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Mit Gewalt illegal gerodet, mit Liebe neu bepflanzt

Stuttgart, 30. Oktober 2010: Auf dem am 1. Oktober illegal gerodeten Areal im Stuttgarter Schlossgarten haben Mitglieder von den Parkschützern und Robin Wood heute 50 junge Platanen, Eschen und Spitzahornbäume gepflanzt. Mit ihrer Aktion fordern Robin Wood und Parkschützer, dass die Arbeiten am Grundwassermanagement für das Bahn-Projekt Stuttgart 21 sofort eingestellt werden und das Gelände dem Park zurückgegeben wird. Durch die bis 2024 vorgesehene Grundwasserabsenkung um ca. zehn Meter sind die Bäume im gesamten Schlossgarten gefährdet. Der illegalen Baumfällung durch die Deutsche Bahn war am 30. September ein brutaler und rechtswidriger Polizeieinsatz gegen eine friedliche Demonstration vorausgegangen, der -˜Schwarze Donnerstag-™. Auch heute demonstrierten wieder mehrere zehntausend Menschen gegen Stuttgart 21. Unter dem Motto „Kultur statt Größenwahn! Nein zu Stuttgart21“ forderten sie einen umfassenden und sofortigen Bau- und Vergabestopp für S 21.

„Das Großprojekt Stuttgart 21 fügt unserem Staat und unserer Gesellschaft enormen Schaden zu“, sagt Landschaftsgärtner und Parkschützer Hansjörg Bärtschi. „Am 30. September wurde ein Staat jenseits unsere Rechtsordnung sichtbar: ein Staat, der illegale Baumfällungen deckt, der Grundrechte wie das Demonstrationsrecht opfert zugunsten von Partikularinteressen, ein Staat, der mit brutaler Gewalt gegen seine Bürger vorgeht. Die Arbeiten am Grundwassermanagement begannen mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen europäisches Recht und geltende Planfeststellungsbeschlüsse. Damit haben diese Arbeiten jegliche Legitimität verloren und müssen sofort gestoppt werden. Der Schaden, der durch die Fällung Jahrhunderte alter Bäume entstanden ist, ist nicht wieder gut zu machen. Das ist aber kein Grund, jetzt mit dem zerstörerischen Treiben fortzufahren. Wir pflanzen stattdessen neue Bäume und schließen damit die Wunde.“

Spätestens seit gestern ist bekannt, dass die Bahn trotz der laufenden Schlichtungsgespräche wie geplant weiter baut, dadurch Fakten schafft und sich an keinerlei Zusagen hält. Entgegen den Abmachungen im Vorfeld der Schlichtungsgespräche wurde in den vergangenen Tagen auf dem Gelände des Grundwassermanagements betoniert, zahlreiche Betonteile wurden angeliefert. Fast gleichzeitig musste die Bahn eingestehen, dass auch der erklärte Aufschub der Südflügelentkernung nicht eingehalten wurde. Von staatlicher Seite ist derzeit keine Ahndung der Rechtsverstöße rund um den 30. 9. erkennbar.

„Die Landesregierung hat aus dem Konflikt um Stuttgart 21 nichts gelernt. Sie bleibt bei ihrer sturen, arroganten Haltung und lässt zu, dass weiter Fakten geschaffen werden, die den laufenden Gesprächen und einer Konfliktlösung im Wege stehen“, sagt Kei Andrews von Robin Wood. „Es ist schön, wenn bei den Schlichtungsgesprächen noch einmal viele Argumente und fachliche Details für eine große Öffentlichkeit ausführlich debattiert werden. Aber was bringt das, wenn aus all dem Wissen und all den Erkenntnissen keine Konsequenzen gezogen werden?“

Quelle: Presseerklärung vom 30. Oktober 2010

Fotos von gestern gibt es bei Roland Hägele

Mappusshow in Esslingen: Wenig Interesse an Schlichtung - noch weniger an Volksabstimmung zu S21

