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Baskische Impressionen 2010 Teil IV

"60, 65, 70 ...Jahre! Wo soll das hinführen? Rentensystem in Not!" Foto: Wolfgang Hänisch
Der Menschenstrom, der sich am 24. Juni in Bayonne über die Brücke St. Esprit zum Sammelplatz auf dem anderen Ufer der Nive bewegt, reißt nicht ab. Am Place de Reduit treffen sich Gruppen von KollegInnen, um gemeinsam zur Demonstration zu gehen.

Alle Gewerkschaften haben heute landesweit zu Streiks und Demonstrationen gegen die Rentenpläne der Regierung Sarkozy aufgerufen. Vor allem die geplante Verlängerung des Rentenalters auf 62 empört die Menschen.

Vor dem Gewerkschaftshaus und in den umliegenden Straßen ist kein Durchkommen mehr: Hier stellt sich der Demozug auf. Auf dem Bahnhofsvorplatz rote Fahnen mit dem weissen Schriftzug LAB. Ein Transparent: "60, 65, 70 ...ans! Ou va t-on? Erretreta sistema SOS!!!" (60, 65, 70 ...Jahre! Wo soll das hinführen? Rentensystem in Not!!!").

LAB steht für Langile Abertzalen Batzordeak (Kommissionen der baskischen Arbeiter). Diese Kommissionen wurden 1975 in Spanien noch unter Franco gegründet, da Gewerkschaften verboten waren. Nach dem Tod Francos und der Aufhebung des Gewerkschaftsverbots, entwickelte sich LAB im südlichen Baskenland zur drittgrößten Gewerkschaft mit heute 45.000 Mitgliedern und stellt 15 - 20% der Betriebsräte.

Die LAB im nördlichen Baskenland ist dagegen vergleichsweise jung: Vor 10 Jahren, im April 2000 von 80 Gründungsmitgliedern ins Leben gerufen, hat sie heute über 500 Mitglieder und erhielt bei den letzten Wahlen für die Beisitzer der Arbeitsgerichte 3000 Stimmen - damit war sie auch im baskischen Norden zur drittgrößten Gewerkschaft geworden. LAB ist heute die einzige Gewerkschaft, die im ganzen Baskenland, Süden wie Norden, präsent ist.

LAB - die etwas andere Gewerkschaft: "Wir sind keine politische Partei, aber eine politische Gewerkschaft" so Amia Fontang, Repräsentantin der LAB in Bayonne. LAB tritt ein für ein anderes wirtschaftliches und politisches System, das auf der gerechten Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums, sozialer Gerechtigkeit, Solidarität und Internationalismus basiert. In diesem Rahmen tritt LAB dafür ein, dass die Basken über ihre Zukunft als Nation selbst entscheiden können. LAB ist radikaler Gegner des Neoliberalismus der multinationalen Konzerne, der Unternehmerverbände und ihres Staates. Der konsequente Kampf in den Betrieben und auf der Straße ist die Hauptmethode ihrer Arbeit. Aufgrund der Dominanz des Dienstleistungs- und Tourismussektors im nördlichen Baskenland führt LAB z.B. Aufklärungskampagnen für die Verteidigung der Rechte der Saisonarbeiter, sowie gegen die weit verbreiteten prekären Arbeitsverhältnisse durch.

Demonstration gegen die Rentenpläne der Regierung Sarkozy Foto: Wolfgang Hänisch
Das Verhältnis zu den Führungen der anderen Gewerkschaften wie CGT, CFDT, FO etc. ist etwas gespannt: Eine Stunde schon zieht der Demonstrationszug vorbei, als es den LAB-KollegInnen "erlaubt" wird sich in den Zug einzureihen - ganz am Schluss. "Am Anfang haben sie uns sehr aggressiv bekämpft - inzwischen hat sich das gelegt. Vor allem an der Basis arbeiten wir gut mit den KollegInnen der anderen Gewerkschaften zusammen. Auch haben wir in letzter Zeit einige Übertritte, vor allem von Mitgliedern der CGT zu LAB, zu verzeichnen" sagt Amia Fontang.

