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Stuttgart 21: AktivistInnen besetzen großen Abrissbagger - Bau- und Vergabestopp jetzt!

Baukranbesetzung Foto: Bei Abriss Aufstand
Stuttgart, 30.8.2010: Am frühen Morgen haben AktivistInnen von ROBIN WOOD und der PARKSCHÜTZER-Initiative in einer gemeinsamen Aktion die Abrissarbeiten für das Prestigeprojekt Stuttgart 21 am Stuttgarter Hauptbahnhof erneut verhindert. Drei AktivistInnen kletterten auf den Abrissbagger und spannten Transparente mit den Aufschriften „Hallo...?! Geht-™s noch?“ und „Bau-Stop“ am Greifarm.

Sieben weitere Aktivisten wurden in Gewahrsam genommen.

„Es ist unglaublich, mit welcher Arroganz Bahn und Politik den Abriss und die Vergabe der Bauarbeiten weiter vorantreiben. Gleichzeitig bieten sie uns ein ergebnisoffenes Gespräch über die Zukunft von Stuttgart 21 an. Das passt so nicht zusammen!“ erklärt PARKSCHÜTZER Florian Carl. „Da kann man nur noch fragen: geht-™s noch?! Die Bahn muss sofort aufhören, weiter Fakten zu schaffen, heute erledigen wir das für die Bahn!“

„Bahn und Politik verschweigen bewusst Gefahren, verschleiern Kostenrisiken und ignorieren konsequent sämtliche Argumente gegen Stuttgart 21. Das gehört nicht zu einer transparenten, bürgernahen Demokratie“, sagt ROBIN WOOD Aktivistin Kei Andrews. „Wir protestieren seit Jahren gegen dieses Wahnsinnsprojekt, inzwischen gehen regelmäßig Zehntausende auf die Straße. Trotzdem verkaufen die Betreiber von Stuttgart 21 ihr Projekt weiterhin als 'unumkehrbar'. Der Widerstand lässt sich mit solchen Worten jedoch nicht abspeisen!“

Die Verantwortlichen versuchen, mit dem Abriss des Nordflügels Tatsachen zu schaffen, obwohl seit Jahren zahlreiche Argumente gegen Stuttgart 21 diskutiert werden:

  • Anhydrit-Schichten im Boden drohen, beim Kontakt mit Wasser aufzuquellen und dadurch erhebliche Probleme für das Projekt und für die Sicherheit der BürgerInnen zu verursachen.
  • Die Bebauung der freien Flächen entlang des freigewordenen Schienenwegs bedeutet eine Schließung der einzigen Frischluftschneise der Stadt und eine erhebliche Beeinträchtigung des Stadtklimas.
  • Für das Projekt sollen etwa 280 alte Bäume im Schlosspark, der grünen Lunge Stuttgarts, gefällt werden. Das Pflanzen von Jungbäumen kann diesen Verlust nicht ersetzen.
  • Was vom Park übrig bleibt, ist aufgrund von Grundwasserabsenkungen für den Tunnelbau von Austrocknung bedroht.
  • Die einzigartigen Mineralwasserquellen in Stuttgart sind durch die geologische Eingriffe erheblich gefährdet.
  • Die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm ist zum größten Teil unbefahrbar für Güterverkehr. Zu einem ökologischen und klimafreundlichen Verkehrskonzept gehört jedoch die Verlagerung von Warentransporten von der Straße auf die Schiene.
  • In einer ehrlichen Demokratie hat das bewusste Verschweigen von Gefahren und die Schönrechnung von Finanzen eines Projekts nichts zu suchen. Nachdem immer mehr unter Verschluss gehaltene Dokumente und Gutachten ans Tageslicht gekommen sind, stellt sich die Frage, ob Entscheidungen von nicht vollständig informierten Gremien als demokratische Legitimation betrachtet werden können.


Quelle: Pressemitteilung, siehe auch den Kommentar von Friedhelm Weidelich.

Stuttgart 21 - Worum geht’s jetzt?