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Stefan Mappus kam auf Einladung der Esslinger Zeitung am 26.10. ins Neckarforum nach Esslingen. Dort erklärte er vor 1000 Zuschauern seine Haltung zur Schlichtung und zu einer Voksabstimmung: "Mappus wollte sich nicht festlegen, was nach Abschluss der Schlichtung geschehen soll. Einen Volksentscheid lehnte er jedoch ab - auch für den Fall, dass Vermittler Heiner Geißler einen solchen am Ende vorschlagen sollte." (Esslinger Zeitung)

Im Vorfeld der Veranstaltung fand eine Protestkundgebung und Demonstration statt, an der nach Angaben der "Esslinger Initiative gegen Stuttgart 21" bis zu 300 Menschen teilnahmen.

Bei der Kundgebung sprachen unter anderem Menschen, die Opfer der Polizeigewalt am 30. September wurden, Vertreter der Initiative für eine Volksabstimmung sowie Sieghard Bender von der IG Metall Esslingen.

Die Esslinger "Initiative gegen Stuttgart 21" lädt ein zu einer Veranstaltung am Donnerstag 28.10. ab 20 Uhr. Unter dem Motto "auf den Tisch!" - Fakten zu S21 im Alten Rathaus in Esslingen spricht unter anderem Klaus Gebhard von den Stuttgarter Parkschützern.

Zum Protest nach Berlin gekommen

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Am frühen Dienstag Morgen erreichte der Sonderzug aus Stuttgart den Berliner Hauptbahnhof, mit dem 600 Menschen in die Hauptstadt kamen, um ihren Protest gegen das größenwahnsinnige Projekt Stuttgart 21 zu zeigen.

Das Programm war umfangreich und reichte von Gesprächen mit Vertretern der Bundestagsfraktion, über einen Protest am Brandenburger Tor, der Pflanzung einer Widerstandskastanie unweit des Kanzleramtes, ... Mit Schiffen wurde die Spree befahren. Die Wasserschutzpolizei verbot jedoch das Mitführen von Transparenten, schließlich durchquere man ja die Bannmeile am Bundestag.

Am Nachmittag fand am Potsdamer Platz, am Fuße des DB-Towers, eine Protestveranstaltung statt, zu der auch zahlreiche Berlinerinnen und Berliner kamen. Und immer wieder hallten die Sprechchöre "Mappus weg", "Oben bleiben" und "Lügenpack" über den Potsdamer Platz.

Bevor der Sonderzug sich wieder in Richtung Süden bewegte, musste natürlich noch der mittlerweile legendäre Schwabenstreich stattfinden. Die Veranstalter sprachen von 1000 Teilnehmern.



Siehe auch ""Kastanien für Merkel", "junge Welt", 27.10.2010

Festgeklebt in Geisslers "Kitt statt Dynamit"?

Großdemo gegen S21 am 09.10.2010
"Kitt statt Dynamit". Das sollte Geissler bieten. Wie es in vielen bürgerlichen Blättern fast erleichtert hieß. Gemeint natürlich: die Widerstrebenden wieder ans Gemeinwohldenken fesseln. "Einbinden" wie man so sagt. "Dynamit" spricht lauteste Sprache der Angst. Vor der  Entwicklung einer Sprengkraft, die ein entschiedenes Nein  der herrschenden Gewalt entgegensetzen könnte.

Klar, dass damit beide Seiten ein gewisses Risiko eingingen.

Die Mappusgruppe, fest entschlossen, keine Daten herauszurücken. Trotzdem genötigt, zuzugeben, dass das "niedere Volk" überhaupt einen Anspruch auf Rechenschaft erheben kann. Die Gegenseite: Chance der landesweiten Verbreitung der eigenen Argumente über Kanäle aller Art.

Auf dieser Ebene hat Palmer von den GRÜNEN  eindeutig einen Punktsieg davongetragen. Während ein hochgelehrter Bruder Lall der Bahn Europa vor die Augen riss und sehr allgemein alle Verweigerer als Europa- und Fortschrittsfeinde hinstellte, konnte Palmer scharf und bescheiden die Leerstellen aufzählen, die im durchgestylten Großprojekt "noch" fehlten und darin für immer fehlen würden.

