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Toleranz à la CDU? Geschichtsvergessenheit im Stuttgarter Gemeinderat

Folgende Pressemitteilung der VVN-BdA über einen skandalösen Vorgang in Stuttgart veröffentlichen wir gerne und erklären uns solidarisch. Offenbar meinen einige CDU Stadträte, nur Veranstaltungen mit dem Gütesiegel der Zulassung durch den Verfassungsschutz zulassen zu können. Der Verfassungsschutz war bekanntlich die Organisation, wegen derer Mitglieder in der NPD diese nicht verboten werden konnte. Genug der Polemik, hier die Pressemitteliung, gefolgt vom Antrag der Abgeordneten:


Vier Stadträte der CDU haben sich in einem Antrag an den Stuttgarter Gemeinderat unter der Überschrift „Rechtsextremismus bekämpft man nicht mit Linksextremismus“ am 2. Februar „empört und beunruhigt“ gezeigt über eine Veranstaltung, die der Stadtjugendring am 2. März plant. Als Ergänzung der gleichzeitig im Rathaus gezeigten Ausstellung „Demokratie stärken -“ Rechtsextremismus bekämpfen, Baden-Württemberg für Toleranz und Menschlichkeit“ will der Stadtjugendring mit einem Vortrag über die rechte Musikszene und die darin transportierten rassistischen und faschistischen Ideologien informieren. Dazu hat der SJR eine Kennerin dieser Szene eingeladen, die sich seit langen Jahren nicht nur damit befasst, sondern auch im Arbeitskreis „Antifaschistische Stadtrundfahrten und Stadtrundgänge“ des SJR aktiv mitarbeitet.

„Empört“ sind die CDU Stadträte allerdings nicht über die rechte Musikszene, sondern über die Referentin.

Diese sei „Landesvorsitzende des Vereins -šVereinigung der Verfolgten des Naziregimes-˜ (VVN), der von „den Bundesverfassungsschutzbehörden als -šlinksextremistisch-˜ eingestuft und vom Landesverfassungsschutz „wegen linksextremistischer Aktivitäten“ beobachtet werde. „Deshalb“, so die Gemeinderäte, „können wir es nicht akzeptieren, dass solche Veranstaltungen in Kooperation und unter dem Schirm der Landeshauptstadt ausgerichtet werden.“

Das meiste in der Begründung stimmt zwar nicht -“ die Referentin ist weder Landesvorsitzende, noch wird die VVN-BdA im Bundesverfassungsschutzbericht erwähnt. Der Landesverfassungsschutzbericht dagegen weiß zwar auch von keinen „linksextremistischen Aktivitäten“ zu berichten, erwähnt die VVN-BdA aber regelmäßig dennoch unter der Rubrik „linksextremistisch beeinflusste Organisation“ in seinem jährlichen Bericht. Die Begriffe „Linksextremismus“ und „Linksextremist“ sind anderswo weder rechtlich noch wissenschaftlich definiert. Den CDU-Stadträten reicht das aber alles aus, die Referentin, die sie gar nicht kennen, namentlich als „Linksextremistin“ zu beschimpfen. Das tun sie ausgerechnet im Zusammenhang mit einer von der Stadt Stuttgart im Rathaus vorgestellten Ausstellung gegen Rechts, deren Unterzeile „Für Toleranz und Menschlichkeit“ lautet.

Schlimmer ist aber, dass die vier Stadträte zwar ausdrücklich die „gute und fachlich qualifizierte historisch-politische Jugendarbeit“, die der Stadtjugendring „in vielen Jahren aufgebaut hat“, loben, selbst aber einer erschreckenden Geschichtsvergessenheit verfallen sind.