TGV Blockade auf Gleis 9 - Bild anklicken für mehr Fotos
"Mit einer spektakulären Aktion haben Gegner des Projektes "Stuttgart 21" die Proteste gegen den Abriß des alten Hauptbahnhofes fortgesetzt. Im Anschluß an eine Demonstration am Mittwoch abend, an der laut Veranstalterangaben 12000 Menschen teilgenommen hatten, kletterten sieben Aktivisten auf das Dach des Nordflügels des Gebäudes, woraufhin die Arbeiten unterbrochen werden mußten... Innenminister Heribert Rech (CDU) erklärte, die Demonstranten hätten -ºdie Grenzen des demokratischen Protests-¹ überschritten. Es gehe nicht, daß Züge behindert, Rettungskräfte gestört, Straßen blockiert und die Innenstadt lahmgelegt werde. Die Gegner sollten die demokratischen Entscheidungen akzeptieren und erkennen, daß ihr Protest viel zu spät komme. Ein Polizeisprecher beklagte, daß die Demonstrationen -ºzunehmend aggressiv-¹ würden und die Grenzen des zivilen Ungehorsams überschritten." (jW vom 26.8.2010)

Reden wir nicht um den heißen Brei: Genau darum geht es Jetzt! Den Rasen betreten, auch wenn das Schild -ºRasen betreten verboten-¹ daran hindern soll -“ eine Situation, die an die berühmte Rede von Peter Schneider erinnert, die er am 5. Mai 1967 vor der Vollversammlung aller Fakultäten der Freien Universität Berlin gehalten hatte:

"Wir haben Fehler gemacht, wir legen ein volles Geständnis ab: Wir sind nachgiebig gewesen, wir sind anpassungsfähig gewesen, wir sind nicht radikal gewesen... Wir sind sachlich gewesen, wir sind gehorsam gewesen, wir sind wirklich unerträglich gewesen... Wir haben uns da offenbar nicht klar ausgedrückt, wir wollen uns jetzt klar ausdrücken. Es geht tatsächlich um die Abschaffung von Ruhe und Ordnung, es geht um undemokratisches Verhalten, es geht darum, endlich nicht mehr sachlich zu sein. Wir haben in aller Sachlichkeit über den Krieg in Vietnam informiert, obwohl wir erlebt haben, daß wir die unvorstellbarsten Einzelheiten über die amerikanische Politik in Vietnam zitieren können, ohne daß die Phantasie unserer Nachbarn in Gang gekommen wäre, aber daß wir nur einen Rasen betreten zu brauchen, dessen Betreten verboten ist, um ehrliches, allgemeines und nachhaltiges Grauen zu erregen... Da sind wir auf den Gedanken gekommen, daß wir erst den Rasen zerstören müssen, bevor wir die Lügen über Vietnam zerstören können, daß wir erst die Marschrichtung ändern müssen, bevor wir etwas an den Notstandsgesetzen ändern können, daß wir erst die Hausordnung brechen müssen, bevor wir die Universitätsordnung brechen können. Da haben wir den Einfall gehabt, daß das Betretungsverbot des Rasens, das Änderungsverbot der Marschrichtung, das Veranstaltungsverbot der Baupolizei genau die Verbote sind, mit denen die Herrschenden dafür sorgen, daß die Empörung über die Verbrechen in Vietnam, über die Notstandspsychose, über die vergreiste Universitätsverfassung schön ruhig und wirkungslos bleibt."

"Wir haben Fehler gemacht" (Rede von Peter Schneider vor der Vollversammlung aller Fakultäten der Freien Universität Berlin am 5. Mai 1967)


Wolf Wetzel, zuerst veröffentlicht in "Eyes wide shut"

Offener Brief der BlockadeteilnehmerInnen am Bauzaun-Tor des Stuttgarter Hauptbahnhofs vom 26. 8. 2010

Folgenden offenen Brief an den DGB Stuttgart, Bezirk Stuttgart, Landesbezirk, IGM Stuttgart und alle Einzelgewerkschaften der Region Stuttgart veröffentlichen wir gerne:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
mit dem Beginn des Abrisses des Nordflügels am 25. 8. wollen die S21-Macher die Flucht nach vorne antreten. Sie spekulieren darauf, dass der Widerstand zusammenbricht. Das Gegenteil ist der Fall. Das hat der gestrige Tag bereits gezeigt.