Die Abendnachrichten melden zwei Millionen Teilnehmer an der Protesten in ganz Frankreich, allein in Bayonne waren es zehntausend.

Siehe auch:
Baskische Impressionen 2010 Teil I
Baskische Impressionen 2010 Teil II
Baskische Impressionen 2010 Teil III
Baskische Impressionen 2010 Teil IV

Zu diesem Thema:
Baskische Impressionen, Teil 1: "Non da Jon Anza?"
Baskische Impressionen, Teil 2: Die ETA als angebliches Bindeglied im Drogenschmuggel
Baskische Impressionen, Teil 3: Der Tod von Jon Anza und die Suche nach der "Wahrheit"
Baskische Impressionen, Teil 4: Manipulierung der Wahrheit durch das Verschweigen von Tatsachen
Baskische Impressionen, Teil 5: Ein vorläufiger Schluss

Lesetipp: Lechts und Rinks Der Verfassungsschutz und die "linke Gewalt in Berlin"

Lesenswert: Der Beitrag: "Lechts und Rinks Der Verfassungsschutz und die "linke Gewalt in Berlin"" von Fabian Kunow & Oliver Schneider in Bürgerrechte & Polizei/CILIP, gefunden bei Linksnet:
Eine Studie des Berliner Verfassungsschutzes zeigt die Fokusverschiebung der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den "Extremismus".

Der Berliner Innensenat ließ sich nicht lumpen, als er am 11. November 2009 die Verfassungsschutz-Broschüre "Linke Gewalt in Berlin (2003-2008)" vorstellte.[1] Anders als sonst bei Neuveröffentlichungen üblich fand die Veranstaltung, ein Fachsymposium, nicht in den eigenen Räumen, sondern im Kinosaal des "Deutschen Historischen Museums Unter den Linden" statt. Gäste waren PolizistInnen, VerfassungsschützerInnen, PolitikerInnen und behördentreue JournalistInnen. Vorangegangen war eine wochenlange Berichterstattung über eine angeblich ausufernde Gewalt von Links sowie eine Kampagne der Opposition, die im Feuerschein brennender Autos ein Thema erblickte, um gegen den Rot-Roten Senat punkten zu können.

Vorbild für die Studie über "linke Gewalt" ist eine über "rechte Gewalt in Berlin", deren zwei Teile 2005 und 2007 in der gleichen Reihe des Berliner Verfassungsschutzes erschienen sind. Die Fragestellung ist bei beiden identisch: Welches Ausmaß und welchen Charakter hat linke bzw. rechte Gewalt in der Hauptstadt? Welcher Zusammenhang besteht zwischen linker bzw. rechter Gewalt und Links- bzw. Rechtsextremismus? Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten weisen die Phänomenologie linker und rechter Gewalt auf?

Die Parallelisierung von "links" und "rechts" geschieht hier nicht zufällig, sondern ist gewolltes Ergebnis. So sind nicht nur Aufbau und Verwendung von Begriffen in den Studien gleich. Dem "Vergleich politisch links motivierter Gewalt mit politisch rechts motivierter Gewalt" ist in der neuen Publikation auch ein eigenständiges vierseitiges Kapitel gewidmet, das zwar relativ nüchtern und sachlich daher kommt, aber dennoch mit Tricks arbeitet, um die gewünschte Gleichsetzung zu erreichen. So wird unter der Überschrift "weniger Gewalt gegen Menschen" eine "gravierende" Tat vom 1. Mai 2009 in Berlin-Kreuzberg eingearbeitet. Untersuchungszeitraum für die Studie sind aber die Jahre von 2003 bis 2008, die so etwas scheinbar nicht hergaben.

Theoretische Grundlage der Publikation "Linke Gewalt in Berlin" ist die vom Bundesamt sowie den Landesämtern für Verfassungsschutz favorisierte Extremismusthese. Diese feiert spätestens seit dem Regierungswechsel im Bund eine fröhliche Renaissance -“ auch jenseits der Inlandsgeheimdienste. (...)


via "Wer gar zu viel bedenkt, wird wenig leisten."
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