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Le bourgeois revenant



Theodor W. Adorno, Heidelberg 1964

Foto: Jeremy J. Shapiro

Lizenz: CC BY-SA 3.0
Absurd hat in den faschistischen Regimes der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts die obsolete Wirtschaftsform sich stabilisiert und das Grauen vervielfacht, dessen sie bedarf, um sich aufrecht zu erhalten, nun ihre Sinnlosigkeit offen zutage liegt. Davon aber ist auch das Privatleben gezeichnet. Mit der Verfügungsgewalt haben sich zugleich die stickige Ordnung des Privaten, der Partikularismus der Interessen, die längst überholte Form der Familie, das Eigentumsrecht und seine Reflexion im Charakter nochmals festgesetzt. Aber mit schlechtem Gewissen, dem kaum verhohlenen Bewußtsein der Unwahrheit. Was immer am Bürgerlichen einmal gut und anständig war, Unabhängigkeit, Beharrlichkeit, Vorausdenken, Umsicht, ist verdorben bis ins Innerste. Denn während die bürgerlichen Existenzformen verbissen konserviert werden, ist ihre ökonomische Voraussetzung entfallen. Das Private ist vollends ins Privative übergegangen, das es insgeheim von je war, und ins sture Festhalten am je eigenen Interesse hat sich die Wut eingemischt, daß man es eigentlich ja doch nicht mehr wahrzunehmen vermag, daß es anders und besser möglich wäre. Die Bürger haben ihre Naivetät verloren und sind darüber ganz verstockt und böse geworden. Die bewahrende Hand, die immer noch ihr Gärtchen hegt und pflegt, als ob es nicht längst zum "lot" geworden wäre, aber den unbekannten Eindringling ängstlich fernhält, ist bereits die, welche dem politischen Flüchtling das Asyl verweigert. Als objektiv bedrohte werden die Machthaber und ihr Anhang subjektiv vollends unmenschlich. So kommt die Klasse zu sich selbst und macht den zerstörenden Willen des Weltlaufs sich zu eigen. Die Bürger leben fort wie Unheil drohende Gespenster.



Theodor W. Adorno - Minima Moralia

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