Zehntausende S21-Gegner haben sich spontan am Hauptbahnhof versammelt, Straßen und das Tor am Bauzaun blockiert. Der Widerstand gegen S21 hat damit einen neuen Höhepunkt erreicht und geht jetzt mit einer Rund-um-die-Uhr-Blockade weiter.

Für den morgigen Freitag mobilisiert das Aktionsbündnis zu einer Großdemonstration.

Ein Großteil der S21-Gegner, der Demonstranten und Blockierer sind abhängig Beschäftigte, viele sind Gewerkschaftsmitglieder, darunter Vertrauensleute und Betriebsräte.
Wir denken, dass es höchste Eisenbahn ist, dass sich die Gewerkschaften aktiv in den Widerstand gegen S21 einbringen.

Den Beschlüssen verschiedener Gewerkschaften gegen S21 müssen endlich Taten folgen.

Wir fordern euch auf:

1. Zu der morgigen Großdemonstration aufzurufen und dafür zu mobilisieren.
2. Zur Teilnahme an der Torblockade aufzurufen
3. Den Widerstand gegen S21 in die Betriebe zu tragen (Flugblätter, Mitgliederversammlungen, Diskussionen in Vertrauenskörpern, Betriebsversammlungen)
4. Den Widerstand logistisch zu unterstützen (Lautsprecheranlagen, Geldspenden, Verpflegung von Blockierern usw.)
5. Die Blockaden der S21-Gegner mit politischen Streiks bis hin zu einem regionalen Generalstreik zu unterstützen.

Dieser Aufruf wurde am 26. 8. von den ca. 200 Blockierern am Bauzaun des Nordflügels einstimmig beschlossen.

Wir setzen darauf, Euch von unserem Anliegen zu überzeugen.

Stuttgart: Tausende am "Tag X" gegen Abbruch des Nordflügels am Bahnhof - Innenstadt blockiert

Mehrere tausend Menschen protestierten heute gegen den am Nachmittag begonnenen Abbuch des Nordflügels. Nach der Auslösung des Alarms durch die Parkschützer kam es zu verschiedenen Massenblockaden vor Ort.

Während Oberbürgermeister Schuster sich unter Polizeischutz (und hinter den Gittern des alten Schlosses, wo er der Meinung vieler S21 GegnerInnen nach auch hin gehört) vor den BesucherInnen bei der Eröffnung des "Weindorfes" posierte, machten sich die mehr an der Stadt interessierten BürgerInnen auf, um neben diversen Verkehrsknotenpunkten auch den Hochgeschwindigkeitszug TGV zu blockieren.

Nachdem ein Dutzend beherzte AktivistInnen den TGV zunächst mit einer Gleisblockade an der Abfahrt hinderte, zogen mehrere hundert Menschen nach und drängten vor auf den Bahnsteig 9. Erst durch die Abschirmung einer Polizeikette - bei der die BeamtInnen in gefährlicher Nähe zum Zug standen - konnte dieser mit erheblicher Verspätung abfahren.


Bilderserie: Blockade des TGV

Zwischenzeitlich wurde das Dach des Nordflügels von AktivistInnen besetzt, die solange dort ausharren wollen, bis ein vorläufiger Baustopp erreicht wird.


Bilderserie: Dachbesetzung

Währenddessen fand eine Demonstration durch die Stuttgarter Innenstadt statt, an der wieder mehrere tausend Menschen teilnahmen. Die Demonstration endete am Arnulf Klett Platz / Ecke Friedrichstrasse mit einer Blockade. Die Blockade am Charlottenplatz, die zusammen mit einer Blockade vor dem Haus der Abgeordneten zum Erliegen des Verkehrs auf der Bundesstrasse 10 und der B27 führte, wurde während der Demonstration von den BlockerierInnen vorübergehend aufgelöst. Sie wurde im Anschluss wieder bis ca. 22:30 besetzt.

Um weitere Abrissarbeiten zu verhinden, sind am Nordflügel eine "kritische Masse" von mehreren hundert Menschen nötig. Daher wurde dazu aufgerufen, besonders auch in den frühen Morgenstunden verstärkt an der Mahnwache und Aktionen rund um den Nordflügel teilzunehmen.