Dagegen gestellt die Mickrigkeit der immer wieder durch die Nudelmaschine getriebenen Vorteile.

Gefahren ergaben sich aus den ausgehandelten Vorteilen des Verfahrens selbst. Geissler hatte an sich geschickt seine Erfahrungen aus tausend gewerkschaftlichen Verhandlungen flott gemacht - und deshalb einen Zustand gefordert, der kein fait accompli schuf. Das ist - unentschlossen genug - halbwegs durchgesetzt worden. Mappus und seine Clique zogen sofort nach, und versuchten mit dem selben gewerkschaftlichen Wortschatz eine Friedenspflicht zu suggerieren. Das ging in Theorie und Praxis schief. Der Mappusjüngerschaft  war zwischendurch entfallen, dass bei allen gewerkschaftlichen Verhandlungen während der Endphase die Demos und Kundgebungen vor dem Verhandlungssaal unübersehbar anschwellen. Wieso jetzt auf einmal nicht, nur weil es gegen die Obrigkeit ging?

Ungelöst bleibt damit allerdings das eigentliche Problem. Es kann zwar einen Kompromiss geben zwischen acht Prozent und vier Prozent bei IG Metall. Wo soll der aber zu finden sein zwischen Bahnhof ja und Bahnhof nein?

Die Staatsgemeinde hat in Wirklichkeit einen Verzicht auf den Umbau oder auch nur eine Volksabstimmung nie in Erwägung gezogen. Wie seinerzeit in Hessen schüttelte man betrübt die Köpfe und knurrzischte: verfassungsmäßig nicht vorgesehen.

Also unmöglich! Wie wenn die Verfassung zugleich mit den zehn Geboten einst von Gott aus dem brennenden Dornbusch weitergereicht worden wäre. Verfassungen sind of ziemlich bedenkenlos zusammengeschustertes Menschenwerk. Die im Tremolo des Nachkriegs in Kommunistenangst und Obrigkeitslust zusammengekratzten besonders. Was Menschen geschaffen haben, können Menschen auch ändern. Die im Landtag zum Beispiel. Dass die Landesregierung eine solche Ämderung für undenkbar erklärt, beweist, dass sie entschlossen ist, ihr Ding mit der Bahn zusammen durchzuziehen (und der lokalen Stuttgarter Geländespekulation, versteht sich).

Wie werden sich die Umbau-Gegner Geisslers Kitt entwinden können? Jetzt einfach die Verhandlungen zu verlassen, würde den Grünen vermutlich im Kreis der Versöhnungssüchtigen unter den gewöhnlichen Leuten niederreißend schaden.

Andererseits: Sich bis zum Ende der vorgetäuschten Einigungshoffnung von Geissler  mitschleifen zu lassen, wäre schlimmer.

Am Ende werden Teufel und Mappus - aufgeplustert im Gefieder eigener Großzügigkeit - verlauten lassen: Sie hätten ja gewiss Geduld und Langmut gezeigt bis über alles erwartbare Maß hinaus: Jetzt müsse dem verbliebenen Gegner-Rest um die "Parkschützer" herum eben mit den Mitteln des staatlichen Gewaltmonopols noch einmal - und dieses Mal dauerhaft und gründlich - gezeigt werden, wo der Landesplaner dem Bahnhof seinen Platz angewiesen hat.

Müsste also vor dem letzten November, den Geissler vorgesehen hat, ein Abgang gefunden werden, der den Abrissgegnern den Trumpf in der Hand lässt.

Leicht zu erkennen, schwer zu finden.Gesucht werden müsste im Bereich eines umfassenderen Widerspruchs. Schließlich lechzt die Obrigkeit und ihre Herde nicht nur nach dem Immobiliengeschäft im Stuttgarter Zentrum, sondern genau so nach den Sondergewinnen, die die bis möglichst zum Termin des jüngsten Gerichts  weiterbetriebenen drei KKWs bringen sollen. Sie sind genau so wie das Bahnhofsprojekt gegen die Interessen der näheren und weiteren Nachbarschaft als Zwingburgen errichtet.

