Skip to content

Interview zum geplanten Sozialen Zentrum in Stuttgart

Hausprojekt in Stuttgart
Das letzte selbstverwaltete Jugendzentrum Stuttgarts, das OBW9 wurde bereits 2005, trotz einer Vielzahl von Protesten aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen, geräumt. Auch musste das Erwerbslosenzentrum SALZ Anfang 2006 schließen, da die Stadt Stuttgart die Zuschüsse gestrichen hat. Das kommunale Kino wurde ebenfalls der Insolvenz ausgeliefert. Das Kulturprojekt „Wagenhallen“ steht, wenn das Projekt Stuttgart 21 durchgesetzt wird, genauso vor dem Aus, wie die zwar kommerziellen aber immerhin noch für alternative Programme bekannten Locations "Röhre" und „Landespavillon“.

Dieser Entwicklung des kulturellen Kahlschlags will die "Initiative für ein soziales Zentrum Stuttgart" mit einem neuen Hausprojekt in Stuttgart-Heslach entgegenhalten, wenngleich auch damit nicht sämtliche anderen Projekte ersetzt werden können und sollen. Die Pläne des Hausprojektes sehen neben selbstbestimmten Freiräumen für unkommerzielle Kultur vor allem eine Infrastruktur für linkes politisches Engagement vor.

Ein großes Gebäude das den Ansprüchen gerecht wird wurde bereits gefunden und intensiv an den Voraussetzungen für dessen Kauf und die Umsetzung des Projektes gearbeitet.

Ich sprach für StattWeb mit Paul von der "Initiative für ein Soziales Zentrum in Stuttgart (ISZ)".

Stattweb: Hallo, kannst Du in einigen wenigen Sätzen das Projekt vorstellen?

Paul: Aus Aktiven des "Sozialen Zentrums Stuttgart –“ Subversiv", sowie weiteren AktivistInnen hat sich Mitte 2009 eine Initiative für ein neues, größeres Zentrum gebildet. Das Zentrum soll zukünftig nicht nur die jetzigen Strukturen des Subversiv beinhalten, sondern noch wesentlich mehr Möglichkeiten bieten: Eine regelmäßig geöffnete alternative Kneipe soll entstehen, ein Veranstaltungssaal Platz für größere Veranstaltungen und Konzerte bieten, etwa ein Dutzend Zimmer für Büros, Tagungsräume und Arbeitszimmer zur Verfügung stehen und es obendrein auch noch Platz für günstige WGs geben.

Es geht uns dabei um eine Stärkung von Aktivitäten und Strukturen die sich für eine solidarische Gesellschaftsordnung einsetzen und sich gegen Rassismus, imperialistische Kriege, patriarchale Unterdrückung und vieles weitere das leider zu den heutigen Verhältnissen gehört einsetzen.

Möglichkeiten für selbstbestimmte und unkommerzielle Kultur sollen sich im Zentrum mit handfesten politischen Aktivitäten ergänzen.

Das Hausprojekt soll im Gegensatz zu anderen Zentren, nicht von einer Szene oder Subkultur dominiert sein, sondern sich an einem klaren politischen Selbstverständnis orientieren, dass gegenseitigen Respekt der unterschiedlichen Strömungen die es nutzen ebenso einfordert wie fortschrittliche politische Positionen.

Stattweb: In Stuttgart findet ja schon seit einiger Zeit ein massiver Gentrifizierungsprozess statt, Breunigerareal - Stichwort "Hotel Silber", an der Paulinenbrücke soll das Quartier S mit Shoppingmall,  Stadtwohnungen und Büros entstehen. "Stuttgart 21" wird - sofern es gegen den Willen der Bevölkerung durchgesetzt wird, das Leben in der Stadt nachhaltig ändern. Wäre es nicht richtig, die politische Diskussion, die in dem Zusammenhang entstanden ist zu nutzen, um breit und öffentlich den Denkprozess anzustoßen, wem die Stadt gehört? Immerhin hatte Biggi Bender (GRÜNE) diese Frage bei einer der letzten Montagsdemos gegen S21 angesprochen und viel Beifall erhalten?


