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Reader mit antimilitaristischen Positionen zum G8-Gipfel in Heiligendamm erschienen

Titelseite des 52 seitigen Readers
Die Informationsstelle Militarisierung hat gemeinsam mit der attac-Projektgruppe G8 einen Reader zur Mobilisierung zum G8-Gipfel
herausgegeben:

"G8, GLOBALISIERUNG UND KRIEG - ANTIMILITARISTISCHE POSITIONEN ZUM GIPFEL IN HEILIGENDAMM"

Er kann für 2.- Euro pro Stück + Porto bestellt werden bei:

Informationsstelle Militarisierung (IMI) e. V.
Hechingerstr. 203
72072 Tübingen
Tel: 07071/49154
Fax: 07071/49159
imi@imi-online.de
www.imi-online.de

oder im Internet herunter geladen werden.


Inhalt:


Vorwort: Mehr als nur dagegen sein!

Tobias Pflüger:
G8 UND DIE MILITARISIERUNG DER WELT

Lydia Krüger:
KONZERNMACHT G8 - Eine Kritik der Konzernagenda der deutschen G8-Präsidentschaft

Claudia Haydt:
DIE „FRIEDENSPOLITIK" DER G8 - Verarmen - Aufrüsten - Intervenieren

Jürgen Wagner:
NEOLIBERALE GEOPOLITIK - Transatlantische Konzepte zur militärischen Absicherung der Globalisierung

Andrea Anton:
GIPFEL DER REPRESSIONEN

Christoph Marischka:
G8 UND MIGRATION - Der aktive Abbau der Menschenrechte und die militärische Kontrolle der Armut

Aktivistinnen der Berliner Koordinierung „G8 + Krieg":
VON DER HEIDE BIS ZUM STRAND - G8 und Militarisierung

Aus dem Vorwort:
MEHR ALS NUR DAGEGEN SEIN!

Seit zwei Jahren werden nun bereits die Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm vorbereitet. Lange bevor die Sperranlage um das Fünf-Sterne-Hotel Kempinski aufgebaut wurde, vernetzten sich AktivistInnen aus ganz Deutschland und dem Ausland, um zu mobilisieren, Infrastruktur vorzubereiten und aktionsfähige Bündnisse zu schmieden. In allen möglichen Städten, nicht nur den üblichen Protesthochburgen, gab es Vorbereitungstreffen und Mobilisierungsveranstaltungen. Viel wurde diskutiert in den letzten Monaten - über den Sinn und Unsinn von Gipfelprotesten, über die Aktionsformen, über Nutzen und Grenzen der Kooperationen und über die Schwerpunktthemen, das Motto der Proteste.
Insofern kann man den Gipfel fast als Segen betrachten, weil er als gemeinsamer Angriffspunkt linke Debatten angestoßen hat und womöglich in eine vielfältige Praxis mit gemeinsamer Stoßrichtung mündet. Dabei ist es explizit nicht so, dass sich die Aufrufe zu Protesten auf ein bloßes Dagegen-sein reduzieren würden. Im Gegenteil wurden ins Zentrum der Mobilisierung Themen gerückt, die auf der offiziellen Agenda der G8 überhaupt nicht oder nur am Rande vorkommen.


2005 in Gleneagles war das noch anders: Während drinnen die Staatsoberhäupter über die "Entwicklung Afrikas" diskutierten, wurde draußen gefordert "make poverty history" - "macht, dass Armut zur Geschichte wird". An wen sich diese Forderung genau richtete, blieb unklar, doch man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren (und die Presse interpretierte das natürlich auch so), dass sich diese Forderung an die politischen Gegner richtete. Wenn dem so war, dann wurde damit dem Anspruch der G8-Vertreter, als eine - wenn auch ungeliebte - Weltregierung akzeptiert zu werden, bereits entsprochen.