Das Nein muss herausgearbeitet werden als etwas, das den Massen der Gegner genau so unverhandelbar entgegentritt wie  das Verfassungstabu den Staatsfetischisten.

Wäre das zu schaffen, beantworteten die Wahlen im März 2011 ein einziges Mal eine wirkliche Frage: Für die Fortsetzung der Ausbeutung der eigenen Bürger durch die staatsgeschützten Monopole - oder - mit ungewissem Ausgang - für freie Verfügung der Landesbewohnerinnen und -bewohner über das von ihnen Hervorgebrachte.

KUNDGEBUNG: Esslinger Initiative gegen Stuttgart 21

Für alle, die nicht mit dem Sonderzug nach Berlin fahren: Stefan Mappus kommt auf Einladung der Esslinger Zeitung und der Kreissparkasse Esslingen am 26.Oktober 2010 ins Neckarforum nach Esslingen. Die Esslinger Initiative gegen Stuttgart 21 trifft sich zu einer Kundgebung um 18 Uhr am Rathausplatz in Esslingen um dann in einem angemeldeten Demonstrationszug zur Hauffstraße vor den Eingang des Neckarforums zu ziehen.



Siehe auch:
• Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 und die AnStifter organisieren den Protest-Kultur-Zug von Stuttgart nach Berlin
Parkschützer
Pressekonferenz zum Sonderzug nach Berlin, 21. Oktober
redblog

Flop am Samstag: Die Pro S21 Kundgebung

Gestern dachte ich mir: "Schau doch mal bei der PRO S21 Kundgebung auf dem Schlossplatz vorbei".  Nicht, dass ich mir eines Tages nicht vorwerfen lassen muss, ich hätte der Gegenseite keine Chance gelassen. Die haben sie jedoch nicht genutzt.

Die Polizei rechnete die Anwesenden auf 7000 hoch, die Veranstalter rundeten auf: 10000 sollen es gewesen sein, und das, obwohl sie in ihrer tollen Facebook Gruppe ganz doll mobilisiert haben und es kostenlose Fahrten nach Stuttgart gab, wie bei der CDU Göppingen. Gehässiger Seitenhieb der Moderation auf die Gegner: "Wenn wir so rechnen würden wie die Gegner, nämlich die Füße zu zählen, wären wir heute doppelt so viele". Beifall vom Fußvolk für den Flachwitz.



Ein (Noch) Bahn Chef, der dazu aufrief, die "ohnehin hochgekochte, politisch und emotional aufgeladene Situation" nicht noch weiter zu befeuern und natürlich das Schlichtungsverfahren lobte. Um im selben Atemzug - "ich sage es Ihnen ganz ehrlich..." die sattsam bekannten Plattitüden von sich zu geben: "Die Deutsche Bahn kann darf und will keinen Baustopp", winkte erneut mit tausenden neuer Arbeitsplätze, Bäume und Wohnungen und erhielt artig Beifall von der zwischendrin "Weiterbauen! Weiterbauen" skandierenden und mit Deutschland Fähnchen winkenden Menge. Kennen wir alles, wurde schon oft genug widerlegt.



Ein paar abgehalfterte Politiker, die außer den PRO S21 Demonstranten keiner mehr sehen will. Ex - Ministerpräsident Erwin Teufel sieht die "Grundpfeiler der Demokratie" in Gefahr, wenn sich die Gegner von S21 durchsetzen. Dafür gab's frenetisches "Erwin! Erwin!" Gejohle des vom kostenlosen Sekt offenbar schon berauschten Publikums. Kein Wunder, wollten die unsere sauren Gurken nicht haben. Naja, RESIST schmeckt sowieso besser, außerdem passen Alkohol und Demo ohnehin nicht zusammen.



