Skip to content

Gewerkschaftspolitik in der Krise - Kämpfen statt verzichten

Von Freitag, 30.Oktober 2009 um 18.00 Uhr bis Samstag, 31. Oktober 2009 von 10.00 bis 17.00 Uhr findet in Stuttgart der 11. bundesweite Kongress der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken statt.

Auf der Jahreskonferenz soll die Diskussion geführt werden um
  • das Selbstverständnis der Gewerkschaftslinken vor dem Hintergrund der Krise
  • die Politik der Gewerkschaftsführungen in der Krise und die Aufgaben der Gewerkschaftslinken
  • die Initiierung einer gesellschaftlichen Bewegung für Arbeitszeitverkürzung.
Zusammen mit Vertretern betrieblicher Kämpfe sollen Erfahrungen von aktuellen Auseinandersetzungen ausgewertet werden.

Kongressflyer

Stuttgart, AWO –“ Begegnungsstätte am Ostendplatz, Schönbühlstraße 65

„Opfer wären die Betroffenen!“

Ab 2011 sollen die Jobcenter verselbstständigt werden. Kritiker befürchten weitere Nachteile für die BezieherInnen von Arbeitslosengeld II und fordern deren Betreuung aus einer Hand. Dazu erklärt die Bundesarbeitsgemeinschaft Prekäre Lebenslagen e.V.
Betroffeneninitiativen gegen Zersplitterung der –šHartz IV–™-Verwaltung:
„Opfer wären die Betroffenen!“

Die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Prekäre Lebenslagen als Dachverband unabhängiger Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen lehnt die Pläne der Koalition zur getrennten Aufgabenwahrnehmung der –šHartz IV–™-Verwaltung ab. Die bundesweite Vertretung von und für auf Sozialleistungen angewiesene Menschen fordert, die organisatorische einheitliche Aufgabenwahrnehmung von Bundesagentur für Arbeit und Kommunen beizubehalten.


„Die Tatsache, dass Menschen, die –šHartz IV–™-Leistungen beziehen müssen, nun wieder von zwei getrennten Behörden verwaltet werden sollen ist nicht tragbar und wird zu chaotischen Zuständen führen. Opfer der Zersplitterung der Aufgabenwahrnehmung wären die Betroffenen, die von unterschiedlichen Stellen unterschiedliche Leistungsbescheide bekommen würden!“ so Jürgen Habich, Vorstand der BAG Prekäre Lebenslagen.

Die Zusammenlegung der Verantwortlichkeiten für die Leistungsgewährung im Bereich des Soziagesetzbuches II (–šHartz IV–™) war eines der Kernelemente der –šHartz-Reformen–™ der rot-grünen Regierung gewesen. Aufgrund der unzulässigen Mischverwaltung hatte das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber in einem Urteil vom 20.12.2007 bis Ende 2010 Zeit gegeben, eine grundgesetzkonforme gesetzliche Lösung zu finden. Überlegungen, eine wie vom Bundesverfassungsgericht angebotene Änderungen des Grundgesetzes in diesem Bereich vorzunehmen, scheiterten im Frühjahr 2009 am Widerstand der CDU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Nach den Plänen der Koalition sollen zukünftig die Arbeitsagenturen für den Bereich des Arbeitslosengeld II und die Kommunen für den Bereich der Unterkunftskosten verantwortlich sein.

„Die Folge der Zersplitterung der Zuständigleiten für die Betroffenen wären Rechtsunsicherheit und zusätzliche Hürden, um ihnen zustehende Leistungen zeitnah und passgerecht erhalten zu können. Zudem droht eine unnötige Aufblähung des Verwaltungsapparates und das völlige Verwaltungschaos in der Einführungsphase.“, so Habich weiter.

„Deshalb fordern wir, dass der Gesetzgeber nach Lösungen sucht, um es Betroffenen endlich zu ermöglichen, an die ihnen zustehenden Leistungen zu gelangen. Änderungen in –šHartz IV–™ und der bestehenden Leistungsgewährungsorganisation und der Leistungsgewährungspraxis sind dringend notwendig –“ eine Zersplitterung der Aufgabenwahrnehmung ist es nicht. Gerade Menschen in Notlagen brauchen Rechtssicherheit und sollten nicht als Versuchskaninchen koalitionärer Schnellverhandlungen missbraucht werden.“, so Habich.

„Bildung“ - eine ideologische Rettungsfantasie - Anmerkungen zur DGB-Studie über die Arbeitslosigkeit

In Göttingen kursiert seit einiger Zeit ein Witz: wenn man in ein Taxi steige, solle man den Fahrer oder die Fahrerin auf jeden Fall mit Herr oder Frau „Doktor“ begrüßen. Grund: die massenhafte Akademikerarbeitslosigkeit in dieser südniedersächsischen Universitätsstadt.