Die antifaschistischen Stadtrundfahrten und Stadtrundgänge waren von den Zeitzeugen, Widerstands­käm­pferInnen und Opfern des Faschismus aus der VVN-BdA initiiert und maßgeblich gestaltet worden. So steht es im Vorwort der Broschüre „Stadterkundungen“ des SJR, die diese Form der Jugendbildung begleitet. Zum 20. Jubiläum dieser Stadtrundfahrten im Jahre 2000 wurden die VVN-Mitglieder Erwin Holzwarth, Gertrud Müller, Hans Gasparitsch und Alfred Hausser vom SJR dafür ausdrücklich geehrt. Überdies erhielten die beiden letztgenannten aus der Hand des derzeit amtierenden Oberbürgermeisters Schuster das Bundesverdienstkreuz verliehen. Dem langjährigen Vorsitzenden und Ehrenvorsitzenden der VVN-BdA, Alfred Hausser, gratulierte der damalige Ministerpräsident Teufel zum 90. Geburtstag 2002 mit den Worten: „Ich verbinde damit zugleich meine Anerkennung für Ihr couragiertes Eintreten gegen die Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus und die Bewahrung des Vermächtnisses der Widerstandskämpfer im Dritten Reich.“
Alle vier waren zum Zeitpunkt, als sie solchen Widerstand leisteten, Mitglied der KPD bzw. des kommunistischen Jugendverbandes. Sie haben wie viele Tausende mit ihnen bewiesen, dass man den Faschismus, den man heute gerne auch „Rechtsextremismus“ nennt, mit Hilfe der Linken sehr wohl bekämpfen kann - im Zusammenwirken aller, die für Menschlichkeit einzutreten bereit sind. Das bewies auch die welt­um­spannende Antihitlerkoalition. Nur dem Zusammenwirken von Staaten, Armeen und Widerstands­grup­pen in vielen Ländern konnte es schließlich gelingen, die faschistische Bestie zu bezwingen. Es waren nach der Begrifflichkeit der CDU Stadträte ausgewiesene „Linksextremisten“, nämlich Soldaten der Roten Armee, die vor 65 Jahren u.a. das KZ Auschwitz befreiten.

Im deutschen Widerstand haben die Linken, die Arbeiterbewegung und darin besonders die Kommunisten, nachweislich und unbestreitbar die zahlenmäßig größten Opfer erbringen müssen.

Nach der Befreiung haben sich die wenigen Überlebenden des Widerstandes in der VVN zusammengeschlossen mit dem Ziel, diese Erfahrung der notwendigen Zusammenarbeit aller wach zu halten und nie wieder einen neuen Faschismus zuzulassen. Diese Aufgabe verfolgt die VVN- Bund der Antifaschisten, der nun eine neue Generation von NazigegnerInnen angehört, bis heute.

Vor diesem Hintergrund gehen wir davon aus, dass weder der Oberbürgermeister noch die Mehrheit des Gemeinderates der versuchten Ausgrenzung und Verächtlichmachung einer engagierten Nazigegnerin und einer auch in unserer Stadt wichtigen Organisation folgen werden.



Wir dokumentieren hier zusätzlich den Antrag in dem Wortlaut, wie er sich via Google findet:

Stadträtinnen/ Stadträte - Fraktion
Dr. Nopper Klaus (CDU), Kotz Alexander (CDU), Rudolf Joachim (CDU), Mayer Fabian (CDU)
Datum
02/02/2010
Betreff
Rechtsextremismus bekämpft man nicht mit Linksextremismus!

Im Rathaus wird ab dem 22.02.2010 die Ausstellung zum Thema “Demokratie stärken - Rechtsextremismus bekämpfen. Baden-Württemberg für Toleranz und Menschlichkeit" gezeigt. Die Ausstellung ist eine Kooperation unseres Stadtarchivs, der Friedrich-Ebert-Stiftung sowie des Stadtjugendringes.

Soweit so gut, auch wir finden das Thema wichtig .
Allerdings sind wir empört und beunruhigt, dass bei mindestens einer Veranstaltung, die begleitend zur Ausstellung veranstaltet wird, die Landesvorsitzende des Vereins “Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes- (VVN) als Referentin spricht. Die VVN wurde von den Bundesverfassungsschutzbehörden als “linksextremistisch- eingestuft und wird nach wie vor in einigen Bundesländern wie auch in Baden-Württemberg vom Verfassungsschutz wegen linksextremistischer Aktivitäten beobachtet.

Rechtsextremismus bekämpft man nicht mit Linksextremismus!
Grundlage aller Veranstaltungen und der vortragenden Referenten im Rathaus muß die freiheitlich demokratische Grundordnung des Grundgesetzes sein.Wir bedauern, dass der Stadtjugendring, der zu dieser Veranstaltung mit der Linksextremistin einlädt, sich offensichtlich von der guten und fachlich qualifizierten historisch-politischen Jugendarbeit, die er in vielen Jahren aufgebaut hat, entfernt. Ohne einzelne Referenten oder Vereinigungen überzubewerten, können wir es nicht akzeptieren, dass solche Veranstaltungen in Kooperation und unter dem Schirm der Landeshauptstadt ausgerichtet werden- das zerstört den seit vielen Jahren geltenden, von allen Fraktionen bisher getragenen Konsens, dass das Rathaus für Extremisten jeglicher Art keine Plattform bieten darf. Da sind wir auf keinem Auge blind!