Ein gescheiterter Projektsprecher, dessen Nachfolger vorsorglich nicht an der Kundgebung teilnahmen. Immerhin hat er ausgemacht, warum "Boulevardblätter" wie der "Stern" kritische Berichte bringen: Weil dort nicht die Südwestpresse über ihre Beteiligungen die Finger drin hat, wie bei der Regionalpresse. Aber immerhin, einige seiner wichtigen Argumente fielen auf fruchtbaren Boden:



Die Moderation inne hatte ein sich ganz und gar unchristlich verhaltender Pfarrer, der nebenbei sämtliche Redner heiligsprach, die Gegner des Projektes jedoch auch gestern diffamiert: Alle auf jeden Fall "linksgerichtet". Hach, wenn's nur so wäre!

Dazwischen: Absolut unterirdische, billige "Sex sells Pro S21" Reklame. Und ein Nazivergleich, den nicht nur ich zum Kotzen finde:



Klar, das waren bestimmt linksradikale Provokateure. Nach der Sichtung dieses Motives langte es mir. Zum Glück gab es noch die Möglichkeit, an einer Spontandemo mit mehreren tausend S21 GegnerInnen teilzunehmen, die ausgehend von der Kundgebung am Nordausgang stattfand.



Berittene und andere Polizeikräfte hatten dabei die beiden Demonstrationen fein säuberlich getrennt. Dazwischen die Stimme ihres Herrn aus dem Off: "-˜Ich stehe uneingeschränkt zur Polizei und es wäre gut, wenn dies alle tun würden. Dabei verbieten sich öffentliche Ferndiagnosen, denn sie nützen niemanden und desavouieren die aktiven Polizisten, denen viel Aggression entgegenschlägt-™, [...]. Und: -˜Es ist eine Hysterie und eine planmäßig gesteuerte Erregung gegenüber der Polizei zu spüren, aber auch gegenüber allen, die für dieses Projekt sind.-™"(Via politblogger)



Ab morgen beginnt dann die 12. Aktionswoche gegen Stuttgart 21.



Fotos von den Protesten gegen S21:
Buntgrau
Realfragment
Action-Stuttgart

Das LINKE am Sturm gegen Stuttgart 21

Protestdemo gegen den drohenden Abriss des Nordflügels am 19.08.2010
Catrin Dinger, strenge Richterin aus "Jungle Word" hat herausgefunden, dass die Gesamtbewegung in und um Stuttgart nur zur deutsch-nationalen Knollenbildung reichte. Und wie flugs die das bewies! Ihre Methode: Zerlegung. Sie sieht die Leute, die Bäume retten wollen. Gleich legt sie uns die alten Germanen - sinngemäß -nahe, die um die Eichen tanzten. Gegen die was Sankt Bonifatius noch ein Aufklärer mit seinem Hackebeilchen. Oder die Verehrung für das Bauwerk eines Architekten, der aus dem nationalen Monumentalismus auch nie herausfand. Am verdächtigsten die teilnehmenden Personen: die wollten ihr Grün und ihre Ruhe! Manche wurden erwischt, die in der Eile "Lebensraum" sagten. Was an dem Ganzen soll da "links" sein?

Was fehlt bei der Kritik der Griesgramin? Anwort: Der Zusammenhang.

Von niemand bestritten wird, dass viele von denen, die sich heute einmütig gegen "Stuttgart 21" wenden, unter anderen Umständen gegeneinander stellen würden. Wenn es etwa um höhere Erbschaftssteuer ginge.

Die Kritikerin hält an einer allzu engen Fassung des "Linken" fest. Links - das sollte nach ihr wohl die Bewegung der Arbeiterinnen und Arbeiter innnerhalb der Fabriken sein. Zunächst um den Lohn, später vielleicht um das ganze System der Lohnarbeit.

