nicht aus der Hand zu geben.



Quelle: Vorabveröffentllichung meines Beitrages für die "Graswurzelrevolution" Nr. 353
Siehe auch: Stuttgart 21: Aufstand der Anständigen in der Ausgabe Nr. 352

Propagandakompanie zum Breschenschlagen für Wasserwerfer 2!

Waffenlager am Bauzaun
Ganz offenbar haben Merkel und Mappus eines gemerkt: Es muss lauter trompetet werden. Sonst wird es nichts mehr mit dem Fortmarschieren ins 22.Jahrhundert. Also her mit Tröten und Schalmeien.

In der sonst politisch fast abgestorbenen LINDENSTRASSE am Sonntagabend fing es an. Der behäbig gewordene Redakteur Jung-Beimer soll was gegen "Stuttgart 21" schreiben - leidet daran fünf Minuten lang. Alles Leute dort, die fünfzehn Jahre nichts tun, im sechzehnten anfangen zu quengeln.

Das gab den Auftakt für den Artikel Kurbjuweits im neuen SPIEGEL. Schon der Titel ein Fund: "Die Wutbürger". Das ist keine neue Burgersorte für den Hunger zwischendurch. Es ist der Inbegriff einer Zeitanalyse. Zu diesem Zweck müssen eng gebündelt werden die Trottel, die hinter Sarrazin her geifern, und die Stuttgarterinnen und Stuttgarter, die partout nicht den Rest ihres Lebens über Schlamm und Ziegelstein klettern wollen.

Die einen wie die anderen wollen was weg haben. Nach Kurbjuweit die Sarrazinfreunde die Ausländer, die Stuttgarter den wunderbaren Neubau, "so kühn und elegant", wie der Seher ihn jetzt schon erblickt.

Natürlich könnte jemand frech behaupten, die Stuttgarter wollten was behalten: Ihren Bahnhof, den sie schon haben. Die kommen Kurbjuweit gerade recht. Die wollen was behalten - Ja! Ihre gottverdammte Ruhe.
Vor Muezzinen und Baulärm in der Innenstadt. Egoisten! Von ihren Villen am Hang herunter wollen sie nicht den Rest ihres Lebens in Schlamm und Dreckhaufen starren.

Damit der Autor so was hinbekommt, muss er erst einige Vorkehrungen an seinem Körper treffen. Die Daumen - beide - beispielsweise, tief in die Augen bohren, wenn abends das Fernsehen läuft. Sonst hätte er guten Gewissens nicht die Behauptung hinbekommen, in Stuttgart und überhaupt unter den Wütenden befänden sich in der Mehrzahl Ältere und Alte. Die Säcke denken bloß noch an sich und ihre ungestörten Pensionistenjährchen. Egoisten! Wo bleibt da das, woran im Bundestag bei jeder Gelegenheit erinnert wird: Die junge Generation?

Vor allem, wenn schon die Chinesen vor der Türe stehen. Die werden uns Dampf machen. Eine Moderne pfeift uns demächst um die Ohren, die sich gewaschen hat. Wir aber sind "zukunftsvergessen"...

Und dann das Schlimmste an uns "Wutbürgern": Wir denken nicht, wir denken nicht. Argumente gegen Stuttgart 21 gibt es bekanntlich keine. Die Kosten? Ist doch klar, dass alles teurer wird als vorher angegeben.

Vom treuherzig abgesenkten Grundwasser schreibt ein Kollege im gleichen SPIEGEL, dass das- brutalweggepumpt - wahrscheinlich den Zusammenbruch des Stadtarchivs mitverschuldet hat. Für Kurbjuweit kein Grund zur Beunruhigung. Er erwähnt so was vorsichtshalber schon gar nicht.

Am Ende der literarische Schlenk. Thomas Buddenbrook war leider auch schon ein Früh-Stuttgarter. Merkte nichts von den Zeichen der Zeit. Und ging unter. Aber voller Contenance. In tadelloser Haltung! Da können sich die heutigen Wutnickel was abschneiden. Indirekt gibt uns allen der Prophet damit freilich zu verstehen, dass diese Sorte Bürgertum wirklich nichts mehr zu erwarten hat. Endgültig passé. Dann freilich wäre Kurjuweits Voradventspredigt überflüssig gewesen. Beim Aufsteigen der Sintflut wünscht er sich zumindest eines: Haltung. Aufrecht zur Grube fahren, wenn es sich nicht vermeiden lässt.