Wir beantragen eine umgehende Aufklärung durch den Oberbürgermeister.


Dr. Klaus Nopper Alexander Kotz Joachim Rudolf
stv. Fraktionsvorsitzender

Fabian Mayer


Hier der Veranstaltungshinweis:

Rechtshörig?! die rechte Musikszene
mit Janka Kluge
anschließend Konzert

Dienstag, 02. März 2010 19 Uhr
Club Schocken, Hirschstr. 36

im Rahmen der Ausstellung "Demokratie stärken - Rechtsextremismus bekämpfen, Baden-Württemberg für Toleranz und Menschlichkeit" eine Ausstellung des Fritz-Erler-Forums, Landesbüro Ba-Wü der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Die Ausstellung findet statt vom 22. Februar bis 05. März im Rathaus, 2. OG


Informationen der Friedrich Ebert Stiftung zur Ausstellung.

Rote Hilfe zur Verleumdungsklage gegen scharf-links und das Gefangeneninfo

Anlässlich des Prozesses gegen Edith Bartelmus- Scholich von "Scharf Links" am kommenden Dienstag hat die Rote Hilfe eine Pressemitteilung veröffentlicht:

Am 16. Februar wird vor dem Amtsgericht Krefeld eine Verleumdungsklage gegen Edith Bartelmus-Scholich, die presserechtlich verantwortliche Redakteurin der Internetseite www.scharf-links.de, verhandelt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf wirft ihr vor, eine Erklärung der Ortsgruppe Düsseldorf-Mönchengladbach der Roten Hilfe e. V. veröffentlicht zu haben, mit der sich diese zur Beugehaft gegen den aus der Türkei stammenden linken Aktivisten Nuri Eryüksel äußerte.

In jener Erklärung sieht das OLG unter Berufung auf das "rechtsstaatlich" kriminalisierbare Veröffentlichen "falscher Tatsachenbehauptungen" eine Verleumdung des Gerichts und stellte Edith Bartelmus-Scholich einen Strafbefehl über 12.000 Euro zu, gegen den Widerspruch eingelegt wurde. Auffällig ist neben der astronomischen Höhe des Strafbefehls gegen Edith die direkte Klage, ohne vorher eine Gegendarstellung oder das Unterlassen der Veröffentlichung gefordert zu haben.

Auch Wolfgang Lettow, verantwortlicher Redakteur der in Berlin erscheinenden Zeitschrift "Gefangeneninfo", ist von einer Verleumdungsklage durch das OLG Düsseldorf betroffen. Die Zeitschrift hatte dieselbe Erklärung abgedruckt und erhielt daraufhin einen Strafbefehl über 2800 Euro.

Beide Publikationen haben regelmäßig über das in Düsseldorf stattfindende Verfahren gegen den türkischen Linken Faruk Ereren berichtet, dem die Mitgliedschaft in der in Deutschland
verbotenen und auf der EU-Terrorliste aufgeführten DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) vorgeworfen wird. Faruk ist nach § 129b der Mitgliedschaft in einer "ausländischen terroristischenVereinigung" angeklagt.

Scharf-links berichtete auch über AugenzeugInnenberichte von Polizeiübergriffen auf ProzessbeobachterInnen nach einem Gerichtstermin, da diese "Freiheit für Faruk" gerufen und Berichte über Verhandlungstage veröffentlicht hatten.

Hierzu erklärt Matthias Krause: "Die Rote Hilfe e. V. protestiert gegen die Kriminalisierungsversuche gegen linke Medien und die Solidaritätsarbeit der Roten Hilfe e.V. Durch derartige
Einschüchterungsversuche soll die Öffentlichkeitsarbeit gegen den Gesinnungsparagraphen 129b und kritische Prozessbeobachtung unterbunden werden. Unsere Solidarität gehört den angegriffenen Medienprojekten und den staatlicherseits dafür verantwortlich Gemachten."