Als erster Termin der Gipfelproteste wird in den Kalendern meist der 1. Juni benannt, an dem das Bombodrom - ein als Truppenübungsplatz vorgesehenes Gelände nordöstlich von Berlin -“ wieder angeeignet werden soll. Noch bevor die Herren und Damen Politiker anreisen, wird es am 2. Juni eine internationale Großdemonstration in Rostock geben, mit der das breite G8-Widerstandsbündnis die gemeinsamen Gipfelproteste einläuten wird. Am 3. und 4. Juni folgen Aktionstage zum Thema Landwirtschaft und Migration. Zum Auftakt des eigentlichen Gipfels ist dann eine Blockade des Flughafens Rostock-Laage angekündigt, der nicht nur während des Gipfels als Infrastruktur für die Gipfelteilnehmer dient, sondern Teil ihres militärischen Machtapparates ist. Der 5. Juni steht also unter dem Schwerpunkt "Antimilitarismus".

In doppelter Hinsicht hat die Schwerpunktsetzung der Linken die Legitimität der G8 untergraben. Erstens, indem sie die Themen der G8 nicht übernahm (notgedrungen freilich, denn die deutsche Regierung veröffentlichte erst vor wenigen Wochen die offizielle Agenda) und einfach überall ein "Anti-" davor setzte. Zweitens, indem sie Themen wählte, von denen niemand auf die Idee kommen würde, dass die G8 sie lösen könnten: Militarismus und die rechtliche Prekarität von MigrantInnen.

Über Abrüstung, über eine Auflösung ihrer Armeen, werden die G8-Vertreter ganz sicher nicht diskutieren. Denn sie sind die Grundlage ihrer Macht. Das wird bei Gipfeln und den Protesten deutlich wie selten. Denn ohne militärische Infrastruktur, geheimdienstliche Bespitzelung der Gegner und ein Heer von Polizei könnten sie sich nicht einmal in Ruhe treffen. Die arrogante Haltung, sich in großen und prominenten Städten zu ihren Gipfeln zu verabreden, wurde den G8 bereits ausgetrieben. Mit Hilfe des Militärs wollen sie das durchsetzen, was sie Sicherheit nennen: Eine neoliberale Globalisierung, die ganze Regionen in Armut und Konflikte stürzt, die Menschen weltweit bedroht. Tobias Pflüger stellt in seinem Beitrag die gemeinsamen Strategien der G8-Staaten dar, mit denen dem weltweiten Gestaltungswillen der G8 militärisch entsprochen werden soll, und gibt damit Hinweise auf die Gestalt der kommenden Kriege. Nach wie vor ist die Linke natürlich überzeugt, dass Armut zur Geschichte werden muss. Dass Entsprechendes von den G8 jedoch nicht zu erwarten ist, wird aus Lydia Krügers Überblick über die Geschichte der G8-Gipfel und die Agenda der deutschen Präsidentschaft deutlich. Claudia Haydt stellt dar, dass es eben die Armut ist, die für das gewalttätige Aufbrechen von Konflikten verantwortlich ist und dass die Interventionen der mächtigen Staaten lediglich deren Eigeninteressen folgen, nicht aber geeignet sind, dauerhaften und gerechten Frieden herzustellen. Tatsächlich geht es den Militärstrategen vielmehr um die kontinuierliche Wiedereingliederung und Kontrolle einer "nicht-integrierenden Lücke" - Regionen, die "weitgehend abgekoppelt von der globalen Ökonomie" und deren "Spielregeln" sind - wie Jürgen Wagner auf Grundlage seiner Recherchen in den Papieren transatlantischer Thinktanks beschreibt.

Doch nicht nur fernab des Gipfels und des Lebens der meisten angereisten DemonstrantInnen wird dieser neue Kolonialismus spürbar. Der schleichende Kriegszustand äußert sich durch die zunehmenden Repressionen im Kontext der Gipfelproteste, wie Andrea Anton darstellt - nicht ohne jedoch auch Gegenstrategien vorzuschlagen. Alltag ist er hingegen für diejenigen, die auf der Suche nach einem besseren Ort zum Leben und Arbeiten illegalisiert und kriminalisiert werden. Christoph Marischka beschreibt die G8-Politik gegenüber MigrantInnen als aktiven Abbau der Menschenrechte und militärische Kontrolle von Armut.
Am Ende wird es wieder praktisch: Aktivistinnen der "Berliner Koordinierung G8 + Krieg" liefern Hintergründe zum Bombodrom und dem Flughafen Rostock-Laage und berichten über Erfolge und Schwierigkeiten bei der Mobilisierung und Vernetzung von Protest zwischen ansässiger Bevölkerung und politischen AktivistInnen. Der Fahrplan für antimilitaristische Aktionen im Frühsommer 2007 steht damit fest: von der Heide an den Strand (oder einfach vor der eigenen Haustür). Viel Spaß bei der Lektüre und einen schönen Frühling wünschen bis dahin