Nun, die Nachdenklicheren wußten es seit längerem schon: durch mehr Bildung gibt es kei-nen einzigen Erwerbslosen weniger. Bildung erhöht die Qualifikation der Arbeitsplatzbewerber, sie schafft aber keine einzige neue Stelle für sie. Und Logik wie Wahrheitsgehalt dieser Erkenntnis sind ja auch von denkbar schlichter Natur: wenn mit einem Schlag sämtliche Einhundert-Meter-Läufer eine Sekunde schneller rennen, gibt es auch nicht mehr Sieger als vor dieser Qualifikationssteigerung aller. Zwar trifft zu: das Leistungsniveau der Wettbewerber erhöht sich, nicht aber die Zahl der Gewinner. Heißt, zum Beispiel, für den Bereich Arbeitswelt: die „Generation Praktikum“ läßt grüßen! Die könnte Endlos-Geschichten erzählen über ihre Weiterqualifikationen. „Fortbildung“ im Sinne von „Wegbildung“ wäre wohl zutreffen-der ausgedrückt.

Was die soeben vorgelegte Studie des DGB zur Arbeitslosigkeit auf erschreckende Weise zutage gefördert hat, das ist also weniger der –“ durchaus überflüssige - wissenschaftliche Nachweis für diese banale Erkenntnis. Diese Studie belegt vielmehr etwas anderes auf überaus deutliche Art: es gibt einen Strukturwandel innerhalb der Arbeitslosigkeit, empirisch zweifelsfrei nachgewiesen durch diese Studie des DGB. Und dieser Strukturwandel ist gekennzeichnet durch die Tatsache, daß der bundesdeutsche Arbeitsmarkt anteilig immer weniger qualifizierte Arbeitskräfte benötigt bzw. Arbeitsstellen für Qualifizierte schafft und stattdessen anteilig immer mehr Arbeitsplätze für Geringqualifizierte produziert. Das bedeutet:

Die Wirtschaft organisiert sich in der Weise um, daß sie in immer stärkerem Maße nur noch Mindestlöhner braucht. Die Rettungsfantasie „Bildung“, wieder und wieder vorgetragen von den Hartz-IV-Parteien (mit deutlicher Beschuldigung an die Adresse der arbeitswilligen Zwangsuntätigen in der Bundesrepublik, nämlich mit dem Vorwurf versehen, zu wenig für ihre „Wiedereingliederung in das Arbeitsleben“ zu tun!), dieses „Bildungs“-Gequatsche ist nichts anderes als ungebildeter Blödsinn, eine ideologisch-motivierte Diffamierung der ALG-II-BezieherInnen. Und: dieses „Bildungs“-Gerede ist nichts anderes als der zynische Selbst-entlastungsversuch des nach wie vor alltäglich praktizierten Neoliberalismus–™ in diesem Land, Vertuschung der Tatsache nämlich, daß es immer noch der Marktradikalismus ist, der verantwortlich zeichnet für die Massenarbeitslosigkeit und das millionenfache Massenelend. Schließlich: im Suggestionsbereich dieser Talkshow-These, Mangel an „Bildung“ sei schuld am Fortbestehen der Arbeitslosigkeit, geistert auch noch der diffamierende Umkehrschluß herum, es sei überhaupt der Mangel an „Bildung“ gewesen, auf Seiten der arbeitenden Menschen, der zu dieser immensen Erwerbslosigkeit in diesem unseren Wirtschaftswunderland geführt habe, ein weiterer Vorwurf also an die Adresse der Zwangsarbeitslosen. Kurz:

Die führenden Politiker in unserem Land plappern unwissend oder willentlich nur die Propagandaformeln der Wirtschaftsführer in unserem Arbeitsparadies nach. Vom Ablehnungsgrund „überqualifiziert“, den schon so mancher Arbeitsplatzbewerber in den Personalbüros der Firmen entgegennehmen mußte, scheinen diese Damen und Herren auf den Talkshow-Sesseln der Illner und Will noch nie etwas gehört zu haben. Sie erweisen sich, diese Hartz-IV-Apologeten, als willfährige Handlanger einer rechts- und sozialstaatsfeindlichen Einstellungspraxis seitens der bundesdeutschen Wirtschaft. Sie quatschen mit ihrem Medien-Gebrabbel einen in-humanen Massenskandal aus dem allgemeinen Bewußtsein und versehen ihn mit einer Pseudolegitimation: die „ungebildeten“ Arbeitssuchenden seien selber schuld an ihrem Schicksal, nicht das Wirtschaftssystem. Mit anderen Worten: diese Politiker stellen sich auf die Seite einer ökonomischen Praxis, die eines der wichtigsten Menschenrechtserfordernisse schon seit langem nicht mehr erfüllt: das Recht der arbeitswilligen und arbeitsfähigen Menschen auf Arbeit –“ nebenbei: auf menschenwürdige Arbeit! –“ und auf ein menschenwürdiges Leben!

Wenn hier jemand „Bildung“ benötigt, dann sind es diese Beschwörer der „Bildung“. Vielleicht würde ihnen ja helfen, wenn sie einmal für ein ganzes Jahr lang Taxi fahren müßten, zum Beispiel in Göttingen, dieser niedlichen alten Universitätsstadt.

Holdger Platta ©
cronjob