Die Rote Hilfe e. V. fordert weiterhin die Einstellung der § 129 Verfahren gegen linke AktivistInnen und die vollständige Abschaffung der Paragraphen.

Die Rote Hilfe e. V. ruft zur Prozessbeobachtung auf: Das Verfahren gegen Edith Bartelmus-Scholich findet am 16.02.2010 vor dem Amtsgericht in Krefeld, Nordwall 131 (Saal H 216) um 11.00 Uhr statt.

Mathias Krause für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V.


Mehr Informationen:
Scharf Links
Gefangeneninfo
Rote Hilfe

Pressemitteilung des Stuttgarter Bündnisses für Versammlungsfreiheit vom 10. Februar 2010 zur Stuttgarter Polizeiverordnung und Aufruf zur Prozessbeobachtung

Pressemitteilung des Stuttgarter Bündnisses für Versammlungsfreiheit vom 10. Februar 2010 zur Stuttgarter Polizeiverordnung und Aufruf zur Prozessbeobachtung

Die städtische Polizeiverordnung in Stuttgart nimmt nach Ansicht des Stuttgarter Bündnisses für Versammlungsfreiheit einige der geplanten Verschärfungen des neuen baden-württembergischen Versammlungsrechts vorweg. Besonders betroffen davon sind öffentliche politische Informationsveranstaltungen, beispielsweise die Kreuzung der Königsstraße durch Demonstrationen oder die Nutzung zentraler Orte wie dem Schlossplatz für Kundgebungen zu Gunsten kommerzieller Veranstaltungen. Auch das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit war in der Planung einer Großdemonstration am 06. Dezember 2008 davon betroffen. Mit der Begründung des zeitgleich stattfindenden Weihnachtsmarktes konnte eine Kundgebung an zentraler Stelle in Stuttgart nicht
stattfinden.

Aktuell findet am Donnerstag, 11. Februar ab 14.10 Uhr vor dem Amtsgericht Stuttgart Hauffstr. 5, Zimmer 105 ein Prozess gegen Wolfgang Baur statt. Anlass ist eine Auseinandersetzung in Zusammenhang mit dem Bundestagswahlkampf im vergangenen Jahr. Dazu bekam die Marxistisch- Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) vom Ordnungsamt die Auflage, die Lautsprecher in Richtung Rasen der Grünanlagen zu drehen. Die Polizeibeamten, die die Einhaltung der Auflagen überwachten, monierten die Ausrichtung eines Lautsprechers und drehten ihn eigenhändig in Richtung Rasen. Dadurch wurde allerdings eine Rückkoppelung mit lautem Pfeifen verursacht, weshalb die Wahlhelfer gezwungen waren, die Richtung des Lautsprechers zu korrigieren. Das blieb nicht ohne Folgen: Die Richtungsänderung der Lautsprecher wurde als "Widerstand gegen die Staatsgewalt" ausgelegt und der Hauptverantwortliche für die Versammlung, Wolfgang Baur, erhielt einen Strafbefehl in Höhe von 2.750 Euro, weswegen er am 11. Februar vor Gericht gestellt wird.

Das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit ist ein überparteiliches Bündnis, dem mehr als 100 Organisationen und zahlreiche Einzelpersonen angehören.

In seiner Plattform heißt es ausdrücklich:

„Das Recht auf offene Diskussion und öffentliche Meinungsäußerung gehört zur Grundsubstanz der Demokratie. Die Baden-württembergische Landesregierung macht es mit ihrem Entwurf aber zum Sonderfall, der besonderer behördlicher und polizeilicher Beobachtung unterstellt ist. Versammlungen „enthalten ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren“, sagt das Bundesverfassungsgericht.“


Im Sinne rufen wir auf, den Prozess aufmerksam zu verfolgen.

Bei der letzten Versammlung des Bündnisses am 21. Januar 2010 wurde zudem beschlossen, sich in einer Arbeitsgruppe näher mit Fällen wie dem oben genannten zu beschäftigen, diese zu dokumentieren und gegebenenfalls auch juristisch gegen die Stuttgarter Polizeiverordnung vorzugehen. Dazu sucht das Bündnis auch weitere Erfahrungsberichte.


Quelle: Webseite Bündnis für Versammlungsfreiheit Stuttgart und Pressemitteilung (*.pdf)
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