Skip to content

Verwässerung der EU-Öko-Verordnung durch den EU-Agrarministerrat stößt auf scharfe Kritik des BÖLW

Am 15.12. warnte Klaus Faißner im Beitrag: "Brüssler Anschlag auf Bio", dass der EU-Agrarministerrat ohne Zustimmung des EU-Parlamentes das Label „Bio“ verwässern und Gentechnik-Verschmutzung durch Pollenflug offiziell zugelassen könne. Seit gestern steht das Ergebnis fest:

Berlin, 20.12.2006 Trotz des vehementen Appells von Bundestag, einzelnen Parteien und Wirtschaftverbänden den Verhandlungsprozess zur EU-Verordnung nicht vorschnell abzubrechen, hat der EU-Agrarministerrat gestern weit reichende Beschlüsse zur Revision der EU-Öko-Verordnung gefasst. Die getroffenen Beschlüsse bedeuten eine Verwässerung des bisherigen staatlichen Standards und stoßen damit auf scharfe Kritik des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). "Der Agrarrat hat sich für Geschwindigkeit vor Qualität entschieden und die Verbrauchersicherheit zugunsten von Erleichterungen im internationalen Handel zurückgefahren", so Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstandsvorsitzender des BÖLW.

Zwar ist es gelungen erhebliche Verbesserungen im Vergleich zum ersten Revisionsentwurf der EU-Kommission vom Dezember 2005 zu erreichen. Die Beschlüsse des Agrarrats bedeuten gegenüber der aktuell geltenden EU-Öko-Verordnung jedoch eine Verschlechterungen in wesentlichen Punkten:

1. Die bisherige Verordnung unterband klar jede Form von missbräuchlicher und irreführender Produktkennzeichnung mit dem Begriff "Bio". Der jetzige Verordnungsentwurf gibt diese Klarheit und damit auch die durch Rechtsurteile untermauerte Sicherheit auf.

2. Die Regelungen zum Import von Bio-Produkten sind nicht präzise genug, um eine Gleichwertigkeit von europäischer und Ware aus Drittländern sicherzustellen.

3. Die Verwendung des EU-Bio-Logos wird verpflichtend für alle Bio-Produkte vorgeschrieben. Damit verliert auch das mit hohem Aufwand eingeführte, sich auf nahezu allen Produkten befindliche und beim Verbraucher bestens bekannte deutsche Bio-Siegel seine Bedeutung - zumal es künftig für einen niedrigeren als den heutigen Qualitätsstandard stehen würde.

Dass die Bio-Verbände auch weiterhin nach eigenen höheren Standards arbeiten und diese gegenüber dem Verbraucher kommunizieren können, ist einer der wesentlichen Verhandlungserfolge der Bio-Organisationen. "Angesichts der jetzt gefassten Beschlüsse, wird die Bedeutung der privatwirtschaftlichen Bio-Standards für die Sicherung hoher Bio-Qualität größer", so Alexander Gerber, Geschäftsführer des BÖLW.

Der BÖLW machte deutlich, dass nach der neuen Verordnung Bio-Produkte auch künftig ohne gentechnisch veränderte Organismen hergestellt werden müssen. "Von der Gefahr, dass Produkte durch das Verschulden von GVO-Anbauern kontaminiert werden, sind konventionelle und ökologisch wirtschaftende Bauern jedoch gleichermaßen betroffen", so Löwenstein. Deshalb sei es konsequent, für alle ohne Gentechnik arbeitenden Betriebe die gleichen Kennzeichnungs-Grenzwerte vorzusehen.

"Insgesamt betrachtet ist der Revisionsprozess der EU-Verordnung ein trauriges Kapitel europäischer Politik. Ziel war es die Verordnung weiterzuentwickeln, letztlich ist das Ergebnis in zentralen Punkten ein Rückschritt", fasst Gerber zusammen. "Umso bedeutsamer ist es, dass die deutsche Ratspräsidentschaft unter Einbeziehung der Wirtschaftsakteure alles daran setzt, Klarheit für die vielen unbestimmten Rechtsbegriffe zu erreichen, die der beschlossene Vorschlag noch enthält", fordert Gerber.