Gestehe ich es offen, dass im Kommunistischen Bund Westdeutschland selig, dem ich mit Kretschmann zusammen einst angehören durfte, ähnliche Vorstellungen umgingen. Eigentlicher Klassenkampf gehörte nach dieser Vorstellung in den Betrieb. Die Tatsache, dass die erbitterten Auseinandersetzungen um Wyhl, um Wackersdorf, um Startbahn West,in Brockdorf samt und sonders außerhalb der Fabrik stattfanden, sollte uns nicht irremachen. Hilfsweise wurde der Begriff der "Volkskämpfe" herangezogen, die sozusagen als Wolke um die "eigentlichen" Klassenkämpfe zu wogen hatten. Nicht, als hätten die Leute vom KBW und "Roter Fahne" sich nicht als entschlossenste auch an die Spitze dieser Kämpfe gesetzt. Nur reichte das als Salbe gegen das schlechte Gewissen nie ganz: was war mit dem Aufstand in den Fabriken?

Bis dem einen oder anderen unter uns auffiel, dass der Ansatz falsch war. Produktion selbst war zu eng gesehen. Wir richteten den Blick auf den Mann, die Frau am Fließband, an der Werkbank, als verbrächten sie dort das ganze Leben. Als wäre Produktion überhaupt noch einschließbar in irgendwelche Hallen. Was war mit den Produktionsgelegenheiten - und Möglichkeiten zwischen einem Arbeitsort und dem weiterverarbeitenden nächsten? Was mit dem An-und Abtransport der Leute, die sich erst einmal in den Hallen einzufinden hatten. Was mit der Gegend um die Wohnungen der Arbeitenden herum?

Was mit den Schlaf- und Bewegungsmöglichkeiten um Flörsheim oder Offenbach, welche die Startbahn West schmatzend wegfraß? Das gleiche gilt nach den Erfahrungen von Tschernobyl aber mit dem Leben selbst der Arbeitenden - wie aller übrigen- und den Gesundheitsbeeinträchtigungen.

Versuchsweise lässt sich also formulieren, dass es heutzutage im Klassenkampf nicht um die Herrschaft in der Fabrik allein gehen kann, sondern dass er darüber hinaus Verfügung über den gesamten Bewegungsraum anzielen muss - damit Bestreitung des Zugriffs der großen Monopole und ihrer Planungs-und Enteignungskompanie.

Hinzu kommt eines: Gramsci hatte sehr gut auseinandergesetzt in den zwanziger und dreißiger Jahren, als er im Knast Mussolinis saß, dass es im Zusammenhang mit dem Klassenkampf um Hegemonie geht.. Hegemonie - gemeint als die Meinungsführerschaft, die gegenwärtig Merkel und Seehofer als "Lufthoheit über den Stammtischen" beanspruchen. Hegemonie - gemeint als Kraft, gewisse Gesichtspunkte, Meinungen und Handlungsanweisungen als unumgänglich alllen anderen aufzuzwingen, die im Gespräch ernst genommen werden wollen. Aus der Hegemonie heraus würden sich demokratische Mehrheitsentscheidungen ergeben.

Warum hat das Rezept Gramscis bisher so selten hingehauen?

Weil es bisher sehr oft einer Mehrzahl gelungen ist, sich einfach uninteressiert zu geben. Nicht betroffen. Was die da oben beschlossen haben, wird schon seine Ordnung haben. Sind doch mit den Mappussen und Rechs immer gut gefahren. Damit konnten sich die Vielen aus dem Streit heraushalten.

Das ist im Fall des Protests gegen "Stuttgart 21" kaum noch möglich. Wie selbst die Apostel der Bahn zugeben, wird der Bau zehn Jahre lang dazu bringen, in Schlammstiefeln die Innenstadt zu durchqueren. Dieser Situation gegenüber ist faule Neutralität kaum noch möglich. Man muss Stellung nehmen und gerät damit in den Sog der hegemonialen Ausrichtung.

Geissler hat in einer der hundert Diskussionssendungen mit Recht darauf hingewiesen, dass in seinen Runden endlich einmal die Verträge offengelegt werden müssen, die Bahn, Stuttgart und Regierung untereinander abgeschlossen haben, als seien das Abmachungen zwischen ein paar privaten Besitzern. Nur reicht diese Offenlegung bloß für den ersten Schritt. Für eine Annäherung an die entscheidende Frage: Wer wen? Wenn nämlich erst einmal die zu erwartenden Kosten feststehen - wohlgemerkt die im gegenwärtigen Augenblick - kann - und muss - sinnvoll gefragt werden:

Wem soll das hier zu Bezahlende zukommen? Dem Monopol und dem ihm zuarbeitenden Staatsapparat - oder denjenigen, die endlich volle Verfügung über den eigenen Bewegungsraum verlangen. Und zu erkämpfen haben.