So also arbeitet der Sturmtrupp der Propaganda. Noch recht brüchig. Sie bieten auf, was sie unter den Vorräten finden. Wenn die Wasserkanonen wieder auffahren, sollen vorher ein paar Sprachranken gestreut werden. Recht und schlecht, wie früher Blumenblätter vor der Prozession. Wenn es auch am Überzeugungskräftigen fehlt, die Polizeipräsidenten und Minister stehen nicht mehr ganz so traurig da im bewegten Klipp-Klapp ihrer Münder.

Zu ein wenig Begleitgeräusch wird es reichen.

Stuttgart 21: Wenn Widerstand zur Straftat wird...

Flyer Aussenteil
Das Stuttgarter "Bündnis für Versammlungsfreiheit" hat anlässlich des Polizeieinsatzes am 30. September in Stuttgart einen neuen Flyer veröffentlicht. Der Text des auch als Druckvorlage zur Verfügung stehenden Flyers im Wortlaut:

Wenn Widerstand zur Straftat wird...

Der Protest gegen Stuttgart 21 und das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit


Am Donnerstag, den 30. September ereignete sich in Stuttgart etwas, das viele Menschen nicht für möglich gehalten hätten:

In einem brutalen Polizeieinsatz wurden hunderte friedlich protestierende "Stuttgart 21" GegnerInnen, darunter Alte, Jugendliche, Behinderte und Mütter mit Kindern mit Wasserwerfern, Reizgas und Knüppeln zum Teil schwer verletzt. Der in zahlreichen Fotos und Videos dokumentierte Polizeieinsatz wurde mit dem angeblichen Begehen einer Straftat begründet.

Das Bündnis „Jugendoffensive gegen Stuttgart 21“ hatte nachweislich Wochen vorher eine Schülerdemonstration und Kundgebung im Schlossgarten angemeldet. Der Einsatz der Polizei zu diesem Zeitpunkt war illegal.

Das Brokdorf Urteil

Versammlungen „enthalten ein Stück ursprünglich - ungebändigter unmittelbarer Demokratie“, urteilte das Bundesverfassungsgericht zu Sitzblockaden. Diese sind verfassungsrechtlich als eine Versammlung nach Art. 8 des Grundgesetzes anzusehen und nicht in jedem Fall als Nötigung.

Polizeieinsatz wegen Ordnungswidrigkeiten?

Ministerpräsident Mappus stellt sich uneingeschränkt hinter das brutale Vorgehen der Polizei. Den für den Einsatz verantwortlichen und massiv in die Kritik geratenen Innenminister Heribert Rech nimmt er öffentlich in Schutz und kriminalisiert die Demonstranten.
Die Regierung Mappus zeigt sich trotz breiter Kritik selbst aus den Reihen von Befürwortern von „Stuttgart 21“ uneinsichtig: "Entschuldigen muss man sich, wenn man Fehler begangen hat."

Unser Bündnis macht dagegen die Landesregierung verantwortlich für die eklatanten Verstöße gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und fordert:

Treten Sie zurück Herr Rech!
Treten Sie zurück Herr Mappus!


Statt immer weiterer Einschränkung ist ein fortschrittliches Versammlungsrecht nötig!

Flyer Innenteil
Wir brauchen ein Versammlungsrecht, das spürbare Proteste ermöglicht und denen, gegen die protestiert wird, die Forderungen deutlich macht. Vor einem solchen demokratischen Recht haben nur diejenigen Angst, gegen die sich der Protest richtet.

Seit Jahren finden Einschränkungen des Versammlungsrechts statt:

• Die Anfang der 80er Jahre in Zusammenhang mit den Protesten gegen die Atomraketenstationierung vom späteren Bundespräsidenten Roman Herzog eingeführte „Wegtragegebühr“.
• Die gewaltsame Räumung friedlicher Sitzblockaden wie die vor der Kirche St. Eber­hard im Zusammenhang mit den Protes­ten gegen das öffentliche Gelöbnis der Bundeswehr am 30. Juli 2010 in Stuttgart.
• Faktisches Demoverbot in der Königsstraße.
• Schikanöse Auflagen, wie Breite von Transparenten, Beschallung von Plätzen, Bezahlung von Absperrmaßnahmen durch die Veranstalter.
• Die willkürliche Ablehnung von Demoanmeldern.
• Das Filmen von Demonstrationen.

Statt dessen fordern wir:

• Abschaffung der „Wegtragegebühr“!
• Einstellung der Verfahren gegen Protestierende!
• Keine Einschränkung des Rechts auf Versammlungsfreiheit durch Polizei- und Stadtverordnungen.
• Übernahme aller Kosten, die den Protestierenden durch juristische Verfahren, Verdienstausfälle, medizinische Behandlung usw. entstanden sind.
• Das Recht für alle, jederzeit und ohne Anmeldung an demokratischen und antifaschistischen Protesten teilnehmen zu können und diese auch organisieren zu dürfen.
• Schluss mit den Repressionen gegen die SchülerInnen und Lehrer und Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die an den Protesten am 30. September teilgenommen haben.