Am Freitag, den 27. August findet ab 19:00 die nächste Großdemonstration statt.

Siehe auch:
Presseerklärung vom 25. August 2010
"Schaut auf diese Stadt - politblogger"

Rechtshilfevortrag am Donnerstag

Der Rechtshilfevortrag rund um die Proteste gegen Stuttgart 21 findet am Donnerstag, den 26.08. im Linken Zentrum Lilo Herrmann statt.

Literaturtipp in dem Zusammenhang:

"Was tun, wenn's brennt?" Ausgabe 11/2006 der Rechtshilfebroschüre der Roten Hilfe
"Wege durch die Wüste" Ein Antirepressionshandbuch für die politische Praxis

27. August: Großdemonstration gegen Stuttgart 21

Schwabenstreich in Berlin Foto: redblog
Jeden Abend treffen sich in Stuttgart tausende Menschen am Hauptbahnhof zum Schwabenstreich, um 60 Sekunden lautstark gegen das Mammutprojekt "Stuttgart 21" und für den Erhalt des Kopfbahnhofes zu protestieren.

Auch in immer mehr anderen baden-württembergischen Städten treffen sich Menschen, um ihren Widerstand mit Flashmobs zu bekunden. Am letzten Mittwoch Abend fand vor dem Berliner Hauptbahnhof der erste Schwabenstreich außerhalb von Baden-Württemberg statt. Mit Trillerpfeifen, Tröten und Glocken protestierten 30 Menschen gegen das umstrittene Großprojekt.

Am kommenden Freitag gibt es um 19 Uhr am Stuttgarter Hauptbahnhof die nächste Großdemonstration.

30.000 bei Schweigemarsch gegen Stuttgart 21

Mit einem Schweigemarsch protestierten am Freitag über 30.000 Menschen gegen Stuttgart 21.

Pressespiegel von "Bei Abriss Aufstand".

Ein paar Fotos von der Aktion:


Bilderserie: Schweigemarsch gegen S21

Ab morgen beginnt die dritte Aktionswoche, unter anderem soll am 27. August eine Großdemonstration stattfinden:

Stuttgart: Mehrere tausend TeilnehmerInnen bei Protestdemonstration gegen Abriss des Nordflügels

Nachdem am Donnerstag Morgen die friedliche Sitzblockade vor dem Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofes durch die Polizei geräumt wurde, um einem Abrissbagger Platz zu machen wurde zu einer Protestdemonstration ab 18:00 aufgerufen. Dabei wurden ca. 70 Menschen von der Polizei weggetragen. Die Polizei ging dabei nicht gerade umsichtig mit den Menschen um. Roland Hägele hat die Räumungsaktion fotografisch festgehalten.

"Wie Polizeipressesprecher Olef Petersen heute in der Stuttgarter Zeitung im Zusammenhang mit den S21-Protesten erklärt, seien schmerzhafte Techniken durch PolizistInnen „bei der Anwendung -šunmittelbaren Zwangs-˜ üblich und verhältnismäßig. Die Demonstranten sollten wissen, dass das Sichwegtragenlassen wehtun könne“." (FAU Stuttgart mit Verweis aus die Proteste gegen das öffentliche Gelöbnis der Bundeswehr)

An der Demonstration beteiligten sich mehr als 4000 Menschen. Die Diskussion über den weiteren Weg des Protestes nimmt deutlich zu. Die Strecke, die den Bahnhof umrundete, stieß bei einigen TeilnehmerInnen auf Kritik, da die Strecke eher fernab des Geschehens war. So fand denn auch der "Schwabenstreich" am Südflügel statt, wo es kaum Passanten gibt. Bereits am vergangenen Kulturmittwoch gab es eine größere Diskussion am Bauzaun über das Für und Wider der Blockadeaktionen.

Bei der Auftaktkundgebung sprachen unter anderem Fritz Mielert von den aktiven Parkschützern und Heike Hänsel, Bundestagsabgeordnete der "Linken".