Kontakt und weitere Informationen:

Dr. Alexander Gerber
Geschäftsführer
Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. (BÖLW)
Marienstr. 19-20
10117 Berlin
Fon +49 (0)30 28482 300
Fax +49 (0)30 28482 309
gerber@boelw.de
Webseite

Brüsseler Anschlag auf „Bio“

Am kommenden Dienstag, den 19. Dezember, wird beim EU-Ministerrat über eine neue EU-Bio-Verordnung abgestimmt -“ ohne Zustimmung des EU-Parlamentes soll „Bio“ verwässert und Gentechnik-Verschmutzung durch Pollenflug offiziell zugelassen werden.

„Bio“ ist gefragt wie nie zuvor. Noch nie haben so viele Verbraucher zu Lebensmitteln aus ökologischem Anbau gegriffen, die Umsatzzuwächse bewegen sich im zweistelligen Bereich. Nicht zuletzt die strengen Bio-Kontrollsysteme in Österreich und Deutschland mit ihren klaren Richtlinien haben dazu beigetragen, dass die Verbraucher hohes Vertrauen in Bio-Produkte haben.

Doch dieses Vertrauen könnte durch die Novelle zur EU-Bio-Verordnung, die am Dienstag, den 19. Dezember, im EU-Agrarministerrat beschlossen wird, nachhaltig erschüttert werden. Bereits beschlossen wurden im „Sonderausschuss Landwirtschaft“ die (WTO-konformen) Importregelungen für Bio-Produkte aus Nicht-EU-Staaten. Hier wird es am Dienstag zu einer „Abstimmung ohne Diskussion kommen“, wie es aus dem österreichischen Landwirtschaftsministerium heißt. Namhafte Vertreter deutscher Bio-Verbände warnten bis zum Schluss vor „einer Verschlechterung für die Verbraucher“. Grund: Die Kompetenz für die Kontrollen soll von den Nationalstaaten hin zur EU-Kommission wandern, die aber zu wenig Kapazitäten haben dürften, dies zu überprüfen.

0,9 Prozent Gentechnik in Bio-Produkten?

Noch weitreichendere Folgen dürfte aber der zweite Teil der Tagesordnung haben: Über die EU-Bio-Verordnung soll eine politische Einigung erzielt werden, ohne eine Stellungnahme des EU-Parlaments abzuwarten. Dies war bisher erst einmal bei der Zuckermarktreform der Fall, was zu heftigen Protesten des EU-Parlamentes geführt hat. Der strittigste Punkt ist die offizielle Angleichung des Gentechnik-Kennzeichnungs-Grenzwertes für Bio-Produkte an konventionelle Produkte. Konkret heißt das, dass Bio-Ware bis zu 0,9 Prozent mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) kontaminiert sein darf, ohne dies kennzeichnen zu müssen. Zwar gilt dieser Grenzwert „nur“ für eine „zufällige und technisch nicht vermeidbare“ Kontamination von außen -“ etwa durch Pollenflug -“ und dürfen Bio-Bauern und Bio-Verarbeiter weiter keine GVO selbst verwenden. Aber der Konsument wird künftig im Dunklen gelassen. Die Gewissheit, garantiert gentechnikfreie Produkte (in Österreich galt bisher der Grenzwert an der Nachweisgrenze von 0,1 Prozent) einzukaufen, würde somit wegfallen. 0,9 Prozent „Verschmutzungserlaubnis“ in Bio-Produkten würde natürlich auch der Gentechnik in der Landwirtschaft Tür und Tor öffnen -“ denn sobald GVO freigesetzt werden, kommt es zur Gentechnik-Kontamination, wie zahllose Studien belegen. In Österreich wurden bespielsweise noch nie GVO freigesetzt.

Verwunderlich stimmt daher die Stellungnahme von Bio-Austria, dem Dachverband der österreichischen Bio-Verbände: „Wir sind unter bestimmten Bedingungen bereit, diesen gemeinsamen Kennzeichnungs- und Vermarktungs-Grenzwert mit konventionellen Produkten mitzutragen“, erklärt Thomas Fertl, der von Bio Austria vor kurzem für die Koordination der agrarpolitischen Arbeit verpflichtet wurde. Die Bedingungen lauten: Das Saatgut muss sauber bleiben und jede Gentechnik-Verunreinigung beispielsweise durch Pollenflug, die vermeidbar gewesen wäre, muss als illegal geahndet werden. Eine derartige Regelung müsste aber in anderen EU-Gesetzestexten erfolgen und ist sicher nicht in allernächster Zeit zu erwarten.