„Ja zur Versammlungsfreiheit -“ Nein zur Verschärfung des Versammlungsgesetzes“ ist aktueller denn je.


Die Landesregierung versucht seit 2008 ein neues Versammlungsgesetz durchzusetzen. Dies soll das Recht auf Versammlungsfreiheit erheblich einschränken. Ihr Entwurf schafft bürokratische Hürden, sieht die Registrierung, Überwachung und Erfassung der TeilnehmerInnen vor. Gleichzeitig soll das neue Gesetz Polizei und Behörden die Möglichkeit für willkürliche Erschwernisse, Eingriffe in die Versammlung und die Rechte der Versammelten geben.

Dagegen hat sich im Oktober 2008 unser Bündnis gegründet, das inzwischen aus über 120 Organisationen und zahlreichen Einzelpersonen besteht. Wir haben eine Großdemonstration am 6. Dezember 2008 mit weit über 5000 TeilnehmerInnen, diverse Veranstaltungen, Vortragsreihen und mehr durchgeführt und stellen Demobeobachter auf.

Zero Nero Mappus Schnappus

Theodor Lessing schrieb sich selber in der Weimarer Republik sein Todesurteil, als er beim Anblick des Präsidenten Hindenburg eine furchtbare Entdeckung machte. Hindenburg, als Pensionist in Hannover ansässig, von den Rechten zum Präsidenten hochgeprügelt, schaute stets sorgenvoll und gedankenleer. Die Verantwortung umwolkte ihn, die ewigen Notverordnungen, zu denen seine Umgebung ihn drängte- und nachher sollte er an allem schuld sein. Das Ebenbild der Nullkarte, die von sich aus keinen Stich macht.. Eben Zero. Lessing erkannte hinter dieser Leere die Panik, das wilde Herumstöbern, die Angst dessen, der die angemaßte Position nicht ausfüllt und doch nicht verlieren will. Daher Lessings Diagnose: "Hinter jedem Zero steckt immer auch ein Nero".

Als die Voraussage sich wörtlich erfüllte und Hindenburg die unerhörtesten Greuel mit einem Federstrich genehmigt hatte, wurde Lessing im tschechischen Exil von SA-Mördern durchs Fenster hindurch abgeknallt. Damit das Offenkundige nicht auch noch zur Wahrheit der Welt werden sollte.

Mappus bei uns gilt allgemein als Schulterklopfer, Kinderfreund, Stammtischprediger und Nachbeter dessen, was er für konservativ hält. In all den Jahren seiner Bekanntheit hat er nicht ein einziges Mal mit einem unerwarteten Gedanken überrascht.Der Vergleich mit Strauß ist nichts als besinnungslose Schmeichelei. Kinder mag er an OWI erinnern, ein lustiges Männlein mit aufgerissenem Mund, wie sie es dem nicht ganz verstandenen Weinhachtslied entnehmen. "OWI LACHT".

Wenn solchen etwas schief geht, suchen sie nicht nach einem Trick, einer Finesse, um doch noch durchzukommen. Sie prügeln wild um sich. Beziehungsweise jagen einen ähnlich strukturierten Innenminister nach vorn, der vor aller Ohren das Blaue vom Himmel herunter erfinden muss. Wenn nur ein zarter Regen aus den Kanonen der Wassermaschinen kam, woher dann die zerbrochenen Nasenbeine und die verquollenen Augen? Und wieso gleich mit einer Armee von Wasserwerfern anfahren, wenn man mit nichts Bösem gerechnet hat? Der brüllende Angreifer als erschrockener Schafbock.. Genau wie sein Chef. Es kann sein, dass die beiden den Koch machen wollen. Mit hervorgebrülltem: Vorwärts für Recht und Ordnung - die Wahlen gewinnen.

Stuttgart und Umgebung werden sie dann abschreiben müssen. Nur weil ein anderer den Mund nicht leer bekommt von Haifischgrätenl, läuft man noch lange nicht zehn Jahre lang durch die Trümmer einer aus Raffgier niedergelegten Innenstadt.Von der man im Endeffekt absolut nichts hat.