Paul: Da wir uns als politisches Projekt verstehen, spielt das natürlich eine Rolle. Die Leute aus unserem Zusammenhang sind auch an den verschiedenen Aktivitäten beteiligt. Für uns als Initiative steht jedoch momentan die konkrete Verwirklichung des Hausprojektes im Mittelpunkt. Neben den verschiedenen politischen Debatten, Aktivitäten und Kampagnen halten wir die Schaffung einer Infrastruktur für sehr wichtig.

Stattweb: Kapselt man sich mit dem Hausprojekt denn nicht von diesen Protesten ab, die ja doch zu den hartnäckigsten und zahlenmäßig mit zu den größten gehören? Wie positioniert sich das Projekt in diesen Auseinandersetzungen und wie ist das Verhältnis zu anderen, ähnlich gelagerten Projekten?

Paul: Nein, ganz im Gegenteil. Wir sind z.B. auch mit Stellwänden und Broschüren zum Hausprojekt bei den verschiedenen Protestaktionen präsent. Wir begreifen uns als Teil davon, verlassen allerdings den Rahmen von reinen Protestaktionen und versuchen durch die Schaffung des Hausprojektes sie substantiell zu stärken.

Zu verschiedenen anderen Projekten haben wir ein solidarisches Verhältnis. Es gibt unterschiedliche Ansprüche und Konzepte, die sich aber ergänzen und nicht ausschließen. Wir gehen auch davon aus, dass die Zusammenarbeit mit vielen AktivistInnen die bisher nicht bei unserem Projekt dabei sind, später eher noch zu als ab nimmt.

Stattweb: Es ist ja heute deutlich geworden, dass es sich bei dem Projekt vom Umfang, dem geplanten Zeitrahmen bis zur Aufnahme des Betriebes und den notwendigen finanziellen um ein sehr ambitioniertes Projekt handelt. Wie ist denn der aktuelle Stand, wie kann man das Projekt unterstützen?


Paul: Nach erfolgreicher Gründung des Vereins „Initiative für ein Soziales Zentrum Stuttgart e.V.“ und der offiziellen Aufnahme in die Struktur des Mietshäuser Syndikats bei der bundesweiten Vollversammlung, streben wir nun die Gründung der ISZ Heslach GmbH Mitte April an deren GeschäftsführerInnen nach der Eintragung in das Handelsregister noch im April den Kaufvertrag unterzeichnen können. Mit der GLS Gemeinschaftsbank ist unser Finanzierungpaket fertig gestellt worden und liegt nun bei der Zentrale der GLS Bank in Bochum zur letzten Überprüfung vor.

Um das große Bankdarlehen der GLS Bank zu bekommen, müssen wir einen Grundstock an Eigenkapital aufbringen. Dies geschieht durch persönliche Darlehen sog. „Direktkredite“ von UnterstützerInnen, die eine bestimmte Summe (ab 500 €) zu einem von ihnen selbst gewählten Zinssatz zwischen 0 und 3,0% p.a. bei uns anlegen. Für den Kauf benötigen wir eine Summe von 150.000 Euro an Direktkrediten. 75.000 Euro haben wir bereits gesammelt, für weitere 35.000 Euro haben wir Zusagen bzw. Willenserklärungen.
Uns fehlen nun noch ca. 40.000 Euro, welche bis Ende April gesammelt werden müssen. Hier kann das Projekt konkret unterstützt werden.

Stattweb: Jetzt entsteht das Projekt ja nicht aus dem Nichts. Kannst Du das mit dem Mietshäusersyndikat noch etwas genauer erläutern? Ist das eine linke Wohnbaugenossenschaft? Warum hat man sich auf diese Struktur festgelegt und nicht auf eine klassische Finanzierung? Wie sieht es mit einer öffentlichen Förderung aus?