EU-Logo wird Pflicht

Außerdem soll das bislang unbekannte EU-Logo verpflichtend auf alle Bio-Erzeugnisse kommen. Zwar konnten Interventionen zahlreicher Mitgliedsstaaten verhindern, dass die nationalen Logos nicht mehr verwendet werden dürfen, im Falle eines Bio-Skandals im Zusammenhang mit dem EU-Logo wären aber alle Bio-Erzeuger in ganz Europa betroffen und könnten sich nicht mehr vom EU-Logo lösen. Es gibt noch eine Vielzahl weiterer strittiger Punkte, die aufgrund des Zeitdrucks, den die EU-Kommission und die finnische Präsidentschaft machten, nicht mehr ausverhandelt werden können. Am Dienstag geht es um die Ablehnung oder Annahme der neuen EU-Bio-Verordnung. „Österreichs Linie ist noch offen. Der Minister ist sehr kritisch, vor allem was die Gentechnik anbelangt“, heißt es aus dem Ministerium.

Bio-Verbände als „Handelshemmnisse“

Wie sehr diese EU-Bio-Verordnung an allen Betroffenen und vor allem an der Bevölkerung von Anfang an hätte vorbeigeschwindelt werden sollen, zeigt die Beurteilung des Bioland-Präsidenten Thomas Dosch zum ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission vom 21. Dezember 2005: „Dieser glich einer feindlichen Übernahme.“ Nach diesem Vorschlag wären die Bio-Verbände, die privat über Jahrzehnte die biologische Landwirtschaft aufgebaut hatten, völlig entrechtet worden. Begründung der EU-Kommission: Sie seien „Handelshemmnisse“.

Gentechnik mit allen Mitteln

Die Bio-Verordnung ist nur eines von mehreren Hilfsmitteln, wie die Gentechnik nun offensichtlich mit Hochdruck -“ gegen den Willen der Bevölkerung - in die österreichische und europäische Landwirtschaft gebracht werden soll: Bereits am Montag, den 18. Dezember, werden die EU-Mitgliedsstaaten auf Geheiß der EU-Kommission wahrscheinlich die österreichischen Genmais-Importverbote aufheben - gegen den Willen Österreichs. Zusätzlich will eine Initiative im EU-Agrarausschuss der Gentechnik freien Lauf lassen und wird die EU-Kommission im Frühjahr ihre Biotechnologie-Initiative vorstellen.

Text: Klaus Faißner, Freier Journalist, Wien email: klaus.faissner@chello.at

Der Kampf gegen die Gentec-Multis geht weiter

GMWatch verbreitet Englische Fassung des Artikels zu Freisetzung in Gatersleben weltweit

Die Seite GMWatch.org hat am 10. 12. unter dem Titel "Experimental GM wheat planting contradicts German, European law" eine englische Übersetzung des Artikels von Dr. C. Palme aufgrund seiner internationalen Bedeutung veröffentlicht. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass die deutsche Version: “Freisetzungsversuch in Gatersleben verstößt gegen deutsches, europäisches und internationales Recht!” unter anderem bei uns zu finden ist.

Entscheidung zu Entschließungsentwurf für Biotechnologie vertagt
Der hier von Klaus Faißner besprochene Entwurf des EU-Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung vom 6. 11., gezeichnet von dem Finnen Kyösti Virrankoski, wurde angesichts von 190 Einwendungen von Ausschussmitgliedern vom 18. 12. auf den 22. oder 23. Januar 2007 vertagt. Die Kampagnenarbeit hat also einen weiteren Erfolg gebracht

Weiterer Protest gegen diesen Entschließungsentwurf bleibt dringend notwendig!

Die eMail - Aktion der Agrargruppe von Attac-Wuppertal an die Mitglieder des zuständigen Ausschusses ermöglicht es, die Verantwortlichen mit massenhaften Mails zu erreichen - nach Ländern in 3 Sprachen aufgeteilt und je nach Emailprogramm mit 3 verschiedenen Methoden. Deshalb bitten wir die Leserinnen und Leser dieses Blogs um Beteiligung an dieser Aktion.


Siehe auch weitere Berichte zum Thema in der Kategorie Globalisierung und Ökologie

Medienschau:
Die Tageszeitung “junge welt” berichtet am 25.11. zu Gatersleben: “Lobbyisten genehmigen Genweizenanbau”


(Dieser Bericht ist in Bearbeitung)
cronjob