Bilderserie: Heike Hänsel bei der Auftaktkundgebung

Heute Abend geht der Protest weiter, es wird zu einem "Trauer- bzw. Schweigemarsch" aufgerufen:

Wegtragegebühr macht deutlich: Fortschrittliches Versammlungsrecht ist nötig!

Laut einem Artikel der Stuttgarter Zeitung müssen einige Stuttgart-21-Gegner einer Anzeige wegen Nötigung rechnen und die Kosten für den Polizeieinsatz von rund 40 Beamten gegen eine Handvoll Teilnehmer der ständigen Mahnwache zahlen. Die Polizei verlangt dort 80 € von jedem der weggetragenen DemonstrantInnen.

Diese "Wegtragegebühr" ist nichts neues, wie ein Beitrag im Spiegel von 1991 deutlich macht. Sie wurde Anfang der 80er Jahre in Baden-Württemberg vor dem Hintergrund der Proteste der Anti-Atom und Friedensbewegung in der Polizeiverordnung erlassen:

"(...) Viele Aktive des zivilen Ungehorsams aus der Friedensbewegung haben diese Art staatlicher Zwangsmaßnahme auf sich genommen, um die Staatsgewalt spektakulär vorzuführen. Etwa 200 Rüstungsgegner waren es bislang bundesweit, die ihre Geldstrafen für Sitzblockaden an Raketendepots nicht bezahlten und sich in Haft nehmen ließen.

Auf "Beugen und Brechen" (taz) trieb es auch die schwäbische Hebammenschülerin Sigrid Birrenbach, die eine Polizeirechnung über 537 Mark nicht bezahlte. Die Gebühren machte die baden-württembergische Ordnungsmacht für sechsmaliges Wegtragen der jungen Frau von Sitzblockaden geltend.

Da die aufsässige Schwäbin sich weigerte, den statt der 537 Mark verlangten Offenbarungseid zu leisten, mußte sie ins Schwäbisch Gmünder Frauengefängnis "Gotteszell" einrücken. (...)"
DER SPIEGEL 38/1991

Diese Methode ist in ihrer Zielrichtung dem Zeigen mittelalterlicher Folterwerkzeuge durchaus ähnlich, geht es doch darum, AktivistInnen und NachahmerInnen einzuschüchtern und mit Gewalt zum Ablassen von ihrer Meinung zu bewegen. Von politischer Verhältnismäßigkeit keine Spur: Damals richtete sich der friedliche Protest gegen die drohende Kriegsgefahr, heute bei Stuttgart 21 werden von interessierten Kreisen Sitzblockaden ebenfalls als Gewalttat diffamiert. Ob sich die S21 Gegner dadurch beeindrucken lassen? Das war schon damals schwierig:

"Erst kurz vor dem, von den Veranstaltern ohnehin vorgesehenen, Ende der Aktion begannen Polizeibeamte mit dem Wegtragen der Blockierer. Ihre Personalien wurden aufgenommen. Ihnen droht nach der baden-württembergischen Polizeikostenverordnung ein saftiger Kostenbescheid. Es wird dennoch nicht die letzte Blockadeaktion vor dem Stuttgarter EUCOM gewesen sein." Aus: Elke Günther in "Unsere Zeit", Zeitung der DKP, Ausgabe 14. März 2003

"Tausende von FriedensblockiereInnen wurden verhaftet und wegen "gewaltsamer Nötigung" verurteilt. Viele saßen ihre Strafen im Gefängnis ab. Der damalige baden-württembergischen Innenminister Roman Herzog erließ extra eine "Polizeikostenverordnung", nach der die Demonstranten für ihre Verhaftung auch noch zahlen sollten." Aus: "Antifa Nachrichten" Nummer 2 / August 2007 der VVN-BdA

"Baden-Württembergs Polizei droht im Zusammenhang mit dem Widerstand gegen Castor-Transporte vor zwei Wochen in Philippsburg und jetzt in Neckarwestheim mit einer sogenannten "Wegtragegebühr". Es handelt sich dabei um keine Neuheit, sondern um die in den 80er Jahren anläßlich der zahlreichen Sitzblockaden am Atomraketenlager Mutlangen in BaWü als einzigem Bundesland eingeführten "Polizeikostenverordnung".