Paul:
Das Konzept vom Unternehmensverbund Mietshäuser Syndikat verfolgt das Ziel, Häuser dem profitorientierten Kapitalmarkt zu entziehen und für selbstverwaltete, ökologische und unkommerzielle Hausprojekte zu erwerben. Bezahlbarer Wohnraum und Räumlichkeiten für politisch aktive Gruppen und Initiativen statt profitorientierte Immobilienspekulationen ist die Devise.

Konkret werden die Gebäude von einer gemeinsamen GmbH erworben, deren Gesellschafter das Mietshäuser Syndikat, sowie die BewohnerInnen bzw. TrägerInnen des jeweiligen Projektes mit ihrem Verein, in unserem Fall der Initiative für ein Soziales Zentrum Stuttgart e.V. ist.

Der Hausverein übernimmt die eigenständige Verwaltung und Geschäftsführung der GmbH. Sowie der Verein, als auch das Mietshäuser Syndikat haben ein Veto Recht gegen einen Hausverkauf. Ein späterer Verkauf des Hauses oder die Verwendung zu kommerziellen bzw. anderen als den ursprünglich vorgesehenen Zwecken wird damit ausgeschlossen. Die MieterInnen können kommen und gehen, das Haus und die Idee bleiben erhalten.

Das Mietshäuser Syndikat nimmt also eine Art Kontrollfunktion ein, in dem es bei einem drohenden Verkauf sein Veto Recht einsetzt. Zudem bietet es natürlich ein großes Know-How und begleitet neue Projekte intensiv mit Beratung und Unterstützung.

Das Mietshäuser Syndikat umfasst inzwischen bundesweit 50 Projekte und 18 Projekt Initiativen. Noch nie ist ein Projekt finanziell in den bestehenden 16 Jahren des Syndikats gescheitert. Hier kommt noch der sog. Solidar Fond ins Spiel. Alle Projekte sind verpflichtet in diesen Fonds einzuzahlen, aus dem Anschubfinanzierungen für neue Projekte und finanzielle Unterstützung bei finanziellen Engpässen finanziert werden.

Bereits kurz nach der Gründung der Initiative kam uns das Modell des Mietshäuser Syndikats zu Ohren und wir waren sofort begeistert von dem Konzept und dessen Charakter und beschlossen das Haus nach diesem Konzept zu erwerben. Hingegen einer klassischen Finanzierung bot sich das Mietshäuser Syndikat mit einem gut durchdachten und erfahrenem Konzept, einem reichhaltigem Know How und der solidarischen Vernetzung mit vielen anderen Projekten als vertrauenswürdiger Partner an.

Momentan halten wir noch Ausschau nach öffentlichen Fördermöglichkeiten, da wir jedoch energetisch sanieren gibt es seitens der Stadt Stuttgart Fördertöpfe welche wir nutzten wollen und können.

StattWeb: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg!

Mehr Infos über das Projekt und die Hintergründe im Internet:

Broschüre zum Projekt (eine Ausgabe mit aktualisierten Texten ist momentan in Arbeit)

http://nusub-web.redio.de/neue_Auflage.pdf

Infoblatt zu den Direktkrediten
http://nusub-web.redio.de/infoblatt_direktkredite_web%282%29.pdf

Direktkreditvertrag
http://nusub-web.redio.de/Direktkreditvertrag%282%29.pdf

Homepage des Mietshäuser Syndikats:

www.syndikat.org


Veranstaltung und Besichtigung des Hauses am Mittwoch, den 14. April 2010:

von 17.30 bis 18:45 Uhr gemeinsame Besichtigung Böblinger Straße 105, Stuttgart-Heslach (zwischen den Haltestellen Schreiberstraße und Bihlplatz)

um 19 Uhr Veranstaltung zum Hausprojekt im Alten Feuerwehrhaus, Möhringerstr. 56, Stuttgart-Heslach (Nähe Haltestelle Schreiberstraße)

Initiative für ein Soziales Zentrum Stuttgart e.V.
Urbanstr. 87a
70190 Stuttgart
Tel.: 0151/21138089
E.Mail: info[@]isz-stuttgart.de
Website: www.isz-stuttgart.de
cronjob