Ein weiteres Ergebnis der bisherigen Bewegung: wer sich einmal auf die Hinterbeine gestellt hat, auf die eigenen, wohlgemerkt, um seine Stadtmitte, seinen Baumbestand, seine Kontakte zu verteidigen, der kommt schrittweise ab vom kindischen Vertrauen, die Oberen- insbesondere die Parteien- würden im Endeffekt die Sache schon regeln. Entweder CDU und FDP. die uns so lange trefflich geführet - oder die neuen, die im Augenblcik manche Interessen der Kämpfenden vertreten. Es wird hoffentlich nur wenige geben, die über dem gegenwärtigen löblichen Einsatz der GRÜNEN die Schamlosigkeiten vergessen, die unter Fischer - und nicht nur unter ihm - begangen wurden. Vom Wackelpudding selbst, der SPD voller Wehmut und Gebetshaltung, gar nicht zu reden. Es kann sich empfehlen, bei allem Misstrauen gegen den Rest der Parteien Mappus abzuwählen. Das wird ohne ein Ja zu LINKEN, GRÜNEN und voller Nachsicht für die Verjauchten der SPD nicht gehen. Wichtig aber, nach der Wahl die Maßnahmen schärfster Aufsicht nicht zu vergessen. Nie mehr darf eine Regierung, einmal gewählt, sich vergnügt im Faulbett wälzen, in der genüsslichen Illusion: Ab jetzt sei alles erlaubt. Mindestens eine Wahlperiode lang. Auch ein Kretschmer oder ein anderer grüner Sendbote muss Tritte in den Hintern fürchten - die ganze Regierungszeit lang.

Ergebnis also: Der Proteststurm gegen Stuttgart 21 ist nicht einfach links, wie ein Ding, das man gefällig angemalt hätte. Aber dieser Sturm eröffnet die Möglichkeit für viele, links zu werden - dann nämlich, wenn sie über die dabei gemachten Erfahrungen lernen, sich - unabhängig von allen angeblich vorgegebenen Instanzen - auf die eigenen Beine zu stellen und die eigenen Interessen zu vertreten - gegen den Raubzugriff der Monopole und des ihnen dienstbaren Staates.

1. Aktionskonferenz zur Perspektive des Widerstands gegen Stuttgart 21

Einladungsflyer - Anklicken für Download der Druckvorlage
Wir haben viel erreicht: Wir haben sehr viele Menschen mobilisiert, unser Widerstand findet bundesweite Aufmerksamkeit in den Medien und wir konnten den Baufortschritt behindern.
Doch wir konnten nicht verhindern, dass der Nordflügel abgerissen wurde, dass die ersten Bäume gefällt wurden und dass die Bauarbeiten fast ungebremst weiterlaufen. Viele fragen sich auch angesichts der rücksichtslosen Bauumsetzung, wie wir effektiver mit unserem zivilen Ungehorsam werden können.

Wie geht es nun weiter mit unserem Protest?

Wie können wir die vielen von uns mobilisierten Menschen noch besser einbinden?....

Zum Ablauf

kurze Input-Referate:
- Geschichte und Organisation der Bewegung (Mike Pflugrath)
- Berichte von den Gesprächen und deren Einschätzungen (Fritz Mielert und Hannes Rockenbauch)

anschließend Klärung und Diskussion unter den Teilnehmern

Zu diesem Treffen sind alle eingeladen, die unseren Widerstand gegen das Milliardengrab weiterbringen wollen.

Ort und Zeit: 20.10.2010, 18:00 Uhr, DGB Haus Stuttgart, Willi Bleicher Str. 20

Quelle: BAA
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