Ob diese Verordnung rechtmäßig ist, steht noch gar nicht fest. Seit Jahren ist eine Klage dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig. Es kann sich also für alle Betroffenen lohnen, Widerspruch einzulegen. Wichtig: Selbst wer bezahlt, ist damit weder einer Straftat noch einer Ordnungswidrigkeit überführt. Das Geld ist weder Strafe noch Bußgeld, sondern eine Art Verwaltungsgebühr, wie z.B. wenn mensch sich einen neuen Reisepaß ausstellen lässt. (...)"
Aus: "Schwarze Katze" Rundbrief vom 1. Mai 01

Der Spiegel weiter: "(...) Daß sich bei genügend Sturheit auch die Justiz mal beugt, führte in einem ähnlichen Fall der Hamburger Krankenpfleger Werner Lifka vor.

Das Amtsgericht Schwäbisch Gmünd hatte den Friedensaktivisten wegen seiner Beteiligung an der Blockade des US-Raketenstützpunktes Mutlangen 1984 zu einer Geldstrafe von 600 Mark verurteilt, die per Gehaltspfändung beigetrieben wurden. Daneben sollte er noch anteilige Kosten für den Polizeieinsatz in Höhe von 129,70 Mark tragen. Lifka nahm lieber Knast in Kauf, als "die Polizei für ihren Dienst an der Aufrüstung auch noch zu bezahlen".

Nach drei Wochen Kerker sah das Amtsgericht Hamburg-Blankenese ein, daß der norddeutsche Sturkopf wohl nicht zu beugen sei, und ließ Lifka frei. Die lange Inhaftierung, so die Begründung, sei im Vergleich zu der niedrigen Forderung "übermäßig" und habe im übrigen gezeigt, daß sie bei dem Schuldner nichts bewirke. (...)"


Hartes Brot, für diejenigen, die nicht "mal eben so" ein paar Wochen im Knast zubringen wollen und können. Und eine politische Herausforderung an alle demokratisch denkenden Menschen: Denn in Stuttgart ist es ja nicht so, dass hier sich irgendeine Minderheit an demokratisch gefällten Beschlüssen vergreifen will. Sondern um eine Mehrheit, die angesichts der für sie offenkundigen "Vetterleswirtschaft" und dem Umgang der Verantwortlichen mit dem mehrfach durch Unterschriftensammlungen, Umfragen und Wahlen erklärten Willen die Nase voll und das "Vertrauen in die Politik" sowieso längst verloren hat. Gerade deshalb muss in Zusammenhang mit der sich unweigerlich zuspitzenden politischen Auseinandersetzung damit verbunden werden, demokratische Rechte zu erweitern. Die vom damaligen Innenminister Roman Herzog erlassene "Wegtragegebühr" zeigte im Kern doch nur, dass der massenhafte und zähe Protest der damaligen Landesregierung nicht in den Kram passte und deshalb diese Gebühr eben "mal eben so" eingeführt wurde.

Parallelen zu heute sind unübersehbar. Gerade deshalb ist ein fortschrittliches Versammlungsrecht unabdingbar. Und zwar eines, das effektive Proteste ermöglicht, die spürbar sind und denen, gegen die protestiert wird, die Forderungen deutlich macht. "Einschüchternd" sozusagen. Davor haben jedoch nur die Angst, gegen die sich der Protest richtet. Die "Wegtragegebühr" die in dem Zusammenhang u.a. mit dem "Brokdorf Urteil" entstand gehört abgeschafft. Sie ist ein Beissreflex darauf, dass hier unter anderem klargestellt wurde, dass die Demonstranten die Protestform wählen und nicht die Ordnungsbehörden oder gar die Polizei. So gelten Sitzblockaden verfassungsrechtlich als eine Versammlung nach Art. 8 des Grundgesetzes und nicht in jedem Fall als Nötigung.

S21: Bagger vor dem Nordflügel - Demonstration gegen den drohenden Abriss ab 18:00

Heute Morgen wurden - von der Polizei geschützt - Bagger am Nordflügel aufgefahren. Daher wird für heute Abend, 18:00 zu einer Demonstration aufgerufen.

Die aktuelle Lage:

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