Kay Schulze für die Attac-Projektgruppe G8
Christoph Marischka und Jürgen Wagner für die Informationsstelle Militarisierung

Ehren Watada: Prozess wegen Formfehlern vorerst beendet

Fort Lewis/Washington USA: Der Militärgerichtsprozess gegen Ehren Watada wurde am Mittwoch wegen Verfahrensfehlern durch den Vorsitzende Richter Lt. Col. John Head abgebrochen und auf den 19. März vertagt. Der 28 jährige 1st Ltd. Ehren Watada, Soldat in der "Stryker Brigade" ist der erste höhere Offizier, der den Kriegsdienst im Irak verweigerte, als seine Einheit im Juni in den Irak verlegt werden sollte.

Anlaß für die Vertagung war ein Antrag der Anklage. Nach Ansicht des Richters habe Ehren Watada - angeblich ohne sich über die Folgen im klaren zu sein - ein Dokument unterzeichnet, in dem er erklärt, daß er sich weigert, seiner Einsatzpflicht nachzukommen und mit seiner Einheit in den Irak verlegt zu werden, weil der Irakkrieg ein illegaler Krieg ist und er wenn er illegalen Befehlen gehorchen würde, zum Kriegsverbrecher werden würde. Laut Bericht der “Seattle Post-Intelligencer” sei der Richter verpflichtet, Ehren Watada zu schützen und verfügte deshalb den Abbruch.

Solidarität mit allen Verweigerern!
Foto mit freundlicher Genehmigung von Jim Ehrmin
Diese Auffassung Watadas ist jedoch nichts neues sondern sein Motiv für seine Haltung: "Es war schon immer seine Position, nicht einfach nur seiner Einsatzpflicht nicht nachkommen zu wollen, sondern er wollte nicht an einem Krieg teilnehmen, den er für illegal hält" so Watadas Anwalt, Eric Seitz. Dazu sei er verpflichtet. Schon vor dem 22. Juni 2006, als sich Lt. Watada der Versendung in den Irak verweigerte, untersuchte die Armee seine ablehnende Haltung gegenüber dem Irakkrieg. Die formellen Anklagepunkte bestätigen, daß es den Militärbehörden in erster Linie darum geht, Watada zum Schweigen zu bringen und damit auch ein Exempel gegenüber der zunehmenden Ablehnung des Irakkriegs in der Bevölkerung und auch in den Streitkräften zu statuieren:

Die Anklagepunkte beinhalten unter anderem die Klage wegen Verstößen in 3 Punkten des "Uniform Code of Military Justice (UCMJ)" angeklagt. Dies ist ein US-Bundesgesetz, auf welchem das Militärrecht der USA basiert. Die Anklage bezieht sich dabei besonders auf die Bestrafungsartikel dieses Gesetzes:

§ 887. Art. 87. Missing movement
Unter diesen Paragrafen fallen Handlungen, die die Ausführung des Marschbefehls ganzer Einheiten betreffen.
§ 888. Art. 88. Contempt toward officials
Verachtung von Vorgesetzten und derer Befehle, speziell gegenüber Präsident G.W.Bush, der den Befehl zum illegalen Irak Krieg gab
§ 933. Art. 133. Conduct unbecoming an officer and a gentleman
Das Verhalten von Ehren Watada entspricht nicht dem Codex, sich wie ein "Offizier und Gentleman" zu verhalten.

Einsichten auf der Solidaritätskundgebung für Ehren Watada
Foto mit freundlicher Genehmigung von Jim Ehrmin
Die Aussagen des Artikels 88 wurden in der Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges und des 1. Weltkrieges getroffen. Seine letzte bekannte Anwendung war 1965 in der Sache Howe gegen die Vereinigten Staaten. Leutnant Howe protestierte damals gegen den Vietnamkrieg. Die Verteidigungstrategie Watada's baut darauf auf, die illegalen Grundlagen des Irakkrieges anzugreifen.