Mappus Denke reicht nicht weit genug. In der Klemme wird er augenblicklich zum SCHNAPPUS: Man kann es ableiten vom unerbitlichen Willen zum Zuschnappen- all die schönen Immobilien, die es auszubeuten und abzuernten gilt. Noch näher liegt der Gedanke ans Überschnappen. Wer bei einer -noch- sehr friedlichen Demonstration schon die Wasserkanonen auffahren lässt, was bleibt dem noch, wenn wirklich die Vielen am Teppich unter dem Bürostuhl zerren. Wichtig nur eins: Es muss nicht immer so enden wie mit dem alten Reichspräsidenten. Nächsten März einfach richtig wählen- und schon durcheilt ein wieder friedlich gewordener Ex sein heimatliches Pforzheim.

Großdemo gegen S21 mit bis zu 150.000 Menschen

Bild anklicken für Fotos von der Großdemonstration vom 09. Oktober
Gestern kam es in Stuttgart erneut zu einer Großdemonstration gegen Stuttgart 21. Bis zu 150.000 Menschen waren nach Angaben der Organisatoren auf der Straße. Angeführt wurde die bislang größte Protestdemo von hunderten Radfahrern.

Die Proteste gegen Stuttgart 21 haben sich in den letzten Wochen ebenfalls enorm weiter entwickelt. Insbesondere die kämpferischen Teile der Bewegung, sich politisierende Jugendliche, linke AktivistInnen, klassenkämpferische GewerkschafterInnen und BürgerInnen die sich nicht länger alles gefallen lassen wollen, zeigen ein enormes Durchhaltevermögen und haben einen hier in diesem Ausmaß kaum gekannten Widerstandswillen entwickelt.

Nachdem sich die Polizei - wohl in der Hoffnung die Proteste würden spätestens nach Beginn der Abrissarbeiten nachlassen - bei früheren Protesten gegen Stuttgart 21 auffällig zurückhielt, ist sie am 30. September mit enormer Gewalt gegen Blockaden im Schlosspark vorgegangen.

Selbst Teile der bürgerlichen Medien sahen sich gezwungen, den Polizeieinsatz zu hinterfragen, wenngleich die tatsächlichen Vorkommnisse mit mehreren hundert durch Knüppel, Pfefferspray und Wasserwerfer Verletzten durch die meisten Medienberichte immer noch relativiert werden. Polizeieinsätze wie dieser sind dann üblich, wenn Protest- und Widerstandsbewegungen zu sehr an Stärke gewinnen, sich nicht auf unbedeutende Aktionsformen beschränken und drohen, sich durchzusetzen und ihnen daher zumindest Grenzen aufgezeigt werden sollen. Bisher hat die Bewegung gegen Stuttgart 21 auf die Eskalation richtig reagiert und viele der Aktiven sind in ihren Bestrebungen sogar bestärkt worden.

Es gibt aber auch Stimmen, die vor allem auf Legalismus, die Landtagswahlen und möglichst wenig Konfrontation setzen. Bei der Abschlusskundgebung erhielten die Redner eher verhaltenen Beifall, die die Bewegung zurückzerren wollen, indem sie auf die Schlichtung durch Heiner Geißler setzen. Der angebliche Baustopp entpuppt sich bei genauerem Hinsehen denn auch als Mogelpackung, da zum gegenwärtigen Zeitpunkt laut Bauplan sowieso keine weiteren Abrissmaßnahmen geplant waren. Die Absenkung des Grundwasserspiegels dagegen wird gegenwärtig offenbar trotzdem durchgeführt und bedroht nicht nur die Mineralquellen, sondern alle Bäume im Park, denen damit das Wasser abgegraben wird.

Auch, dass das kurze Grußwort der Verletzten zu den Ereignissen am "blutigen Donnerstag" gestern bei der Abschlusskundgebung nicht verlesen wurde, sorgte für einigen Unmut.

Die nächsten Wochen werden entscheiden, ob die Bewegung weiterhin an Entschlossenheit gewinnt und sich dementsprechend auch durchsetzen kann, oder ob Beschwichtigungsversuche und evtl. kleinere Zugeständnisse, sowie Einschüchterungen es vermögen, sie zu schwächen. Es geht dabei längst nicht nur um das Bahnprojekt, sondern auch um einen Politisierungsprozess zahlreicher Menschen, die selbst handeln, bereit zur Konfrontation mit Regierung und Polizei sind und sich mit dem, was hinter der Fassade von "Demokratie" und "sozialer Marktwirtschaft" steckt, immer kritischer auseinandersetzen.

Die zehnte Aktionswoche beginnt am morgigen Montag damit, der Polizei einen Spiegel vorzuhalten, anschließend gibt es wieder eine Montagsdemonstration ab 18 Uhr im Schlossgarten. Am Samstag, 16.10.2010 wird es bei der Kundgebung auf dem Schlossplatz einen Auftritt von Konstantin Wecker geben.

Weitere Fotos:
Roland Hägele
Alexander Schäfer
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