Richter Lt. Col. John Head hatte wiederholt erklärt, die politischen Auffassungen Ehren Watadas stünden nicht zur Diskussion. Watada sieht die Gründe für den Krieg in der "Profitsucht" und "imperialistischem Vormachtstreben" und nicht - wie von der Bush Regierung behauptet, als notwendig zum "Schutz der Nation".

Richter Lt. Col. John Head versuchte daher zu verhindern, daß die Militärgerichtsverhandlung zu einem Tribunal gegen den Irakkrieg wird und verfügte, daß Watadas Anwalt Eric Seitz die Frage der Legalität des Krieges nicht zum Gegenstand der Verteidigung machen darf. Ebenso wurde eine Reihe wichtiger Zeugen der Verteidigung nicht zugelassen.

Sean Penn auf der Solidaritätskundgebung für Ehren Watada
Foto mit freundlicher Genehmigung von Jim Ehrmin
Dagegen unterstützen Friedensaktivisten mit Aktionen und Demonstationen in mehr als 20 Städten Watadas Standpunkt und forderten, daß dieser freigesprochen wird:

Wie gestern berichtet, haben sich eine Reihe prominenter Persönlichkeiten, darunter die für ihre kritische Haltung bekannten Kulturschaffenden Willie Nelson, Harry Belafonte, Mike Farrell, Ed Asner, Randi Rhodes, Susan Sarandon, Martin Sheen und andere, aber auch der Friedensnobelpreisträger Erzbischof Desmond Tutu auf die Seite Watadas gestellt.

"Ich sehe, daß in den vorgelegten Tatsachen Ungereimtheiten zu erkennen sind, von denen ich nicht weiß, wie ich sie aktzeptieren soll..." kennzeichnete der Richter Lt. Col. John Head am Mittwoch treffend das Dilemma. Er wies darauf hin, daß viele der Beweise der Anklage in dem Dokument angelegt sind und seine Zurückweisung als Beweisstück wiederum den Fall untergraben würde. Er gewährte trotz Protesten von Watadas Verteidigung dem Antrag der Anklage auf Vertagung.

Damit zeigt sich, daß die Versuche der Armee, den Prozess als Schauprozess zu führen, durchaus auf wackligen Beinen steht. Umso mehr wird es auf die Verstärkung der Proteste und der Antikriegsbewegung in den U.S.A. wie auch in allen anderen beteiligten Ländern ankommen.

"Unsere Hoffnung ist nun, dass die Armee erkennt, dass dieser ganze Fall ein hoffnungsloses Durcheinander ist", sagte der Verteidiger Eric Seitz.

Statt auf die "Einsicht" der Armee setzen die "Friends and Family of Lt. Watada - www.ThankYouLt.org" auf klare Forderungen:

1. Keine Bestrafung von Lt. Watada
2. Unterstützung für Lt. Watada und alle anderen, die weltweit für ihr Eintreten für das Ende des Irakkrieges unterdrückt werden.
3. Offizielle Anerkennung der Gesetzwidrigkeit des Irakkrieges
4. Untersuchung und Veröffentlichung der durch die Fortsetzung des illegalen Irak Krieges und der Besatzung sowie der Verfolgung der Kriegsdienst- und Besatzungsverweigerer entstandenen sozial- politischen und ökonomischen Kosten

Zum Themenschwerpunkt

Ein weiterer Bericht auf tagesschau.de

Update 10.2.: Korrekturen

Ehren Watada: Richter beendet Prozess

In einer überraschenden Wendung hat der Richter im Prozess gegen den Irakkriegsverweigerer Leutnant Ehren Watada dem Antrag der Anklage auf ergebnislose Beendung des Prozesses stattgegeben. Damit ist der Prozess fürs erste beendet. Möglicherweise wird in der nächsten Zeit ein neuerlicher Prozess gegen Watada eröffnet.


Zum Bericht im politblog.

Siehe auch die Information bei Courage to Resist und der Kampagnenseite ThankYouLT.org

Weitere Berichte folgen. Zum Themenschwerpunkt

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